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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 91 - Nr. 100 (23. April - 3. Mai)
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Vrrvntwortl. Redakteur: F. 2. Knappe
in Heidelberg.

Erscheint tSglich mit KuSnabmr der Sona- u. Feiertage.
^bvUnetneutsPreiS mit dem wöchentlichen Uuterbiilwngs-
„Der Sonntagsbote" für Heidelberg monatlich KV
Drägerlobn, durch die Post bezöge» viertel;, 1.80 franco.

Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum 10 -H
Reklame 25 ^ö>. Für hiesige Geschäfts- und Privat»
anzeigen, sowie für Jahres-Anzeigen bedeutende Rabatt-
bewilligung. Expedition: Zwingerstratze 7.
1890.

---..
Druck». Beilag von Gebr. Huber in Heidelberg
früher Verleger des Psälzer Boten.


Zd.> »Ihre eigenen mädchenhaften
Lix l" thcurer, als das Glück der Jhrii

Ulst RiNüllk »«) der 1. Mi.
Dem Berliner Berichterstatter des New-Uork-Herald
^genübcr hat sich Bismarck über den 1. Mai und
°ie Svziaidemvkratie überhaupt folgendermaßen aus-
gesprochen :
Wenn er noch Minister wäre, würde er sich von
^iler Einmischung fern halten, lediglich den Lauf der
Dinge beobachten und gegen ungesetzliche Thaten kämpfen.
Henn der Arbeiter einen Feiertag machen wolle, würde
ihn nicht daran hindern. Ungeschickte Versuche
hlr Verhütung von Unheil sind oft der einzige Grund
i'ir das Bestehen des Unheils. Es wird bisweilen
^ehr Unheil angericktct durch Absperren einer Straße,
welche durch eine Ansammlung von Menschen in einer
^jährlichen Lage zu sein scheint, als durch Bewachen
Und Leiten der Bewegung, wie Sie bisweilen in
Merlin und andern großen Städten sehen. Jede inög-
"che Vorsichtsmaßregel gegen jedes mögliche liebel
zu ergreifen, das aus irgend einer Lage entstehen mag,
Dringt bisweilen mehr Uebel als das Ende abzuwarten.
6N solchen Fällen ist es eine gute Regel, D r v h u n g e n
i'nd Versprechungen zu vermeiden. Wenn
der turbulente Streiker sieht, daß die Behörden außer-
ordentliche Maßregeln ergreifen, nm den Frieden zu
^halten, so weiß er, daß sie ihn fürchten, und je
'"ehr ihm das klar wird, desto angriffslustiger nchrd
Ter Fürst erging sich dann über den Gegensatz
fischen dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer, welcher
Ergebniß eines natürlichen Gesetzes sei und nie
^fgehoben werden könne Eine große Verbesserung
der Lage der arbeitenden Klassen sei während der
ätzten Hälfte des Jahrhunderts eingetretcn; im dem
^igen Kampfe zwischen Kapital und Arbeit habe
ktztere die meisten Siege errungen, und das werde so
funge bleiben, als der Arbeiter ein Stimmrecht habe.
Zollte es je inen endgültigen Sieg geben, so würde
dem Arbeiter gehören; allein damit würde auch
menschliche Streben ein Ende nehmen, was doch
sucht der Zweck der göttlichen Vorsehung sei. -Das
'^iolistische Negierungssystem sei eine Art Sklaverei,
kMe Axt Zuchthaussystem. Die politischen Parteien,
'(siche gegen den Sozialismus seien, müßten sich ver-
fugen zur Vertheidigung ihrer Unabhängigkeit, nnd
u dieser Beziehung werde die Kraftprobe des 1. Mai
Acht ohne ihre Vvrtheile sein; bisher sei der Hast der
Parteien untereinander noch stärker als ihre Furcht
der Herrschaft der Sozialisten, weil sie au deren
ftärke nicht glauben nnd alle auf deren Stimmen
Es'bit; sie erkennen die Gefahr nicht, welche der

