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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 41 - Nr. 50 (19. Februar - 1. März)
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Grscheint tiiglich mit AaSnahme der Sonn- u. Feiertage.
Ab»»»e««»tSprriS mit dem wöchentlichenUnterhaltungs-
dlatt „Der Sonntagsbote" sür Heidelberg monatlich 5V^§>
mit Trügerlohn, durch di e Post bezogen viertelj. 1.80 franco.

Organ für Kasstßeff, Fretliät L Kküit.

Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum 10 -Ä
Reklame 25 Für hiesige Geschäfts- und Privat-
anzeigen, sowie für Jahres-Anzeigen bedeutende Rabatt-
bewilligung. Expedition: Zwingerstratze 7.

K k«.

Berantwortl. Redakteur: F. Z. Knappe
in Heidelberg.

Wklbtkk, DntikOi, Ktt ??. W«n.

Druck u. Verlag von Gebr. Huber in Heidelberg
früher Verleger des Pfälzer Boten.


Bestellungen
aus den „Badischen Bolksboten" für den Monat
März nehmen alle Postämter und jeder Briefträger,
fowie unsere Expedition entgegen.
Der „Badische Volksbote", welcher sich in kurzer
Zeit einen großen Leserkreis und viele Freunde er-
worben hat, kostet, sammt der wöchentlichen Beilage,
„Der Sonntagsbote", durch die Post bezogen, mo-
natlich nur «2 Pfennige.
Der Verlag des „Badischen Bolksboten"

Zn ÄtiWU iti Büni.
Die badische Staatsregierung hat bekanntlich der
von Haslach, Steißlingen und Walldürn gestellten
und vom Erzbischof unterstützten Bitte um Genehmi-
gung zur Errichtung von Kapuzinerklöstern nicht ent-
sprochen. Wie wir nun hören, wurde den betreffenden
Petenten mitgetheilt, daß das Erzbischöfl. Ordinariat
hierauf nochmals in eingehender Weise der Regierung
gegenüber das Recht begründet hat, die religiösen
Orden, als zum Organismus der Kirche gehörig,
auch in Baden wieder einzuführen. Sollte die Re-
gierung durch fortwährende Verweigerung ihrer Ge-
nehmigung den 8 11 des Gesetzes vom 0. Oktober
1860 selbst aufheben, so steht der Kirche gemäß
8 7 und 8 des Gesetzes von 1860, d. h. kraft der
allgemeinen Rechtsgleichheit, der reli-
giösen-, Vereins- und persönlichen Frei-
heit, die Befugniß zu, Orden und andere
religiöse Vereine frei und ohne staatliche
Einmischung einznfü hren, sowie den
Ordensprie st ern solcher inl ä n dis ch en Ver-
eine die Ausübung kirchlicher Funktionen
zu übertragen.
Die Kirchenregierung hat dem Ministerium zudem
ausdrücklich erklärt, daß sie fort und fort auf baldiger
Errichtung von Klöstern bestehen werde.
Es ist demnach aus diesen, den betr. Petenten
mitgetheilten Grundsätzen ersichtlich, daß das Erzb.
Ordinariat voll und ganz ans der Seite des katholi-
schen Volkes steht in seinem Verlangen nach Ordens-
niederlassungen und Alles thun wird, um den Katho-
liken zu ihrem Recht zu verhelfen. Um so freudiger
werden deshalb die Katholiken mannhaft bei jeder
Gelegenheit ihre Pflicht thun, damit sie in Baden
nicht länger Katholiken zweiter Klasse bleiben.
'S" ... ' .... > —cui-> _.„71_—
Treuer Klebe Kohn.
Tk) Roman von U. Rosen.
(Nachdc. Lerb.)
„Diese Erklärung ist die einzig wahre, die einzig ver-
ständliche, ries Beatrice- O, Gott, wenn wir es nur be-
weisen könnten!"
„Das werden wir niemals können, Beatrice. Ich stand
betäubt, verwirrt vor meinen Anklägern, mich zerknirscht
unter dem Sturm ihrer Vorwürfe beugend, ohne zu wissen,
was ich zu meiner Vertheidigung Vorbringen könne. Mein
Onkel warf mich aus dem Hause, bereute aber hinterher,
daß er mich hatte entschlüpfen lassen, und nahmDetektives
in seine Dienste, die mich aufspüreu und den Gerichten
ausliefern sollte». Ich verkaufte meine Diamantringe, floh
wit dem Erlös in die neue Welt nach Brasilien und schickte
'orgfältig vorbereitete Beweise meines Todes nach England.
Wenige Monate später kehrte ich in die Heimath zurück,
erlangte eine Unterredung mit Dir und erfuhr, daß Du
nicht nur an meine Unschuld glaubtest, sondern mich liebtest,
wie zuvor, und treu zu mir hieltest."
„Natürlich that ich das, und es war mein Recht, den
tiefgebeugten Geliebten meiner Seele aufzurichten, im Leid
ein Trost und eine Stütze zu sein. Wir wurden vor nur
beinahe siebenzehn Jahren heimlich vermählt. Du bist
jetzt neununddrcißig Jahre, mein Gottfried, und schon ent-
decke ich zahlreiche Silberfäden in Deinem Haar."
„Du aber, Beatrice, Du bist so jugendlich wie jemals,
unser verborgenes Leben hier in unserem weltentlegenen
Birkenhain ist ein wundersames Gedicht. Hier haben wir
Rll und einsam gelebt und geliebt. Hier sind unsere Kinder
Seboren, während man Dich aus einer Reise im Auslande
dermuthete.
«o habe ich mit Fleiß und Eifer studirt und drei
Werke unter einem angenommenen Namen veröffentlicht,
die mir ein mäßiges Einkommen sicherten und einen Ruf
verschafften, den ich dereinst, wenn die Schmach, die ans
wir lastet, für mich zurückfordern werde. Trotz aller Sorgen,
beliebte Beatrice, find wir sehr, sehr glücklich."
. Seine leuchtenden Augen blickten in die ihrigen, die in
Wendiger, stolzer Zärtlichkeit erstrahlten.

