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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 141 - Nr. 146 (24. Juni - 29. Juni)
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anzeigcn, sorvic für Iahrcs-Anzeigei bedeutende Rabatt¬
bewilligung. Expedition: Zw>ngerstratze 7.

«l. W.

BerantworU. Rchaltmr: F. 2. Knappe
in Heidelbergs

Mlkrg, Znili^ic« 'D Zm».


Drucku. Verlag vonGebr. Huber inHeidelbcrg
früher Verleger des Pfälzer Boten.

18S0

M W iü Lütt.
Aus Freiburg wird uns von bewährter Stelle ge-
schrieben : Die schönen Tage des „Geschäftslandtages"
sind nun vorüber, und trotzdem dieser Landtag 1889/90
nach dem Willen der maßgebenden Stellen nur ein
reiner „Geschästslandtag" sein sollte, so ist er doch
interessanter, lehrreicher als mancher andere. Die
uationalliberale Kammermehrheit unter Kiefer-Fieser-
scher Führung ist um einen großen Schritt näher dein
Untergänge, lediglich durch eigene Schuld, das kath.
Volk ist um viele Erfahrungen reicher, auch das Volk
überhaupt, gleichviel welcher Konfession, muß sich ab-
kehren von deni gewaltthätigen Egoismus der uatio-
nalliberalen Kammermehrheit, wie er aus jeder Ver-
handlung hervorspringt. Und insofern können wir nur
mit Gcnugthuung auf den verflossenen Landtag zurück-
blickeu. Er wird die schärfsten Waffen der Opposition
in die Hand liefern. Eines vor Allem muß sich das
katholische Volk klar machen: von der nationalliberalen
Partei im Lande Baden ist Gerechtigkeit und
Wohlwollen gegen die durchaus berechtigten For-
derungen der katholischen Kirche nicht, auch rein gar
nicht zu hoffen. Tas beweisen uns die verschiedenen
kirchenpolitischen Debatten (über die Orden, Altkatho-
likem Gesetz w.). Wo alle Welt sich vom Kulturkampf
abwendet und mehr oder weniger der katholischen Kirche
das giebt, was sie verfassungsmäßig und als
freie Kirche beanspruchen muß, kämpft im Lande
Baden eine Kiefer-Fieser'sche Engherzigkeit, Verblen-
dung und politische Kurzsichtigkeit auf dem alten, fast
todt gerittenen Klepper ruhig weiter. Dafür ist aber
Baden auch ein „Musterstaat", und was für einer!
Nur zu! Aber nicht nur die Katholiken, alle frei-
heitlich und rechtlich gesinnten Elemente
des, badischen Volkes können gerade aus dem verflosse-
nen Landtag erkennen, daß es mit dem „musterstaat-
lichen" Nationalliberalismus nicht mehr weit her ist.
Denn gerade auf diesem Landtage hat sich das innere,
wahre Wesen des Nationalliberalismns so deutlich
enthüllt als ein durch und durch gewaltthätiges, selbst-
süchtiges, reaktionäres, daß ein wahrhaft liberaler
Mann sich mit Abscheu vou einer solchen „liberalen"
Partei abwenden muß. Die Gutheißung der neuen
Gemeind eordn ung, damit die Bevormundung der
Gemeindeangehörigen durch indirektes Wahlrecht und
die Einführung der Herrschaft des Geldsackes in Folge
der Klassenwahlordnung; das hartnäckige Festhalten
am indirekten Wahlrecht, das eine Fälschung
des wahren Volkswillens bedeutet uud in vielen Fällen

