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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 21 - Nr. 30 (26. Januar - 6. Februar)
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K. ?i.

189V.

^scheint täglich mit Ausnahme der Sonn-u. Feiertage.
77"»»»te«euttzpreitz mit dem wöchentlichen Unterhaltungs-
VCD erSonntagsbote"fnr Heidelberg monatlich KV H
U Trügerlohn. durch die Post bezogen viertelj. 1.80 franco.

! " !
Verantwort!. Redakteur: F. Z. Knappe
in Heidelberg.

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HMng, Ämti«, de» H. z«mr.
Druck ».Verlag vcmGebr. Huber inHeidelberg
früher Verleger des Pfälzer Boten.

-kr heutigen Nummer liegt „Der Sonntagsbote" Nr. 4 bei.

S7)

Ac MMU j« in tüWn Kmmn.
Heidelberg, 24. Jan.
L Das Resultat der gestrigen Sitzung der 2. Kammer
ann uns nicht überraschen; wir waren daraus vor-
?kreitet, daß die liberale Regierung der liberalen
Mehrheit zu Liebe und Gefallen — eine Krähe hackt
der andern ja nie die Augen aus — sich der Inter-
pellation der Abg. von Buol und Genossen gegen-
über möglichst ablehnend verhalten werden. Schon
der eine Umstand, daß thatsächlich an die Regier-
ung Anträge gestellt worden sind, denen zufolge
nufß Grund des 8 11 des Gesetzes vom 9. Oktober
1^60 religiöse Orden in Baden eingeführt und deren
Niederlassung ermöglicht werden sollte, diese Anträge
aber von der Regierung nicht einmal beant-
wortet wurden, spricht ja unzweideutig für die
ablehnende Haltung.
Die Anträge wurden vom Erzbischöflichen Ordi-
nariat in Freiburg gestellt, u. z. verlangte der erste
derselben die staatliche Genehmigung für Niederlassungen
bezw. zur Errichtung von Klöstern der Kapuziner in
Steißlingen und in Haslach; dem bezüglichen
schreiben des Erzbischöfl. Ordinariats war ein Bitt-
gesuch der Kuratgeistlichen in den Landkapiteln Engen,
Hegau, Konstanz, Linzgau, Meßkirch und Stockach,
wrner ein solches der Gemeindebehörden (Stiftungs-
winmission, Gemeinderath, Ausschuß), zu Haslach bei-
gegeben, in welchen Gesuchen der Herr Erzbischof an
gegangen wird, die Errichtung von Kapuzinerkloster-
^lederlassungen in Steißlingen bezw. in Haslach her-
deizusühren. Der zweite beantragte die staatliche Zu-
jchsung von Priestern des Kapuzinerordens in
"Walldürn. Diesem Antrag war beigegeben ein
an das Erzbischöfl. Ordinariat gerichtetes, von den
Erständen der Landkapitel Buchen und Wall-
dürn, sowie von den Gemeindebehörden zu Glas-
Q?sen, Höpfingen und Waldstetten unter-
nutztes Bittgesuch des Gemeinderaths und der Stif-
-ungskvmmission zu Walldürn, welches die Errichtung
>nes Kapuziner- oder Benediktinerkonvents
nw Walldürn und Umgegend erhofft. Von religiösen
^rdcn selbst wurden keine Gesuche um Zulassung an
Regierung gerichtet, dieselben kamen einzig und
Win aus der Bevölkerung solcher Landesgegeuden,
w man das Bedürfniß empfand und noch empfindet.
-Tsivar eine Bitte katholischer Landesbürger, die nur