Eine gewichtige Antwort auf die Verweigerung
einzelner Klosterniederlasstingen durch den badischen
Rationalliberalismus hat das badische Volk in diesen
Tagen gegeben.
Ein herrlicher Anfang ist gemacht, der National-
liberalismus ist schwer ve'rwuudet, stehen wir fest und
treu zusammen, und wir werden in nicht ferner Zu-
kunft erleben, daß die Klvsterfrage den Nationallibe-
ralisiuus in Baden vollends zu Grabe getragen hat.
„Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein!"
Die Kapuziner werden in Baden leben und wirken,
wenn der tyrannische Liberalismus längst nicht mehr
am Ruder ist, und sie werden Schäden genug
z n h e i l e i! h a b e n, di e er d em Volke in re-
ligiöser, sittlicher und sozialer Hinsicht
geschlagen hat.
Iss PtMim kr ickmlimln MM
sWmfkmiz,
welches die Schweiz den eingeladenen Staaten vvr-
gelegt hat, zerfällt in sechs Hauptabschnitte, deren
jeder eine Reihe von Fragen enthält, welche die ver-
schiedenen Hauptpunkte betreffen. Wir zählen die
Abschnitte der Reihe nach auf:
1. Verbot der Svnntagsarbeit.
Inwiefern ist Grund vorhanden, die Sonntags-
arbeit zu beschränken? Welche sind die Jndnstrieen u.
Betriebe, die ihrem Wesen nach die Arbeit nicht am
Sonntag unterbrechen können und denen deshalb die
Svnntagsarbeit erlaubt werden muß? Kann man in
diesen Jndnstrieen Maßregeln ergreifen, um dem ein-
zelnen Arbeiter Sonntagsruhe zu sichern?
2. Mindestalter von Kindern für die Zulassung
zur Fabrikarbeit.
Ist Grund vorhanden, ein Mindestalter von
Kindern für die Zulassung zur Fabrikarbeit festzn-
stellen? Soll das Mindestalter in allen Staaten gleich
sein oder mit Rücksicht aus die klimatischen Verschieden-
heiten der einzelnen Länder und die dadurch bedingte
mehr oder minder frühzeitige körperliche Entwicklung
der Kinder festgestellt werden? Welches Mindestalter
soll in beiden Fällen bestimmt werden? Dürfen bei
einer einmal getroffenen Bestimmung über das Mindest-
alter Ausnahmen gestattet werden, wenn die Zahl
oder die Länge der Arbeitstage verringert wird?
3. Der Maximcil-Arbeitstag für jugendliche
Arbeiter.
Kann man einen Maximalarbeitstag für jugend-
liche Arbeiter festsetzen? Sollen die Stunden des
„Ich vergaß Dir zu sagen," bemerkle Beatrice nach
einigen Minuten köstlichen Schweigens, daß Lord Ormond
aus dem Osten zurückgekehrt ist. Er speiste heute Abend
bei uns."
„Ormond wieder zurück? In Eurem Hause, Beatrice?"
fragte der Graf erschrocken.
„Ja, und er ist noch derselbe verrätherische, schlechte
Mensch wie ehedem."
„Sprach er wieder von seiner Liebe zu Dir, von
seiner Anbetung für Dich, Beatrice?" rief der Graf mit
finsterer Stirn.
„Natürlich, Gottfried. Er wäre nicht Eduard Ormond,
wenn er es nicht unterlassen hätte, aber Du darfst mir
unbedingt vertrauen, Theure, ich werde zweifellos mit ihm
fertig werden."
„Ich vertraue Dir, Beatrice," sagte er einfach, „und
ich bitte Dich, nimm Dich vor ihm in Acht, Geliebte. Sein
Athem ist Gift, seine Blicke sind zweischneidige Dolche."
Beatrice erzählte ihrem Gatten die Einzelnheiten ihrer
Unterredung mit Lord Ormond nicht, um ihn nicht unnütz
aufzuregen.
„O, Gott," seufzte der Graf mit vor Leidenschaft
zitternder Stimme, „wenn ich mich nur vor der Welt als
Dein Gatte bekennen, Dich vor aller Welt die Meine
nennen dürfte- Die Zeit für diese Anerkennung muß end-
lich kommen, meine Beatrice!"
„Warten wir geduldig, mein Gottfried, bis die Wahr-
heit sich den Weg zum Licht bahnt. Aber jetzt führe mich
zu unseren Lieblingen. Sie werden mir behilflich sein, die
Wolken von Deiner Stirn zu verscheuchen."
Der Graf erhob sich, seine Traurigkeit verschwanv
unter dem sonnigen Blick Beatricen's Er reichte ihr seinen
Arm und sie verließen gemeinsam das Studierzimmer.
6. Kapitel.
Verborgenes Leben und Lieben.
Aus den Arm ihres Gatten gestützt durchschritt Bea-
trice eine hell erleuchtete Vorhalle. Vor der Thür eines
Zimmers, aus dem Musik und ein heiteres Stimmengewirr
zu ihr drang, blieb sie stehen. Mit einem Gefühl seliger
Freude lauschte sie, ehe sie sich entschloß, zu öffnen und

