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Drucku.BerlagvonGrbr.HubeririHeidelbcrg !
früher Verleger des Pfälzer Boten.
Inserate die 1-spaltige Petiizcile oder deren Raum 10 H
Reklame 2ö L. Für diesige Geschäfts- und Privat»
anzeigcn, sowie für Jahres-Anzeigen bedeutende Rabatt-
bewilligung. Expedition: Zwingcrstrstze 7.
Brrcmtwortl. Redakteur: F. I. Knappe
irr Heidelberg.
scheint tätlich mit Ausnahme der Somr- u. Feiettage.
?*o»»e«entSpreiS mit dem wöchentlichen UntechaltungZ-
ZpW »Der Sonntagsbote" mr Heidelberg monatlich 8V
^Trügerlohn, durch di e Post bezogen viertelj. 1.80 franco.
1890.
Die moderne Ehe
^ostd von der sozialdemokratischen „Sächsischen Arbeiter-
zeitung" in einer Reihe von Artikeln behandelt, die
^ar skandalös sind, aber den Vorzug besitzen, vffen-
^rzjg zu sein und einen Blick in die Familien,zustände
.kr Zukunft zu gestatten, wie sie in einem konsequenten
Ivzia l d emokratisch en Kopf sich gestalten.
. In einem dieser Artikel heißt es: „Im Bürger-
ende finden wir daher der Nachkommenschaft, eine
vertriebene Sorgfalt gewidmet. Der Proletarier
?eht seinen Kindern kälter gegenüber: die große Kin-
dersterblichkeit bei den Arbeitern erklärt sich
"Orans, daß die Kinder hier nicht so die Götzen sind;
"'Ne sehr glückliche Thatsache; denn dadurch
'Verden schwä ch liche und untaugliche Indi-
viduen gleich von vorn herein a u sges-ch i ed en
»ud werden nichp mit Mühe und Noth aufgcpäpelt,
sich nachher zu verheirathen, ebenso schwächliche
^achkommen zu erzeugen und auf diese Weise die
Aasse zu verschlechtern. Beim Proletariat ist das
s^eib dem Manne gleichgestellt. Sie verdient ihren
Lebensunterhalt und beansprucht also dieselben Rechte;
^enn der Mann ihr nicht zusagt, so kann
'ie ihn verlassen; denn sie kann ja durch ihre
Arbeit überall durchkommen. Freilich, da die Ge-
^tze die Verhältnisse der herrschenden Klasse aus-
"tücken, so ist diese Freiheit nicht sittlich fanktionirt:
"der in Wirklichkeit macht sic schon Gebrauch von
^rer Freiheit. Dazu kommt, daß sie nicht nöthig
M, an einen Mann sich zu „verkaufen". Die junge
Arbeiterin kann warten; sie kann ein „Verhältnis;"
Angehen mit einem jungen Mann; wenn er ihr nicht
Zkfällt, so läßt sie ihn und sucht einen andern, mit dem
's" bester harmonirt. Es ist eine, -leider nicht zu reali-
pstende Idee des Bürgchthums, „aufProbe" sich zu ver-
brachen; die f.dee ist durchaus nicht unberechtigt. Die
Arbeiter kör.: .n Ehe auf Probe realisiren, und sie
^lun es auch fast durchgängig. Durch diese Freiheit
s^ird mit einem Mal alle Lüge und Heuchelei ans
sein Geschlechtsleben verbannt. Unglückliche Ehen
'chd ausgeschlossen. Und trotz aller Pfaffenmoral sind
ssi" bürgerlichen Ehen in den meisten Fällen unglück-
"ch! Die Fran kann nicht zugleich in die Fabrik gehen
s*od die Kinder erziehen. Natürlich hat das die
Aliimnsten Folgen für die Kinder; sie wachsen ohne
Erziehung auf. Den Punkt, von dem aus die Weiter-
"Utwickeluug vor sich gehen wird, bilden die Kinder-
gärten. Wenn die Frau eine andere Dichtigkeit be-
,AMnt, so muß ihr die alte Dichtigkeit abgenommen
Werden, die Erziehung der Kinder wird von
Fremden besorgt, und natürlich wird das ein
pädagogisch gebildeter Mensch besser können, als die
erste beste Frau. Sobald die Kinder arbeitsfähig
sind, müssen sie gleichfalls in die Fabrik wandern.
