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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 141 - Nr. 146 (24. Juni - 29. Juni)
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Wrfcheiat täglich mit LuSuahme der S-mn-u. Feierrage.
NbonuemeutSpreis mit dem wöchentlichen Unterhaltungs-
rlatt „Der Souutagsbole" für Heidelberg monatlich LV
«Ä Lrägerlohn, durch die Post bezogen viertelj. 1.80 franco.

Organ für Wakrlmt, FreUeit ä: KM

Inserate die 1-spaltige Petitzelle oder deren Raum 10 H
Reklame 25 ^§». Für hiesige Geschäfts- und Privat-
anzeigen. sowie für Jahres-Anzeiger bedeutende Rabalt-
bewllligung. Expedition: Ztvingerstratze 7.


Ber antwort!. Redakteur: F. 2. Knappe
in Heidelberg/

Wcling. Imnßig, ks H. Zmi.


Drucku. Verlag von Gebr. Huber in Heidelberg
früher Verleger des Pfälzer Boten.


Bisminks Mnkissk.
Ueber den Empfang der Deputation der Berliner
Kartellparteien, die dem Fürsten Bismarck am Sonn-
tag in Friedrichsruh eine Adresse überreichte, veröffent-
licht ein Berliner Blatt, dessen Redakteur in der
Deputation war, einen längeren Bericht, dem zufolge
der Exkanzler auch diese Gelegenheit zu einer neuen
Kundgebung in dem jetzt schon bekannten Stile über
seinen Rücktritt und über sein Recht, sich weiterhin
politisch vernehmbar zu machen, benützte. Neu und
sowohl mit den Thatsachen, als mit den früheren eigenen
Angaben in Widerspruch stehend, ist folgende Version
über seinen Rücktritt:
„Die Gründe für mein Scheiden von Berlin liegen
nicht in mir, auch nicht da, wo man sie heute vielfach
sucht. Sie liegen lediglich in der Zersetzung der
Ansichten meiner Kollegen in der Re-
gierung. Nur die Einigkeit einer Regierung macht
dieselbe stark. Ich war mit den Kollegen nicht mehr
eins, und der nothwendige einige Geist war nicht
mehr vorhanden. Damals hatte ich die große Ver-
antwortung allein und konnte darum nicht mehr bleiben.
Jetzt habe ich die Verantwortlichkeit nicht mehr, und
darum rede ich frei heraus."
Fürst Bismarck fuhr dann fort, und hier ist, wenn
nicht der Inhalt, so doch die Form seiner Aeuße-
rungen bemerkenswert!):
„Ich befinde mich etwa in der Lage des Fürsten
Metternich, welchem ich mich sonst nicht vergleichen
möchte und dem ich nicht nachahmen will. Aber er
sagte, daß er von der Bühne in das Par-
terre hinabgestiegen sei. Und in dieser Lage
befinde ich mich jetzt auch. Es giebt Menschen, viele
Menschen, welche mir das nicht gönnen wollen, aber
Jeder, der ein Parterrebillet gelöst hat, hat doch das
Recht der Kritik. Er muß dasselbe nur mit
Anstand gebrauchen und nicht mit der schrillenden
Pfeife, und es bleibt eine Pflicht für mich, meine
Meinung zu sagen, für die Vielen, welche die-
selben hören wollen, im Jnlande und im Auslande
und nicht zu schweigen. Ein altes Sprichwort sagt:
Wem Gott ein Amt giebt, dem--giebt er auch Verstand,
und dieses Sprichwort möchte man heute umdrehen
und sagen: Wem Gott ein Amt nimmt, dem nimmt
er auch den Verstand. Aber ich kann den Herren
sagen, daß ich noch genau der alte bin,
gerade wie vor drei Monaten, und noch denselben
Verstand beanspruche, wie vor drei Monaten. Und
ich füge mich nicht, nnd wenn ich auch ganz allein

