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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 1 - Nr. 10 (1. Januar - 14. Januar)
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nt Trügerlohn, durch die Post bezogen Viertels 1.80 franco.

Organ für Klilirüttt, Freikeli L KeM.


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bewilligung Expedition: Zwingerstratze 7.


! Verantwort!. Redakteur: F. Z. Knappe
in Heidelberg.

WklbkU Zmßiz, im l.Z«mr.

Drucku. Verlag vonGebr. Huber inHeidelberg
fniher Verleger des Pfälzer Boten.

1890.

Zll Kl WsiGMl.
Die nächsten Reichstägswcchlen nehmen das
öffentliche Interesse jetzt schon in erhöhtem Maße in
Anspruch. Ein recht abstoßendes Schauspiel biecet der
so geräuschvoll wiedererneute Kartellbund, dessen wür-
dige Vertreter sich Tag sür Tag in den Haaren liegen.
Nach dem Buchstaben des Kartellvertrages sind auch
die Hochkonservativen, wie Hammerstein, Stocker und
Genossen in die Wahlversicherungsgesellschaft auf Gegen-
seitigkeit ausgenommen, doch scheint sich die Wirklichkeit
wesentlich anders zu gestalten als der geschriebene
Vertrag, denn die Nationalliberalen wollen nur solche
Mitglieder der deutsch-konservativen Partei unterstützen,
welche ihrem Geschmacke zusagen und ihnen politisch
ungefährlich erscheinen. Leute dagegen, melche wie
z. B. von Hammerstein, der Oberste der Kreuzzeitungs-
ritter, bewiesen haben, daß sie gegebenenfalls ihre
eigenen Wege gehen und die nat.-lib. Oberherrlichkeit
nicht anerkennen, werden vom Kartell geächtet. Auch
Puttkamer, der auf dem Altäre des Nationalliberalismus
geopferte preußische Exminister, gefällt den National-
liberalen begreiflicherweise als Kartellkaudidat so schlecht,
daß sie gegen ihn zu streiken drohen. Daß es aus
den konservativen Wäldern in denselben Tönen heraus-
schallt, wie man nationalliberalerseits hineinruft, ist
selbstverständlich, und so droht denn der Kartellver-
band schon vor der Hauptschlacht in Hellem Hader aus
den Fugen zu gehen zur Freude der — Freisinnigen,
welche aus diesem Zweck Vortheil ziehen werden.
Ueberhaupt kann man, ohne Prophet zu sein, schon
heute sagen, daß es um die Kartellsache bei den Wahlen
nicht sonderlich gut stehen w.rd, da ein außerordent-
liches Zugmittel, wie bei den Septenuatswalsten die
.Kriegsangst und der Bretter- und Melinitschwindel,
aller Voraussicht nach fehlen und das Kartell sich
wohl zweimal besinnen müssen wird, ehe es die be-
kannte Parole „für oder wieder den Kaiser" zum
Feldgeschrei bei den Wahlen macht; denn es ist ein