Das Hai zur Folge, daß auch sie emanzipirt
werden, ähnlich wie die Mutter. In der Regel wird
die Sache so sein, daß sie ihren Eltern Pension be-
zahlen. Mit der Macht des Vaters über die Kinder
ist es damit natürlich zu Ende. Dadurch bilden sich
selbständige nud energische Charaktere. Mit einem
Wort: die alte Form der Familie sehen wir
beim Proletariat in vollständiger Auslosung
begriffen. Aber diese Auflösung ist nicht, wie beim
Bürgen hum, eine Zersetzung, sondern sie erhält die
Elemente einer neuen Gestaltung. Die Fabrik-Ar-
beiterin kann keine Hausfrau sein. Das hat „wohl-
wollende" Unternehmer z. B. dazu geführt, eine Art
Unterrichtsknrse im Haushalten sich ihre jungen Ar-
beiterinnen einzurichten. Daß so etwas nicht helfen
kann, ist klar, denn es geht gegen die Entwickelung.
Die produktiv wirkende Fran wird zuletzt auch von
der Haushaltung befreit werden, und die Zu-
richtung der Speisen wird ebenso wie die Er-
ziehung der Kinder die Funktion bestimmter Leute
werden, welche dieselbe für eine Reihe von Familien
besorgen." /
Möge man sich diese Auszüge aufbewahren für
den Fall, daß ch den sozialdemokratischen Versamm-
lungen wieder die sanfte Flöte geblasen und über Ver-
läumdungen gejammert wird. Gewiß, nicht alle So-
zialdemokraten stehen auf dem Standpunkt, den das
sächsische Sozialistenorgan vertritt, aber letzteres sagt
nur mit andern Worten dasselbe, was Herr Bebel
schon vor l> Jahren ausgeplaudert hat, uud der gilt
ja als Autorität.
Deutsches Reich.
-p» Berlin, R) April. In der gestrigen Sitzung
des prenß. Abgeordnetenhauses kam die von der Re-
gierung eingebrachte Vorlage über die V erwend u ng
der Sperr gelber ans der Kulturkampfszeit zur
Berathung. Die Redner der Natioualliberalen uud
Konservativen verlangten, daß mit den Bischöfen eine
Vereinbarung über die Verwendung der Gelder ge-
troffen werde uud beklagten die Zurückstellung evan-
gelischer Forderungen. Die Herren scheinen ganz
und gar vergessen zu haben, daß es sich hier nicht
um Staatseigenthum, sondern um Gut der Kirche
handelt, uud die katholische Kirche durch Zuwendung
der 3 stsPvigen Zinsen der widerrechtlich beschlagnahmten
(Nrrchdr. kerb.)
ls, gnädiges
„Soll ich nach
Treuer Liebe Lohn.
Roman von U. Rosen
> , . Sie sehen in der Tbot sehr bleich am
tstaulein," ries die Haushälterin besorgt.
"Ui Doktor schicken
,, „O, nein, Frau Pump. Ruhe und Schlaf werden mich
old wieder Herstellen "
s. „Ader eine Tasse Thee müssen Sie trinken, ehe Sie zu
Mt gehen," bat die Haushälterin, die nach wenigen
Mumien mit dem angebotenen Getränk zurückkehrle.
i, „Der Marquis ist sehr betrübt über Ihr plötzliches
""Wohlsein," erzählte sie. „Er ist so mißinulhig, als hätte
T seinen Freund verloren. Ach, gnädiges Fräulein, der
bebt Sie wirklich wie sein eigenes Kind. Uud auch
^°rd Ormond macht ein finstercs Gesicht- Er reist nut
Zehnuhrzuge wieder nach London, wie mir sein
"""wmerdienrr mittheilte. Der zärtliche Neffe stattet seinem
»teil Onkel nur kurze Besuche ab. Nun, wir Alle sind
"knügter, wenn er geht, als wenn er kommt.
Giralda war srvh, daß Frau Pump nicht bemerkte,
b"" welchem Schrecken ihre Worte sie erfüllt hattten. Sie
tzsobstchijgte mit demselben Zuge abzureisen, und hoffte in
Dunkelheit und Eile, mit Hülse eines dichten Schleiers
."v eines weiten Shawals sich seiner Aufmerksamkeit enl-
«ehen zu können.
„Perkins sagte mir," plauderte die geschwätzige Haus-
Wrnn weiter» „daß sein Herr eine Depesche erhalten
"kn, hjx ihu nach London zurückrust. Ich weiß nicht,
ka> * Perkirs erinnert mich an Jemand, den ich früher
^«nte, obgleich der Bursche leugnet, je zuvor in diese
L .kend gekommen zu sein. Doch Sie sind müde, gnädiges
nim. n, ich gehe, und werde dafür sorgen, daß Sie heute
wehr gestört werden."