Treuer Liebe Lohn.
Itl) Roman von U. Rosen
kN«lbdr. rerb.)
„Ueberzeugt?'' lachte Ormond. „Sie sprach mit
einer rückhaltlosen Aufrichtigkeit mit mir, die durchaus
nicht zu bezweifeln ist. Du kannst ja Giralda Wieder-
sehen, wenn du willst, Onkel. Du kannst um ein B'schen
Liebe bei ihr betteln, sie wird sehr bald hier sein."
„Um zu mir zurückzukehren, Eduard?"
„Ach, welch thörichter Gedanke! Nein, sie kommt heim-
lich mit Lord Grosvcnor hierher, um ihre Eltern zu be-
grüben. Ihr Vater verbirgt sich in der Nähe. Hast Du
nicht Lust, Deinem meuchelmörderischen Neffen in das
heuchlerische Antlitz zu schauen, Onkel? Hast Du nicht Lust
ru hören, wie er Deiner Schwäche und Thorheit spottet?"
Der Marquis ballte seine Hände. Auf seinen Wangen
glühten rothe Flecke, seine Augen hingen wie gebannt an
Ormond, aber er sprach nicht.
Ormond's Stimme wurde immer wilder und gehässiger.
„Onkel," zischte er, „möchtest Du das Antlitz desjenigen
wieder sehen, der Dich vor achtzehn Jahren zu mitternächt-
licher Stunde im Schlaf zu ermorden trachtete? Möchtest
Du wieder in die blauen Augen des Knaben sehen, den
Du wie einen Sohn geliebt und der Dir mit einem Dolch-
notz zu vergelten strebte? Möchtest Du hören, wie er seine
Dochier über den Zustand Deiner Gesundheit befragt, um
zu berechnen, wann er mit Bestimmtheit auf Deinen Tod
Kihlen könne? Möchtest Du Gottfried Trewor sehen,
Onkel?"
Alle die bösen Leidenschaften, die in des alten Mannes
Brust schlummerten, wurden von dem Hohn Ormond's zu
wilden Flammen ausgestachelt. Giralda und seine Liebe
für das Mädchen waren vergessen. Hatz und Rache nahmen
von seinem ganzen Wesen Besitz und verscheuchten olle
wüsteren Gefühle.
. . „Ja," rief er, und seine Züge arbeiteten krampfhaft,
leine Stimme erstickte vor Wuth, „führe mich zu ihm, latz
Asch jenen Elenden sehen- O, daß ich ihn in dem Augen-
?uck, ,n welchem er sich am sichersten glaubt, den Händen
«er Gerechtigkeit überantworten könnte."