LreuerKiebe Kohn.
Roman von U. Rosen
, (Kachdr. Verb.)
.»Tie scheinen keine Ahnung von der lödtlichcn Gefahr
, baden, die Ihrem Vater droht," fuhr Ormond fort,
Von der Schmach, die sich an den bis jetzt fleckenlosen
t»°tNcn Ihrer Muller heften, und nicht von der Sckande,
>'hre Brüder für alle Zukunft brandmarken wird! Graf
^"rii, Ihr Großvater ist ein stolzer Mann. Wie wird
"iragen, von der so lange verheimlichten Ehe seiner
i^ststcr, hem Vorhandensein seiner Enkel zu hören,
tun ^0^ Hunde ihm von der Zeugenbank und jeder Zci-
Un? flönigsreichs übermittelt wird? Sic spielen mit
Stein, der in's Rollen gekommen, eine Lawine löst,
tz^Ure die Ihrigen unter einem Trümmerhaufen von
-.^wach und Kummer begräbt. Soll ich Ihnen einen Weg
^u, Ihre Familie zu retten?"
Giralda nickte stumm.
tz: »Nehmen Sie den Schutz meines Namens an. Werden
Mein Weib. In diesem Falle soll keinem Ihrer Lieben
Jk» . d begegnen. Ich will sclbst in eine Versöhnung
res^Vaters mit dem Marquis willigen."
rj-s .«Zck kann nicht! Ich kann Sie unmöglich heirathen!"
stu ,-^alda entsetzt. „Sie sind es, dem mein Vater das
seines L>bens verdankt; Sie sind es, Nr meinen
tim» ' Ihnen grausam betrogenen Onkel zu einem
'°wen mürrischen Alter verurtheilte."
z» würden Sie es verziehen, Ihren Vater sterben
kein Diese Frage erschütterte des Mädchens Fassung. „Ich
Ncht Seele nicht mit solchem Unrecht belasten, und
sv^ni?ue Lehren, die ich von meinem theueren Papa empfing,
llrj"'dachttn, selbst wenn es seine Retturix, gilt," rief die
Deldin mulhig. „Ick werde seine Schmach mit ihm
r^und mit ihm, dem Schuldlosen sterben,"
kyr Während die Vorwürse Ihrer Mutter und der Webe-
Brüder noch in Ihren Ohren klingt," bemerkte
4d»ü? .t »Ihre eigenen mädchenhaften Wahngebilde sind
theurer, als das Glück der Ihrigen! Das also ist
' "rast Jhrxr kindlichen Liebe, mein Fräulein!"

zivilisirten Gesellschaft drohe, wenn sie der Herrschaft
des ungebildeten Theiles der Bevölkerung ausgesetzt
wäre, deren Unwissenheit leicht durch einen „beredten
Lügner" geleitet werde. Der Mob ist ein Sonverain,
welcher eben so der Schmsichelei bedarf, wie irgend
ein Sultan. Eine Abmachung wegen eines Minimal-
lyhnes sei unmöglich. Der Sozialismus lverde noch
viel Trubel verursachen. Es sei bisweilen eine wahre
Wvhlthat, das Blut einer rebellischen Minderheit zu
vergießen in der Vertheidigung der fried und gesetz-
liebenden Mehrheit ; Festigkeit einer Regierung sei die
Hauptsache.
Der 1. Mai sei nicht gefährlich. Ein Feind,
wenn man den Sozialisten als solchen ansehe, welcher
den Tag des Angriffes ankündige, sei nicht zu fürch-
ten; es handele sich nur um ein Scheingefecht, um
eine Stärkeschau, wie bei der Heilsarmee, deren Erfolg
oder Mißerfolg viel vom Wetter abhängen werde. Ob
ein Konflikt stattfinden werde, hänge zum großen Theil
von dem Takt der Behörden ab. Er erwarte keine
Unruhen, und der l. Mai werde ihm den.Schlaf nicht
rauben.
Von Lassalle sagte Fürst Bismarck Folgendes: „Er
war ein reizender Manu, ein kluger Jude, mit einen;
gut Theil Eitelkeit, aber mehr Witz und Wissen. Seine
Unterhaltung war reizend. In der Zeit, als ich mit
ihm verkehrte, war er in seinen Ueberzeuguugen voll-
ständig aufrichtig, aber er blieb sich immer gleich in
seinen Ansichten, und würde er heute noch leben, so
bin ich geneigt zu glauben, daß er ein Konservativer
wäre, in jedem Falle nicht ein Sozialist.

