Erscheint tiiglich mit AvSnalmie der Sonn- u. Feiertage.
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dlatt „Der SonntagSbote" fürHeidelberg monatlich SO
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Verantwort!. Redakteur: F. Z. Knappe
in Heidelberg.
WkldkT Lmstg, st« Z. Ustj.
Drucku.Verlag von Gebr. Huber inHcidelberg
früher Verleger des Pfälzer Boten.
1890
Der heutigen Nummer liegt „Der Konutagsbote' Nr. !) bei.
o AckünWtz ««l MitkmÄnlW.
Der Großh. Badische Fabrikinspektor hat seinen
Bericht in diesem Jahre ausnahmsweise früh, ja als
der erste seiner sämmtlichen Kollegen, veröffentlicht.
Die eingehende Arbeit, welche 73 Seiten umfaßt und
bei Thiergarten und Raupp in Karlsruhe erschienen
ist, ist dem Inhalte nach die schärfste Widerlegung alles
jenen offiziellen und offiziösen Geschwätzes von einer
Besserung der deutschen Arbeiterlage durch den
bessern Geschäftsgang beim Fehlen einer wirksamen
Arbeiterschutzgesetzgebung. In nackten Worten stellt
der badische Aufsichtsbeamte, der sich im vorigen Jahre
mehr als je in die intimsten Verhältnisse der Arbei-
terexistenz vertiefte, fest, daß „die Wirkung des
guten Ganges der Industrie . . . sich vor-
zugsweise darin geltend machte, das; gegen das
Borjahr erheblich mehr jugendliche Arbeiter
eingestellt wurden und daß ... mehr Ueber ar-
beit zu leisten war . . . Eine durchgreifende Lohn-
erhöhung trat . . nirgends ein. Diese Worte bewei-
sen klar und unzweideutig, wie es die Fabrikbesitzer
meinen; die Herren sagen: Halst uns keine Arbeiter-
ichutzgesetze aus, denn ohne solche ist die Produktion
freier, kann sie sich besser entwickeln, geht das Geschäft
in Folge dessen auch besser, und wenn letzteres der
Fall ist, bessert sich auch die Lage des Arbeiters. Das
hört sich recht schön an, aber es ist ein leerer Schall.
Man hat den Industriellen geglaubt und von Arbei-
rerschutzgesetzen abgesehen, die Jndustrieen wurden da-
durch konkurrenzfähiger, die Geschäfte gingen besser,
aber anstatt mehr Arbeitern Beschäftigung zu geben,
beutete man die schon vorhandenen durch Ueberstunden
aus und stellte mehr jugendliche Arbeiter an.
Die oben angeführten Sätze des Fabrikinspektors,
der doch ein amtlicher Kenner der Arbeiterverhältnisse
ist, werfen alle die schönen Phrasen der nationallibe-
ralen Unternehmerpresse, die den kaiserl. Erlassen alles
Andere, nur nicht Sympathie entgegenbringen, in ihr
hohles Nichts zusammen, denn was in Baden nicht
eintrat, stellte sich selbstverständlich auch im Reiche
nicht ein, wenn die Arbeiter nicht durch Streiks be-
sondere Verbesserungen sich erzwangen. Erst dann,
wenn in günstigen Zeiten die sich ergebende Mehrbe-
schäftigung nicht mehr durch Ueberarbeit und jugend-
liche Arbeit, beides aus Kosten der Volksgesundheit,
sondern durch weitere Heranziehung erwachsener Ar-
beiter geleistet, kurz der Maximalarbeitstag eingeführt,
und die kindliche wie jugendliche Arbeit beschränkt
wird, erst dann können auch die Arbeiter vom bessern
Geschäftsgang, für den der Staat unaufhörlich sorgt,
profitiren. Die Weiterbildung des Arbeiterschutzes ist
und bleibt somit eine der ersten und wichtigsten Auf-
gaben des Centrums und aller andern volksfrenndli-
chen Parteien.