zwangsweisen Schulbesuchs in einen solchen Arbeits-
tag eingerechnet werden? Hat der Maximakarbeitstag
sich dem Alter anznpassen? Wie viel Stunden mit
oder ohne Unterbrechungen soll der Maximalarbeits-
tag in jedem Falle umfassen? Zwischen welche Tages-
stunden soll die Arbeitzeit bestimmt werden?
4. Verbot der Beschäftigung von jugendlichen Ar-
beitern und Frauen in besonders gesundheitsschäd-
lichen oder in gefährlichen Betrieben.
Ist es nothwendig, die Beschäftigung von jugend-
lichen Arbeitern und Frauen in besonders gesundheits-
schädlichen oder in gefährlichen Betrieben zu verbieten?
Sollen die zu diesen Klassen gehörigen Personen voll-,
ständig von solcher Beschäftigung ausgeschlossen werden
'— und, wenn so, bis zu welchem Alter? — oder
nur theilweise — d. h. bis zu einem gewissen Alter
für junge Leute und zu gewissen Zeiten für Frauen.
— oder soll die Länge des Arbeitstages für jugend-
Arbeiter und Frauen in solchen Betrieben eingeschränkt
werden? Welches sind die geringsten Anforderungen,
die in den beiden letzten Fällen zu stellen sind?
Welches sind die ungesunden oder gefährlichen Be-
triebe, auf welche das obige Verbot anzuwenden ist.
5. Beschränkung der Nachtarbeit für jugendliche
Arbeiter und Frauen.
Sollen jugendliche Arbeiter gänzlich oder nur
theilweise von der Nachtarbeit ausgeschlossen werden?
Unter welchen Bedingungen können sie theilweise zur
Nachtzeit zugelassen werden. Sollen Frauen ohne
Unterschied des Alters von der Nachtarbeit ausge-
schlossen werden ? Wenn ihnen die Nachtarbeit gestattet
wird, muß man dann bestimmte Beschränkungen fest-
stellen? Welche Stunden eines Arbeitstages sind in
den Begriff Nachtarbeit eingeschlvsseu, oder mit anderen
Worten, wann beginnt und endigt die Nachtarbeit?
6. Die Ausführung der angenommenen Bestimmungen.
Aiif welche Arten von Betrieben — Bergwerke,
Fabriken, Werkstätten — sind die Bestimmungen an-
zuwenden? Soll ein Zeitpunkt für die Ausführung
der angenommenen Bestimmungen festgesetzt werden?
Welche Maßregeln sind zu treffen, um die Ausführung
zu sichern? Soll für eine periodisch zusammentretende
Konferenz von Vertretern der Staaten, welche an der
gegenwärtigen Konferenz theilnehmen, vorgesorgt
werden? Welche Aufgaben sind diesen Konferenzen
zuznweisen?

