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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 121 - Nr. 130 (30. Mai - 11. Juni)
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Organ für Wallrünt, Fmkmt L Keclff.

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bewilligung. Expedition: Zwingersiratze 7.


Verantwort!. Rckakem: F. L. Knappe
m Heidelberg.

SÄkldn», Zssilig, k» I. Zinii.

Drucku.Verlagvontöebr.HuberinHeidelberg
früher Verleger des Psälzer Boten.


/L, Gute Zeile« k
Gute Zeiten kommen wieder. So möchte man
glauben, wenn man im „Reichsanzeiger" die dort
veröffentlichten Zahlen über den Fleischkonsum und
die Erhöhung der Sparkasseneinlagen im Königreich
Sachsen liest' Es wird in diesen Zahlen festgestellt,
daß der Verbrauch von Rind- und Schweinefleisch auf
den Kopf von 15 Kilogramm auf 37,1 Kilogramm
gestiegen ist und zwar in der Zeit von 1840—1888.
Die Sparkasseneinlagen stiegen von 6,18 Mark im
Jahre 1849 auf 151,17 M. pro Kopf der Bevölke-
rung im Jahre 1887. Solche Zahlen beweisen! meint
dazu die gedankenlose Presse, welche einfach die hohen
Zahlen sieht, nicht aber mit den Begleitnmständen
rechnet. Freilich passen solche schöne Ziffern zu den
Nedeusarten von guter Lebenshaltung der Arbeiter
und Landleute, und läßt sich an ihrer Hand alles
Mögliche und Unmögliche nachweisen. Ebe wir uns
auf einen ziffcrmäßigen Nachweis der Unrichtigkeit
der Behauptung daß eine Besserung der Lebenshaltung
der Bevölkerung, besonders der industriellen, nicht
wehr zu leugnen sei, wollen wir blos daran
erinnern, daß, wenn man die Sparkassen betrach-
tet, in erster Linie die Zahl derselben seit 1840 zu
berücksichtigen ist. Je mehr man den Sparern Ge-
legenheit giebt und gab, ihr Geld ohne besondere Un-
bequemlichkeiten anlegen zu können, desto höher wurde
naturgemäß die Summe des eingelegten Kapitales.
Um aber behaupten zu können, daß diese Summen
aus Arbeiter!: eisen stammen, müßte die Statistik den
Nachweis über die Einleger führen, den sie aber
unseres Wissens nirgens führt, angeblich weil das
zu zeitraubend für die Beamten der Kassen wäre.
Wir haben ober darüber unsere eigenen Gedanken.
Die Zahl der Einleger rckrntirt sich seit Jahren
schor?nickt mehr aus der Schichte des Volkes, für
Kelche die Sparkassen ursprünglich bestimmt waren,
sondern ein sehr großer Theil der Einleger gehört
Personen an, denen bei der heutigen Unsicherheit un-
serer politischen Lage, Staats- oder gar Industrie-
Papiere nickt mehr sicher genug sind, welche den fast
überall auf 30z Prozent stehenden sicheren Spar-
kassezins dem unsicheren Papierzins Vorziehern
Möge das bei Beürtheilung über die Mehrung
der Sparkasseneinlagen wohl berücksichtigt werden.
Die erhebliche Erhöhung des Einlagenstandes ist
Klm größten Theil gerade auf diese» Umstand zurück-