Aus dem vortrefflichen Berichte des Beamten er-
giebt sich, daß die Zahl der in badischen Fabriken
beschäftigten Kinder die bis dahin noch nie dage-
wesene Höhe von 2215 Köpfen erreicht hat; die jungen
Leute von sind 4736 Personen im Jahre der Depression
(1877) auf 10,436 im Vorjahre gewachsen. Sogar
Schulkinder von 10 bis 11 Jahren wurden während
der Ferien bei städtischen Bauten als Steinträger be-
schäftigt; es kam vor, das; solch kleine Märtyrer der
Arbeit verunglückten und daß dann ihr Alter vertuscht
werden sollte. Daß solche Dinge „von den: bedenk-
lichsten Einflüsse auf die körperlichen und gesundheit-
lichen Zustände großer Bevölkerungsklassen" sind, „wird
von keiner Seite bezweifelt," sagt der Inspektor. Und
doch dürfen sie bis jetzt dauern.
Die schon erwähnte Ueberarbeit ging, Ivie der Be-
richt weiter ansführt, vielfach über das Maß hinaus,
es kam sogar zu gröblichen Ueberschreitungen, die einen
um so übleren Eindruck machten, da iu der benach-
barten Schweiz der elsstündige Maximalarbeitstag
durchgeführt ist. Die Kantinen in den Fabriken be-
zeichnet der Beamte als eine Art von Trucksystem
(Ablohuung der Arbeiter durch Naturalien und andere
Waaren). Die Ernährung der Arbeiter blieb unter
allen diesen Verhältnissen selbstverständlich nach wie
vor eine „ihrer Beschäftigung nicht entsprechende,"
wozu letztes Jahr noch besondere Klage über hohe
Fleischpreise kamen — eine Folge der bekannten Ein-
fuhrverbote, wie kaum hinzugefügt zu werden braucht.
Der badische Fabrikinspektor weiß von einsichtigen
Industriellen zu berichten, welche durchaus aus der
Seite einer wirksamen Arbeiterschutzreform stehen, aber
auch von der Gleichgiltigkeit gewisser oberer Klassen
gegenüber offenbaren Mißständen in der Lage der Ar-
beiter. Zutreffend sagt er auf Seite 20 seiner Aus-
führungen: „Besonders in Zeiten größeren Aufschwun-
ges . . . zehren manche Fabriken gern einen Theil
des in der Arbeitskraft der Bevölkerung liegenden
nationalen Kapitals im eigenen Nutzen auf. Wenn
dies erst angefangen hat, so ist die einzelne Fabrik
diesen Verhältnissen gegenüber ohnmächtig, und selbst
Treuer Siebe Sohn.
10) Roman von U. Rosen.
(Nachdr. Lerb.)
Ich möchte durchaus nichts thun, was Deine Mißbilli-
pung lande, aber wenn ich meines Herzens Wunsch folgen
dürste, würde ick vor allen Dingen eine öffentliche Schule
und später eine Universität besuchen.
Nachdem Rupert sein Gcnüilb auf diese Weise ent-
lastet und das geheime Sehnen seiner jungen Seele ent-
schleiert batte, vergrub er sein Gesicht ouf's Neue in Bea-
trirens Schooß, um in alhcmlvsem Schweigen ihre Ant-
wort zu erwarten.
.Bist Du des Vaterhauses so müde, mein Sohn?
fragte die Mutter traurig.
„O, nein, gewiß nicht, Mama," erwiderte der Knabe
mit leidenschaftlichem Ernst. „Des Vaterhaus ist mir die
theuerste Stätte der Welt, aber, Mama, die jungen Adler
bleiben nicht immer in ihrem trauten Nest. Sie lernen
fliegen und kommen dann freudig zurück Ick habe die
die Lebei sceschichle vieler großer Staatsmänner gelesen,
und mir ist, als ob auch ich die Kraft besäße, mich enipor-
zuschwingen"
.Ja, ich selbst glaube Dich zu Hohem berufen, mein
Kind," bemerkte Beatrice nachdenklich.
.Um Deinetwillen, Mama, möchte ich groß werden,"
flüsterte der Knabe, „und daun, wenn mein Ruhm am
hellsten leuchtet, werde ick sogen, wie vor mir mancher
bedeutende Mann gesagt: Was ich bin, verdanke ich meiner
Mutter."
Beatrice zog ihren Sohn dichter an sich und den Be-
geisterten zärtlich anlächelnd, sagte sie: „Ich war darauf
vorbereitet, daß Tu bald aufaugen würdest. Deiner Kraft
bewußt zu fein. Eine bestimmte Antwort vermag ich
Dir heute noch nickt zu «eben, ich muß die Angelegenheit
erst mit Deinem Vater besprechen; was aber Deine Zu-
kunft betrifft, kann ick Dein Gemüth jetzt schon beruhigen.
