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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 81 - Nr. 90 (11. April - 22. April)
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1890

t.

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BrrsutworL Redakteur: F. I. Knappe
in Heidelberg.
-
WkllikU ZmßT dkl 12. April.
Druck». Verlag von Gedr. Huber inHeidelberg
früher Verleger des Pfälzer Boten.

« kiiinikviiiihk« il Äfiiiid
Ter Spruch eines orientalischen Weisen „Es ist
^er letzte Strohhalm, der des überladenen Kamels
Mcken bricht", dürfte nachgerade auch ans Rußland
Zuwendung fiudin, denn es scheint, als ob die klein-
Uchen Maßregelungen eines Universitätskurators dem
Kamele russischer Geduld den Rücken gebrochen Hütten.
Von fast allen russischen Universitäten werden Stndenten-
^rnulte gemeldet, welche weit über den Rahmen des
akademischen Lebens hiuansgehen, denn die Stndenten-
Evsschüsse in Petersburg und und Moskau verlangen
Deformen, die auf ein freies politisches Leben hin-
i'eleu, sie verlangen solche und andere Reformen, ob-
wohl sie, wie olle Studenten, die in großer Masse
Miter ihnen stehen, wissen, daß die gelindeste Auf-
^hnung in Rußland den Weg nach den Eiswüsten
Sibiriens öffnet; sie wissen, daß sie genas, so gut
kleinlichen Rachsucht des Zaren und seiner bureau-
^atischcn Berather anheimfallen, wie die Studenten
^r ZOger Jahre, welche sich in Preußen weiland
hochgepricsenen Königs Friedrich Wilhelm kill,
stebelwcllen dadurch zugezogen hatte«, daß sie ein
^Warz-roth-goldenesBändelin hochverrätherischer Weise
Mr ihre Weste schnallten. Wie wenig Kenntniß der
Zar von den thatsäcklichen Verhältnissen hat, geht
Maus hervor, daß er drohte, er wolle zur Strafe
M den studentischen Ungehorsam alle russischen Hoch-
guten auf ein Jahr schließen lassen. Er würde damit
'M, zehnfach schlimmere Erfahrungen machen, wie
deutsche Polizei mit der Ausweisungsbcsugniß des
^vzialistcngesctzes, denn wenn Tausende gebildeter
üinger Männer auf ein Jahr lang, viele dadurch
wahrscheinlich ganz aus ihrer Laufbahn heransgerisfen
werden und, das brennende Gefühl der Schmach im
Kerzen, in die Heimath zurückkchren, dann werden sie
A Aposteln der Unzufriedenheit, zu Predigern der
^vlksbesreiung, und viel früher als sonst muß der
?anie des Aufruhrs gegen den Thron des allmäch-
"Scu Zaren aufgehen und in die Halme schießen.

, Derjenige, dem die Brücken zum Rückzug abge-
*vchen find, der die Scheide seines Schwertes weg-
^Worfen hat, ist der gefährlichste Gegner, er kann
M,ts mehr verlieren, wohl aber alles gewinnen, und
M'eit sind die russischen Studenten durch die Knuten-
aiebc der Ordnung stiftenden Kosaken und andere
^stierungskünste des Zaren beinahe gekommen. In
Kreisen wird eine energische Bewegung vorbe-
Met, die man keineswegs unterschätzen darf. In
fickst and und den andern westeuropäischen Ländern
50)

