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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 11 - Nr. 20 (15. Januar - 25. Januar)
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Badischer

sbate.

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Xl. II.

Verantwort!. Redakteur: F. Z. Knappe
in Heidelberg.

WM«, MIM, deii k.zlimr.

Drucku. Verlag vonGrbr. Huber inHeidelberg
früher Verleger Les Pfälzer Boten.

1890.

3» PtNWg in kilbslülljlit LchmWk.
H Der Aufschwung im katholischen Lehrerstande
Preußen-Deutschlands, den die letzte Hälfte des ver-
flossenen Jahres gezeitigt hat, ist ein sehr erfreulicher
^nd für die katholische Volksschule von großer Be-
deutung. Seit der „Äera Falk" „seligen" Angedenkens,
hatte sich auch in die katholische Lehrerschaft das Nebel
des Jndisserentismus mehr oder weniger eingeschlichen,
sie folgte zum Theil den Wegen der Rationalisten
und Naturalisten, und daß dies der Erziehung der
Jugend nicht zu besonderem Nutzen gereichte, läßt sich
beim besten Willen nicht leugnen. Damit soll keines-
wegs gesagt sein, daß alle Lehrer die ihnen obliegen-
den Pflichten der ihnen anvertrauten Jugend gegen-
über vernachlässigt hätten, aber die Erfahrung lehrt,
daß der Geist, dem man selbst folgt, auch immerhin
in etwas auf andere übertragen wird. Es wurde in
der Schule mehr Gewicht auf den Unterricht, als auf
die Erziehung gelegt und dies konnte für die Jugend
nicht fegenbringend sein. Unterricht und Erziehung
lassen sich nicht von einander trennen; wer lehrt,
erzieht, und umgekehrt. Treten aber gewisse Unterrichts-
fächer mehr als andere in den Vordergrund, so ist es
natürlich, daß die Erziehung durch jene beeinflußt
wird, und das ist ein Fehler, welcher der heutigen
Volksschule anhaftet. Die christlichen Schüler sollen
im Geiste des Christenthums erzogen, nicht aber zu
Naturforschern und Verstandesmenschen herangebildet
werden. Das letztere scheint indessen der Zweck der
heutigen Lehrmethode zu sein, und deshalb ist es von
sehr weittragender Bedeutung, daß die katholischen
Lehrer der ihnen auf der Katholikenversammlung zu
Bochum gegebenen Anregung gefolgt sind, und sich aller-
orten zusammenscharen um die Fahne des Katholizismus.
Das katholische Bewußtsein wird dadurch gestärkt und
der Geist der Kirche neu in den Herzen der Lehrer
belebt. Die Folge davon wird sein, daß sie aus
sich selbst der christlichen Erziehung der Schüler-
größere Sorgfalt -zuwenden und den Unterricht dar-
nach einrichten. Höchst erfreulich ist es auch, daß
die katholische Lehrerfachpresse eine bedeutende Erwei-
terung erfahren hat durch die Neugrundung ver-
schiedener Organe, und daß bewährte Verlagshand-
lungen es sich angelegen sein lassen, durch die Heraus-
gabe älterer katholischer Erziehnngsschriften die Lehrer-
in den Stand zu setzen, sich über die Beständigkeit
der katholischen Erziehungs- und Unterrichtsgrundsätze
zu informiren und sich diese zu eigen zu machen.
So werden die trefflichen Grundsätze, die Ansichten