Giralda sand es unmöglich, ihren großherzigen Gönner
„"w ein Wort des Lebewohls zu verlassen. Seine Liebe
j. "v sein unbegrenztes Vertrauen zu ihr, verpflichteten sie,
"w eine Erklärung für ihr plötzliches Verschwinden zu
Li. Ihm persönlich geg<nüberzutreten, sehlte ihr der
und die Kraft- Weinend und schluchzend schrieb sie
ibm einen Brief, dir auf ibrem Schreibtisch liegend, am
nächsten Morgen von Frau Pump bemerkt uud dem alten
Herrn übergeben werden sollle, wenn sein Mündel schon
übcr Berg und Thal sein würde.
Sie nannte ihn ihren theueren Orckl, und versicherte
ihn, daß sie ihn innig liebe und ibm für die erwiesene
Güte ewig dankbar sein würde. Umstände seien eingetreten,
die sie nolhigtcn, das Schloß unverweilt zu verlassen. Ihn
zu scheu wage sie nicht, um nicht ilwe Krast und ihr Selbst-
beherrschung zu verlören. Er möge das Testament, das
er kürzlich zu ihren. Gunsten gemocht habe, wieder ver-
nichten, und was er auch Nachtheiliges von ihr horte,
immer glauben, daß sie ihn wahr und aufrichtig geliebt
und niemals daran gedacht habe, sich durch seine Zunei-
gung äußere Vorlheile zu erringen. Diesen, mit zitternder
Hand geschriebenen, von Thränen halb verlöschten Brief
adressirte sie an den Marquis von Tremor.
Nachdem ihr Kammermädchen die Lampe angezündct,
die Vorhänge zugezvgert uud sich wieder entfernt hatte,
legte Giralda, des langen Weges nach dem Bahnhof ein-
gedenk, ibrcn Mantel um, warf ehren Shawl über
den Arm, verhüllte ibr Gesicht mit einem dichten Schleier
und stahl sich, die Reisetasche in der Hand, die Treppe
hinunter uud durch ein Seitenpförtchcn in den Garten.
Die Nackt war milde und nicht dunkel. Jeder Gegenstand
der Landschaft war deutlich erkennbar. Im Schalten eines
Tulpenbaumcs blieb Giralda stehen. Das Wohnzimmer
war hell erleuchtet, und die Vorhänge waren noch nicht
zugezvgeu. Lord Ormond saß mit einem Buch in der
Hand am Tisch, der Marquis lehnte in seinem Sessel vor
dem Feuer, ein Ausdruck der Trauer und der Schwermuth
verdüsterte seine edlen vornehmen Züge-
Giralda betrachtete ihn einige Minuten. Die Thränen
kämpfte sie tapfer zurück. Ihm noch einen letzten Blick zu-
sendend, wendete sie sich ab, um ihre einsame Wanderung
fortzusetzen. Mit tiefer Verzweiflung in der Seele, verließ
sie ihres Beters rechtmäßiges Erbe. Ihre Aufgabe war
unvollendet» ihre Hofft ung zertrümmert. Niemals, das
wicd.rholte sie sich in bitterem Schmerz, durfte sie daran
denken, hierher zurrickzukehren, nie wieder davon träumen.
Sperrgelder nicht nur nicht vor der evan.p Kirche bevor-
zugt, sondern in geradezu himmelschreiender Weise be-
nachtheiligt wird, indem man das kathol. Kirchengut
einfach konfiszirt und nur eine karge Rente gewährt.
Mit vollem Recht betonte der Abg. Wiudthvrft,
daß die Regierung es den Sozialdemokraten zeige,
wie man Güter konfisziren müsfe. Die Katholiken
würden an den König appelliren, falls ihnen hier
kein Recht werde. Bekanntlich verwies das Abgeord-
netenhaus die Vorlage an eine Kommission. Tie
„Germania" meint, die Entschädigung der emviangs-
berechtigten Stellen und Personen konnte der Staat
ohne Vermittelung der Bischöfe direkt besorgen,, da er
Register darüber geführt hat, wie und in welchem Be-
trage Geld einbchalten worden ist. , Die „Schles.
