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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

DOI Kapitel:
Nr. 81 - Nr. 90 (11. April - 22. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42837#0349

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scheint täglich mit LuSaaHmr der Gmm-n. Feiertage.
>7*»»nea»eNt»preid mü dem »SchentlicharUnterhaltungS-
„Drr SvuntagSbvte" sürHeidrlberg monatlich SV
^Trügrrlokm, durch di e Post bezog«» Viertels. 1.80 franco.
s?

Brrcmtwortl. Redakteur: F. L. Knappe
m Heidelberg.
Miers, Knitis
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Drucku. Verlag vvnGebr. Huber in Heidelberg
früher Verleger des Pfälzer Boten.

Ae üikik -es sikiWizlns «. Kchim.
. Die bereits gestern kurz erwähnte Rede, welche
A Reichskanzler v. Caprivi am Dienstag bei der
Wiederaufnahme der Verhandlungen im preußischen
Endlage hielt, hat folgenden Wortlaut: „Meine Herren:
Allerhöchsten Befehl Er. Majestät des Kaisers
Königs zum Präsidenten des Staatsniinisteriums
.^annt, habe ich heute zum ersten Male die Ehre,
"r diesem hohen Hause zu erscheinen. Wenn ich mir
der Tagesordnung das Wort erbeten habe, so ist
§ nicht etwa geschehen, um im Namen der Staats-
^Perung ein Programm vor Ihnen zu entwickeln,
'Ne solche Maßregel würde mir an sich und im all-
^neinen fragwürdig erscheinen, sie wäre mir heute
'"Möglich für meine Person. Den politischen Ange-
."lienheiten bisher fremd, bin ich vor einen Wirkungs-
.tris gestellt, den auch mir im allgemeinen zu über-
bisher nicht möglich gewesen ist. Ich habe es
"kr für meine Pflicht gehalten lind habe den Wunsch,
x" erscheinen, um den ersten Schritt zur Anknüpfung
^ persönlichen Beziehungen zwischen Ihnen, m. H.,
mir zu thun. (Beifall.) Sie werden begreifen,
ich gegenüber meinem großen Vorgänger ein sehr
^vhastes Bestreben haben muß, in persönliche Bezie-
,f""sien mit Ihnen, wenigstens insoweit zu treten, als
.'che persönliche Beziehungen die sachliche Erledigung
das Geschäft fördern. (Beifall.) Ich bin über-
daß das Gebäude, das unter der hervorragen-
Mitwirkung des Fürsten Bismarck entstanden,
-"'er seiner genialen Kraft, seinem eisernen Willen,
er liefen Vaterlandsliebe, daß dieses Gebäude fest
s.iügt und gegründet ist, nm auch, nachdem seine
Atzende Hand ihm fehlt, Wind und Wetter Wider-
yen zu lönnen. (Beifall.) Ich halte es sür eine
d kraus gnädige Fügung der Vorsehung, daß sie in
Moment, wo die Trennung des Fürsten von dem
"kntlichxu Leben eintrat, die Person unseres jungen
Mbeuen Monarchen in ihrer Bedeutung für das
und Ausland hat so klar hervortreten lassen, daß
s/is Person geeignet erscheinen muß, die Lücke zu
bqsi und vor den Riß zu treten. (Beifall.) Ich
P k drittens unverwüstlichen Glauben an die Zukunft
d rußens. (Beifall.) Ich glaube, daß die Fortdauer
!kl n^ußischen Staates und des an seine Schullern
hjsi .!?n deutschen Reiches noch auf lange eine tvclt-
bp?rische Rotbwendigkeit ist, und ich glaube, daß dies
dies Reich noch einer hoffnungsvollen Zukunft
tzi ib'ÜNkgeht. (Lebhafter Beifall.) Sie werden das
Sr. Majestät gelesen haben, daß der Kurs der