LreuerKiebe Kohn.
8l> Roman von U. Rosen
iNachdr verb.)
„Meine elende Hütte ist kein paffendes Obdach für eine
Tremor." . .
„Sie würde dennoch damit zufrieden lern. Ormond
versolat sie, um sie zu beiralhen."
„O, dann ist sie hier nicht so sicher, wie Sie glauben.
Mein kleiner Gast ist Ormonds Sohn."
.Ormond hat keinen Sohn, liebe Grethe."
Giralda war inzwischen wieder in das Zimmer ge-
irrten um sich mit der Frage, die ihr Gcmüih am leb-
haftesten beschäftigte, an Grethe Wilms zu wenden. „Wissen
bie nicht, meine Liebe," rief sie wo Georg Negun, der
ehemalige Kammerdiener der beiden Neffen des Margens
von Trcwor, sich gegenwärtig aufkält?" . „ . „
„Georg Negun? Nein, gnädiges Fräulein, rch habe
nichts von ibm gekört, seit er vor achrzehn Jahren, nach
Australien auswanderte. Vielleicht ist er dort gestorben "
. „Ach, nein, ich glaube nicht, daß er todt ist," seufzte
«iralda „Er allein ist es, der ein schweres Unrecht wieder
M macken kann, und die Vorsehung mutz ibn zu diesem
Zweck aufbcwahrt und verschont haben. Er ist es, dessen
n>an bedarf, um Ormond zu einem Geständmß zu bewegen."
Gretbe sah verwundert aus ihren Gast.
_ «Frau Pump wird Ihnen wokl gesagt haben, daß ich
Gottfried Trewor's Tochter bin," fuhr Giralda eifrigst
>°rr, .und daß mein Vater noch lebt. Georg Negun besitzt
den Schlüssel zu jener räibselhaften Angelegenheit, welche
viel Unglück über schuldlose Häupter brachte "
„Ja, das dockte ich auch zuweilen," murmelte Grethe
Zbleichend. „Seine Flucht und sein Schweigen deuten
Urauf hin, daß feine Hand bei der dunklen Geschichte im
Thiele war."
„Lord Ormond benutzte ihn als Werkzeug, und den
^errn, nicht den Diener trifft die Schuld. Wenn ich Negun
?ur sehen könnte. Meine Bitten würden ihn sicher er-
Zrickkn und ihn dazu bewegen, meinem Vater zu seinem
^cchte verhelfen- Lieben Sie Negun noch, Margarethe?"
Giralda sprach so sanft und mit so warmer Synpa-