Deutsches Reich.
* Berlin, 29. April. Die Novelle zur Gewerbe-
ordnung (A r bei ter sch utz) ist vom Bundesrathe ge-
nehmigt und geht nunmehr dem Reichstage als erste
Vorlage gleich bei seiner Eröffnung am 0. Mai zu.
— Die Sitzungen des Abgeordnetenhauses
fallen am künftigen Donnerstag und Freitag ans.
Wie es heißt, begeben sich sämmtliche Landräthe in
ihre Kreise, um die Aufrechterhaltung der Orduuug
am 1. Mai zu überwachen. — Unterm 20. März ist
eine neue Schießvorschrift für die Kavallerie ge-
nehmigt worden. Die Unteroffiziere und Gemeinen
der Kavallerie werden, wie das „Armee Verordnungs-
blatt" mittheilt, mit dem neuen verschmälerten
Bandelier und der neuen Kartusche ausgerüstet.
— I» der neuen Rang- und Quartierliste, welche
jetzt zur Ausgabe gelangt, ist Fürst Bismarck unter
den Gencralfeldmarschällen, als Otto Fürst von Bis¬

marck Herzog von Lauenburg, General-Oberst
der Kavallerie (mit dem Range eines General-Feld»
marschallsi aufgeführt. Es ist dies das erstemal,
daß der Titel Herzog offiziell dem Fürsten Bis-
marck beigelegt wird. — Vor dem hiesigen Landgericht
begann gestern der große Bestechu u gsprozeß in
Sachen der Marine. Die Anklage richtet sieb, nach-
dem einige Personen ausgeschieden sind, weil sie theits
unter Militärgerichtsbarkeit stehen, tbeiis verstorben
sind, gegen den Kaufmann nnd Marine-Lieferanten
Rudolph Warnebold in Bremen, den Kaufmann Edu-
ard Lay in Minden, den Geh. eppedirenden Sekretär
im Reichsmarineamt Haspelmath, den Werftverwal-
tnngs-Sekretär Lühky aus Kiel, den Obermeister Gra-
bowski aus Wilhelmshaven und den Werkmeister
Kochauvwski in Kiel. Unter den geladenen Zeugen
befinden sich auch die Geh. Ädmiralitäts-Rathe
Krüger und Domeier.
" Bayern. Die Abgeordnetenkammer leimte am
Montag die Forderung des Nachtragsetat in Höhe
von 2,185,000 Mk. zur Erbauung des Mainbafeus
in Würzburg ab.
* Hohenzollcrn Der Abg. Gras hat unter-
stützt von der preußischen Centruinspartei einem Gesetz-
entwurf eingebracht, welcher in Nachbildung des
preußischen Gesetzes vom 12. März 1881 dem lwhen-
zolleruschen Kommunalverband das Recht gewährt,
für die an Milzbrand gefallenen oder wegen Milz-
brandes auf polizeiliche Anordnung gelobtsten Pferde
und Rindviehstttcke eine Entschädigung zu gewäbren.
Zur Arbeiterbewegung.
Heidelberg, 80. April.
Der 1. Mai steht vor der Tstür nnd mit ihm ?oll
die große Arbeiterdemonstration in ibre Erscheinung
treten, die von den sozialistischen Führern das Merk-
mal einer großen sozialdemokratischen Heerschau er-
halten sollte. Indessen hat sich gerade bei den Vor-
bereitungen zu dieser Demonstration die Uneinigkeit
der Arbeitermassen nnd die Zerrissensten der Organi-
sation" in so krasser Weise gezeigt, daß an eine ge-
meinsame Aktion, - Ivie sie für den morgigen Tag ge-
plant war, noch lange nicht zu denken ist. Tie Re-
gierungen der in Frage kommenden Staaten haben
trotzdem, um allen möglichen Eventualitäten zu begeg-
nen, zum Theil umfassende Sicherheitsvorkehrungen
getroffen, welche an manchen Orten wohl auch ange-
bracht sein dürften, brachten uns dock gerade di? letz-
ten Wochen so viel traurige Ausschreitungen leiden-
schaftlich erregter Arbeitermassen, lieber die Arbester-