Treuer Liebe Lohn.
1!2) Roman von U. Rosen
(li-chdc. dcrb.>
Gottfried zögerte einen Augenblick, ehe er seine weiße
Verrücke und feinen weißen Vollbart abnahm und sich dem
Knaben zeigte, wie er gewohnt war, ihn zu sehen.
Bon seinem Versteck aus beobachtete Lord Trewor die
Züge des Vaters und seiner Kinder. Rupert's edclge-
lchnittener Kopf, der ihn an seine eigene Erscheinung in
«er Jugend erinnerte, zog ibn besonders an.
.Das ist also Gottfried Trewor?" flüsterte Graf Berril
dem Marquis zu. „Wie sehr hat er sich verändert! Was
führt ihn hierher in meinen Garten, Freund?"
Ormond bedeutete dem Grafen, zu schweigen. Erhoffte,
Gottfried werde seinen Groll gegen den Onkel Lust machen,
vber im Augenblick hatte der Vater keinen anderen Ge-
danken, als den, an seine wiedergefundenen Kinder.
„Wo ist Mama?" fragte Egon. „Jetzt fehlt uns nur
Hoch die geliebte Mama- Ah, da kommt sie. Mama, o,
Mama!" er entwand sich seines Vaters Armen und eilte
dach der Thür, auf deren Schwelle Beatrice Berril erschien.
. Lord Trewor und der Graf waren beinahe gelähmt
Hvr Erstaunen- Und selbst in diesem Augenblick ahnten
de die Wahrheit noch nicht- Erst als Gottfried Beatrice
An sein Herz drückte, und die drei Kinder sich liebkosend an
He herandrängten, ging dem Marquis und dem Grafen
berril die Wahrheit auf-
- Beatricens Augen leuchteten in stolzem Mutterglück,
^ne nahm ihren jüngsten Knaben auf den Schooß und
Letzte ihn innig an's Herz, sie nickte ihrem Aeltcsten zu
"dd streichelte Giralda's zierlichen Lockenkopf.
>. „»Ist das meine Beatrice?" dachte der Graf. „Ich
">uß träumen."
„ . Lord Trewor's Verwunderung war nicht minder groß,
die seines Freundes. Er starrte mit brennenden Augen
diesen Familienkreis, sein Athem kam heiß und schnell
der Brust, und ein wilder Kampf tobte in seiner tief
^gewühlten Seele.