Volksz." schließt einen Leitartikel über die Sperrgelder-
vorlage mit folgenden Worten: „Für die Katholiken
wird der neue Gesetzentwurf unstreitig auch das Gute
haben, daß sie alle Vertrauensseligkeit aufgeben und
unter Mitwirkung der Herrn von Goßler und von
Scholz ans keinen dancrnden Frieden für die katholische
Kirche in Preußen rechnen. Denn die gegenwärtige
Vorlage macht fast den Eindruck einer Kündigung
des Hstaffenstillftandes nnd eines erneuerten Kriegszu-
standes" - - Abg Windthorst ladet die Mitglieder der
Cen t ru msfr a kti o n des Reichstages auf den 6.
Mai Abends 7Ubr zu einer im Reichstagsgebände
stattfindenden Fraktionssitzung ein. — Man erzählt
sich in verschiedenen Kreisen, daß bei der Zusammen-
kunft des Kaisers mit der englischen Königin in Darm-
stadt über den Welfenfouds verhandelt worden
sei. Unseres Erachtens nach wird im Abgeordneten-
hause jeder Vorschlag der Regierung, welcher den
Welfenfouds beseitigt, eine Mehrheit finden. — In
Angelegenheit des Paßzwanges begiebt fick nach
der „Franks. Zeitung" Unterstaaissekretär von Koller
aus Straßburg nach Berlin, nm Herrn von Caprivi
Vortrag zu halten.
Bayern. Zur Frage des deut s ch e n Kath o-
likentages in München schreibt mit Bezugnahme
auf die von uns mitgetheilte Depesche der „Köln.
Volksz." der „Bayer. Kurier": „Nach Lage der Sacke
könnten auch einzelne Persönlichkeiten, die etwa ab-
weichende Ansichten haben, hindernde Schwierigkeiten
überhaupt nicht machen. Das letzte entscheidende
Wort hat nur noch die kirchliche Oberbehorde zu sprechen,
nud dieses wird, wie zu hoffen steht, nicht ablehnend
ausfallen. Wenn obige Depesche des rheinischen Cen-
trumsblattes, wie wahrscheinlich, chon den Gegnern zu
ihren Zwecken ausgebeutet wird, so mögen fick die
die beiden hochgesinnten, durch Hinterlist einander ent-
fremdeten Männer wieder mit einander zu versöhnen. nie
ihres Vaters Painen nnd Ehre in seinem früheren Glanze
wieder herzustetlen. Alles, worauf sie jcyt noch zu hoffen
waqte, war, ibren Vater vor der Verhaftung zu schützen
und ihm zur Flucht zu verhelfen- Unbemerkt gelangte sie
auf den W g, der nach dem Dorfe führte. Furchtlos
durchschritt sie die wilde Bergeinsamkeit. Ihre Gedanken
waren ausschließlich mit den Theueren nn Baterhcnrse
und tun bösen Nachrichten beschäftigt, die sie ihnen zu
bringen hatte.
Die Straße war ganz verödet. Weder Wagen noch
Fußgänger begegneten ihr. „Heute werde ich nickt mehr
vermißt werden," sagte sich Giralda, „und morgen bin ich
schon -in Birkenhain. Ich muß meine Fahrkarte gleich
nach meiner Ankunft auf dem Bahnhöfe lösen, um nicht
Lord Ormond unter die Augen zu geralhen. Er wurde
sonst meinen Plan durchschauen und kreuzen."
Der anstrengende Weg war beinahe zur Hälfte zurück-
gelegt, als sie sich, um auszuruhcn, ermüdet auf einen
Stein setzte. Ein Gefühl der Erleichterung überkam sie,
und ihr gebrochener Much begann sich wieder aufzuricklen,
als plötzlich ein raffelndes Geräusch wie von einem näher-
rollenden Lastwagen an ihr Ohr drang. Sie zog sich ein
wenig in den Schatten einer Hecke zurück, um das Gefährt
an sich vorüber zu lassen.
Es war kein Lastwagen, der jetzt vorüber klirrte, sondern
eine schwerfällige Kutsche, in der zwei Manner saßen, die
scharf nach den Hecken am Wege ausspähten. Giralda zog
sich noch tiefer in das Buschwerk zurück.
Das Gefährt hielt still, und der Kutscher rief sich vor-
beugend, von seinem Bock herunter: „He hallo! Fräulein!
Welchen Weg gehen Sie?"
Sich noch ferner zu verbergen war nutzlos. „Ich gebe
nach dem Dorfe," erwiderte Giralda mit scheinbarer
Gleichgültigkeit.
