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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 71 - Nr. 80 (28. März - 10. April)
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Die Erümeiuvg an die milden, ehrlichen Anqeu Gott-
fried Trewoi's hielten Gncüda'S sinkenden Muth und ihren
Glauben aufrecht. „Herr Marquis/' sagte sie, „da Sie so
rückhaltlos über Ihren Neffen zu mir gesprochen haben,
möchte ich mir gestatten, einige Bemerkungen zu seinen
Gunsten zu machen.
Ich glaube nicht, daß Gottfried Trcwor Ihnen etwas
zu Leide Ihun, wollte, obgleich ich weder Ihnen noch mir
zu erklären vermag, wie es geschah, daß er mit dem Dolch
in der Hand in Ihrem Zimmer auf Sie eindrang. Viel-
leicht that er cs in einem Anfall von Wahnsinn, aberHerr
Marquis," fügte sie tapfer hinzu, „ob er nun schuldig
war. Sie handelten meines Erachtens nach nicht
recht."
„Wie so? Sie sind die Erste, Kind, die mein Ver-
halten Gottfried gegenüber im andderen Sinne, als dem
zu großer Nachsicht tadelt. Oder meinen auch Sie, daß
ich ihn auf der Stelle bestrafen und ihn nicht hätte ent-
fliehen lassen sollen?"
,.O nein, des denke ich nicht. Sie wußten, daß er ein
großherziger, hvchsinniger Jüngling, daß er durch das
Recht der Geburt Ihr Erbe war. Ich kann cs demnach
nicht billigen, wenn er in strenger Abhängigkeit gehalten u.
mit zu geringen Mitteln ausgestattet wurde. Wenn Sie
ihn liebten, dursten Sie nicht zu stolz sein, es ihm zu
zeigen. Würden Sie ihn mit väterlichem Vertrauen be-
handelt, ,hm ihre Zärtlichkeit vcrrathen haben, jo wäre
er heute zweifellos hier, der Sonnenschein und die Freude
Ihres Lebensabends."
Den Marquis schaute betroffen und verwirrt in das
liebliche Gesicht. „Die Hauhälterin bat Sie, mir das zu
sagen," ries er mißtrauisch.
„Nein, Mylord," erwiderte Giralda. „Frau Pump
bat mich nur, ein gütiges Wort sür ihren jungen Herrn
einzulegen, wenn sich die Gelegenheit dazu böte, aber sie
überließ es mir, seine Sachen zu führen, wie ich für gut
fände. Ich sagte einfach, was-wein Kopf und mein Herz
mir diktirten "
„Ja, Kind, Sie sprachen zu mir, wie noch Niemand
zuvor.

Meine Haushälterin wagt so etwas nicht, und mein
Neffe und Wig gehen in den Anschuldigungen gegen Gott-
fried noch über mich hinaus.
Sie haben mich nicht gekränkt, Kind. Ihr großmü-
thiger Eifer gefällt mir. Auch ich war großmüthig und
warmherzig, ehe ich die Welt kannte-"
Er lächelte traurig und bitter.
„Ist cs nicht möglich, daß Sie in irgend einer Weife
getäuscht worden sind, Herr Marquis?" fragte Giralda.
„Lord Ormond war nach Ihrer eigenen Ansicht kein
passender Rathgeber und Freund für den armen Gottfried.
Kann er cs nicht gewesen sein, der den Mordanfchlag
plante und in Szene setzte? Er hat seither Ihr Gemüth
beständig gegen seinen Vetter entflammt. Er war es, der
Gottfried's Braut liebte, und jetzt hat er Ihnen mitgetbeilt,
daß sie ihn heirathen werde. Lag es nicht in sekkiem
Interesse, Gottfried aus seinem Pfade zu räumen? Ich
bin sehr unerfahren in solchen Dingen, aber ich habe in
Büchern noch viel seltsamere Geschichten gelesen."
„Möglich ist dergleichen wohl, — was wäre auch nicht
möglich-aber wahrscheinlich ist es nicht. Evuard
Ormond ist so schlau, so heimtückisch doch nicht, wie Sie
ihm zutrauen.
Die Thatsache jedoch, daß Gottfried mich zu tödten
versuchte, steht über jedem Zweifel fest."
„Und Sie wollen wirklich unversöhnlich und erbarmu-
ngslos m Ihr Grab hinabsteigen?" fragte Giralda feier-
lich und ihr schönes Gesicht glühte vor Mitleid mit dem,
für dessen Sache sie sprach. <
„Zugegeben, daß er Sie zu ermorden trachtete, und
Sie nie wieder sein Freund fein könnten, ist es ^hnen
unmöglich, ihm zu vergeben? O, Mylord, wenn Gottfried
Trewor vielleicht in fernen Landen noch lebt, und sein be-
absichtigtes Verbrechen beweint und bereut, würden Sie
ihm dann auch nicht vergeben?"
„Niemals! Niemals!" rief der Marquis, seines gicht-
kranken Fußes ungeachtet aufspringend nnd das Mädchen
mit flammenden Augen betrachtend. „Niemals, und wenn
er sich im Staube vor mir wälzte! Wenn er lebte, würde
ich ihn unnachsichtig den Gerichten überantworten. (F. f.)