ein unsittliches genannt werden mnß (vergl. Frei-
burger Landtagswahl vom vorigen Jahre); das hart-
näckige Festhalten am System der Amtsverkündiger,
das ein Hohn ist auf die politische Gleichberechtigung
aller Parteien, der stärkste Gegensatz zum Grundsatz
der Sparsamkeit und Gerechtigkeit — nach dem
Ausspruche des Staatsministers sollen die Amtsver-
kündiger „ein Kampfmittel der Regierung gegen die
Opposition" sein. Nun, die edlen Amtsverkündiger
rechtfertigen voll und ganz das Vertrauen, das man
in sie setzt. Gehässiger gegen alle Opposition, ge-
hässiger gegen die katholische Kirche kann kein liberales
Blatt sein als ein Amtsverkündiger. — Durch das
Verhalten in allen diesen Fragen hat sich die natiw
nalliberale Partei das denkbar schlechteste Zeugniß
ausgestellt. Nach ihrem Verhalten ist die nationalli-
berale Partei nicht der freiheitlichen Entwicklung, dem
Ausbau der Verfassung hold, sondern, mir aus dem
krassesten Egoismus handelnd, nur auf Erhaltung
ihrer Macht bedacht. Das ist die Partei, in der ein
Rotteck einst gesessen! Wir Katholiken stehen vor der
nackten Thatsache: von der Regierung unter dem
Ministerium Turban ist für uns nichts zu erwarten
— den sie hat unsere Bestrebungen „staatsgefährlich"
genannt und ist vollständig im Schlepptau des
Nationalliberalismus; — von der uativnalliberalen
Partei ist nicht mehr zu erwarten als ein starres
„Nein" auf unsere wohlberechtigten Forderungen.
Darum können wir uns nur auf unsere
eigene Kraft und Arbeit verlassen, und
was wir dadurch erreichen, nur das können wir unser
eigen neunen. Darum auf zur Arbeit!
Deutsches Reich.
* Berlin, 2D Juni. Der Kaiser erhob den
Reichskommissar Wißmanu fin den Adelsstand.
— Leipziger Meldungen zufolge soll der Zustand des
erkankten Reichsgerichtspräsidenten Dr. v. Simson
ein besorgnißerregender fein. — Letzten Sonntag fand
auf Wunsch des Kaisers eine Unterredung Caprivi's
mit Miquel statt, tvobei eine Einigung über die
künftige preußische Finanzpolitik erzielt wurde. —
Danach erklärte Miquel, der Börsen-Zeitung zufolge,
sich zur Ueberuahme des Ministeriums bereit. Die
Frage des Rücktritts des Schatzsekretärs v. Maltzahu
ist angeblich bis Herbst vertagt.
Berlin, 25. Juni, lieber den neuen Finanz-
minister Herrn Miquel, den bisherigen Oberbürger-
meister der ehemals freien Reichsstadt Frankfurt, äußert
man sich allenthalben in recht günstiger Weise. Was
Vor Jahren hatte er von solch einer Szene geträumt,
wie er sie jetzt erblickte. Gottfried's Kinder sollten seine
Knie umspielen, Gottfried's Gattin des alten Mannes Haus
verschönen. Thränen drangen ihm ihm in die Augen, als
er sah, wie nahe der Verwirklichung sein Traum gewesen
war. Er zitterte und erblaßte- Graf Berril war nicht
weniger über die Entdeckung des so sorgsam gehüteten Ge-
heimnisses seiner Tochter ergriffen, und auch er zitterte.
Ormond schaute mit Höhnischem Lächeln auf Beide.
„Paul," wendete sich Beatrice jetzt an Lord Grosvenor,
„Sie werden für uns Wache halten. Mein Vater und der
Marquis von Trewor sind im Garten, doch ist es nicht
wahrscheinlich, daß sie dieses entlegene Plätzchen aufsuchen,
Ich glaube, wir dürfen uns ganz sicher fühlen."
„Dein Papa?" fragte Egon überrascht. „Dann habe
ich also einen Großpapa? Ei, das wußte ich gar nicht."
Beatrice lächelte verlegen.
Graf Berril war gerührt und nicht abgeneigt, um dieser
lieblichen Kinder willen, der Tochter ihr Gehennniß und
die Verbindung mit dem Manne zu vergeben, dessen Namen
schmachbedeckt war und den er deswegen bitterlich haßte.
Er warf einen verstohlenen Blick auf den Marquis.
Lord Trewor's Gesicht flammte vor Zorn. Das Lächeln
und die zärtlichen Worte der liebenden Familie waren ibm
Dolchstiche. Sie konnten glücklich sein, während sein Leben
verödet und freudlos war! Gottfried wurde von Frau und
Kindern förmlich vergöttert. War das Gerechtigkeit! Und
Giralda, die er geliebt und die ihm getrotzt, sah so zufrieden,
so glücklich aus, als ob es niemals einen Marquis von
Trewor gegeben hätte.
Er brannte vor Begierde, ihr Glück in Elend, ihre
Freude in Kummer zu verwandeln, und er gab das verab-
redete Zeichen mit einer Hand, die, wie von Fieberschauern
geschüttelt, zitterte. Mit einem Schrei, der dem eines
wilden Thieres glich, flog er zu der Thür des Pavillons,
stürmte an Lord Grosvenor vorüber, und blieb athemlos
vor dem gehaßten Neffen stehen-
Ormond und Graf Berril waren ihm gefolgt. Born
und seine Leute schlossen sich ihnen an und versperrten
die Thür.