Fortsetzung folgt-
Drucku.BerlagvonGrbr.HubeririHeidelbcrg !
früher Verleger des Pfälzer Boten.
Inserate die 1-spaltige Petiizcile oder deren Raum 10 H
Reklame 2ö L. Für diesige Geschäfts- und Privat»
anzeigcn, sowie für Jahres-Anzeigen bedeutende Rabatt-
bewilligung. Expedition: Zwingcrstrstze 7.
Brrcmtwortl. Redakteur: F. I. Knappe
irr Heidelberg.
scheint tätlich mit Ausnahme der Somr- u. Feiettage.
?*o»»e«entSpreiS mit dem wöchentlichen UntechaltungZ-
ZpW »Der Sonntagsbote" mr Heidelberg monatlich 8V
^Trügerlohn, durch di e Post bezogen viertelj. 1.80 franco.
1890.
Die moderne Ehe
^ostd von der sozialdemokratischen „Sächsischen Arbeiter-
zeitung" in einer Reihe von Artikeln behandelt, die
^ar skandalös sind, aber den Vorzug besitzen, vffen-
^rzjg zu sein und einen Blick in die Familien,zustände
.kr Zukunft zu gestatten, wie sie in einem konsequenten
Ivzia l d emokratisch en Kopf sich gestalten.
. In einem dieser Artikel heißt es: „Im Bürger-
ende finden wir daher der Nachkommenschaft, eine
vertriebene Sorgfalt gewidmet. Der Proletarier
?eht seinen Kindern kälter gegenüber: die große Kin-
dersterblichkeit bei den Arbeitern erklärt sich
"Orans, daß die Kinder hier nicht so die Götzen sind;
"'Ne sehr glückliche Thatsache; denn dadurch
'Verden schwä ch liche und untaugliche Indi-
viduen gleich von vorn herein a u sges-ch i ed en
»ud werden nichp mit Mühe und Noth aufgcpäpelt,
sich nachher zu verheirathen, ebenso schwächliche
^achkommen zu erzeugen und auf diese Weise die
Aasse zu verschlechtern. Beim Proletariat ist das
s^eib dem Manne gleichgestellt. Sie verdient ihren
Lebensunterhalt und beansprucht also dieselben Rechte;
^enn der Mann ihr nicht zusagt, so kann
'ie ihn verlassen; denn sie kann ja durch ihre
Arbeit überall durchkommen. Freilich, da die Ge-
^tze die Verhältnisse der herrschenden Klasse aus-
"tücken, so ist diese Freiheit nicht sittlich fanktionirt:
"der in Wirklichkeit macht sic schon Gebrauch von
^rer Freiheit. Dazu kommt, daß sie nicht nöthig
M, an einen Mann sich zu „verkaufen". Die junge
Arbeiterin kann warten; sie kann ein „Verhältnis;"
Angehen mit einem jungen Mann; wenn er ihr nicht
Zkfällt, so läßt sie ihn und sucht einen andern, mit dem
's" bester harmonirt. Es ist eine, -leider nicht zu reali-
pstende Idee des Bürgchthums, „aufProbe" sich zu ver-
brachen; die f.dee ist durchaus nicht unberechtigt. Die
Arbeiter kör.: .n Ehe auf Probe realisiren, und sie
^lun es auch fast durchgängig. Durch diese Freiheit
s^ird mit einem Mal alle Lüge und Heuchelei ans
sein Geschlechtsleben verbannt. Unglückliche Ehen
'chd ausgeschlossen. Und trotz aller Pfaffenmoral sind
ssi" bürgerlichen Ehen in den meisten Fällen unglück-
"ch! Die Fran kann nicht zugleich in die Fabrik gehen
s*od die Kinder erziehen. Natürlich hat das die
Aliimnsten Folgen für die Kinder; sie wachsen ohne
Erziehung auf. Den Punkt, von dem aus die Weiter-
"Utwickeluug vor sich gehen wird, bilden die Kinder-
gärten. Wenn die Frau eine andere Dichtigkeit be-
,AMnt, so muß ihr die alte Dichtigkeit abgenommen
Werden, die Erziehung der Kinder wird von
Fremden besorgt, und natürlich wird das ein
pädagogisch gebildeter Mensch besser können, als die
erste beste Frau. Sobald die Kinder arbeitsfähig
sind, müssen sie gleichfalls in die Fabrik wandern.