alte bleiben soll, und schon der Umstand, daß meine
Herren Kollegen unentwegt ihre Aemter fortführen,
wird Ihnen beweisen, daß die Staatsregierung nicht
die Absicht hat, eine neueAera zu inauguriren. (Bei-
fall.) Es liegt aber in der Natur der Verhältnisse
und Menschen, daß einer Kraft, wie der des Fürsten
Bismarck gegenüber, andere Kräfte schwer Platz finden
konnten, daß in seiner zielbewußten, auf sich selbst
gestellten Weise, Dinge aufzufassen und zu treiben,
manche andere Richtung hat in den Hintergrund tre-
ten müssen, daß manche Idee, mancher Wunsch, wenn
sie auch berechtigt waren, nicht überall haben in Er-
füllung gehen können. (Sehr richtig! links). Es
wird die erste Frage des Personenwechsels in Bezug
auf die Regierung die sein, daß einzelne Ressorts einen
größeren Spielraum gewinnen und mehr erhalten als
bisher. (Beifall links). Es wird dann ganz unver-
meidlich sein, daß innerhalb des preußischen Staats-
ministeriums die alte kollegiale Verfassung mehr zur
Geltung kommt, als dies unter diesem mächtigen Mi-
nisterpräsidenten geschehen konnte. (Beifall und sehr
gut! links). Ohne formell autorisirt zu sein, glaube
ich auch im Einverständniß mit meinen Herren Kolle-
gen aussprechen zu können, daß die Staatsregierung
überall bereit sein wird, solche zurückgehaltenen Be-
denken und Wünsche auszunehmen, sie von neuem zu
prüfen und sie, soweit sie die Ueberzeugung von ihrer
Durchführbarkeit gewinnt, zu realisiren. Wir werden
das Gute nehmen, von wo und durch wen es auch
kommt (sehr gut!) und wir werden dem Folge geben,
was unserer Ueberzeugung nach mit dem öffentlichen
Wohle, mit dem Staatswöhle vereinbar ist. (Sehr
gut und lebhafter Beifall.) Wenn auf diese Weise die
Staatsregierung dem hohen Haufe und den Wünschen
des Landes entgegenzukommen bereit ist, so darf ich
die Hoffnung aussprechen, daß auch ich in diesem
Hause und von den Herren auf Entgegenkommen rech-
nen kann. Wir werden gern mit allen von Ihnen
zusammenhalten und wir hoffen auf einen engeren
Zusammenhang, angesichts der Immerhin schwierigen
Lage im Innern, vor der wir voraussichtlich stehen
werden, mit allen denen, die ein Herz für Preußen
haben und die gesonnen find, den Staat im monar-
chischen Reich im nationalen Sinne weiterzuführen,
gründen und ansbauen zu helfen!" Diesen Worten
folgte andauernder, lebhafter Beifall von allen Seiten
des Hauses. Verschiedene Abgeordnete des Centrums
und der Reckten beglückwünschten den Reichskanzler.

Deutsches Reich.
Berlin, 16. April. Das Auftreten des Reichs-
kanzlers und Ministerpräsidenten von Caprivi — des
General-Reichskanzlers, wie Windthorst ihn nannte
— im Abgeordnetenhanse hat allgemein d-m besten
Eindruck gemacht. Er sprach knapp, sachlich und ein-
fach, er ließ feine Persönlichkeit bescheiden zurücktreten
und dennoch war der Ton feiner Ansprache selbstbe-
wußt und ohne der Würde des ersten Rathgebers der
Krone etwas zu vergeben. Aufmerksamkeit beanspruchen
besonders diejenigen Stellen, in welchen sich Herr v.
Caprivi über das Verhältniß zn seinem Vorgänger
ausspricht. Er hat den Fürsten Bismarck in den
wärmsten Ausdrücken gefeiert und betonte, daß von
einer „neuen Aera" keine Rede sein könne, wohl aber
manches anderes werden würde. Er betont, daß das
kollegiale Verhältniß im preußischen Staatsministerinm
mehr zum Ausdruck kommen werde (also gerade das
Gegentheil der in letzter Zeit so viel besprochenen
Kabinetsordre vom Jahre 1852), die einzelnen Resorts
sollen sich selbständiger entwickeln. Der neue Kanzler
will das Gute nehmen, von welcher Seite es anch
kommen möge. Man glaubt einen Mann vor sich
zu haben, mit dem auch politische Gegner ohne per-
sönliche Feindseligkeit sachlich über Meinungsver-
schiedenheiten verhandeln können. Herr v. Caprivi
sprach bedeutend besser als Fürst Bismarck: im An-
fang seiner Rede sprach er schnell und ohne Ausdruck,
nachher wurde seine Stimme ausdrucksvoll und wohl-
tönend. — Der Reichs-Anzeiger kündigt die Heraus-
gabe einer Sammlung aller in den europäischen Staaten
bestehenden Arb eiterschutz getze an, sobald das
neue deutsche Gesetz, welches voraussichtlich gegen den
früheren Zustand eine erhebliche Aenderung herbei-
führen werde, vom demnächst zusammentretenden
Reichstag genehmigt worden sei. — Dem französischen
Delegirten zur Arbeiterschutzkonferenz, Jules Simon,
hat der Kaiser ein Exemplar der Werke Friedrichs
des Großen übersandt. — Fürst Bismarck bedankt
sich in der „Nordd. Allg. Ztg." für die vielen in letz-
ter Zeit ihm zugegangenen wohlwollenden Kundge-
bungen. Der Äbg. v. Marqnardfen will, wie dem
„Fränk. Kurier" aus München geschrieben wird, auf
sein Wormser Reichstagsmandat zn Gunsten des
Fürsten Bismarck verzichten. — Gestern hat sich das
Komitee zur Errichtung eines Bismarck-Denkmals kon-
stituirt. Vorsitzender ist v. Levetzow, Schatzmeister
Rudolph Koch, Ernst Mendelssohn-Bartholdy, Schrift-
führer Adolf vom Rath, F. v. Ehrenkrook. — Aus
der freisinnigen Reichstagsfraktion erhält die „Berl.