«treuer Liede Lohn.
Roman von U. Rosen.
(Aachdc. Verb.)
tz--Ich verknuthe, datz er ein strenger, reizbarer alter
'st, wie ich, und daß Du noch Deiner Flucht vom
vbn w nicht wagst, ihm unter die Augen zu treten. Sei
eh"* Sorge, mein Kind. Wir wollen den alten Herrn nicht
ihlf "lästigen, als bis Deine Mama den Frieden zwischen
hpi UM Dir wieder hcrgestellt bat. Unser nächster Schritt
hy<° sein, sie oi-fzusuchen, und ich glaube einen Plan zu
der unsthlbar zu ihrer Entdcckung führt, auch wenn
"Ht unter ihrem eigenen Namen spielt."
-Und worin besteht dieser Plan, Mylord fragte
raida.
-Er ist sehr einfach. Ich werde mehrere an die Gräfin
sqfj Mo adresstrte Briese schreiben und dieselben den ver-
5s>kn Theaterdirektoren zur Besorgung übersenden.
Raine wird in den Proben erwähnt werden u. Deine
davon hören. Sie wird natürlich nickt ermangeln,
by.Mikf zu verlangen, da sie sich ohne Zweifel um Dich
urib die Zuschrift mit Deinem Verschwinden in
ihr aMung bringen wird. Das Ergebniß alles dessen wird
Much bei uns sein-"
Awalda mochte keine Einwendungen.
Kaffeegeschirr wurde von dem herbeigcrufenen
Hj., er weggeräumt. Das junge Mädchen brachte dem
Ä^^uis seine Eckreitmoppk und er selbst schrieb einige
Meizy abgesatzte, an verschiedene Theater adressirte
ki»., »Da? soote er, Girolda e»ieS der Blätter, das durch
-Ist? Tinte, steck unbrauchbar geworden war, binreickend,
- was ich geschrieben habe. Wenn Deine Mama diese
>>e U <n-sorgt, wird sie ohne Weiteres verstehen, was
Mfuten, seilte dagegen ein Unberufener sie lesen, so ist
^tkk? klüger als zuvor, und wir haben ihm nichts ver-
fivchM Du siebst, daß ich die Gräfin Arevalo einfach be-
-atz Giralda sich bei mir in diesem Hotel auf-
möge kommen und fick von dem Wohlergehen
* Schützlings übtrzengen- Von meinen Wünschen

ist das Volk bereits zu gut politisch geschult, als daß
die Studentenschaft da noch eine führende Rolle fpielen
könnte, wie im Jahre 1848. Aber bei uns Ivie in
Rußland sind tiefgreifende Impulse von der Jugend
ausgegangen, die zuerst von den neuen Ideen ergriffen
wurde und mit der Begeisteruugsfühigkeit und der
Uneigennützigkeit der Jugend sie weiter trug und für
sie kämpfte. In Rußland) wo ein gebildeter Mittel-
stand nicht existirt, fällt die Aufgabe der Initiative
in erster Reihe der gebildeten Jugend zu. Aus ihrer
Mitte, aus dem grundbesitzenden Adel, ja aus Beamten-
und Offizierskreisen sind die Begründer der russischen
Literatur und die Vorkämpfer nothwendiger Reformen
hervorgegangen. Als der amerikanische Journalist
Kenan seine folgenschwere Reise zur Erforschung des
zarischen Verbannungssystems durch Sibirien antrat,
fand er zu feinem eigenen Erstaunen fast durchweg
hochgebildete Männer und Frauen jugendlichen Alters,
selten mehr als 30 Jahre alt. Die Fürsorge der
russischen Schergen sorgt schon dafür, daß die Poli-
tischen dem Staat nicht allzulange durch Aufzehrung
staatlicher Unterhaltungsmittel lästig fallen, und wer
wirklich die ihm zugemessene Strafzeit überstanden,
kehrt an Körper und Geist gebrochen, in die Heimath
zurück, feine Thalkraft ist dahin, aus einem Jünglinge
wurde ein Greis.
Daß aber wie die Tausende, welche von dem
Zarischen Despotismus zermalmt wurden, Hundert-
tausende im heiligen Rußland denken, dafür zeugt die
gegenwärtige, noch unklar gäknende Bewegung. Wenn
man auch auf die noch unbestätigt gebliebenen Nach-
richten von Bauernaufständen in Riäsan und Finn-
land nicht viel geben kann, so ist es doch zweifellos,
daß in ganz Rußland die gebildete Jugend dem
despotischen Zarenregimente feind ist, und nicht nur
die Jugend, sondern Wohl die Mehrheit. Früher oder
später muß diese Unzufriedenheit zum Ausbruch kommen,
und dann wird cs für den Zaren zu spät sein, jene
Wege einzufchlagen, die ihm seine Pflichten als Herrscher
und als Mensch, der Nächstenliebe üben soll, vorge-
schrieben sind.