Tu bist der Erbe Deines Vaters, und wenn Gott Dich am
Leben erhält, wirst Du dereinst berufen sein, einen stolzen
Titel zu tragen »uh einem vvrmhmen alten Namen Glanz
»u verleihen "
Rupert blickte in sprachlosem Erstaunen der Mutter
in's Auge.
„Diese Eröffnung muß von Dir streng als Geheim-
niß bewahrt werden," fuhr Beatrice fort. „Sage auch
Giralda noch nichts davon, mein Sohn. Du wirst eine
Universität besuchen, sobald Du reif dafür bist. Habe Ver-
trauen und Geduld, liebes Kind und vergiß nicht, daß eine
glänzende Zukunft vor Dir liegt."
„Ich werde ttwn, was Tu von mir verlangst, theuerste
Mama," ricf der Knabe lebhaft. „Du kennst meine Hoff-
nungen und Wünsche und das genügt mir. Die Zukunft,
die Du mir in Aussicht stellst, ist die schönste, die ich mir
denken kann."
„Für heute Abend hüben wir uns nichts mehr zu
sagen, Rupert, und ist es Zeit für Dick, zu Bett zu gehen.
Erinnere Dich alles dessen, was Du von mir hörtest, und
bewahre das Geheimnis-, das ich Dir anvertraut, als ein
Heiligthum. Unsere Unterredung können wir morgen
fortsctzen."
Beatrice umarmte den Knaben mit der Zärtlichkeit
einer Mutter, deren Herz über den Seelenadel und den
erwachenden Ehroeiz ihres Kindes frohlockt. Von neuen
Hoffnungen und Träumen erfüllt, blieb Rupert in seinem
Zimmer zurück.
Der Graf erwartete Beatrice am Kamin feines Stu-
dirzimmcrs. „Was wollte Rupert von Dir? fragte der
Gatte nach kurzem Schweigen.
„Die Stunde, die wir voraussahcn. hat für unseren
Sohn eher geschlagen, als wir erwarteten. Er verlangt zu
wissen, wie seine Zukunft sich gestalten soll und möchte
eine öffentliche Schule und später eine Universität besuchen."
„Ich wünschte, wir hätten Rupert noch eine Weile in
seiner kindlichen Unbrsangenheit erbalten können," bemerkte
der Graf. „Ich weiß, daß seine Erziehung des Knaben
Verstand früh entwickelt bat, aber so sehr ich mich der
schö ncn Gaben meines Sohnes freue, so sehr bedauere ich,
daß sie seinen Blick vorzeitig schärften."
8. Kapitel.
Giralda.
Der Morgen, der diesen glücklichen häuslichen Szenen
der wohlwollende Arbeitgeber kann dann nichts Anderes
machen, als mit dem Strome schwimmen, der jetzt noch
bei uns ungeregelt dahinfließt, und der beim Zurück-
treten als die Folge einer solchen ungezügelten Kräfte-
wirkung eine Menge von Zerstörungen zeigt. Durch-
greifendes ist nur von einem Erfassen dieses Gegen-
standes durch dieG esetzgebung zu erwarten." Eben
durch die Arbeiterschutzgesetzgebnug, welche das Cen-
trum schon vor Jahren angeregt u. trotz allen Wider-
stands von Seiten der Regierung nicht fallen gelassen
hat, bis der Kaiser selbst sich ihrer annahm.
Deutsches Reich.
4-» Berlin, 28. Febr. Wie ernst der Kaiser
die Arbeiterschutzfrage nimmt, deren Wichtigkeit und
Bedeutung er erkennt, geht aus dem Eifer hervor, mit
welchem er sich den Berat Hungen des Staats-
rathes widmet. Am Mittwoch kehrte er erst um 5
Uhr in sein Palais zurück, und gestern verweilte er
ununterbrochen von 1O'/4 Uhr Vormittags bis Abends
nach 6 Uhr iu der Sitzung. Die „Berl. Pol. Nachr."
vernehmen, daß der Kaiser mit bewundernswerther
Umsicht und strengster Objektivität das Präsidium
führte und dem Gange der Diskussion mir großem
Ernste folgte. Nach dem Referat Miguels und dem
Korreferat Jenke's folgte eine eingehende Debatte.
