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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 141 - Nr. 146 (24. Juni - 29. Juni)
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Wrscheivt täglich mit NuSnahme der Sonn-u.Feierrage.
NhonnementSHreis mit dem -vSchentlicbenUntertzaltungs-
Llatt „Der SvuntagSbvte" für Heidüberg monatlich KV H
«it Trägerlohm, durch di c Post bezogen viertel;, ^t> 1.80 franco.

Organ für Aaückkit, Fmltkti L KeM

Ir. U>.

Bei antwortl. Redakteur: F. Z. Knappe
in Heidelberg.:

Wklkis, Ämftlig, k« A. Zm.

Inserate die 1-spaltige Petitzelle oder deren Raum 10 Pf
Reklame 25 Für hiesige Geschäfts- und Privat»
anzeigen, sowie für Jahres-Anzeig. : bedeutende Rabatt-
bewilligung. Expedition: Z.vingerstratze 7.
-.. .

Druck u. Verlag von Gelir. Huber in Heidelberg
früher Verleger des Pfälzer Boten.

1890

Irland.
Unter allen Völkern der Erde ist für uns
Deutsche keines so schwer zu verstehen, wie das Volk
von Irland. In seinen politischen Bestrebungen sehen
die einen den glühendsten Patriotismus, während die
andern nur Revolution und Empörung darin finden.
In dem Kampfe um den Wiederbesitz seines heimath-
lichen Bodens erblicken die einen den verzweifelten
Aufschrei, eines init roher Gewalt niedergetretenen Vol-
kes, die andern reden nur von Gesindel, von Dieben,
Räubern und Verbrechern. In dem katholischenLeben
Irlands erblicken die einen die blühendste Entfaltung
der katholischen Religion, die andern erkennen darin
nur Bigotterie und Aberglaube, unfähig, um ein Volk
auch nur gegen Trunksucht und Meuchelmord zu
schützen.
Wie schwer ist selbst dem römischen Stuhle in den
letzten Jahren die Aufgabe geworden, in dem furcht-
baren Befreiungskämpfe, den Irland führt, die Linie
zu zeichnen, wo Recht und Unrecht sich scheiden? Wie
merkwürdig, daß der alte Gladstone, den Rest seiner
Tage daran setzt, dem irischen Volke seine Freiheit
und sein Recht erkämpfen zu helfen! Wir als ferne
Zuschauer dieses wunderbaren Kampfes lauschen gerne
auf die Urtheile großer Männer, die diesem Kampfe
nahe stehen. Kardinal Manuing hat kürzlich sein
Urtheil abgegeben in einem an Mr. William O'Brieu
gerichteten Briefe. Dieser letztere, ein Vertreter Ir-
lands im englischen Parlamente, hatte eine Novelle
geschrieben „äVlwn cvs ^voro bov8 — Aus unserer
Knabenzeit" und hatte dieselbe dem Kardinal zuge-
schickt. Dieser schrieb jüngst dem irischen Parlamen-
tarier Folgendes:
„In meinem letzten Briefe versprach ich, Jlmen
wieder zu schreiben, sobald ich Ihr Buch gelesen haben
würde. Aber als ich mit dem Buche fertig war, ver-
gaß ich das Buch Md konnte nur denken an Irland,
an seine mannigfachen Leiden und feine unentwirr-
baren Drangsale. Seit Jahren sage ich diese Worte:
„Das irische Volk ist das am tiefsten christliche und
das am energischsten kathol. Volk auf dem ganzen
Erdkreise." Die Irländer find heimgesucht worden
mit jeder Art von Leiden, in barbarischer und aus-
gesuchter Art; alles, was hundertjähriger Krieg der
Race gegen die Race, der Religion gegen die Religion
über ein Volk bringen kann, ist ihr Erbtheil gewesen.
Aber der Tag der Wiederherstellung ist im Anzuge.
Ich hoffe den Anbruch des Tages zu erleben und
hoffe, Sie werden den Mittag dieses Tages schauen,