mau hinter dem Rücken eines Mannes redet, pflegt
für gewöhnlich rückhaltslos zn sein ; Herr Miquel,
dessen Ernennung natürlich den Gegenstand aller Ge-
spräche im Reichstage bildet, kann mit den Urtheilen,
die er nicht gehört hat, zufrieden sein. Er hat oft
erklärt, er sei kein Parleipolitiker. Das ist in gewissem
Sinne richtig; denn er hat die Formen der Partei-
poliiik sorgfältiger vermieden als mancher andere
Führer, und er ist, was den Inhalt seiner politischen
Ueberzeugnng anbetrifft, ein Eklektiker, der von allen
Systemen das Beste nimmt und der schwer unter eine
Schablone zn bringen wäre. Das kommt ihm jetzt
zu Statten. Persönliche Feinde dürfte er kaum haben.
Er hat auch mit politischen Gegnern stets auf gutem
Fuße gestanden, und ans der Fülle von Ideen, die
der kluge und mit einer bei einem so gewandten Poli-
siker seltenen Phantasie begabte neue Finanzminister
im Lause der Zeit mit der ihm eigenen Lebhaftigkeit
aufgestellt hat, glaubt so ziemlich jede Parteieinrichtung
etlvas ihren Anschauungen und Wünschen Entsprechendes
heranslcsen zu können. Die „Franks. Ztg." erkennt
seinen Werth als Staatsmann folgendermaßen an:
„Der Reichthum seines Wissens, feine erstaunliche
Arbeitskraft und seine große Befähigung zur Behand-
lung von Menschen und Parteien werden von allen
Seiten anerkannt. Es wird dem neuen, zur Lösung
großer Aufgaben berufenen Minister, nach dem ersten
Eindruck zu urtheilen, ein nicht gewöhnliches Maß
von Vertrauen eutgegengebracht, uud außer dort, wo
man veraltete Anschauungen prinzipiell verficht, erregt
es Befriedigung, daß ein moderner Mensch mit reichen
Erfahrungen und einem tiefen Blick in das wirthschaft-
liche Leben zur Lösung der Steuerreform berufen ist,
die dem allseitig als unhaltbar anerkannten Zustande
einer systemlosen Zuschuß- und Neberweisungspolitik
ein Ende machen soll. Herr Miquel wird die belebende
Kraft der Regierung in Preußen und im Reich sein,
der erste Minister, der frei von der allen Anderen
durch die Aera Bismarck angezogenen Unselbstständig-
keit und dem Mangel an Initiative ist, dessen Folgen
durch Bismarcks Rücktritt allein nicht beseitigt werden
konnten. Er hat wahrscheinlich selbst die Empfindung,
daß er als eine Art Hecht in den Karpfenteich kommt.
Wie er sich darin tummelt, wird sich bei Beginn der
nächsten parlamentarischen Kampagne im Herbste
zeigen." — Daß in dem neuen Finanzminister ein
Mann von reichem Wissen und großer Befähigung
gefunden worden ist, darüber sind die Blätter fäinmt-
licher Parteirichtungen so ziemlich einig; die freis.
„Vossifche Zeitung" befürchtet, daß der Wandel im
54 Kapitel.
Zur guten Stunde.
Die von Gottfried und Beatrice seit achtzehn Jahren
gefürchtete Stunde war endlich gekommen, sie waren von
ihren Feinden aufgefunden, ihr Geheimniß war entdeckt
worden.
Bei dem Anblick Lord Trewor's, seiner wuthverzerrten
Züge, feiner flammensprühenden Augen, hatte Beatrice
laut aufgeschricen, Egon aus ihren Armen gleiten lasten,
und sich mit dem festen Entschluß an ihren Gatten geklam-
mert, daß nur der Tod sie von ihm trennen solle.
„Ihr Herren von der Polizei," rief der Marquis, und
seine Worte klangen wie ein Feldgeschrei, „ich klage diesen
meinen Neffen, Gottfried Trewor, des vor achtzehn Jahren
an mir verübten Raubes und des versuchten Mordes an,
und fordere Sie auf, ihn zu verhaften."
Die Polizeibeamten näherten sich, um dem Befehle zu
gehorchen.
Beatrice streckte ihre Hände aus um sie abzuwehren.
„Nicht doch, Beatrice!" bat ihr Gatte, in dieser Stunde
der höchsten Noth mehr an sie als an sich selbst denkend,
„es wird Alles für uns noch gut werden, Geliebte. Viel-
leicht ist cs besser, daß unsere beständige Angst, unsere ver-
borgene und geheimißvolle Existenz und unsere mühevolle
Wachsamkeit ende, Laß mich ruhig ziehen, Theure. Die
eingebilseten Schrecknisse sind schlimmer als die Wirklichkeit.
Schone Dich und unsere Kinder."
Beatrice blickte verzweifelt um sich. Ihr umherirren-
des Auge rnhte.zuletzt auf dem kalten, strengen Gesicht des
Grafen. „Vater," rief sie leidenschaflich, „Du hörst, was
sie mit Gottfried beginnen wollen. Vater, seit siebenzehn
Jahren bin ich Gottfried's Gattin- Diese hier sind unsere
Kinder, Deine Enkel, Vater. Sprich Du für uns und für
sie! Ich werde sterben, wenn Sie ibn mir entreißen l"
„Großpapa, rette Du meinen Papa," schluchzte Egon.
Die süße Stimme des geängstigten Kindes schnitt dem
Grasen in's Herz.
„Trewor," rief er mit Thränen in den Augen, „sind
Sie nicht schon weit genug gegangen? Alles wohl über«
 
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