KöHenlufk.
Von Lary Groß
<N«chdc. Verb.)
(Fortsetzung.)
8. Kapitel.
- AufdemRandeder Klippe,
jhr-r E-währte einige Minuten bis Raimonda sich von
rior-V^sschöpfung und den in ihr wirbelnden Gedanken zu
der blick ihrer Lage aufraffen konnte.
sjch'-vdr Standort war gut gewählt, aber von selbst hätte
knie , r°°wn, noch weiter zu streben. — Ein Tobel,
Evalel"" ungleichen, m den Bündner Bergen häufigen
die ein Wildbach sich gerissen hat, bildete, vom
Tann- beruntcrkommend, hier die seitliche Grenze des
und k Wäldchens, an dessen unterem Rande sie sich befand
Hvberiv > hinter ihr steil ansteigende Wand zu der
der «i-k bedeckte, wo die Alpriesen begannen, die noch
baumi^ Schnee bedeckte. Unter ihr senkte der Abhang sich
das dreißig Fuß tief bis zur Sohle des Thales,
dis dv«; Becken eines Sees gewesen war. Auf zwei
wehr en w r von hier aus das Thal in wenig
ügen ^"kr Victelstunde zu durchschneiden; am jensei-
dcstek,» , sah sieParpan, das aus kaum fünfzig Häusern
Hein? w drei Gruppen sich verlheilt, die um die
Kurkn«» ^?wte Kirche, das Buhl'sche Schlößchen und das
wvnd» sich lagern. — Wo der Tobel, der neben Rai-
St-in? üeil heratfiel, die Thalsohle erreicht, begann ein
schnei °wm, der die wilden gluthen zur Zeit der Schnee-
Tie säst.verhindert, den flachen Wiesengrund zu verheeren.
Psak des Steindammes bot einen von Schnee freien
-?r?er bis jn hjx Nähe des Dorfes hinübersührte,
oberer.^werkte Raimonda, welche dieOertlichkeitgenau
denken ut hatte, um die Möglichkeit einer Flucht zu be-
entün»Vv°d drüben im Orte eine ungewöhnliche Bewegung
nd Gespannten Blickes beobachtete sie dieselbe,
die iw avwwelten sich die wenigen Männer beim Kürhaus,
vlsdnn" '"wr im Orte wohnen ? Denn der Bündner zieht
ost j.v? weit fort, verdient sich in fernen Weltstädten, auch
"Meus des Ozeans als Zuckerbäcker oder Uhrmacher