Das Hai zur Folge, daß auch sie emanzipirt
werden, ähnlich wie die Mutter. In der Regel wird
die Sache so sein, daß sie ihren Eltern Pension be-
zahlen. Mit der Macht des Vaters über die Kinder
ist es damit natürlich zu Ende. Dadurch bilden sich
selbständige nud energische Charaktere. Mit einem
Wort: die alte Form der Familie sehen wir
beim Proletariat in vollständiger Auslosung
begriffen. Aber diese Auflösung ist nicht, wie beim
Bürgen hum, eine Zersetzung, sondern sie erhält die
Elemente einer neuen Gestaltung. Die Fabrik-Ar-
beiterin kann keine Hausfrau sein. Das hat „wohl-
wollende" Unternehmer z. B. dazu geführt, eine Art
Unterrichtsknrse im Haushalten sich ihre jungen Ar-
beiterinnen einzurichten. Daß so etwas nicht helfen
kann, ist klar, denn es geht gegen die Entwickelung.
Die produktiv wirkende Fran wird zuletzt auch von
der Haushaltung befreit werden, und die Zu-
richtung der Speisen wird ebenso wie die Er-
ziehung der Kinder die Funktion bestimmter Leute
werden, welche dieselbe für eine Reihe von Familien
besorgen." /
Möge man sich diese Auszüge aufbewahren für
den Fall, daß ch den sozialdemokratischen Versamm-
lungen wieder die sanfte Flöte geblasen und über Ver-
läumdungen gejammert wird. Gewiß, nicht alle So-
zialdemokraten stehen auf dem Standpunkt, den das
sächsische Sozialistenorgan vertritt, aber letzteres sagt
nur mit andern Worten dasselbe, was Herr Bebel
schon vor l> Jahren ausgeplaudert hat, uud der gilt
ja als Autorität.
Deutsches Reich.
-p» Berlin, R) April. In der gestrigen Sitzung
des prenß. Abgeordnetenhauses kam die von der Re-
gierung eingebrachte Vorlage über die V erwend u ng
der Sperr gelber ans der Kulturkampfszeit zur
Berathung. Die Redner der Natioualliberalen uud
Konservativen verlangten, daß mit den Bischöfen eine
Vereinbarung über die Verwendung der Gelder ge-
troffen werde uud beklagten die Zurückstellung evan-
gelischer Forderungen. Die Herren scheinen ganz
und gar vergessen zu haben, daß es sich hier nicht
um Staatseigenthum, sondern um Gut der Kirche
handelt, uud die katholische Kirche durch Zuwendung
der 3 stsPvigen Zinsen der widerrechtlich beschlagnahmten
(Nrrchdr. kerb.)
ls, gnädiges
„Soll ich nach
Treuer Liebe Lohn.
Roman von U. Rosen
> , . Sie sehen in der Tbot sehr bleich am
tstaulein," ries die Haushälterin besorgt.
"Ui Doktor schicken
,, „O, nein, Frau Pump. Ruhe und Schlaf werden mich
old wieder Herstellen "
s. „Ader eine Tasse Thee müssen Sie trinken, ehe Sie zu
Mt gehen," bat die Haushälterin, die nach wenigen
Mumien mit dem angebotenen Getränk zurückkehrle.
i, „Der Marquis ist sehr betrübt über Ihr plötzliches
""Wohlsein," erzählte sie. „Er ist so mißinulhig, als hätte
T seinen Freund verloren. Ach, gnädiges Fräulein, der
bebt Sie wirklich wie sein eigenes Kind. Uud auch
^°rd Ormond macht ein finstercs Gesicht- Er reist nut
Zehnuhrzuge wieder nach London, wie mir sein
"""wmerdienrr mittheilte. Der zärtliche Neffe stattet seinem
»teil Onkel nur kurze Besuche ab. Nun, wir Alle sind
"knügter, wenn er geht, als wenn er kommt.
Giralda war srvh, daß Frau Pump nicht bemerkte,
b"" welchem Schrecken ihre Worte sie erfüllt hattten. Sie
tzsobstchijgte mit demselben Zuge abzureisen, und hoffte in
Dunkelheit und Eile, mit Hülse eines dichten Schleiers
."v eines weiten Shawals sich seiner Aufmerksamkeit enl-
«ehen zu können.
„Perkins sagte mir," plauderte die geschwätzige Haus-
Wrnn weiter» „daß sein Herr eine Depesche erhalten
"kn, hjx ihu nach London zurückrust. Ich weiß nicht,
ka> * Perkirs erinnert mich an Jemand, den ich früher
^«nte, obgleich der Bursche leugnet, je zuvor in diese
L .kend gekommen zu sein. Doch Sie sind müde, gnädiges
nim. n, ich gehe, und werde dafür sorgen, daß Sie heute
wehr gestört werden."
