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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 61 - Nr. 70 (14. März - 27. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.42837#0273

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Berantwortl. Redaveur: F. 2. Knappe
m Heidelberg.

Druck». Verlag von Gebe. Kader inHeidelberg
früher Verleger des Pfälzer Bote».
___ !

^scheitet täglich mit SrrSnahmr der Sonu- u. Feiertage.
^*»nne«e«t»preis mit dem wöchentlichen Unterhaltungs¬
rott „DerSvnntagSbote" für Heidelberg monatlich SS
TrLgerlobn, durch die Post bezog« viertelj. 1.80 franco.

/rx c-" ID'I-', liLdl't Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum 10
Organ für Walirlmi, Freckeü L Kmi.
bewrlligung. Expedition: Zwingerstratze 7.
18SV.'


' LiDknzln «. kiftifi.
. Eul General ist Reichskanzler geworden. Fürst
Bismarck hingegen war als Reichskanzler erst General
^worden. Er hat keine Schule gemachst wohl viele
Staatsmänner aufgebranckt, aber keine erzogen, weil er-
ster sich nichts Selbstständiges von Bedeutung auf-
^wnien ließ, und so kam es, daß es unter den Staats
Bannern seiner 28jährigen Aera Niemanden von ge-
igendem Ansehen und ausreichender selbstständiger
Aedemuüg für die Nachfolge in der Kanzlerwürde gab.
*us diesem Grunde und um mit dem bisherigen Re-
^krungsfystem nicht vollständig zu brechen, mußte man
^ine Militärperson wählen und fand diese in Caprivi,
wohl eine bewährte militärische, aber keine politi-
che Vergangenheit hat. Als früherer Chef der Ma-
Ane kam er nicht in die Lage, Grundsätze irgend einer
Mrtei zu bethätigen, doch mußte jede Partei ohne
Ausnahme anerkennen, daß er im Gegensatz zu seinen
Nachfolgern Maß zu halten verstand in der Entwicke-
mng der Marine, die finanziellen Rücksichten nicht au-
"?r Acht ließ und in dem Verkehr mit dem Reichstag
^ue angemessene Haltung beobachtete.
, Caprivi gilt für hochkonservativ und wird jeden-
Ms ein Regierungssystem vertreten, welches wir in
Sucher Hinsicht bekämpfen, aber wir bringen ihm die-
Stz)

hkutigr» Nummer liegt „Der Louutagsdote" Mr. 12 dri.
Eine hochinteressante Zeit
beginnt.
»a» nächste Quartal biu-n wir
alle Frennde des
„Badischen Bolksboten"
^ie weitere Verbreitung unseres Blattes in
ihren Bekanntenkreisen zu unterstützen.
*lbounemcntspreis bei der Post pro Quar-
tal frei ins Haus
1 Mk. 8» Pfg.
. Neu hinzutreteude Abonnenten erhalten gegen Ein-
bildung der Postquittung die noch im März er-
scheinenden Nummern unentgeltlich zugeschickt.