zuführcn, abgesehen von der feit fünfzig Jahren ein-
getretenen bedeutenden Entwerthnng des Geldes,
welche durch erhöhte Löhnen ihr Gegengewicht findet
und sich bei Spareinlagen ebenfalls ausspricht. Wenn
man diese Dinge als Beweise für eine Besserung
unserer allgemeinen Verhältnisse ausschlachten will,
so muß man doch sehr vorsichtig sein, denn eine Sta-
tistik wirft den ganzen Aufbau wieder um, das ist die
Ar me nftati stik, welche in beinahe allen Staaten
wachsende Ziffern zeigt, wie die Sparkasseneinlagen.
Ehe wir aber hier die Ziffern geben, wollen wir
mit einigen Worten noch die angeführte Thatsache
der Mehrung des Fleischkonsums streifen. Dieselbe
ist ziemlich leicht zu erklären, aber gewiß nicht durch
die besser gewordenen Verhältnisse, sondern einzig und
allein durch die im Großen lind Ganzen veränderte
Lebenshaltung des Arbeiters und der Mittelschichten
der Bevölkerung. Leute, welche früher einmal in der
Woche Fleisch aßen, genießen dasselbe jetzt täglich
oder wenigstens mehrere Male. Aehnlich ist es ans
dem Lande. Die Klage unserer Landwirthe, daß die
Knechte täglich Fleisch verlangen, ist zu einer stehenden
geworden. Dazu kommen beim Arbeiter überhaupt
die erhöhten Anforderungen an seine Leistungsfähigkeit
und ein die Zeit kennzeichnender Zug des Luxus, der
sich in der Lebsucht sehr geltend macht. All' diese
Dinge gelten aber nicht allein für Sachsen, sondern
für ganz Deurschland. Fleisch-- Speck-, Schnaps-
und Bierkonsum nehmen in gewissen Zeiten gerne zu,
aber die Liften der konskribirten Armen werden eben-
falls immer voller. Sehen wir uns einmal kurz einige
Ziffern an.
Wir haben oben die zunehmenden Sparkassenein-
lagen und den wachsenden Fleischkonsum in Sachsen
gesehen. Sehen wir jetzt die Armenstatistik an. Am
1. Dezember 1872 betrugen die Kosten für die sächsi-
schen Landarmen 21,604 Mark, 1877 215,071 Mk.,
1880 401,649 Mk., 1881 448,322 Mk. für 93699
Personen oder 3,15 pCt. der Bevölkerung. Dabei
muß noch bemerkt werden, daß nach statistischen Er-
fahrungen die industriellen Gegenden nicht die höchste
Armenziffer ausweisen. Richtig ist, daß die Zahl der
Unterstützten einige Zeit zurückging. Das wird aber
sofort erklärt dadurch, daß in den Jndustriebezirken
eine etwas vorsichtigere Unterstützungsform gewählt
und daraus gesehen wurde, daß Leute, welche ver-
dienen können, auch wirklich arbeiten. Außerdem darf
die Einführung der Krankenversicherung nicht unter-
schätzt werden und führt dies der Bearbeiter der
sächsischen Armenstatistik selbst aus. Haben wir so-
thie zu der mensckenschenen Schäferin, daß sie ihre Zurück-
haltung völlig besiegte.
„Ja, gnädiges Fiäulein, ich liebe ihn noch," sagte sie
gerührt. „Ich liebte niemals einen Anderen, werde nie-
mals einen Anderen lieben, und wenn er lebt, so weiß
ich, daß er mich auch noch liebt, wie vordem."
„So wird chn das Andenken an Ihre treue Liebe vom
äußersten Ende der Erde zu Ihnen zurückführen," rief
Giralda mit glühenden Augen. „Und an dem Tage, an
welchem er zu Ihnen kömmt, erinnern sie sich meiner, und
bestimmen Sie ihn, meines Vaters Namen von unverdienter
Schmach zu reinigen."
„Das will ich gnädiges Fräulein. Ach, wenn ich Sie
nur hier behalten dürfte, aber wenn Lord Ormond Sie
hier trifft —"
„Lord Ormond?"
„Ich habe sein Mündel hier, einen allerliebsten kleinen
Knaben, mit Augen, wie die Ihrigen, der fortwährend nach
seiner Mama ruft."
„Wie heißt der Knabe, Margaretha? Sein Name"—
Ebe Grethe Zeit fand, zu antworten, öffnete sich die
Thür des zweiten Zimmers, und eine schmächtige Knaben-
gestalt erschien auf der Schwelle.
40. Kapitel.
Eine große Freude.
Es war Egon, der Giralda's Stimme gehört hatte,
und trotz Grerhen's Befehl, sich während der Anwesenheit
ihrer Gäste verborgen zu halten, aus feinem Versteck her-
vorgckommen war. Mit einem Schrei des Entzückens warf
er fick seiner Schwester in die Arme.
„O, bringe mich zu Mama zurück, Giralda," bat er.
„Ja, mein süßer Egon, ich werde Dich in Kurzem zu
Mama zurücksühren. Margarethe, das ist mein jüngster
Bruder, den Ormond meinen Eltern stahl, um Gewalt
über uns zu gewinnen- Niemand soll mir das arme Kind
wieder entreißen."
„Nein, Niemand," mischte sich die Haushälterin Lord
Trewor's ein, Grethe Wilms mit herausforderndem Blick
betrachtend. „Ich werde diese beiden Kinder mit meinem
Leben beschützen."