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bewilligung. Expedition: Atviugerstratze 7.
1890"

Druck u. Verlag von Gcbr. Huber in Heidelberg
früher Verleger des Pfälzer Boten.

! Brrautwortl. RÄakreur: F. 2. Knappe
in Heidelberg.
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Aft „DerEountagSdote" sürHeidelbera monatlich KV H
^Tirägerloh«, durch die Post bezogen viertvj. FL 1.80 franco. ""
jt?>.
-


linkte W n in Pckilmskkimlfm.
, ö Tie Pctitionskommifsivn der 2. Bad. Kammer
wie den Lesern des „Bad. Volksb." bereits mit-
Meilt worden ist, die Petitionen der demokratischen
stzw. -freisinnigen Vereine in Mannheim nnd Offen-
arg um Einsührung des direkten Wahlrechts sür die
^ndtogswahlen abgelehnt, d. h. sie hat mit allen
^gen drei Stimmen beschlossen, über die Petitionen
Tagesordnung überzugehen. Der dies-
Azügliche von Abg. Strube erstattete Bericht ist
rmern erschienen u. „rechtfertigt" diefen Beschluß
Kommission folgendermaßen:
.. „Wenn die vorliegende Petition die schwache Be-
dingung an den Wahlen seitens der Urwähler als
^en Mißstand betont und den Grund hierfür in dem
^hstcm der indirekten Wahl findet, so ist dem ent-
Mnzuhaltcn, daß die Wahlbetheilignng keineswegs
^gemein als eine schwache zu bezeichnen ist. ÜVv
Wahlbezirk weit vorherrschend mit seiner Bevölker-
einer politischen Richtung angehvrt, da
mancher Urwähler in seiner Wahlbethätiguug
Mg sein, in der Ueberzengung, daß die Mahl der
^hlmänncr dennoch auch ohne seine Theilnahme
Ach seinen Wünschen ausfallen werde. Dagegen
uns die Erfahrung, daß überall, wo entschiedene
^siensätze bestehen, und sich zur Erlangung eines
,ikges die Kräfte zu messen haben, die Betheiligung
der Wahl eine nicht weniger erregte und lebhafte
A l?) als bei der Wahl eines Reichstagsabgeordneten.
?knso ist bekannt, daß Parteien, die sich einer anderen
^enübcr in der Minderheit wissen, s i ch absichtlich
r^Wahl entb a lten, wohl auch in der Absicht, ba-
rsch den Modus der Mahl zn diskreditiren hü) An
Wahl für den Reichstag ist die Betheiligung all-
^chein eine lebhaftere, worüber man sich nicht Wundern
wenn man bedenkt, daß die Arb eite rk reife
.Achtig bewegt sind durch die großen sozialen Neform-
jAvnken, daß das ganze Volk die großen wirthschaft-
^n mid Stcucrfragen, die Angelegenheiten der
^hrhastigkeit unseres Reichs, die Fragen der innnern
äußeren Politik sich vor Augen hält, die der
ftAchstag zu berathen hat, während unsere Kam mer
nur mit den cn g ere n In te r e sfen s r ag en
Lbefassen hat. Zn einem kleineren Wahlbezirk
fI sich meist das Ergebnis; der Wahl vorausfehen,
ben großen Wahlkreisen sür den Reichstag nur
!j- ^yzelnen wenigen Fällen, daher hier mehr Mahl-
wz als dort. Wenn behauptet wird, daß bei einer
^Allen Mahl der Wille des Volkes mehr und nur