berühmter katholischer Pädagogen wieder mehr zur
Geltung kommen und den Weg zur Reform im Schul-
wesen allmählig bahnen. Dies ist indessen nicht nur
Wünschenswerth, sondern auch uothwendig. In der
neuen Aera der Volksschule wurde die alte volks-
pädagogische Erbweisheit, welche ans der christlichen
Weltanschauung und der tiefen Kenntniß der mensch-
lichen Natur und Volksart geschöpft Ivar, bei Seite
geschoben. Der Lehrer sollte nur noch Lehrer sein.
Darauf wurde auch mehr und mehr die Vorbildung
der Lehrer zngerichtet. Er bsollte Alles wissen, d. h.
von Allem, was in den höheren Schulen ein ganzes
Lehrer-Kollegium weiß und lehrt, ein Bischens So
wurden die Volksschulen mehr und mehr Tretmühlen
realistischer Experimente und Dressir- und Marter-An-
stalten für die Jugend. Die Erziehung und mit ihr
das erziehliche Moment in der Schule, die Religion,
trat in den Hintergrund, nur die realistischen Nnter-
richtsgegenstände hatten noch Geltung und Werth.
Jetzt beginnt man halb und halb eiuzusehen, daß ein
derartiges Verfahren üble Folgen haben muß. Selbst
Schulmänner, denen man nicht den Vorworf großer
Religionsfreundlichkeit machen kann, sagen, die Päda-
gogik sei im Rückschritte begriffen, es darf in der
Volksschule nicht so weitergehen, Mittel und Wege
müssen gefunden werden, die Sachlage zu ändern.
Auch erblickt man in der Volksschule ein Mittel, der
Ausbreitung der Sozialdemokratie entgegen zu wirken,
und wenn die Volksschule wieder echt christlich würde,
dann wäre sie auch nnstreitbar dazu geschaffen, auf
den Volksgeist wohlthätig einzuwirken. Wenn die
Jugend erzogen wird zur wahren Gottesfurcht, zum
Gehorsam, zur Arbeitsamkeit, Ordnung und Selbst-
verleugnung und diese Tugenden reckt Wurzel gefaßt
haben in dem Herzen der Jugend, dann ist damit ein
starker Damm anfgerichtet, gegen die Umsturzideen,
die jetzt immer mehr in das Volk eindringen. Des-
halb also verdient das Bestreben der katholischen
Lehrer, als eine geschlossene Phalanx die Prinzipien
des Christenthums einmüthig zu bekennen, sie soviel
als irgend thunlich bei der Erziehung der Jugend
praktisch anzuwenden, Anerkennung und Lob. Der
katholische Lehrerverband muß als eine Stütze der
christlichen Erziehung betrachtet werden und es ist nur
zu wünschen, daß er immer mehr erstarkt, an Einfluß
zunimmt. Früher oder später wird man dann auch
in höheren Kreisen zu der Ueberzengung gelangen,
daß nicht die Anhänger des Rationalismus und Na-
turalismus unter den Volksschnllehrern diejenigen sind,
welche die Achtung vor göttlicher und weltlicher

Autorität, den Geist der Ordnung und des Gehorsams
in das Volk tragen, sondern daß die Männer-
Frieden und Glück des Staates und Gesellschaft mit
begründen und fördern, welche die Religion als die
Grundveste des Volkswohles betrachtet, und nach dieser '
Erkenntnis; in ihrem Kreise gewirkt haben. Aus diesem
Grunde kann man den katholischen Lehreroerband
wahrhaft „staatserhaltend" nennen und den dringenden
Wunsch hegen, daß sein Bestreben allseitig Unterstützung
finden möge.
Deutsches Reich.
-PS» Berlin, 13. Jan. Gestern Vormittag ist das
Reichstagspräsidium vom Kaiser empfangen worden
und hat demselben das Beileid des Reichstags an-
läßlich des Todes der Kaiserin Augusta ansgedrückt.
— Die „Nordd. Allg. Ztg.", zurückkommend auf einen
von ihr reprodnzirten Artikel der „Nowojo Wreinja",
der sich mit den von russischen und französischen
Blättern ventilirten, angeblich entgegengesetzten
Strömungen am Berliner Hofe beschäftigte,
sagt: sie habe den Artikel nur gebracht, um zu zeigen,
wie unvollkommen ausländische Blätter über den hiesigen
Hof informirt sind. Die Behauptung von einem An-
tagonismus zwischen Bismarck und Waldersee rufe
nur Kopfschütteln bei den Wohlinformirten hervor.
Von solchen angeblich kursirenden Gerüchten wisse man
am Hofe nichts. Bismarcks Friedenspolitik sei die
Politik des Kaisers, und es sei ausgeschlossen, daß in
der allerhöchsten Umgebung ein Antagonismus auf
politischem oder militärischem Gebiet sich geltend machen
könne. — Auf Grund der Berichte der staatlichen
Untersn ch nng skommiss ionen über die Lage
der Bergarbeiter finden den offiziösen „Bert.
Pol. Nachr." zufolge seit einiger Zeit Verbandlungen
zwischen Kommissaren des Reichsamts des Innern,
des Ministeriums der öffentlichen Arbeiten, des Handels-
ministeriums und des Justizministeriums über die
Frage statt, ob und in welcher Weise den bei diesen
amtlichen Erhebungen gewonnenen Erfahrungen im
Wege der Gesetzgebung oder der Verwaltung oder
auch auf beiden Wegen zugleich Folge gegeben werden
kann. Aehnliche Erklärungen sind bekanntlich sckon
von Herrn von Bötticher im Reichstage abgegeben
worden. _
Deutscher Reichstag.
(Sitzung vom 13. Jan.)
Präsident v. Levetzow machte dem Hause Mitthei-
lung über den Verlauf der gestrigen Audienz des Prä-
sidiums bei dem Kaiser, welcher betonte, die allgemeine