zweischneidiges Schwert, mit dem man hier spielt. Die
Kartellparteien verhehlen sich auch selbst nicht, daß die
„Gefahr" einer „oppositionellen" Mehrheit, d. h einer
Mehrheit, in welcher auch das Cent rum eine ent-
scheidende Rolle spielen würde, nicht gering ist.
Daß die Centrumspartei in ganz Deutschland ihre
Standarte gegen das Kartell aufpflanzen wird, ist
sozusagen selbstverständlich. Zu allem Nebenfluß hat
Windthorst diesen Satz jüngst im Reichstage klar und
deutlich proklamirt. In erster Linie gilt unser Kampf
wieder dem Nationalliberalismus, der sich bei der Be-
KöHenkrrft.
Bon Lary Groß,
(Nachdr. »erb.)
79) (Fortsetzung.)
Aus vielen Kaminen stieg der bläuliche Rauch empor
und durchzog die reine Winterluft. Dennoch sah das
Schloß aus, als wäre es nur spärlich bewohnt. In der
zweiten Etage waren nur wenige der vielen Fensterläden
geöffnet und der lange Flügel der Gastzimmer stanv trotz
der nahenden Festzeit verschlossen; ebenso das große Gitter-
thor, das zur Terrasse und Freitreppe des Hauptportals
führte. Die wenigen Bewohner und Diener des Schlosses
gingen durch ein Seitenthor aus und ein, und fremde Be-
sucher waren kaum zu erwarten, da außer Gräfin Lucie,
die mehr und mehr nur den Geschäften lebte, kein anderes
Glied der Familie Stahrberg anwesend war, als Gräfin
Irene, welche, leidender und verstimmter als je, keine Be-
suche wünschte, auch niemals die künstliche Tropenluft ihrer
Wohn- und Schlafzimmer verließ.
Die frohen Erwartungen aus ein reges Gesellschafts-
leben in Elbwitz, die man in den Nackbarschlössern hegte,
als die Herrin mit ihrem ältesten Sohne im vorigen
Sommer von der langen Reise in Oberitalien und Tirol
endlich zurückgekommen war, hatten sie nicht erfüllt. Jetzt,
da Graf Alfred wieder fortgezogen war und sein Bruder
in der fernen österreichischen Garnison diente, wußte jeder,
daß keine Geselligkeit in Elbwitz zu suchen war- Benach-
barte Familien, die nicht, gleich den Döllhofens, den Winter
in der Stadt verlebten, hüteten sich, den weiten Weg zu
den einsamen Damen zu machen, die durch nichts, als
eben durch ihr einsames Leben, Stoff zu Glossen abgaben.
Warum war die Gräfin ohne ihre Pflegetochter Raimonda
heimgekehrt, und warum hatte Gräfin Lucie die Fragen
der Neugierigen so schnöde und unbefriedigend beantwortet ?
Nicht einmal die Dienerschaft, die das junge Mädchen ge-
liebt hatte, erfuhr anderes, als sie sei zu ihren Verwandten
zurückgekehrt; damit mußten sie sich begnügen. Graf Al-
freds plötzliche Erkrankung, die ihn einen ganzen Winter
von seinen Gütern serngehalten, gerade als man geglaubt.