Deutsches Reich.
-t-s> Berlin, 11. April. In verschiedenen Blätten
taucht wieder einmal die Meldung auf, der Kaiser
beabsichtige mehrere Reichsminister zu ernennen,
die sowohl ihm als dem Bundesrathe verantwortlich
sein würden. Der Reichskanzler würde die Stellung
eines Premierministers einuehmen. Dagegen kann
aus vorzüglicher Quelle versichert werden, daß die
habe ich ihr noch nichts eröffnet. Damit will ich warten,
bis ich sie spreche."
Wig wurde entboten und braustract die Billets fort-
zutragcn- Während der Diener noch mehrere Befehle des
Marquis entgcqennahni, war Giralda aus dem Salon ent-
schlüpft und mit dem Blatt, das der Lord Trewor ihr
gegeben hatte, auf ihr Zimmer geeilt.
Hastig schrieb sie einige Worte auf die Rückseite des
Billets, dessen Inhalt erklärend, und um Verhaltungsmaß-
regeln für sich bittend, dann schloß sie den Zettel in einen
an Lady Beatrice Berril adrejsirten Umschlag, klebte eine
Briesmarke darauf, und eilte mit der hochwichtigen Bot-
schaft an den Briefkasten der nächsten Straßenecke. Nie-
mand achtete ihrer und sie kehrte zu dem Marquis zurück,
ehe noch ihre Abwesenheit bemerkt worden war.
Der Vormittag ging vorüber und Wig kehrte endlich
mit dem Bescheide zurück, daß keinem der Theaterdirektoren,
bei welchen er gewesen war, der Namen einer Gräfin Are-
valo bekannt sei, daß er aber, wie ihm besohlen, die
Billets zurückgelassen habe.
„Jetzt bleibt uns nichts weiter übrig, als zu warten,"
sagte der Marquis in heiterer Laune. „Ich bin überzeugt
die Gräfin wird bald von sich hören lassen. Hoffentlich
wird sie fick nickt weigern, Dich meiner Vormundschaft
anzuvcrtrauen. Du bist mir bereits so theuer geworden,
daß ich Dick kaum zu entbehren vermöchte. Es thut mir
leid, durck diesen heftigen Gichtanfall der Freude beraubt
zu sein. Dir während unseres gegenwärtigen Aufenthaltes
in London dessen Merkwürdigkeiten zu zeigen."
„Schloß Trewor und sein herrlicher Park sind mir
angenehmer, als dieses düstere, neblige London, in dessen
Atmosphäre ich mich eigenlhumlich beengt fühle. Ich
würde ohne Bedauern morgen ichon zurückreisen."
„Und ich wäre entzückt wieder daheim zu sein, wofern
ich Deine Mama zuvor gesehen habe, und die Schmerzen
in meinem Fuß mir die Fahrt gestatte». Uebrigens
brauchst Du London nicht zu verlassen, ohne wenigstens
einige seiner Sehenswürdigkeiten kennen gelernt zu haben.
Lady Beatrice Berril war mir immer eine gefällige