Treuer Liebe Kohn.
Roman von U. Rosen.
(Kachdr. Verb.)
„Magda eilte fort und kehrte augenblicklich mit den
'Elougttn Blättern zurück, die Beatrice sorgfältig durchlas.
..Eine Kindergärtnerin verlangt" murmelte sie. „Nein,
Stelle ist in London, und meine Tochter wird die
«Manglnen Lehren nicht so mißachten, hierher zu kommen.
§ch, was ist das? Eine Vorleserin und Gesellschafterin —
<vrd Trewor — mein Gott! Giralda kann doch uumög-
»ch nach Trewor-Park gegangen sein!" Eine namenlose
?urchf, etti unaussprechliches Grauen malle sich in Bea-
ttcens Lügen. „Nein, nein, der Allgütige, der uns so
^vge beschütz! hat, würde sie zurückgehclten haben, sich in
ststcn Abgrund zu begeben! O, sie kann den grausamsten,
i?sarmungslosesttn Feind ihres Vaters nicht ausgesucht
^?ben, der sie Alle, die sie liebst ohne Gnade zermalmen
"»rde!"
ü .O nein, gewiß nicht," rief die Haushälterin mit einer
Übersicht, die Beatrice etwas beruhigte. „Das Kind ist
k'be geeignete Wärterin für einen alten Mann, und unsere
?Kaldo hat Verstand genug, sich dos selbst zu sagen Sie
Zttd sich „ich, um kjne Stelle bewerben, für die eine ältere
^bsvn gebraucht wird.
d: .»Ja, das denke ich auch," tröstete sich Beatrice. „Das
njbo kann unmöglich dorthin gegangen sein. „Mein armer
7- kbling," seufzte sie, die Zeilungsblätter fallen lassend,
dieser Stunde weint sie sick vklleickt, von Heimweh
eM, in den Ecklof, dennoch entschlossen, sich ihren
^densunterhalt selbst zu verdienen, während ick, ihre
xs .sstr, juwelcngeschmückt durch den Ballsaal rausche. O,
k, m hart! Ich sagte meinen Kindern mit Recht, daß ich
styst Schauspielerin bin, nur ist die Bühne, aus welcher ich
größer, als die engen Bretter ett es Theaters,
^ann gchj der nächste Zug ab, Marie?"
»Um drei Uhr Morgens, gnädige Frau."
y. »Und jetzt ist Mitternacht," erklärte Beatrice aus ihre
sehend. „Die Gesellschaft Wird im Begriff sein, sich
r Tasel zu begeben, und man wird mich vermissen- Ich

jenige Achtung entgegen, die inan einem Politischen
Gegner schuldet, von dem man überzeugt ist, daß er
ein ehrlicher und anständiger Mann, nicht eigensüch-
tige Jrtteressen verfolgt, sondern das Wohl des Vater-
landes nach seiner lleberzengung und in seiner Ansicht
vertritt. Aber wir verlangen dieselbe Anerkennung
vom neuen Reichskanzler auch für unsere Partei. Anf-
hören muß jenes traurige System persönlicher Aechtung
und Verdächtigung politisch Andersdenkender. Gleich-
berechtigung im politischen Leben, dasselbe Maß freier
Bewegung innerhalb der Schranken des Gesetzes ver-
langen wir für alle politischen Parteien ohne Unter-
schied, Gleichberechtigung bei den Wahlen, keine Aus-
schließung und keine Zurücksetzung von öffentlichen
Aemtern im Zivildienst oder im Heeresdienst um der
politischen Gesinnung halber.
An den neuen Reichskanzler richten wir ganz die-
selben Forderungen, welche unsere Partei an den Für-
sten Bismarck immer und immer wieder, leider meist
ohne Erfolg gestellt hat. Sie sind im Programm ver-
deutschen Centrumspartei vollzählig enthalten und zur
Genüge bekannt. Was wir wollen und verlangen,
muß gleichmäßig die Forderung aller ehrlichen, unab-
hängigen politischen und toleranten Parteien im Staate
sein, die das öffentliche Leben wieder auf diejenige
Höhe erhoben zu sehen wünschen, welche nothwendig ist,
um die Erfüllung der schweren Aufgaben unseres
Staatswesens innerhalb der nächsten Zeit zu ermög-
lichen
Caprivi ist um die Erbschaft Bismarcks wahrlich
nicht zu beneiden, und es wird noch gar vieles anders
werden müssen im deutschen Reich, wenn es gelingen
soll, die bösen Folgen einer langjährigen falschen inner«
Politik zu überwinden und zu beseitigen. Aber nach-
dem der blinde Äutoritätskultus, den man mit der
Person des Fürsten Bismarck getrieben, gegenstandslos
geworden, wird man hoffentlich in allen Kreisen des
Volkes die Schäden jener Politik schärfer als bisher
erkennen. Vor alleni ist zu hoffen, daß nunmehr in
Deutschland überall wieder ein kräftiges, selbstbewußtes
politisches Leben erwacht; statt' in stumpfer Gleichgil-
tigkeit hinzuhorchen, was von oben kommen wird,
mnß alle Kreise das Bewußtsein durchdringen, daß das
Volk selbst berufen ist, an seinen Geschicken mitznar-
beiten. Auf die Dauer wird kein Volk anders regiert,
als es regiert zu werden verdient.
Ak MM« WmD.
Das Handschreiben des Kaisers, durch welches
dieser die Demission des Fürsten Bismarck annimmst