(Nachdr. verb.)

KöhencrrfL.
Bon Lary Groß.

87) (Fortsetzung.)
Raimonda hatte sich unmuthig von Uchenieff abgewandt
aber jedes seiner Worte senkte sich mit glühenden Stacheln
m ihr Herz. — Das war es, was sie so zeitig aus der
Gesellschaft forttrieb.
Als endlich der Morgen kam und Raimonda bleich und
ermattet in das einfache, aber freundliche Zimmer trat,
das ihr zum Wohngemache diente, schrack sie zusammen,
denn sie sah ein Billet auf ihrem Tische und erkannte
augenblicklich in den flüchtig geschriebenen Buchstaben ihres
Namens Alfreds Hand -' Also doch ! O, daß alles nur ein
Traum gewesen wäre! Daß Uchenieff gelogen hätte Alfred
nie einen Schritt thäte, sich ihr zu nähern, denn dieser
'Schritt trennte sie weiter als je.
, Zögernd erfaßte sie das Billet, unschlüssig srug sie sich,
ob es nicht das beste sei, es ungelesen zu lassen?
In diesem Augenblicke des Schwankens trat Julie, die
Turnerin, mit wichtiger Miene ein; sie trug ein Packetchen,
aas sie versprochen habe, nur in des Fräuleins eigene Hände
-u legen, und suchte ihre Nebertretung eines Verbotes da-
bei unter Vorkehrung großer Wichtigkeit zu maskieren;
doch zu Juliens Erstaunen hörte Raimonda, von anderen
Gedanken beschäftigt, kaum aus sie und winkte ihr, das
Väckchen selbst zu öffnen.
, Ein goldner Armreif, an dem fünf herrliche Diamanten
mnkelten, fiel aus der Umhüllung.
... »Was soll das? frug Raimonva, erst durch diesen An-
bl'ck ausmerksam gemacht, mit strenger Stimme und so
ernstem Blicke, daß Julie den Ruf der Bewunderung zu-
ruckhielt, in den sie ausbrechen wollte
. »Ich glaubte, daß ein Diener der Madame Wolost'
bas Eeui brachte, wenigstens sagte er so und versicherte,
es sei ein dem Fräulein gehöriger Gegenstand, die Sie
Lestern in einer Wette gewonnen."