Treuer Klebe Kohn.
Roman von U. Rosen.
(N-chdc. Verb.)
zi^x noch meinem Herzen, traf aber nur meine
Ich sprang auf, ater er stand mit leerem Blick
*kkwneslos wie eine Bildsäule vor mir. Eduard
herbei und von dem Lärm erschreckt folgten ihm
, »-Leute.
/»in der ich war. Ich ließ ibn unbehelligt aus dem
H zb fliehen, den feigen Meuchelmörder, die Natter, die
„ Busen geährt hatte!"
^olda d ^e sahen ihn niemals wieder?" fragte
^bi'^ikmals! Er ging noch London, seine Braut, Lady
Nft'we Bcrril zu besuchen, die ihm das Geld gegeben
?>lia kwß, mit dem er nach Brasilien entfloh. L>u seinem
«starb er dort, denn wenn er am Leben geblieben
'stz.',hätte ich ihn nach der ganzen Strenge des Gesetzes
e, N kaffen."
z'ide ich bedenke, wie sehr ich ihn liebte, erfüllt sich
^e,«Teele mit einem grauenvollen, unbezähmbaren
§ftiz stalda erschreck über die Heftigkeit, mit welcher der
^hkv^rach und erbebte vor seinem versengenden, rache-
k 7>n Blicke.
habe Gottfried Triwor's Bild gesehen," sagte sie,
,jA aMend. „FrauPump quortirte mich in sein Zimmer
ein schönes, liebes Gesicht. Ich glaube nicht,
X- ä Mensch mit solchen Zügen Mordgedankcn hegen
^E^hlte ich Ihnen nicht, daß er den Dolch nach
w,„Jvverzen zückte?"
weiß ich weiß. Aber kann nicht ein Jrrthum
^eger durchaus bcab sichtigt haben. Sie zu
sonst, liebes Kind? Die Thatsache, daß er bei
«E« kFvde meinen Titel und meine Besitzungen geerbt
Ä"de, spricht sür ein geplantes, sorgfältig über-
verbrechen."

so zum Ausdruck komme, so ist dem entgegenzuhalten,
daß es dem Einzelnen an sich leichter wird, aus ei-
gener Prüfung und Kenntuiß der Personen herauszu-
finden, was er will, wenn ihm nur die mit ihm in
seiner Gemeinde znsamrnenwohnenden, als Wahl-
männer aufzustellendkn Männer gegenüberstehen, mit
denen er je zusammengelebt, als wenn er dem ver-
wirrenden Chaos einer leidenschaftlichen Wahlagitation
nach direktem Wahlrecht überliefert wird, und einen
Mann wählen soll, den er nicht kennt und nicht weiß,
in welcher Richtung dieser thätig sein wird. Zudem
besitzen wir das allgemeine Wahlrecht seit 1870 als
eine Grundlage unserer Verfassung. Wir haben keinen
Censns, keine korporative Einschränkung des Wahl-
rechts, keine Repräsentationen der Kreise, Gemeinden u.
anderer Verbände. Es kann nicht behauptet werden,
daß bei dem bestehenden Prinzip des Wahlrechts,
das so alt ist, wie unsere Verfassung, die Geltend-
machung irgend welcher Grundsätze verhindert worden
wäre. —
Mas die Mahlbeeinslussnng betrifft, so dürste eine
solche bei Wachmännern, die im Verhältnisse zur
großen Masse sich einer größeren Einsicht, Bildung
und Selbständigkeit erfreuen, weniger auznbringen
sein, als bei den Unbählern. Die Mittel, mit denen
die Wähler bei der direkten Wahl bearbeitet werden,
wie namentlich mit dem Mittel der Verdächtigung
der ausgestellten Kandidaten gearbeitet wird, wie da
die niedrigsten Leidenschaften aufgewühlt werden, haben
wir bei den Reichstagswahlen je länger, je mehr ge-
sehen, Thatsaäben, die nicht geeignet sind, sür das
System der direkten Mahl zu begeistern, und durch
blebertragung für unseren Landtag das Verlangen
nach dessen Verdoppelung zu erregen.
Wenn wir, und das scheint uns das gewichtigste
Moment in der ganzen Frage zu sein, unter Beibe-
haltung aller übrigen Bestimmungen unserer Verfas-
sung sür die zweite Kammer das System der direkten
Mahlen einsührcn, so schaffen wir die letzte Schranke
weg, die sür eine ruhige und stetige Entwickelung
unseres Staatslcbcrs noch eine Garantie bietet, und
geben einem Radikalismus Raum, wie er in keinem
Kultnrstaate existirt. Bei jeder Vertretung, besonders
bei Interesse-Vertretung, wie dies unsere Kammer vor-
zugsweise ist, können Garantiecn sür Stetigkeit der
Behandlung der Angelegenheiten und gegenüberstür-
zende Behandlung nicht entbehrt werden. Deshalb
ist in der einen Verfassung die Wahlfähigkeit, in der
andern die Wählbarkeit beschränkt, oder es sind Kor-
porationen und großen Interessen eine Vertretung