und dessen wesentlichen Inhalt wir bereits gestern unter
den Neuesten Nachrichten unseres Blattes mittheilen
konnten, ist von so hoher politischer und geschichtlicher
Bedeutung, daß wir es hier seinem vollen Wortlaute
nach folgen lassen wollen. Es lautet:
Mein lieber Fürst!
Mit tiefer Bewegung habe ich aus Ihrem Gesuche
vom 18. d. M- ersehen, daß Sie entschlossen sind, von den
Aemtern zurückzutreten, welche Sie seit langen Jahren mit
unvergleichlichem Erfolge geführt haben. Ich habe gehofft,
dem Gedanken, mich von Ihnen zu trennen, bei unseren
Lebzeiten nicht näher treten zu müssen. Wenn ich gleich»
wohl im vollen Bewußtsein der folgenschweren Tragweite
Ihres Rücktritts jetzt genöthigt bin, mich mit diesem Ge-
danken vertraut zu machen, so thue ich dies zwar betrübten
Herzens, aber in der festen Zuversicht, daß die Gewährung
Ihres Gesuchs dazu beitragen werde, Ihr für das Vater-
land unersetzliches Leben und Ihre Kräfte so lange wie
möglich zu schonen und zu erhalten.
Die von Ihnen für Ihren Entschuß angeführten Gründe
überzeugen mich, daß weitere Versuche, sie zur Zurücknahme
Ihres Antrags zu bestimmen, keine Aussicht auf Erfolg
haben. Ich entspreche daher Ihrem Wunsche, indem ich
Ihnen hierneben den erbetenen Abschied aus Ihren Aem-
tern als Reichskanzler, Präsident meines Staats-Ministeri-
ums und Minister der auswärttgen Angelegenheiten in
Gnaden und in der Zuversicht ertheile, daß Ihr Rath und
Ihre Thatkraft, Ihre Treue und Hingebung auch in Zu-
kunft mir und dem Vatcrlande nicht fehlen werden.
Ich habe es als eine der gnädigsten Fügungen in mei-
nem Leben betrachtet, daß ich Sie bei meinem Regierungs-
antritt als meinen ersten Berather zur Seite hatte- Was
Sie für Preußen und Deutschland gewirkt und erreicht
haben, was Sie meinem Harfe, meinen Vorfahren und
mir gewesen sind, wird mir und dem deutschen Volke in
dankbarer, unvergeßlicher Erinnerung bleiben. Aber auch
im Auslände wird Ihrer weisen und thatkräftigen Friedens-
politik, die ich auch künftig aus voller Ueberzcugung zur
Richtschnur meines Handelns zu machen entschlossen bin,
allezeit mit ruhmvoller Anerkennung gedacht werden.
Ihre Verdienste vollwertig zu belohnen, steht nicht
in meiner Macht. Ich muß mir daran genügen lassen.
Sie meines und des Vaterlandes Dank zu versichern. Als
ein Zeichen dieses Dankes verleihe ich Ihnen die Würde
eines Herzogs von Lauenburg. Auch werde ich Ihnen
mein lebensgroßes Bildniß zugehen lassen.
Gott segne Sie, mein lieber Fürst, und schenke Ihnen
noch viele Jahre eines ungetrübten und durch das Be-
' wußtsein treu erfüllter Pflicht verklärten Alters. In die-