„Ich weiß von keiner Wette- Sie aber haben den
strengen Auftrag vergessen, unter keinen Vorwande Sen-
dungen an mich anzunehmen."
„Ich dachte —"
„Sie hatten unrecht, anderes als an meinem Auftrag
zu denken. Ich kann Ihre Dienste nur brauchen, wenn
Sie verlässig sind. Gehen Sie, den Diener zurückzurufen.
Falls er fori ist, müssen Sre selbst Sorge tragen, daß die
Sache durch Madame Woloff, deren Name hier mißbraucht
wird, an die richtige Adresse zurückgeht."
Unmuthig stellte Raimonda das Etui auf den Tisch;
sie sah und erkannte die Chiffre Uchenieffs auf dem Deckel
und bemerkte ein Billet, das anzurühren sie sich hütete.
Das Kammermädchen verzog spöttisch die Miene, als
es sich schweigend entfernte, und die zuckenden Schultern
schienen zu sagen: „So sind alle. — Anfangs spröde;
nach und nach nimmt man doch Geschenke."
„Raimonda sah Geberde und Lächeln und deutete sie
richtig. Unmuth und Beschämung trieben eine heiße Blut-
welle in ihre Schläfe. Mit einer Empfindung des Ab--
scheues blickte sie nun auf Alfreds Billet, das sie indeß
mechanisch geöffnet hatte, und las die Worte, die zu einer
anderen Stunde vielleicht ihr Herz gerührt hätten, mit
steigender Bitterkeit.
Es war die Bitte, die ihr Uchenieff angekündigt, die
auch der Elende gewagt und nun durch ein Geschenk zu
erlangen hoffte. Und dazu die vertrauliche Form, wozu
Alfred das Recht verwirkt hatte, seit er sie allein ins Elend
fliehen ließ.
„Glauben die Männer alle, eine Sängerin sei leichte
Beute? Sie sollen sehen, daß ein edles Weib in jeder
Stellung Würde und Stolz zu wahren weiß."
Hastig ergriff Raimonda eine Karte und schrieb in
französischer Sprache: „Ich empfange keine Besuche."
Mit fieberhafter Eile, wie um ihrer eigenen Reue
vsrzubeugen, schrieb sie die Adresse ab, die auf Alfreds
Karte stand und vor ihr auf dem Tische lag. Dann schellte
sie dem Diener und schärfte ihm ein, durch einen Lohn-
diener sogleich das Billet zu besorgen.
Allein geblieben, griff sie nun wieder nach Alfreds

Zeilen, um sie zu vernichten. Nur einmal noch haftete ihr
Auge darauf, aber die wohlbekannten Schriftzüge fesselten es,
bis Thränen ihren Blick verdunkelten und sie mit gebroche-
nem Muth in ein Sessel sank-
War das ihre Stärke? Was konnte sie thun, um sich
vor sich selber zu retten, wenn Alfreds Nähe, wenn ein
Wort, eine Bitte von ihm sie w bewegten? Sollte sie
Madame Woloff, vertrauen, mit ihrer Hilfe fliehen ?
Sie hatte nicht die Kraft, ihre Bewegung zu verbergen,
als Julie wieder eintrat und berichtete, der Diener sei
verschwunden, aber ein fremder Mann habe sich ins Haus
gedrängt und bestehe darauf, das Fräulein sprechen zu
müssen. Er lasse sich durch die Versicherung, daß keine
Besuche angenommen werden, nicht abweisen, sehe auch
gar nicht wie ein feiner Herr aus, auch nicht wie ein
Bettler; er sei neu und ziemlich gut gekleidet, und behaupte
von einer Person zu kommen, die das Fräulein sehr nahe
angehe, und die dringend Hilfe bedürfe.
Raimonda horchte auf. Wer konnte das sein? Ein
Vorgefühl stürmte drohend auf sie ein.
„Lassen Sie den Mann hereinkommen, doch entfernen
Sie sich nicht aus dem Vorzimmer, bitte," sagte sie, sich
zur Ruhe zwingend.
Als aber Julie die Thüre zum Vorzimmer öffnete
und sogleich die hohe, breitschulterige Gestalt eines Mannes
sich eindrängte, taumelte Raimonda mit leisem Schrei zu-
rück, denn sie hatte augenblicklich, trotz des Verfalles, den
Alter und Elend den abschreckenden Zügen beigefügt, den-
jenigen wieder erkannt, dessen Hand sie einst oft bedrohte,
der nun sie auszustrecken schien, um sie aufs neue in den
Strudel des Verderbens zu reißen. Der Mann, vor dessen
Bild der Traum und das Glück ihrer Jugend in nichts
versunken war, er stand jetzt in Wirklichkeit vor ihr. Gerade
so stechend richteten sich die schwarzen Augen auf sie, I -
damals, als er sie das letztemal sah, als er das blitzenoe
Messer gegen sie warf, und wie damals vergingen ihr
die Sinne.
(Fortsetzung folgt.)
 
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