Treuer Liebe Kohn.
1t3; Roman von U. Rosen
<n»a>dr. Verb.-
„Nicht wenn ein Engel sich für ihn in's Mittel legte,"
höhnte Lord Trewor.
Giralda warf sich dem alten Manne zu Füßen. „Onkel,"
flehte fie weinend, „um meinetwillen ziehe Deine Anklage
zurück"
Der Marquis schwankte einen Augenblick, aber Ormond
wiederholte ihm flüsternd die Lügen, die er ibm von
Giralda erzählt halte, und der irregeleitete Greis verhärtete
sein Herz gegen sie.
„Du könntest durch Deine Bitten eben so leicht einen
Felsen rühren, wie mich," rief er. „Meine Herren, thun
Sie ihre Schuldigkeit. Ich verlange nur Gerechtigkeit, nichts
als Gerechtigkeit."
Die Polizisten näherten sich ihrem Opfer.
Eine wilde, herzzerreißende Szene folgte, Beatricens
und ihrer Kinder Jammergeschrei, Lord Grosvenor's und
des Grafen Berril Einschreiten, ihr Ringen und Flehen
war vergebens.
Plötzlich wurden draußen im Garten dröhnende Schritte
vernehmbar, zwei Personen drängten sich rücksichtslos in
den Solon- Ihrem Erscheinen folgte allgemeines Schweigen,
athewlofe Stille.
Tue Neuangekommenen waren Grethe Wilms und
Georg Neaun.
Das Fieber, das die Reise des Kranken unterbrochen
hatte, war durch die geschickte Behandlung des zu Rathe
gezogenen Arztes beseitigt worden, und die beiden Verlobten
hatten am nächsten Morgen ihren Weg fortsetzen dürfen.
Im Schlosse erfuhren, sie, daß Beatrice sich in ihrem Pa-
villon auf der bewaldeten Anhöhe befände, und daß Lord
Trewor ihr wahrscheinlich Gesellschaft leiste- In ihrem
Eifer, die bedeutsame Unterredung sobald als möglich be-
erdigt zu haben, und in der Furcht, jeder Verzug könne
Gefahr bringen, hatte Margarethe sich die Unterstützung
zweier Diener erbeten, die Negun in das Sommerhäuschen
trugen.