den einen Zweck hatte, an ihren Wohnstätten eine
ausgiebigere Seelsorge zu ermögliche», aber für solche
Bitten hat die Regierung kein Gehör, sie ist ihnen
gegenüber taub und stumm, deuu nicht einmal eine
Antwort giebt sie, obwohl es hier wie in allen andern
Staaten, selbst wenn diese nicht so durch und durch
bureaukratisch eingerichtet sind, wie Bade», gute Sitte
ist, auf Eingaben einen Bescheid erfolgen zu lassen.
Für dieses Verhalten der Regierung hatte Herr
Geheimrath Nokk keine Antwort; und was gab er an,
nm die ablehnende Stellungnahme der Regierung
der Ordensfrage gegenüber zu rechtfertigen? Er weist
auf die Verhandlungen des letzten Landtags hin!
Das aber ist unserer Meinung nach keine Motivirung.
Laut Gesetzen vom 9. Oktober 1860 („Die rechtliche
Stellung der Kirchen und kirchlichen Vereine im Staate
betreffend") kann die Regierung Ordenniederlassungen
gewähren, und wenn sie sich dieses ihr zustehenden
Rechtes nicht bedient, dann will sie einfach nicht.
Es ist also emsig und allein die Regierung, bei wel-
cher das allgemeine Verlangen der bad. Katholiken
nach Zulassung von Orden, so weit es vorhandenen
Bedürfnissen entspricht, wirksamen Widerstand findet.
Klar und deutlich geht aus dem Ganzen hervor, daß
es der Regierung mit der Vorlage, welche sie dem
letzten Landtage machte, nicht ernst war und sie die
Ordensfrage nur im sichern Bewußtsein, daß sie jedoch
abgelehnt werde, einbrachte.
Der Abg. Frhr. v. Buol begründete die Inter-
pellation in vortrefflicher Weise; er hob hervor, daß in
keinem Laude die katholische Kirche hinsichtlich der Orden
so rechtlos sei wie in Baden. Die Centrumspartei
leiten nur patri oti sehe Rücksichten, sie wolle
ein gottesfürchtiges Volk heraüzieheu, wozu die Orden
sehr viel beitragen könnten; Gottesfurcht aber sei das
wirksamste Mittel gegen die Sozialdemokratie.
Der Abg. Kiefer war wieder in seinem Ele-
mente : Zn was brauchen wir denn Mönche im Lande,
die Regierung sorgt ja dafür, daß in Freiburg Geist-
liche herangebildet werden, und deren giebt es genug,
sie sollen sich nur mit der Seelsorge und nicht auch
noch mit andern Dingen beschäftigen. So klang auch
diesesmal die knltnrkämpferische Marschmelodie, welche,
wie stets, so auch gestern in ein wildes Kampfgeschrei
gegen Rom und Priesterthum ausartete. Als einzigen
Grund dafür, warum er gegen die Ordenszulassung
sei, konnte er nur augeben, daß die Elsässer die Ka-
puziner am liebsten wieder los wären.
Herr Gerber bezeichnete die Orden als den Le-
bensnerv der Kirche, .Us eine nothwendige Konsequenz
seinen Unterhalt, bis er mit seinen Ersparnissen in der
Heimath ein „Husli" erwerben kann, wenn es ibn nicht
schon früher zurücktreibt und er als Senner im Sommer
auf den einsamen Höhen die lauten Städte vergißt
Raimonda hatte die wenigen Menschen, die jetzt in
Parpan wohnten, alle bei Namen nennen lernen. Fragte
Alfred nach ihr. oder schickte er aus, sie zu suchen, so war
gewiß jeder gerne bereit, die junge Fremde, der sie so gerne
nachblickten, wenn sie freundlich grüßend und doch so weh-
müthig an ihnen vorbeiging, aufzusuchen — Wenn man
sie auf dem Heimwege von Kurwalden bemerkt hatte und
sich ihr Ausbleiben nicht erklären konnte, war es da zu
verwundern, daß man anfuig Boten auszuschicken?
Sie unterschied dunkle Punkte, die sich aus der jensei-
tigen Thalwand, wo Pfade zur Stätzeralp führten, auf-
wärts bewegten. Hatte sich irgend jemand erinnert, daß
sie einigemal in jener Richtung kleine Spaziergänge unter-
nahm ? Wer anders sollte jetzt dort hinaufgehen, wo keine
Bewohner waren, wo nur der Jäger Pfade getreten
hatten?
Raimonda beobachtete scharf und mit steigender Sorge,
aber ihr Herz schlug plötzlich heftiger, als sie auch auf der
ihr zugewandten Seite des Ortes Punkte unterschied, die
nach ihrer Seite sich bewegten.
Gleich darauf sah Raimonda schon: es war ein Mann
und ein Thier, ein Hund, die da herauskamen. Der große
dunkle Hund konnte nur Phhlax fein, der Hund des Herrn
Sprecher, ihres Wirtbes O, wenn dieser es war, der
hierseits nach ihr suchte oder sicv ihr näherte, dann war
ihr geholfen! Sprecher würde ihr sagen, ob jemand nach
ihr Boten schickte; er war ein Ehrenmann. Ihm konnte
sie vertrauen, konnte ihn bewegen, sie nicht zu verrathen,
ihr zu helfen, sie zu verbergen oder zu fliehen, ohne daß
Alfred, wenn er wirklich noch im Dorfe verweilte, sie zu
sehen bekam.
Sie wollte schon aus den Tannenschatten, die ihre
dunkle Gestalt bargen, auf das Helle Schneefeld hinaus-
treten, wollte Herrn Sprecher Winken — da zögerte sie,
Venn er schlug einen Weg ein, den ein Ortskundiger nicht
gewählt haben würde. Derselbe endigte mitten in der I