»ach für Sachsen gezeigt, daß nicht Alles Gold ist
was glänzt, fo ist das z. B. für das Königreich
Bayern noch leichter. Wir bemerken aych zu Sachfen,
daß im Jahre 1885 die Gesammtarmenausgabe
5,447,855 M. betrug, so daß bei einer Bevölkerung
von 3,182,003 Personen auf den Kopf 1 M. 71 Pf.
faktische Armenausgaben treffen. Sehen wir uns in
Bayern um. Die gesammte öffentliche Armenpflege
erfordert nach amtlichen Ermittelungen 1882 einen
Betrag von 8,666,465 M. oder l M. 62 Pf. auf
den Kopf der Bevölkerung, 1885 9,420,401 M. oder
1 M. 74 Pfg. pro Kopf, pro 1888 9,934,552 M.
oder 1 M. 81 Pf. pro Kopf. Dieser ständig stei-
genden Armenlast stehen die Sparkassen mit ebenfalls
ständiger Vermögensmehrung und Erhöhung der auf
eine Einlage treffenden Summe gegenüber. So trafen
auf einen Einleger 1869 177 M., 1878 265 M,
1882 282 M., 1887 295 M. Trotz dieser hohen
Sparsummen steigende Armenlast und täglich wachsende
Unzufriedenheit. Es ist daher zweifellos, daß man
aus solchen Ziffern, wie sie der Reichsanzeiger brachte,
nicht Schlüsse ziehen darf, ohne die andern Faktoren
zu berücksichtigen.
Deutsches Reich.
Berlin, 30. Akai. Das bereits gestern kurz
erwähnte Schreiben, welches der Kaiser bezüglich des
Kaiser Friedrich-Denkmals an den Berliner Magistrat
gerichtet hat, lautet wörtlich: „Ans der Jmmediatvor-
stellung vom 8. Mai 1889 habe ich ersehen, daß der
Magistrat den Wunsch hegst Sr. Majestät, dem hoch-
seligen Kaiser und König Friedrich im Zusammenhang
mit dem Umbau der Friedrichsbrücke aus Mitteln der
Berliner Bürgerschaft em Denkmal errichten zu dürfen.
Es hat meinem Herzen wohlgethan, aus dieser Kund-
gebung von Neuem zu entnehmen, welche Treue und
Anhänglichkeit meine Haupt- und Residenzstadt Berlin
dem unvergeßlicken Monarchen widmet. Ich spreche
deshalb allen denen, welche diesen Plan gefaßt und
gefördert haben, meinen königlichen Dank und meine
volle Anerkennung aus. Gleichwohl vermag ich zur
Ausführung desselben meine Genehmigung nickt zu
ertheilen, denn ich kann mir nicht versagen, meinem
in Gott ruhenden Herrn Vater und Vorgänger an
der Regierung in der Hauptstadt des Reiches selbst
ein Denkmal zu errichten. Ich habe meine Minister
der öffentlichen Arbeiten und der geistlichen re. Ange-
legenheiten mit den erforderlichen Einleitungen beauf-
tragt. — Minister Manbach beauftragte die preußi-
schen Eisenbahndirektionen, geeignete Maßnahmen zu
„Ich verstehe das Alles nicht," murmelte Grethe.
„Und doch ist es sonnenklar. Lo d Ormond stahl das
Kind, und Sie Grethe, scheinen seine Mitschuldige zu sein,"
ereiferte sich Frau Pump.
„Ach, was fällt Ihnen ein, Frau Pump," zürnte die
Schäferin.
„Wig, Lord Ormond's Kammerdiener brachte mir den
Kleinen im Auftrage seines Herrn und sagte mW. das
Kind sei Mylord's Mündel, und in Folge eines hitzigen
Fiebers nicht reckt bei Sinnen. Danken Sie Gott, gnädiges
Fräulein, daß ihr Brüderchen nicht in schlechtere Hände
gerieth! Wie hätte ich ahnen sollen, daß Wig mich betrog?"
„Sagte Ihnen Egon nicht wer er sei?" fragte Giralda.
„Ja, er erzählte mir, sein Vater sei ein spanischer
Graf, der an irgend einem verborgenen Orte lebe "
„Ich danke Ihnen, Margarethe, für die Güte, die Sie
meinem Bruder erwiesen. Jetzt muß ich Mama eiligst da-
von benachrichtigen, daß Egon gefunden und in Sicherheit
ist. Wie gelange ick zur nächsten Telegraphenstation?"
„Mein kleiner Gehilfe, ein aufgeweckter Bursche, wird
Sie hinunter nach Dalton begleiten. Dort ist das nächste
Telegraphenamt," erklärte Margarethe Wilms.
„So werde ich mich gleich von Ihnen verabschieden,
und mein Brüderchen mit mir nehmen, um in irgendeinem
Dorfe Wohnung für mich und ihn zu suchen," sagte Giralda,
ihrer Wirthin die Hand reichend.
„Und ich begleite Sie, und überzeugte mich erst, wie
Sie untergebracht sind," rief Frau Pump.
«Ich kenne eine Familie in Dalton, Verwandte von
mir, gute, schlichteLeute, bei welchen das gnädige Fräulein
und der junge Herr in jeder Beziehung gut aufgehoben
wären," bemerkte Margarethe.
„Vortrefflich, so gehe ich zu Ihren Angehörigen," sagte
Giralda.
Für Egon wurde der Esel gesattelt. Margarethe
schloß sich ihren Gästen an. Sie kamen an einer stattlichen
Schafheerde vorüber, die ein kleiner Bursche Ordnung hielt.
„Diese Thiere sind alle mein Eigenthum," rief Margarethe
mit stolzer Befriedigung. „Ich komme mir zuweilen für
eine einzelne Person zu reich vor. Es wäre doch schon,
 
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