rathung der jüngsten kirchenpvlitischen Centrumsau-
träge wieder in seiner wahren Gestalt gezeigt hat.
Die Centrnmspartei wird sich nur auf sich selbst
verlassen müssen, sie darf ihre Sel b stä n digkei t
weder nach rechts noch nach links irgendwo preis-
geben, sie muß sich darauf einrichten, daß sie den
Kampf gegen die sämmtlichen übrigen Par-
teien ausznnehmen haben wird. Der heutige Besitz-
stand der Centrnmspartei im Reichstage ist geeignet,
die Katholiken mit Muth und Hoffnung zu erfüllen,
aber es wäre ein großer Fehler, wenn man im Hin-
blick ans die gegenwärtige Parteistärke sich für die
ungewisse Zukunft in falsche Sicherheit wiegen ließe.
Allzufrühes geräuschvolles Eintreten in die Agitation
ist von der Centrnmspartei niemals beliebt worden,
aber es müssen doch rechtzeitig alle Vorbereitungen
getroffen werden, damit man schließlich nach der alten
Kavallerieregel „Spät gesattelt, scharf geritten"
um so energischer dem Ziele zustreben kann.

Deutsches Reich.
* Berlin, 2. Jan. Der Kaiser sandte dein
Reichskanzler anläßlich des Jahreswechsels seine
wärmsten Glückwünsche mit dem Dank für die auf-
opfernde Mitwirkung des Reichskanzlers an den Er-
folgen des abgelanfenen Jahres in Betreff der Auf-
rechterhaltung des Friedens und Zustandekommens des
Alters- und Jnvaliditätsversicherungs-Gesetzes. Der
Kaiser bittet Gott, ihm den treuen und erprobten Rath
des Reichskanzlers noch viele Jahre zu'erhalten.
* Berlin, 2. Jan. Auch in dieser Zeitung wurde
die Reutermeldung aus Zanzibar wiedergegeben, daß
Major Wißmann am 27. Dez. zwei Abtheilnngen von
Pangani vorschickte, nm die Bewegungen Bwana
Heri's (auch Bemann Heri) ausznkundschasten, welcher,
wie es hieß, gegen jenen Platz vorrücken wollte. Eine
Abtheilung wurde von dem Araberhänptling ange-
griffen und zum Rückzug gezwungen, wobei 1 Offizier
schwer verwundet wurde. Major Wißmann begab
sich am 29. Dez. mit den Kanonenbooten „Sperber"
und „Schwalbe" und allen verfügbaren Truppen nach
Pangani, um gegen den in der Nähe sich versteckt
haltenden Bwana vvrzngehen. Dieser Bwana Heri
ist, wie ans dem letzten Weißbuch über Ostafrika er-
sichtlich, der frühere Mali von Saadani, dessen Shamba
bei der „Eroberung" dieses Ortes am 6. Juni ange-
zündet wurde, und ans dessen Besitzung sich der größere
Theil der dortigen Aufständischen geflüchtet hatte. Der
jetzige Anführer der Kriegsschaar gegen die Deutschen
ist also, wie die „Voss. Ztg." hervorhebt, ein ehe-
daß er dieselben übernehmen werde, hatte noch mehr An-
laß zum Bedauern gegeben, umsomehr, als der junge
Mann nach seiner Rückkehr eine Ruhelosigkeit und Schwer-
muth gezeigt, die mit seinem früheren Wesen gar nicht im
Einklänge stand.
Das Bedauern hatte sich vermehrt, als zu Beginn des
Herbstes, gerade als das Leben auf den Landsitzen am
fröhlichsten zu werden versprach, der junge Gutsherr sich
abermals auf Reisen begab. Man mußte es ihm glauben,
daß er den Winter in der rauhen Elbgegend nicht ertragen
könnte; er sah noch nicht sehr gekräftigt aus. Dagegen
wurde es als Unvorsicht bezeichnet, daß er ohne jede Be-
gleitung seiner Verwandten hatte reisen wollen, und daraus
bestand, weder von der Mutter ein neues Opfer anzu-
nehmen, noch von sonst jemandem aus der Familie.
Gräfin Lucie hatte gegen diesen Entschluß ihres Neffen
so wenig vermocht, wie seine Mutter, und hatte sich um
so mehr ;zu passivem Schweigen verurtheilt gesehen, als
sie wohl wußte, wie unwiederbringlich ihres Neffen frühe-
res Vertrauen verloren war. Zwar machte er nie mit
dem leisesten Worte einen Vorwurf über ihr brüskes Ein-
greifen in seine Jugendträume, das seine Krankheit her-
vorgerufen batte; sie konnte auch nie ergründen, ob er
ihr nur nur wegen ihres schroffen Auftretens zürnte, oder
aber thöricht genug war, ihr zu grollen ob der Vernichtung
von unausführbaren Wünschen. Ob er diese noch immer
hegte? Sie fürchtete es fast, trotz des ihr absolut unver-
ständlichen einer solchen Gesinnung; doch sie hütete um so
sorglicher ihr Geheimniß über Raimondas Verbleiben.
Schließlich würde ja Alfred doch einmal zur Einsicht
kommen, wie vorsorglich sie für sein Wohl gewacht! Man
mußte ihm nur Zeit lassen, sich zu finden.
Natürlich konnte Lucie, solange in Alfred diese er-
wünschte Einsicht nicht einkehrte, in keiner Beziehung ruhig
über ihn fein.
Daß es Lucien nicht gelang, Alfred zur Uebernahme
feiner eigenen Geschäfte zu bringen, daß er wieder hinaus-
zog, ohne recht zu bestimmen wohin, hatte ihre Unruhe
nur vermehrt und zuletzt in Nagende Sorge umgewandelt,
besonders seit Alfred nach verschiedenen Kreuz- und Quer¬