derselben. Gerade Baden sei das Land der herrlichsten
und berühmtesten Klöster gewesen, welche Künste und
Wissenschaften förderten. Der konfessionelle Friede
wird nur durch die Verweigerung vvn Klöstern gestört,
und wenn dieser gestört ist, dann wurde er vvn der
andern Seite gestört, denn die Katholiken ha-
ben sich im m e r n u r g e w e h r t. Bezeichnend für
die Art und Weise, wie die Debatte von den Natio-
nalliberalen geführt wurde, ist die Aeußerung Gön-
ners: „Der Ultramoutanismus fahre dem Sozialis-
mus mit vollen Segeln voraus", d. h. er bereite die
Sozialdemokratie vor und ebne ihr die Bahn. Abg.
Marbe blieb ihm die Antwort nicht schuldig, er
führte den Vertreter von Baden-Baden gründlich ab.
Dem Abg. Kiefer, welcher in seiner Rede behauptet
hatte, die Kirche müsse sich dem Staate unterordnen,
(die alte Kulturkampfs-Marseillaise) erwiderte er zu-
treffend, der Staat sei nicht die Quelle d es Rechts;
der Staat sei auf seinem Gebiet, die Kirche auf dem
ihren selbstbestimmend; die Kirche aber habe das g e
setzmäßige Recht Klöster einzuführeu. Wir kön-
nen Herrn Marbe nur voll in ganz beistimmen,
wenn er sagt, die Regierung habe sich mit der gro
ßen Majorität des kath. Volkes und direkten Wider-
sprach gesetzt, und man werde ihren «der Regierung)
Wegen mit Mißtrauen folgen müssen. Nicht un-
erwähnt wollen wir lassen, daß der demokratische Abg.
Muser die direkte Forderung der Denk- und Gewis-
sensfreiheit stellte und Trennung zwischen Kirche -und
Staat verlangte. DieKirchen mögen sich frei
entfalten!
Gründe, wirklich beweiskräftige Gründe, weiche
die Schädlichkeit der Orden bewiesen, wurden von
gegnerischer Seite nicht, oder doch keine haltbaren gel-
tend gemacht, es wurde lediglich im liberalen Lager
mit Phrasen aus dem Arsenal des Evaugel. Bundes
gekämpft, und deßhalb ist es um so bedauerlicher, daß
sich die Regierung auf solche Phrasenhelden stützt und
dem billigen Verlangen des Volkes nicht ent-
spricht. Herr Geheimerath Nokk bezeichnete gestern
den religiösen Frieden als viel werthvoller und höher
stehender als den politischen Frieden, man möge ihn
ja nicht stören. Wie kann mau denn aber, fragen
wir, einen Frieden ü b er h a u p t st ör e n, de n
man nicht hat? Gebe mau uns Katholiken doch
erst den Frieden, stelle man uns gleich mit den andern
Katholikendes Reiches, stemple man uns nicht zu Staats-
bürgern zweiter Güte n. die Regierung kann sich ver-
sichert halten, daß wir, froh unserer dann geordneten reli
giösen u. politischen Verhältnisse, den Frieden niemals stö
schneeigen Wiesenflur. Auch konnte sie jetzt sehen, daß es
nicht die gedrungene Gestalt des Wirthes war, die raschen,
ungleichen Schrittes dort vordrang.
Der Nahende war viel größer — war so groß, wie
keiner der Parpaner Männer, die sie kannte.
Bald blieb kein Zweifel mehr — es war Alfred selbst,
und Thorheit wäre es gewesen, sich nicht zu gestehen, daß
er nur um ihrethalben die Gegend durchforschte.
Ungewiß, wohin er sich wenden sollte, blieb er stehen,
wechselte einigemaie dieRichtung, näherte sich aber allmäh-
lich. Jetzt konnte Raimonda deutlich seinen Gang, seine
Haltung erkennen.
So weit er noch fort war, sie getraute sich kaum zu
athmen, wagte sich nicht mehr zwischen den Stämmen zu
bewegen, die sie verbargen.
Jetzt kam Alfred dorthin, wo der Weg endete, den er
eingeschlagen hatte. Er mußte einsehen, daß hier niemand
vorwärts gegangen sei und kehrte vielleicht um. Doch er
bemerkte den Steindamm am Ufer des Wildbaches, den
Wind und Sonnenstrahlen so ziemlich schneefrei gemacht
hatten. — Er strebte ihm zu, quer über das Schneefeld,
und schritt nun auf dem Dame vorwärts, dem Laufe des
Backes entgegen. Auf dieser Art näherte er sich ohne
Zaudern dem Standorte Raimondas. Bald gelangte er
an den Fuß der steil ansteigenden Halde, aul deren erstem
Absätze Raimonda sich befand. Doch war Alfred auf der
anderen Seite des Tobels, und vernünftigerweise mußte er
da, wo der Damm endigte, aufhören, sie >n dieser Richtung
zu suchen, denn ohne Pfad erhob sich die Lwlde auf
seiner Seite. ,
Phylax hatte ihm schon das Beupiel gegeben und
eilte in großen Sätzen zu dem ersten Wege zurück. —
Alfred blieb überleg nd stehen. Er glaubte vielleicht nur.
den rechten Weg zu einer Höhe, von dem man ihm ge
sprachen hatte, verloren zu haben, und statt ihn auf
langem Umwege zu suchen, wollte er versuchen, ihn steil
ansteigend zu erreichen; vielleicht beabsichtigte er auch
nur, von einem erhöhten Standpunkte aus sich besser in
der Gegend zu orientieren.
Fortsetzung folgt.
 
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