süddeutschen Staaten, ohne welche eine Verfassungs-
änderung undurchführbar wäre, dem Plane durchaus
abhold sind. — Die auch diesem Blatte bereits tele-
graphisch übermittelte Nachricht von der Aufhebung
des Paßzwanges in Elsaß-Lot hri nge u wird
von verschiedenen Seilen bestätigt. Anläßlich der letzten
Anwesenheit des Großherzogs von Baden in Berlin
wurde, wie ein süddeutsches Blatt meldet, die reichs-
ländische Paßfrage erörtert. Manchem dürfte es neu
sein, daß Frhr. von Marschall als Gesandter und
stellvertretender Bundesrathsbevollmächtigter wiederholt
die Wünsche der großherzoglichen Regierung, den Paß-
zwang zu erleichtern, bezw. ganz aufzuheben, im
Bundesrathe zur Sprache brachte, so bei der Vertre-
tung der Pforzheimer Petition, Reichskanzler Caprivi
der allen kleinlichen Mitteln abhold sein soll, theilt
den Gesichtspunkt der badischen und reichsländischen
Regierung, für welchen Kaiser Wilhelm schon im
vorigen Sommer vergeblich eingetreten ist. — Für
den am 6. Mai zusammentretenden neuen Reichstag
sollen die vier bereits bekannten Gesetzentwürfe vor-
bereitet sein, nämlich der über die Gewerbegerichte,
die Novelle zur Gewerbeordnung betreffend Abänderung
des Titels 7 derselben, auch sonst als Arbeiterschutz-
vorlage genannt, dann die Militärvorlage und Kolo-
nialvorlage, die beide einen Nachtragsetat erfordern.
Berlin, 10. April. Der Kaiser reiste heule
Abend nach Wiesbaden zum Besuche der Kaiserin von
Oesterreich. Dieser Tage empfing er auch den Lieute-
nant Sulzer, den ehemaligen Kompagniechef der
Wißmannischen Schutztruppe in Ostafrika. Sulzer ist
derjenige, der bei der Erstürmung des Lagers von
Buschiri zuerst iu dasselbe eiudraug, und hierfür den
Kroneu-Ordeu 4. Klasse mit Schwertern erhielt. --
Neber den Friedensschluß mit Bana-Heri wird
»gus Zanzibar berichtet, daß die Verhandlungen durch
Frhr. v. Graveureuth geführt worden sind. Bann
Heri ist inzwischen in Saadani angekommen. Er be-
gab sich nach feinem Lager landeinwärts, um feine
Leute abznholen, und wird sich im Lause der nächsten
Woche in Saadani, wo er früher schon eine amtliche
Stellung bekleidete, niederlasscn. —Stanley sagte, die
britisch-ostafrikanische Gesellschaft gestatte die Aus-
rottung des Wildes und den Vieraub und zerstöre
dadurch die Nahrungsquellen, so daß es besser wäre
der ganze Distrikt käme in deutsche Hände, welche
besser Ordnung hielten.__
Ausland.
Oesterreich. Der erste österreichische Katholiken-
tag, der in Frei waldau stattfand, ist glänzend
Freundin, und wird mir die Bitte gewiß nicht verfügen.
Dich unter ihre Fittiche zu nehmen."
„Nein, nein," rief Giralda schaudernd. „Ich wünsche
nichts zu sehen, während Sie leidend sind, und finde es
unter solchen Umständen für uns Beide angenehmer auf
dem Lande." j .
Der Marquis war gerührt von der Anhänglichkeit
des jungen Mädchens, das sich ihm so selbstlos anschloß.
„Die Kleine hat mich in der That gern," dachte er.
„Sie entdeckte trotz meines mürrischen, reizbaren Wesens
dennoch etwas Liebenswerthes in mir. Das herzige Ge
schöpf ist die erste Person in der Welt, die mir eine un
interessirte Neigung schenkt."
Die Stunden verstrichen langsam und Lord Trewor
begann auf jeden Schritt in dem Vorsaal zu lauschen.
Immer horchte er, noch keine Botschaft von der Gräfin
käme. Giralda sah keinen Ausweg aus den Wirrnissen,
in die sie sich verwickelt hatte. In nervöser Unruhe be-
wegte sie sich zwischen ihrem Sitz am Fenster und den:
Sessel des Marquis hin und her. Nach Tisch trat ein
Kellner mit drei Briefen ein, die er Lord Trewor übergab.
„Dieser Brief ist von meinem Rechtsanwalt," lächelte
der Marquis, „dieser goldgeränderte, wappengeschmückte von
meinem Neffen, und dieser, ei, Giralda, dieser ist für Dich
und kommt wahrscheinlich von Deiner Mama."
Giralda nahm das zierliche Briefchen und zog sich
damit in ihre Fensterccke Hurück. Das Schreiben war
wirklich von ihrer Mutter.
Es enthielt nur wenige mit verstellter Hand geschrie-
bene Zeilen und war mit „B. Arevalo" unterzeichnet
Beatrice meldete, daß sie um 8 Uhr Abends erscheinen
werde. Ihren Besuch zu einer früheren Stunde abzustatten,
fei sie durch zwingende Umstände verhindert. Bei Um-
wenden des Blättchens bemerkte Giralda ein kleines Zet-
telchen, auf dem gleichfalls einige Worte standen. Die
Mutter warnte sie, keine Ueberraschung zu verrathen.
wenn sie sich in einer Verkleidung bei dem Marquis
einsührte.
Fortsetzung folgt.
 
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