wo das Volk von Irland soweit als möglich wieder
zugelaffeu sein wird zn dein Besitze seines eigenen
Bodens und zugelasscn sein wird zu seiner eigenen
Verwaltung und Gesetzgebung, während es nicht auf-
hört theilzunehmen an der Gesetzgebung, durch welche
das Kaiserreich mächtig und stark ist. Dann werden
Irland und England nicht mehr getrennt sein. Ihr
ergebener Heinrich Eduard, Kardinal-Erzbischof."
Mögen die Urtheile soscher Männer zur Klärung der
Meinungen über Irland beitragen.
Deutsches Reich.
* Berlin, 26. Juni. Uebermorgen Abend veran-
staltet der Reichstag wahrscheinlich dem Major von
Wißmann einen Festkommers im Kaiserhof.—Herr v.
Scholz wird im Laufe dieser Woche Berlin verlassen
und seinen Aufenthalt auf seiner bei Konstanz am
Bodensee gelegenen Besitzung nehmen. Nach anderen
Zeitungen soll Herr v Scholz doch noch zum Präsi-
denten der Oberrechnungskammer in Potsdam be-
stimmt sein. Dies ist sehr unwahrscheinlich, denn die
Arbeit eines Präsidenten der Oberrechnungskammer
greift die Augen noch mehr an als die Arbeit eines
Finanzministers. — die Vermehrung der Dis-
Positionsurlauber um 6000 Mann ist nach den
Erklärungen der Kreuzztg. überhaupt gar nicht als
eine Konzession des Kriegsministers anzusehen.
Diese Vermehrung kommt, wie die Kreuzztg. ausführt,
nur einem militärischen Wunsch entgegen, um die
Kadres durch eine Mehraufstellung von Re-
kruten und vielleicht spätere Abweisung des Ersatz-
reservesystems zu konsolidireu Wenn an Stelle von
6000 Dispositionsurlaubern noch 6000 Rekruten über
die Erhöhung des Rekrutenkontiugents hinaus, welches
die Militärvorlage ohnehin bringt, eingestellt würden,
so würde die als Konzession gepriesene Maßnahme
der Militärverwaltung den Anfang einer weiteren
Erhöhung der Friedeuspräsenzstärke darstellen, denn
bereits im nächsten Jahre würden alsdann 12000,
im darauf folgenden Jahr ca. 15 000 Manu mehr
unter Waffen sein, während die Verminderung der
Präsenz durch Dispositiousurlauber auf der Ziffer
von 6000 stehen bleiben würde. —- Der der partiku-
laristischeu hessischen Rechtspartei angehörige Rechts-
anwalt Martin in Kassel hat kürzlich einen viel-
beachteten Vortrag über den Verlust der Selb-
ständigkeit Hessens gehalten. Den Kasseler
Nativnalliberalen Herren lag die Rede schwer im Magen,
denn sie hatte das würdelose Benehmen jener Herren,
die in Berlin um die Annexion förmlich bettelten und
Ormond erkannte den Kranken sofort. Sein Gesicht
wurde aschfarben. Der seltsame Ausdruck in den Zügen
seines ehemaligen Verbündeten war für ihn verständlich
genug. Tiefe Reue, und der Wunsch, das begangene Unrecht
wieder gut zu machen, sprach aus den Augen des körperlich
und geistig gebrochenen Mannnes-
Zitternd wich Ormond zurück, um unbemerkt zu ent-
schlüpfen, aber Negun's Auge bewachte ihn, und sein Finger
deutete auf ihn.
„Haltet ihn," rief er. „Haltet Lord Ormond fest! Ich
habe ein Geständniß über ein Verbrechen abzulegen, in das
er mit verwickelt ist, meine Herren!"
Auf ein Zeichen des Marquis legte einer der Polizei-
beamten seine Hand schwer auf den schuldbewußten Edel-
mann.
„Ich heiße Georg, Negun," erklärte der Kranke, und
stand bis vor Kurzem unter den angenommenen Namen
Perkins im Dienste Lord Ormond's.
Ein allgemeines Erstaunen gab sich nach dieser Mit-
theilung kund. Den meisten der Anwesenden waren die
angegebenen Namen bekannt.
„Vor achtzehn Jahren," fuhr Negun, auf die Arme
seiner Begleiter gestützt, fort, „war ich Kammerdiener der
beiden Neffen des Herrn Marquis von Trewor. Und dieses
ist Herr Gottfried Trewor?" wendete er sich fragend an
den Gesaiwenen. „Verzeihen Sie mir, gnädiger Herr, o,
verzeihen Sie mir! Ich habe- mich schwer an Ihnen ver-
sündigt. Schon vor Jahren hätte ich Sie von tum Ver-
dacht befreien können, der Ihr Lebensglück'zerstörte, aber
Lord Ormond exkaufte mein Schweigen und veranlaßte
mich, nach Australien auszuwandcrn, um mich aus dem
Wege zu räumen. Sie sind unschuldig, gnädiger Herr,
und ich kann es beweisen."
Ein Blick heiliger Freude überstrahlte Gottfried Tre-
wor's ernstes Gesicht, und mit einem innigen Dankgefühl
gegen Gott zog er die halt-ohnmächtige Beatrice an seine
Brust-
„Sprechen Sie, Negun," bat er, „die Vorfälle jener
Nacht sind mir bis heute ein Geheimniß geblieben."
Ormond lachte höhnisch, und der Marquis schaute un-