Giralda sand es unmöglich, ihren großherzigen Gönner
„"w ein Wort des Lebewohls zu verlassen. Seine Liebe
j. "v sein unbegrenztes Vertrauen zu ihr, verpflichteten sie,
"w eine Erklärung für ihr plötzliches Verschwinden zu
Li. Ihm persönlich geg<nüberzutreten, sehlte ihr der
und die Kraft- Weinend und schluchzend schrieb sie
ibm einen Brief, dir auf ibrem Schreibtisch liegend, am
nächsten Morgen von Frau Pump bemerkt uud dem alten
Herrn übergeben werden sollle, wenn sein Mündel schon
übcr Berg und Thal sein würde.
Sie nannte ihn ihren theueren Orckl, und versicherte
ihn, daß sie ihn innig liebe und ibm für die erwiesene
Güte ewig dankbar sein würde. Umstände seien eingetreten,
die sie nolhigtcn, das Schloß unverweilt zu verlassen. Ihn
zu scheu wage sie nicht, um nicht ilwe Krast und ihr Selbst-
beherrschung zu verlören. Er möge das Testament, das
er kürzlich zu ihren. Gunsten gemocht habe, wieder ver-
nichten, und was er auch Nachtheiliges von ihr horte,
immer glauben, daß sie ihn wahr und aufrichtig geliebt
und niemals daran gedacht habe, sich durch seine Zunei-
gung äußere Vorlheile zu erringen. Diesen, mit zitternder
Hand geschriebenen, von Thränen halb verlöschten Brief
adressirte sie an den Marquis von Tremor.
Nachdem ihr Kammermädchen die Lampe angezündct,
die Vorhänge zugezvgert uud sich wieder entfernt hatte,
legte Giralda, des langen Weges nach dem Bahnhof ein-
gedenk, ibrcn Mantel um, warf ehren Shawl über
den Arm, verhüllte ibr Gesicht mit einem dichten Schleier
und stahl sich, die Reisetasche in der Hand, die Treppe
hinunter uud durch ein Seitenpförtchcn in den Garten.
Die Nackt war milde und nicht dunkel. Jeder Gegenstand
der Landschaft war deutlich erkennbar. Im Schalten eines
Tulpenbaumcs blieb Giralda stehen. Das Wohnzimmer
war hell erleuchtet, und die Vorhänge waren noch nicht
zugezvgeu. Lord Ormond saß mit einem Buch in der
Hand am Tisch, der Marquis lehnte in seinem Sessel vor
dem Feuer, ein Ausdruck der Trauer und der Schwermuth
verdüsterte seine edlen vornehmen Züge-
Giralda betrachtete ihn einige Minuten. Die Thränen
kämpfte sie tapfer zurück. Ihm noch einen letzten Blick zu-
sendend, wendete sie sich ab, um ihre einsame Wanderung
fortzusetzen. Mit tiefer Verzweiflung in der Seele, verließ
sie ihres Beters rechtmäßiges Erbe. Ihre Aufgabe war
unvollendet» ihre Hofft ung zertrümmert. Niemals, das
wicd.rholte sie sich in bitterem Schmerz, durfte sie daran
denken, hierher zurrickzukehren, nie wieder davon träumen.
Sperrgelder nicht nur nicht vor der evan.p Kirche bevor-
zugt, sondern in geradezu himmelschreiender Weise be-
nachtheiligt wird, indem man das kathol. Kirchengut
einfach konfiszirt und nur eine karge Rente gewährt.
Mit vollem Recht betonte der Abg. Wiudthvrft,
daß die Regierung es den Sozialdemokraten zeige,
wie man Güter konfisziren müsfe. Die Katholiken
würden an den König appelliren, falls ihnen hier
kein Recht werde. Bekanntlich verwies das Abgeord-
netenhaus die Vorlage an eine Kommission. Tie
„Germania" meint, die Entschädigung der emviangs-
berechtigten Stellen und Personen konnte der Staat
ohne Vermittelung der Bischöfe direkt besorgen,, da er
Register darüber geführt hat, wie und in welchem Be-
trage Geld einbchalten worden ist. , Die „Schles.