„Sie haben kein Unheil in Sacken des Gefühls,
Mylord. Aber ick will meine Worte nicht nutzlos ver-
schwenden. Ich kann nicht zu meinem Ontel qehen, und
ihm saqen, wer ich bin. Er würde meine Handlungsweise
vielleicht ebenso avsfossen wie Sie, und ich würde meinem
Vater damit schaden, statt ihm zu nützen. Ich werde das
Schloß verlassen —"
„Um Ihren Vater zu benackrichtiqen, daß Alles ent-
deckt ist, und daß er fliehen muß? Nein, Sie thun besser,
für den Aupenbl-ck noch hier zu bleiben; wofern Sie das
Uebel, das Sie fürchten, nicht beschleunigen wollen," er-
klärte Ormond bedlUtsam. „Nock einmal bie'e ich Ihnen
meine Hand znm Ehrbunde. Was Ihre Zurückweisunq
nach fick zieht, wissen Six,. .BeharrenSie noch immer aus
Ihrem Entschluß?"
„Ja, Mylord- Ich werde niemals Böses tbun, damit
Gutes daraus entstehe. Ich werde Sie keinen Umständen
heirathen!"
„So trifft Sie die Verantwortung für Alles, was
Ihnen und den Ihrigen begegnet! Sic haben jede Mög-
lichkeit ter Rettung von fick gestoßen- Sei es so!" rief
Ormond die Laube verlassend.
Giralda blieb verzweifelt zurück.
Ormond war erst Wenige Schritte gegangen, als sein
Kammerdiener ihm eilig entgegen kam- „Ein Telegramm
aus der Stadt," meldete er, seinem Herrn einen Brief
übergebend.
„Von Born," murmelte Ormond, das Blatt ausein-
anderfaliend-
„Ich bin dem Wild auf der Spur. Kehren sie sogleich
zurück. Born," las er.
Ormond s Gesicht leuchtete in unheimlicher Gluth. „Er
hat Beatriccus Geheimniß cndeckt," murmelte er. „Das
ist gut. Wir brecken noch heute nach London auf, aber
erst muß ich die Gefahr abwenden, die mir durch Gott-
frieds Tochter droht. Sie beabsichtigt Nachts das Schloß
zu verlassen, nm ihren Vater zu warnen. Es muß ver-
hindert werden!"
„Aber wie, Mylord?" fragte Negun-
„Folge mir auf mein Zimmer, dort wollen wir über-
legen."

26. Kapitel.
Ein verzweifelter Schritt.
Ormond batte in Giralda's Gesicht ganz richtig ge-
lten. Sie war in der Thal entschloss», zu ihrem Vater
zu eilen und ihn zu warnen. Der Gedanke, daß sie ihn
unbewußt an feinen Fcinch verrathur hatte, erfüllte ihre
Seele mit schmerzlicher Rene und banger Sorge. Mit
wankenden Schritten laumette sie in ihr Z'inmer. Zitternd
setzte sie sich vor dem Kaminseuer nieder. Wie plötzlich
waren alle ihre Hoffnungen erloschen. Ihr Gemütd war
in Dunkel gehüllt. Sie vermochte nicht zu weinen und
hatte nur das dumpfe, siunverwirreude Gefühl, daß all'
ihren Lieben Schmach und Verderben drohte. Und mitten
in ihrem Kummer mußte sie an Ormond's erbärmttcke
Behauptung denken, daß sie zu dem Marquis gefckickc
worden sei, um der Erbschaft wegen, dessen Gunst zu er-
schleichen. Ihre Wangen brannten bei der Erinnerung an
die ihr zugemuthete Niedrigkeit. „Aber Lord Trewor
selbst wird dieser Darstellung glauben," murmelte sie. .Er
wird niemals erfahren, daß ich ihn wahr und aufrichtig
liebte, und Mich, nne jener Bösewicht ihm einslüsierte, für
habgierig und schlecht halten." Jetzt erst löste fick ihr
Weh in heiße Tqränen auf. „Ich kann ihn nicht Wieder-
sehen. Seine scharfen, durchdringenden Augen würde»
in meiner Seele lesen, und feine Verachtung und se-nen
Zorn zu ertragen, bin ich außer Stande. Es wäre mir
unmöglich, ihm fernerhin das Geheimniß von Papa's an-
genommenem Namen und seiner stillverborgenen Epistenz
zu verschweigen. Ich mutz mich auch aus dieser zweiten,
mir theurer gewordenen Heimalh nächtlicherweile davon -
schleichen wie aus der anderen, und nach dem Birkenhain
eilen, ehe Ormond Zeit gesunden hat, den Ditcknve
zu sprechen."
Sic stand auf, steckte den verbängnitzvollen Brief, der
ihr und den Ihrigen so viel Unheil gebracht, zu sich, legte
in fieberhaf er Hast ihren Reiseanzug an, und verbrannte
die Zuschriften, die sie am Morgen von Hause erhalten
hatte. Als Frau Pump erschien, sie zu Tisch abzurusn
erklärte sie, heftige Kopfschmerzen zu haben und vat in
ihrem Zimmer bleiben zu wollen. (Forts's)
 
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