felbst den Widerwillen des dem Ländererwerb an sich
bekanntlich durchaus nickst abgeneigten Königs erregten,
zum Gegenstand einer scharfen Kritik gemacht. Der
Redakteur Gosewicht der „Hess. Morgenzeitnng" sandte
nun ein Exemplar der als Druckschrift erschienenen
Rede Martins an den Fürsten Bismarck, worauf er
folgendes Schreiben erhielt: „Friedrichsrnh, 21. Juni
1890. Fürst Bismarck hat Euer Hochwohlgeboren
Schreiben vom 19. dieses Monats erhalten und bei
Empfang zunächst von den Seiten 16 und 17 der
beigefügten Broschüre Kenntniß genommen. Seine
Durchlaucht bemerkt dazu, daß der knrhessische Staat
wahrscheinlich noch heute bestehen würde, wenn der
Antrag Hnpfcld auf Bewahrung der Neutralität da-
mals angenommen, und die Empfehlung, neutral
zu bleiben, noch am Tage vor dem Ausbruch der
Feindseligkeiten von Seiner Durchlaucht an den da-
maligen Thronerben, Landgrafen Friedrich Wilhelm,
gemacht worden sei. Zu weiteren Aeußerungen in
dieser Angelegenheit ist Seine Durchlaucht zur Zeit
außer Stande, da zur Feststellung der Einzelheiten
die Einsicht der in Berlin befindlichen Akten erforder-
lich wäre. Ich bin beauftragt, Ihnen den Dank
Seiner Durchlaucht für Ihre gefällige Zuschrift und
deren Anlage auszusprechen und habe die Ehre, 'zu
sein Euer Hochwohlgeboren ergebenster Diener Chry-
sander." Wie sehr Fürst Bismarck sich beflissen zeigt,
den Todtengräbern beizuspringen, ergiebt fick auch
aus seiueu Aeußerungen, die er gegenüber einer De-
putation tyat, die ihm am letzten Donnerstag Namens
der Stadt Kassel den Ehrenbürgerbrief überreichte.
Dem „Kass. Stadtanzeiger" zufolge berichtete Fürst
Bismarck über die Versuche, die „seitens der preu-
ßischen Regierung gemacht wurden, den präsumtiven
Thronfolger noch am Tage (15. Juni) vor Beginn
der Feindseligkeiten im Jahre 1866 zur Reise nach
Kassel zu bestimmen und zu einer neutralen Haltung
des Kurfürstenthnms zu veranlassen. Es war hierzu
ein Extrazug bereit gestellt. Dieser Versuch scheiterte
indessen. Landgraf Friedrich Wilhelm fetzte in die
800,000 Mann Oesterreicher das größere Vertrauen
und verspielte. Er reiste, zwar noch am selben Tage,
aber mit dem gewöhnlichen Zuge nach Kassel, und
stellte sich dem Kurfürsten zur Verfügung."
* München, 25. Juni. Die bereits erwähnten
Resolutionen, welche der deutsche Aerztetag zum
Krankenkassengesetz aunahm, lauten wörtlich: 1. Der
Aerztetag betont neuerdings die großen Gefahren,
welche die Kraukenkaffen-Gesetzgebung namentlich durch
die bevorstehende Ausdehnung auf die Familienver-
gläubiq drein-
„Fahren Sie fort, Negun," befahl der alte Herr. „Ich
erinnere mich Ihrer noch sehr genau, sie sehen jetzt recht
schlimm aus, Mensch. Wie lautet die romantische Geschichte,
die sie uns zu erzählen hierher gekommen sind?"
„Hur Marquis," sagteNegun feierlich, „ich war bereits
dem Tode nahe, der Arzt hatte mir nicht verschwiegen,
wie es um mich stand, und Grethe Wilms, meine treue
Freundin, erinnerte mich an meine Pflicht, ermahnte mich,
nicht mit schuldigem Gewissen aus dem Leben zu scheiden."
„Aber Ihre Geschichte, erzählen Sie uns Ihre Ge-
schichte," unterbrach ihn der Marquis ungeduldig.
Negun war erschöpft und auf Margarethen's Wink
legten ihn die Diener, die ihn heraufgebracht hatten, vor-
sichtig auf ein Sopha.
„Gnädiger Herr," sprach der Kranke mit dem Nach-
druck unverkennbarer Wahrheit weiter, „gnädiger Herr, Sie
sind all' diese achtzehn Jahre betrogen und getäuscht worden.
Herr Gottfried Trewoc beging das Verbrechen nickt, dessen
Sie ihn beschuldigten und für das sie ihn bei der Nacht
aus dem Hause trieben, wie einen Mörder und einen Dieb."
„Aber ich sah ihn mit meinen eigenen Augen, den
blutigen Dolch in der Hand!"
Negun achtete der Unterbrechung nicht. „Herr Mar-
quis," fuhr er ruhig forff „in jener verhängnisvollen Nacht
saßen Ihre beiden Neffen, Gottfried Trewor und Eduard
Ormond, in des gnädigen Herrn Zimmer, als ick, wie ich
glaubte, unbemerkt von meinen jungen Gebietern in das-
anstoßende Vorzimmer eintrat. Lord Ormond batte einen
Punsch gebraut und ich sab, wie er verstohlen ein kleines
Fläschchen mit einer durchsichtigen Flüssigkeit aus seiner
Tasche zog und in das Glas seines Vetters goß. Ick sagte
nichts, weil ich die Sache für ziemlich harmlos hielt, be-
obachtete aber von diesem Augenblick an Lord Ormond mit
größter Aufmerksamkeit. Herr Gottfried trank den Punsch,
der für ihn bereitet war, nur widerstrebend und auf das
dringliche Zureden seines Vetters. Als das Glas geleert,
war, schlug Ormond vor, sie möchten einmal einen Versuch
mit Opiumessen machen, ein Opiumrausch solle etwas gar
so Wunderbares fein. Herr Gottfried schien trotz der ge-
 
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