gewährleistet, oder ist Diätenlosigkeit zum Gesetz ge-
macht. So besteht beispielsweise in Sachsen direkte
Wahl, aber eine wesentliche Beschränkung des aktiven
Wahlrechts durch Census. In Württemberg besteht
ebenfalls direkte Wahl; allein dort ist die Zusammen-
setzung der Zweiten Kammer eine solche, daß sie neben
den gewählten Abgeordneten eine ganze Reihe von
konservativen Elementen birgt, die die nöthigen Garan-
tieen enthalten. Neben der direkten Wahl für den
Reichstag besteht die Diätenlosigkeit. Alles das haben
wir in Baden nicht. Eine Behandlung des Wahl-
rechts, losgelöst von allen andern Bestimmungen un-
serer Verfassung, besonders dein Grundsatz der Jnte-
gralerneuerung beider Kammern, ist ein Ding der
Unmöglichkeit: eine Revision des Wahlmodus
muß mit N o th w en d i g k eit eine einschnei-
dende Revision unserer ganzen Verfassung
nach sich ziehen, kann nur in Gemeinschaft mit
dieser in Angriff genommen werden, wenn nicht eine
Vertretung der berechtigsten Interessen, absolut in
Frage gestellt werden sollen. Vor allem aber ist der
direkte Wahlmodus nicht möglich, ohne daß die Zu-
samm ensetzu ngder I. Kammer eine radikale
Umgestaltung erführe. Zu einer solch' umfassen-
den Umgestaltung unserer Verfassung aber, die sich
bisher bewährt hat, liegt kein Bedürfniß vor
und wird auch von keiner Seite begehrt. Die Ein-
führung des direktem Wahlsystems als eine einzelne,
aus dem Ganzen herausgerissene Aenderung erscheint
nicht zulässig; man müßte mit der Inangriffnahme
dieser Reform noch andere Reformen, besonders hin-
sichtlich der Zusammensetzung der Kammern, in Angriff
nehmen. Zu Verfassungsänderungen überhaupt aber,
und namentlich der in der Petition verlangten Art
zu schreiten, dazu sind die heutigen Zeitverhältnifse
durchaus nicht geeignet. Es giebt manche Wahlbe-
zirke, besonders in den Städten, wo die Sozialdemo-
kratie bereits einen sehr großen Einfluß hat und einen
eminent wachfenden von dem Tage an gewinnen wird,
wo neben dem allgemeinen Stimmrecht noch der direkte
Wahlmodus mit all' seiner Agitation und Aufregung
eiugeführt wird."Z
Aus dieser ganzen Begründung, die so traurig
wie möglich ist, geht nur das eine hervor: Wenn die
indirekte Wahl abgeschasft und die direkte an deren
Stelle gesetzt wird, dann ist cs mit der national-
liberalen Herrschaft in der 2. Badischen Kammer
zu Ende. Das fürchten die Herren einzig und allein,
sie lassen sich nicht leiten von dem einzigen Bestreben,
das Beste zu thun für das Volk Badens, sondern
 
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