Lreuer Liede Lohn.
Roman von U. Rosen.
- (R«Ldr. rerb.>
sko^Mond beeilte sich zu gehorchen, und der sch'eichende
^^"/rdiener glitt geräuschlos in's Zimmer. Giralla
den verstohlenen Blick des Einverständnisses, der
»suim» dem hochgeborenen Gast und dem Diener ausge-
"""de, und kam zu dem Schluß, daß zwischen den
^lheime, auf eine ältere Bckanntschafk gestützte Be-
Afn beständen.
Iiys'ö, lh reise schon morgen nach Hause zurück," sagte der
nachdem Wig ihm die Kissen zurechlgeschoben
><"bsik h^der gegangen war. „Giralda zieht den stillen
dem lärmenden, nebligen London vor. Ich wünschte,
Wohl genug gewesen, mit ihr nach Hvdepark zu
idr die Stadt zu zeigen. Dieses Vergnügen
„ mir für meinen nächsten Aufenthalt aufsparen."
föe wirst schwerlich morgen schon gesund genug sein,
ßdende Fahrt zu wagen, Onkel," wendete Lord
d
""besorgt, mein zärtlicher Neffe. Diese kühlenden
Mselb-n 'hun meinem Fuß sehr gut, und die Besserung
me jch*), Ichreitet stetig fort. Aber gut oder schlecht, morgen
""" einen Rath erlauben darf, Onkel," rief
» "dt ,' »würde ich Dir Vorschlägen, einen Monat in der
lÄies " eiben, Dich der Behandlung eines berühmten
lÄole ""wrwerfen, und Fräulein Arevalo in die Ge-
s^ier u^'ßzusühren. Ich bin überzeugt. Deine Adopliv-
^?">e Aufsehen erregen. Du könntest sehr leicht eine
zu die mit Vergnügen die Pflicht übernimmt,
m bsilchützem Lady Beatrice Berril wird sich Dir
> <§r sehr gern zur Verfügung stellen."
«..'warf zu Giralda hinüber und auch Lord
»Nu», war fragend aus dos Mädchen gerichtet.
Ä der '„was sagst Du zu diesem Plan?" erkundigte
t" gern Mann mit väterlichem Lächeln. „Möchtest
stg-Awd bleiben? Sprich ganz osten, mein Kind.
r,r,e Freude jein, jeden Deiner Wünsche zu