Volksz." schließt einen Leitartikel über die Sperrgelder-
vorlage mit folgenden Worten: „Für die Katholiken
wird der neue Gesetzentwurf unstreitig auch das Gute
haben, daß sie alle Vertrauensseligkeit aufgeben und
unter Mitwirkung der Herrn von Goßler und von
Scholz ans keinen dancrnden Frieden für die katholische
Kirche in Preußen rechnen. Denn die gegenwärtige
Vorlage macht fast den Eindruck einer Kündigung
des Hstaffenstillftandes nnd eines erneuerten Kriegszu-
standes" - - Abg Windthorst ladet die Mitglieder der
Cen t ru msfr a kti o n des Reichstages auf den 6.
Mai Abends 7Ubr zu einer im Reichstagsgebände
stattfindenden Fraktionssitzung ein. — Man erzählt
sich in verschiedenen Kreisen, daß bei der Zusammen-
kunft des Kaisers mit der englischen Königin in Darm-
stadt über den Welfenfouds verhandelt worden
sei. Unseres Erachtens nach wird im Abgeordneten-
hause jeder Vorschlag der Regierung, welcher den
Welfenfouds beseitigt, eine Mehrheit finden. — In
Angelegenheit des Paßzwanges begiebt fick nach
der „Franks. Zeitung" Unterstaaissekretär von Koller
aus Straßburg nach Berlin, nm Herrn von Caprivi
Vortrag zu halten.
Bayern. Zur Frage des deut s ch e n Kath o-
likentages in München schreibt mit Bezugnahme
auf die von uns mitgetheilte Depesche der „Köln.
Volksz." der „Bayer. Kurier": „Nach Lage der Sacke
könnten auch einzelne Persönlichkeiten, die etwa ab-
weichende Ansichten haben, hindernde Schwierigkeiten
überhaupt nicht machen. Das letzte entscheidende
Wort hat nur noch die kirchliche Oberbehorde zu sprechen,
nud dieses wird, wie zu hoffen steht, nicht ablehnend
ausfallen. Wenn obige Depesche des rheinischen Cen-
trumsblattes, wie wahrscheinlich, chon den Gegnern zu
ihren Zwecken ausgebeutet wird, so mögen fick die
die beiden hochgesinnten, durch Hinterlist einander ent-
fremdeten Männer wieder mit einander zu versöhnen. nie
ihres Vaters Painen nnd Ehre in seinem früheren Glanze
wieder herzustetlen. Alles, worauf sie jcyt noch zu hoffen
waqte, war, ibren Vater vor der Verhaftung zu schützen
und ihm zur Flucht zu verhelfen- Unbemerkt gelangte sie
auf den W g, der nach dem Dorfe führte. Furchtlos
durchschritt sie die wilde Bergeinsamkeit. Ihre Gedanken
waren ausschließlich mit den Theueren nn Baterhcnrse
und tun bösen Nachrichten beschäftigt, die sie ihnen zu
bringen hatte.
Die Straße war ganz verödet. Weder Wagen noch
Fußgänger begegneten ihr. „Heute werde ich nickt mehr
vermißt werden," sagte sich Giralda, „und morgen bin ich
schon -in Birkenhain. Ich muß meine Fahrkarte gleich
nach meiner Ankunft auf dem Bahnhöfe lösen, um nicht
Lord Ormond unter die Augen zu geralhen. Er wurde
sonst meinen Plan durchschauen und kreuzen."
Der anstrengende Weg war beinahe zur Hälfte zurück-
gelegt, als sie sich, um auszuruhcn, ermüdet auf einen
Stein setzte. Ein Gefühl der Erleichterung überkam sie,
und ihr gebrochener Much begann sich wieder aufzuricklen,
als plötzlich ein raffelndes Geräusch wie von einem näher-
rollenden Lastwagen an ihr Ohr drang. Sie zog sich ein
wenig in den Schatten einer Hecke zurück, um das Gefährt
an sich vorüber zu lassen.
Es war kein Lastwagen, der jetzt vorüber klirrte, sondern
eine schwerfällige Kutsche, in der zwei Manner saßen, die
scharf nach den Hecken am Wege ausspähten. Giralda zog
sich noch tiefer in das Buschwerk zurück.
Das Gefährt hielt still, und der Kutscher rief sich vor-
beugend, von seinem Bock herunter: „He hallo! Fräulein!
Welchen Weg gehen Sie?"
Sich noch ferner zu verbergen war nutzlos. „Ich gebe
nach dem Dorfe," erwiderte Giralda mit scheinbarer
Gleichgültigkeit.
Fortsetzung folgt-