bliebe. Für einen Manu, wie ich bin, ist eine Pflicht,
selbst an höchster Stelle seine Meinung frei
heraus zu sagen. Und an dieser Stelle tritt eine solche
Pflicht erst recht ein. Ein guter Minister soll nicht
auf das Stirnrunzeln des Monarchen schauen,
welchem er dient, sondern er soll ihm frei seine
Meinung sagen. Er hat ja dann bei gegenteiliger
Entscheidung das Recht der Wahl, ob er sich fügen
oder gehen will. Und wenn ich auch nicht mehr im
Amte bin, so habe ich doch das Recht eines jeden
Staatsbürgers behalten, frei seine Meinung heraus
zu sagen. Ich kann mich nicht wie ein
stummer Hund verhalten. Und ich habe nichts
Anderes gethan, als die Friedenspolitik meines Nach-
folgers in: Amte, welche ich allzeit angebahnt und im
Auge behalten, unterstützt. Was ich rede nnd
thue, das thue ich im Interesse, der Dynastie und
des Friedens. Ich erlaube mir ja keine Kritik auch
nicht über die jetzigen Vereinbarungen wegen des
englisch-ostafrikanischen Abkommens. Und wenn man
mir in Sachen der Interviews vorwirft, daß ich
mit fremden Zeitungen verkehrt hätte, so kann ich den
Vorwurf nicht gelten lassen, denn früher als ich noch
im Amte war, standen mir die russischen Blätter um
die Welt nicht offen, um die vielen Lügen, welche
dort verbreitet wurden, zu widerlegen. Wenn mir
heute Gelegenheit wird, vermöge des Ansehens, welches
ich immer noch habe, in einem Blatte, welches in
hunderttausenden von Exemplaren in Rußland ver-
breitet ist, der von mir immer als Lebensaufgabe be-
trachteten Friedenspolitik zu dienen, so sollte man mir
dankbar sein und mir nicht zürnen, nnd wenn man
mrr zürnt, dann bin ich ja gewohnt, das z n
thnn, was ich für gut halte. Ich vermag
es ja nicht, vierzig Jahre meines Lebens einfach aus-
zustreichen. Hätte ich es nicht anders gekannt, so
hätte ich mich ruhig nm meinen Hafer und meine
Kartoffeln bekümmert. Aber heute von mir zn
verlangen, daß ich mit einem Male ein
ruhiger Landmann werde, das ge ht nicht
an. Ich muß eben so verbraucht werden, wie ich bin."
Deutsches Reich.
Berlin, 24. Juni. Immer sicherer tritt die
Nachricht auf, daß der nat.-lib. Parteiführer und
Frankfurter Oberbürgermeister Miquel dazu berufen
ist, an Stelle des scheidenden F i n a nz m iniste r s
von Scholz zu treten und als neuer Besen auf dem
Gebiete des Steuerwesens gut und schneidig zu keh-
ren. Miquels erfindungsreicher Kopf soll Pläne er-
Ormond lachte wie ein Teufel. Er hatte seinen Onkel
bis zur höchsten Raserei entflammt. Sein Plan war ihm
gelunqen.
„So folge mir," sagte er. „Wir werden auf ihn
warten —"
Er hielt inne, als er den Detektive Born bemerkte,
der mit beflügelten Schritten die Terrasse erstieg.
Der Marquis nickte dem Polizisten mit einem eigen-
thümlich verächtlichen Lächeln seinen Gruh entgegen.
„Gnädiger Herr," redete Born den Marquis an, in
dessen Dienst er gegenwärtig arbeitete, „ich bin gekommen.
Ihnen einen vollständigen Erfolg zu melden."
„Erfolg, einen Erfolg?" wiederholte der Marquis mit
heiserer Stimme.
„Ja, ich habe Ihnen die Entdeckung des Aufenthalts
Ihrer Nichte, des Fräulein Giralda Trewor, zu berichten.
Sie befindet sich im Augenblick in diesem Garten, und hat
sich soeben in Begleitung Lorv Grosvenor's und ihres
Bruders in den Pavillon an der Ostseite begeben."
Der Marquis bewegte sich unwillkürlich einige Schritte
vorwärts.
„Gnädiger Herr," fuhr Born fort, und seine kleinen
ausdruckslosen Augen leuchteten in der Hoffnung auf die
Belohnung wie Johanniskäfer im Dunklen, — „auch er ist
hier, auch Gottfried Trewor ist angekommen."
Lord Trewor sagte kein Wort, aber sein Gesicht er-
glühte in wildem Rachegcfühl.
„Das Boot, das ihn und seinen ältesten Sohn hierher-
trug, landete vor wenigen Minuten," erzählte der Detektive
weiter. „Zwei meiner Leute sind in der Nähe des Pavillons
ausgestellt, um ihn zu verhaften. Oder ist es ihr Wunsch,
den Meuchelmörder entschlüpfen zu lassen, nachdem er die
Qualen der Angst vor dem Arm der Gerechtigkeit durch-
gekostet hat?"
Ein Blitzstrahl zuckte aus den dunklen sturmkündenden
Augen des Marquis. „Ihn entschlüpfen lassen?" keuchte
er. „Nein, nein! Ich habe ihn endlich gefunden. Die
Stunde der Vergeltung ist da. Verhaften Sie ihn, sobald
ich das Zeichen dazu gebe, und nun führen sie uns zu dem
interessanten Familienkongretz."
Der Detektive ging voran- Lord Trewor und sein