„Ich habe nicht das leiseste Verlangen, in der Stadt
zu bleiben," erwiderte Giralda, zu dem Marquis aus-
schauend. „Der Aufenthalt auf dem Lande sagt meinem
Geschmack weit mehr zu, und ich hoffe, daß Sie morgen
im Stands sein werden, heimzukehren."
„Da!" rief der Marquis triumvhirend. „Was denkst
Du von dieser Entscheidung, Herr Neffe? Du siehst, nicht
alle Frauen schwärmen für Euer buntes, hohles Gesell-
schaftstreiben, und so alt, mürrisch und reizbar ich bin,
zieht dieses unverdorbene liebliche Kind es doch vor, meine
Einsamkeit zu thcilen und sich in ihrer Herzensgute dem
grämlichen Invaliden zu widmen!"
Ormond wurde nachdenklich „Es ist schade," bemerkte
er nach einer kurzen Pause, daß die junge Dame nicht
wenigstens von dem Becher der hauptstädtischen Vergnü-
gungen gekostet haben soll. Sie wird nicht eine einzige an-
genehme Erinnerung von London mitnehmen, als den au
ihren Theaterbesuch. „Beiläufig," fügte er mit einem
forschenden Blick au? Giralda hinzu, „ist es nicht sonder-
bar, daß Lady Beatrice Berril ohnmächtig wurde, als
ihre Augen denen des Fräulein von Arevalo begegneten?
Ich hatte immer wie alle Welt geglaubt, die hochmüthige
Grafentochter sei keiner Erregung fähig."
„Ihre Ohnmacht wird eine Folge der Hitze gewesen
sein," sagte das junge Mädchen mit wunderbarer Selbst-
beherrschung. „Auch ich fühlte mich unwohl in dieser
drückenden Atmosphäre."
Ihre Kälte und Gleichmüthigkeit erschütterte beinahe
Ormond's Ueberzeugung von einem zwischen Beatrice
und dem jugendlichen Schützling seines Onkels bestehenden
Gehcimniß. Der Besuch, mit dem er die Grafentochter
am vergangenen Abend nach der Rückkehr aus dem Theater
bedroht batte, war von ihr ruhig empfangen worden, aber
ihre Antworten aus seine Fragen waren so kühl, so stolz
und herausfordernd gewesen, daß er begonnen, sich in einem
vollständigen Jrrthum zu glauben. Die fremdartige Er-
scheinung der Gräfin Arevalo und Giralda's Unbefangen-
heit verwirrten ihn noch mehr.
„Ich bin entweder der einfältigste, von krankhaftem
Argwohn geplagteste Mensch," dachte er, „oder der schlaueste.

Beatrice und diesem jungen Mädchen ist entweder das
größte Unrecyt von nur geschehen, voer sie sind in einem
Geheimiuß verbunden, das selbst mein Spürsinn nicht zu
lösen vermag. Nun, ich werde nicht lange in diesem Zu-
stande der Ungewißheit bleiben."
In diesem Augenblick erhob sich Giralda und zog sich
mit einigen Worten der Entschuldigung auf ihr eigenes
Zimmer zurück, uni sich nicht einem ferneren Kreuz-
verhör durch den erbittertsten Feind ihrer Eltern aus-
zusetzen.
„Ein schönes Mädchen!" rief Ormond, als die Thür
sich hinter ihr geschlossen halte. „Beabsichtigen Sie wirklich
die Kleine als Ihre Tochter zu adoptiren, Onkel?"
„Ich beabsichtige sie so lange bei mir zu behalten, als
es ihr unter meinem Dache gefällt. Die Fürsorge sür ihre
Zukunft werde ich schon morgen treffen. Mein Anwalt
bringt mein Testament mit, das ich nur zu unterzeichnen
haben werde "
„Frqulein Arevalo ist eine glückliche junge Dame,"
bemerkte Ormond leichthin. „Ohne Zweifel werden Sie
ihr ein httbschts SümmLen vermachen."
„Sechzigtausend Pfund," erwiderte der Marq.üs
ruhig.
e-in gieriger Blick schoß aus Ormond's grauen Augen.
Er war es gewesen, der das Gerücht von seines Onkels
Geiz verbreitet, der Gottfried Trewor beständig von der
Engherzigkeit des Marquis unterhalten harte, während er
selbst das Geld bis zur Leidenschaft liebte. Die Mit-
lheilung des alten Herrn verursachte ihm einen stechenden
Schmerz.
„Sechzigtausend Pfund einer Fremden! rief er grimmig.
„Onkel, Du läßt Dich von ein.rgeschickten Abenteuerin
betrügen!"
„Eduard !" donnerte der Marquis mit einem Blick,
vor dem der schurkische Neffe zurückbebte. „Nimm Dich
in Acht, von diesem Kinde, das ich liebe und dessen guter
Name mir anverlrant ist, ein böses Wort zu sprechen.
Ich warne Dich ernstlich davor."
Fortsetzung folgt.
 
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