Es ist in Aussicht genommen, die Ergebnisse der Ver-
handlungen dem Buudesrathe und denjenigen aus-
wärtigen Regierungen mitzutheilen, welche sich zur
Theilnahme an der internationalen Konferenz bereit
erklärt haben. Erzbischof Kremeutz von Köln erlitt
hier in dem Hotel, iu welchem er aus Veranlassung der
Staatsrathsverhaudlungen Wohnung genommen hat,
einen Unfall, indem er auf der Treppe ausglitt und
sich eine Verletzung zuzog, die ihn hindert, an den
Staatsrathssitzungen theilzunehmen. Die Verletzung
ist glücklicherweise leichter Natur. — Der von der Kolo-
nialgesellschaft beabsichtigte Verkauf eines Tbeiles
des sü dwest - afr ik a ui sch en Schutzgebietes
an ein englisch-holländisches Konsortium unterbleibt,
weil der Reichskanzler, der „Nationalzeitung", zufolge
die Genehmigung ans wirthschaftlichen und politischen
Gründen versagt hat. - Abg. Windthor st wird bei
der Kultusdebatte im preußischen Abgeordnetenhause
auch die Revision der Kir ch e n v e rm ö g en s g e-
setze anregen. — Eine Ac n d e r u n g des W a h l -
recht s befürwortet nunmehr auch die Nationalliberale
„Nationalztg.", indem sie schreibt: Fürst Bismarck hat
wegen solcher Mißstände schon vor einem Jahrzebnt
eine ähnliche Einrichtung, Ivie das französische Listen-
folgte, dämmerte nebelgrau über den einsamen Birkenhain
herauf. Aber die schwermuthsathmende Natur hatte keine
Gewalt über die Gemütber der glücklichen Familie, die zu
früher Stunde um den Kaffeetifch des Speisezimmers ver-
sammelt war. Die Züge des Grafen leuchteten in stiller
Seligkeit, und Beatrice lächelte so heiter, als ob ihr Herz
niemals Kummer empfunden, ihre Augen nie Thränen des
Schmerzes vergossen hätten. Der kleine Egon schwelgte
in dem Sonnenschein der Anwenseheit seiner vergötterten
Mutter, und RupeA's Gesicht strahlte vor Zufriedenheit
über das Versprechen, das er erlangt halte, die Universi-
tät besuchen zu dürfen. Nur Giralda's Stirn war um-
wölkt. Ihr sinnender Ernst entging der liebenden Beob-
achtung ihrer Eltern nicht. Sie nahm wenig Antheil an
der fröhlichen Unterhaltung um sie her und zog sich unter
einem wichtigen Vorwand auf ihr Zimmer zurück.
„Was ist dem Mädchen?" fragte Beatrice, als sie sich
mit ihrem Gatten in das Wohnzimmer begab. „Glaubst
Du, daß irgend etwas ihr Gemüth bedrücke?"
Der Gras verneinte lächelnd.
„Behalte die Knaben eine Weile bei Dir," fuhr Bea-
trice fort, „ich gehe inzwischen in Dein Studirzimmer,
wohin ich Giralda bestellt habe."
Das schöne stille Gemach, in dem die peinlichste Ord-
nung herrschte, war noch leer. Beatrice warf sich auf das
mit dem Tigerfell bedeckte Sopha, .um ihre Tochter zu er-
warten, die schon nach wenigen Minuten erschien.
Giralda näherte sich halb schüchtern, ihr Gesickt war
marmorbleich und ihre wandelbaren Augen waren fast
dunkel vor unterdrückter Aufregung.
„Komm', setz' Dich neben mich, mein Kind," sagte die
Mutter dem Mädchen Platz an ihrer Seite machend.
Giralda gehorchte. Die Gräfin legte ihren Arm nm
die schlanke anmuthige Gestalt der Tochter und zog sie
dicht an sich heran. „Nun, Giralda," begann sie, „entlade
mir Dein Herz. Was wünscht sich die junge Dame, für
die das Spiel mit Puppen bereits ein überwundener
Standpunkt ist Du bist, wie ich nicht vergessen darf,
schon sechSzehn Jahre, mein Kind."
„Ich bitte Dich, Mama, fei ernst," rief Giralda mit