Deutsches Reich.
" Berlin, 25. Febr. Der Reichsanzciger bringt
die übliche Bekanntmachung betreffend die landesberr-
einzutreten. Eine liebliche Szene wie aus einem Feen-
märchen bot sich dem liebenden Blick der Eltern.
Das hohe Gemach wurde durch einen von schwebenden
Engeln getragenen Kronleuchter mit einer Fülle heiteren
Lichtes versorgt.
Vor dem reichgeschnihten Flügel saß ein Knabe mit
bis auf die Schultern niederwallenden blonden Locken.
Seine feinen Züge, die schwärmerisch blauen Augen und
die zartgerötheten Wangen drückten gleichmäßig die Be
geisterung aus, welche die süßen Harmonien, die er dem
Instrument entlockte, in ihm hervorriefen, und bekundeten
ein poetisches Gemüth und eine Natur, die nicht dazu ge-
schossen war, mit der rauhen Wirklichkeit des Lebens zu
kämpfen. Obwobl er erst elf Jahre zählte, glaubten feine
Ellern schon ein Genie in ihm entdeckt zu haben- Wie
der Dust die Rose umweht, umschwebte ihn ein leiser
Hauch jener Melancholie, welche die Begleiterin ungewöhn-
licher Gaben zu sein Pflegt.
Es war Egon, das jüngste Kind des Grafen, der Lieb-
ling seiner Mutter.
Ein etwa fünfzehnjähriger Knabe mit dunklen Locken
und den blitzenden Augen Beatricens, voll Feuer, Geist
und Leben, blätterte, dem Bruder zuhörend, zerstreut in
einem Buche.
Es war Ruppert, der älteste Sohn und Erbe des
Grafen, ein Kind, auf das man stolz sein durste. Ihm
zur Seite lehnte ein sechzehnjähriges anmuthiges Mädchen.
Giralda war schlank und biegsam wie eine junge
Weide. Ihre Wangen waren leicht gefärbt wie die Blätter
der Theerose. Ihr schwarzes Haar legte sich in schweren
Flechten um den klassisch geschnittenen kleinen Kopf. Ihre
von langen Wimpern überschatteten Augen leuchteten im
tiefsten Blau, das sich in der Erregung zu durchsichtigem
Schwarz verdunkelte. Der liebliche Mund, den die Grazien
geküßt zu haben schienen, verrieth ein Herz voll warmer
Liebe und Zärtlichkeit
Der Knabe am Flügel stimmte in plötzlichem Neber-
muth einen Strauß'schen Walzer an.
Rupert umschlang seine Schwester Giralda, das älteste
Kmd der geheimnißvollen Ehe zwischen dem spanischen
 
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