maliger Beamter des Sultans von Zanzibar, der die
Gewalt zu vergelten im Begriffe steht, die ihm von
deutscher Seite angethan worden ist. Man mißt es
dem Einfluß Bwana Heri's bei, daß Saadani sich
wiederholt anflehnte und beschossen werden mußte.
Sein Name ist aber neben demjenigen Buschiris als
Führer des Aufstandes bisher nicht genannt worden.
Außer in jenem Wißmann'schen Bericht vom Juni
v. I. findet sich der Name Bwana Heri's in den
amtlichen Darstellungen über den Ausstand nirgends
erwähnt, es scheint also, daß das Verschwinden
Bnschiris ihn zu der Bedeutung gebracht habej die er
als Chef des Aufstandes den neueren Meldungen zu-
folge jetzt genießt. — Im Gegensatz zu den gestrigen
günstigen Nachrichten über die Peters'sche Expedition
wird heute ein vom 18. Dez. datirter Brief aus Aden
veröffentlicht, der jünger als die letzten Meldungen ist.
Die in Frage kommende Stelle in demselben lautet:
„Kapitänlieutenant Rust, der einzige Ueberlebende der
Peters'schen Expedition, ist jetzt hier (in Aden). Ich
habe mit ihm gesprochen und sagte er, er hätte schreck-
lich zu leiden gehabt. Als er' in Lanin an Bord
kam, hatte er keine Schuhe mehr; Kleider, alles zer-
rißen; er selbst noch schwer fieberkrank. Er war 5
Tage bewußtlos und seine Leute verließen ihn für
todt. Dieselben marschirten weiter; nur sein treuer
Diener blieb bei ihm. Als er zu sich kam, berichtete
einer seiner Leute, die ihn vorher verlassen, daß
Peters eine Tagereise von ihm ermordet sei. Der
Mann schwur, er hätte Peters selbst liegen gesehen
mit abgeschlagenem Arme und Tiedemann mit drei
Speeren in die Brust." — Der wirkliche Thatbestand
wird wohl in den nächsten Tagen bekannt werden.
* Aus Rheinhessen wird der N. B. L. ein
schöner Zug von Arbeiterfrenndlichkeit mitgetheilt. An-
läßlich ihres fünfzigjährigen Bestehens hat die Leder-
fabrik von Doerr und Reinhart in Worms am Syl-
vesterabend einen Betrag von hunderttausend Mark
zur Erbauung von Arbeiterwohnhäusern ausgesetzt.
Die Häuser sollen zu einem mäßigen Zins den Ar-
beitern der Fabrik zur Verfügung gestellt werden.
Weiter hat die Firma ein Kapital von fünfundzwanzig
Tausend Mark gestiftet, dessen Zinsen zur Ergänzung
der von der Betriebskrankeukasse der Fabr k geleisteten
Krankengelder dienen soll. Diese Stiftungen waren
von einer Danksagung an dieArb eiter begleitet,
worin es heißt, daß die Träger der Firma stets der
Pflicht eingedenkt seien, „ihren Arbeitern mehr
z u s ch nlden als den Loh n."

reisen in Paris weilte. Dort vermulhete Lucie nämlich,
nach den Angaben ihres Mittelmannes, dem Maestro
Negroni, und seit sie in einem Pariser Journal gelesen,
daß eine junge fremde Künstlerin vorerst in Privatkreijen
außerordentliches Aufsehen erregte, wurde es ihr fast zur
peinlichen Gewißheit, daß diese Sängerin Raimonda sei,
und daß Alfred ihr in Paris begegnen werde. Allerdings
wußte der junge Mann jetzt wie gewaltiger Natur das
Hinderniß war, das ihn von der Jugendgeliebten trennte,
und dieses hatte sich durch eine Künstierlaufbahn nur noch
vermehrt! Dennoch konnte Lucie ihre Sorge nicht los
werden, und ruhelos erwartete sie täglich die Briese ans
Paris.
Auch beute ging sie lange bevor der Postbote die
schneeigen Pfade, die zum Schloßhofe führten, betreten
hatte, voll banger Erwartung in ihrem Zimmer zwischen
Schreibtisch und Fenster auf und ab. Alles nm sie her
zeigte, wie sie einzig nützlicher Thätigkeit ihr Leben wid-
mete- Nichts von den tausend Zierarten der Damen-
Schreibtische war auf dem ihrigenzu sehen, der mit Wirth-
schaftsbüchern, Listen, Paketen von Rechnungen und Quit
tungen bedeckt war und keinen anderen Schmuck aufzu
weisen hatte, als zwei Photographien: Alfred und Erwin
als Knaben darstellend.
Endlich hörte die ungeduldig Harrende die Seitenpforte
des Hofes sich öffnen, und als Lucie durch einen raschen
Blick sich überzeugt, daß der ersehnte Postbote es war, der
in den einsamen Hof trat, zog sie auch schon die Klingel
und befahl dem Diener, die Posttasche sogleich ihr zu
bringen, obgleich dies ohnehin alltäglich so geschah.
Mit nervöser Hast öffnete sie das allzu si chereSchloß
und durchblickte das ansehnliche Packet der Brüse, die
sie endlich ans dem wiederspenstigen Verschluß befreien
konnte
Gott sei Dank, einer war von Alfred! Kaum hatte
sie seine Schriftzüge erspäht, schob sie die anderen Briefe
beiseite, und die Adresse lesend, eilte sie zu einer kleinen
Wendeltreppe, die direkt von ihrem Wohnzimmer m die
Gemächer Irenens führte; denn Alfreds Brief war an
seine Mutter gerichtet. Forts, folgt.
 
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