sinnen, wie man auf die originellste nnd beste Weise
dem stenerzahlenden Volke ans den Leib rücken und
die Steuerschraube noch einigemale herumdrehen könne,
ohne daß unten das Blut des Volkes durchsickert.
Herr von Scholz war schon abgebraucht, er hatte sich
nach allen Richtungen hin auf dem Gebiete der di-
rekten, besonders aber der indirekten Steuern als ein
sehr erfinderischer Herr erwiesen, nun aber ist er am
Ende seiner Weisheit, und das sichert ihm den Dank
des Volkes. Zu seinem thatsächlich vorhandenen Au-
genleiden kommt das eine, daß er nicht sehen will,
wie der deutsche Volkswohlstand zur Schlachtbank ge-
führt wird. Auch im Reichsschatzamt wird der „lie-
benswürdige Dilletaut," wie die „Franks. Ztg." Herr
von Maltzahu-Gültz nennt, durch eine andere
Kraft ersetzt werden. Herrn Miquel kann man, ob-
wohl er die politische Welt durch eine blaue Brille
sieht, nicht abftreiten, daß er große Sachkenntniß mit-
bringt und wohl der geeignetste Mann zur Durch-
führung einer Steuerreform ist. — Bevor der Reichs-
tag iu die wuchtige Berathung der Militärvor-
lage eintrat, wurde die dritte Lesung der Forderung
für Ostafrika erledigt u. z. ohne Debatte, um —
die Parteien hatten sich darüber geeinigt — eine Be-
sprechung des deutsch-englischen Vertrages zu vermei-
den. Die B u d g etkomm iss i o n beendete gestern
die Berathung der Gehaltserhöhungen nnd nahm den
Rest der Vorlage einschließlich der Stellenzulage an. Nur
bei denReichseisenbahnbeamteu wurden die Erhöhun-
gen etwas niedriger berechnet nnd schließlich folgende
Resolutionen angenommen: Den Bnndesrath aufzu-
fordern :
1) Das Verhältnis; der et ats inä ß i g e n Ste l-
le n zu den diätarisch beschäftigten Beamten allgemein
einer Prüfung zu unterziehen und vorhandenen Miß-
verhältnissen nöthigenfalls durch Vermehrung der
etatsmäßigcn Stellen abzuhelfen:
2) Erwägungen eintreteu zu lassen, ob nicht eine
allgemeine Einführung der D i en sta lter s stufen
für die Besoldungen der etatsmäßigen Beamten sich
empfiehlt. — In der gestrigen Sitzung der Arbeiter-
schutzkommission wurde der ß 139 in der Hauptsache
unverändert angenommen, welcher bestimmt, daß in
gewissen Nothfällen Dispense von den Vorschriften
über die Beschäftignugsdauer ertheilt werden dürfen.
Im Z 139 u wurde der zweite Absatz gestrichen, der
unter Umständen die Verwendung von Arbeiterinnen
über 16 Jahren in der Nachtzeit für gewisse Fabri-
kationen gestattet. — Von der Reichstagskommission
zur Berathung des Antrags Rintelen betr. Reform
Neffe folpten ihm. Als sie den Garten durchschritten, be-
gegneten sie dem Grafen Berril, der sich auf dem Wege
befand, seinen Gast aufzusuchen.
Der Marquis lächelte — ein entsetzliches, freudloses
Lächeln, bei dem den Grafen ein Schauer durchrieselte.
„Theilen Sie meine Genugthuung, meinen Jubel, Berril,"
rief er, „Gottfried ist endlich gefunden! Wj? haben ihn in
die Falle. Kommen Sie mit, und seien Sie Zeuge der
Verwirrung und des Entsetzens dieses doppelt gefärbten
Berrätbers, der in der nächsten Viertelstunde verhaftet
fein wird. Er weilt auf Jhi en Grund u. Boden, Berril."
Der Marquis schob seinen Arm in den seines Jugend-
gefährten, und Beide schlossen sich neben Ormond dem froh-
lockenden Detektive an.
Der Pavillon, der von Beatrice zum Schauplatz der
heimlichen Familieuzusammkunft erwählt war, erhob sich
auf einem von Buschwerk bewachsenen Hügel. Nach der
Seeseite war die Aussicht unverdeckt. Die Fenster des
Sommerhäuschens waren durch Jalousien verschlossen und
von seidenen Vorhängen verhüllt. Die Ausstattung des-
selben war einfach und geschmackvoll.
Der chinesische Pavillon war ein Lieblingsaufenthalt
Beatricens, sie Pflegte stundenlang in dem lauschigen kleinen
Salon zu verweilen, in dem sie ungestört lesen oder schreiben
und von den Ihrigen träumen oder die auf dem blauen
Meere segelnden Dampfer mit ihren Blicken verfolgen
konnte.
Walter Born führte die drei Edelleute auf Umwegen
die Anhöhe hinauf, bis er im Schatten des Gesträuchs un-
bemerkt die Hintcrthür des Häuschens erreicht hatte- Mit
laut pochendem Herzen, schlichen sie sich bis dicht unter
die Fenster und blickten durch die Spalten der Jalousien
in das trauliche, kleine Gemach.
Auf der Schwelle stand Lord Grosvenor mit leuchten-
den Augen und Gesicht und wie zum Grütze ausgestreckten
Händen. Der Marquis sah von dem jungen Mann zu
Giralda hinüber, die erwartungsvoll auf dem Sopha satz.
In ihrem lieblichen Gesicht wechselte der Ausdruck zuver-
sichtlicher Hoffnung und beklemmender Angst. Auf einem
Bänkchen ihr zu Füßen, den Kopf auf ihre Knie gelehnt,
kauerte Egon mit seinem flitzen Blumengesicht.
 
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