muß hinunter, wenn auch mein Herz darüber brechen sollte. ,
Meine Abwesenheit wird Papa kränken und Lord Ormond
argwöhnisch machen. Um meines Gatten willen muß ich
hinuntergchen."
„Sie sehen bleich aus, wie der Tod," rief Magda,
ein Leinentascheutuch mit Kölnischem Wasser befeuchtend
und Beatricens Wangen reibend.
„Das Hilst nichts, Magda," wehrte Beatrice ab. „All'
mein Blut ist nach dem Herzen geströmt. „Leg' meine
Verkleidung zurecht, ich werde mit Marie nach dem Bir-
kenhain fahren."
„O, gnädige Frau," sagte Magda bittend, „Sie werden
den gnädigen Herrn und sich selbst verderben, wenn Sie
gehen! Jener Polizist oder Detektive, — ich weiß, daß er
so etwas ist, obwohl er schlichtbürgerliche Kleidung trägt,
umkreist und beobachtet noch immer unser Haus."
„Ich werde ihn irrezuleitcn verstehen," entgegnete
Beatrice nach kurzem Bedenken. „Nicht als alte Frau,
sondern als Bollgast, in meinen Opernmantel gehüllt,
werde ich fortgehen. Marie, Du thäkest besser, Dich zeitig
zu entfernen, und Dich auf Umwegen nach dem Bahnhof
zu begeben. Versuche nicht, mich abzuredcn- Ich muß
unter allen Umständen zu den Meinigen. Wenn meine
Anwesenheit zu Hause jemals nothwendig war, ist es
gegenwärtig der Fall.
Ich muß mit meinem Gatten bcrathen, was wir zu
tbun haben, ohne jein Wissen darf ich Nichts beginnen.
Ein falscher Schritt jetzt würde ihn und mich vernichten.
O, Giralda, Tu ahnst nicht, wie viel Kummer und Leid
Deine großmüthige Absicht über uns gebracht hat. Noch
ein Wort, Marie, bestelle einen Wagen für mich, der um
dreiviertel aus Drei hier halten soll. Bedeute dem Kutscher
nach Lady Pier zu rusen. Eine Dame dieses Namens ist
nicht anwesend. Ich werde den Wagen besteigen und mit
ihm nach dem Bahnhof fahren."
Ihre lange, schimmernde Schleppe aufnehmend, verließ
sie ihre Gemächer auf demselben Wege, auf dem sie ge-
kommen war.
Auf der Terrasse vor dem Wintergarten war Nie-
mand zu sehen und unbemerkt näherte sie sich dem Ein¬

gänge zu dem Blumenpalast. Lord Ormond stand auf den
Marmorstufen, einen Strauß von wunderbarer Schönheit
in der Hand. Prüfend schaute er Beatrice, die in stolzer
Haltung näher kam, in das bleiche Gesicht, ihre Augen be-
gegneten den seinigen. Er war betroffen, sie so strahlend,
so hoheitsvoll, und ohne jede Spur von Aufregung vor
sich zu sehen.
„So allein, Lord Ormond?" fragte sie leichthin.
„Sind Sie Sterndeuter?"
„Ich wartete nur auf Ihre Rückkehr," erwiderte Or-
mond mit höflicher Verneigung. „Graf Berril war hier.
Sie zu suchen. Darf ich Sie zur Tafel geleiten, meine
Gnädige?"
Beatrice legte ihren Arm in den seinigen. „Ich wurde
zu einer unglücklichen Frau gerufen, die des Trostes und
des Zuspruchs bedurfte," sagte sie. „Besten Dank für Ihre
Freundlichkeit, hier auf mich zu warten. Jetzt aber wollen
wir eilen, den anderen Herrschaften in den Speisesaal
uachzukommen."
„Ich sehe, Sie haben Ihr Bouquet verloren, Beatrice,
bemerkte Ormond. „Wollen Sie nicht das meinige nehmen ?
Wir sind bemahe verlobt, Beatrice, gestatten Sie diesen
Blumen, in meinem Namen in der Sprache der Lwbe
zu Ihnen zu sprechen."
Beatrice wagte nicht seine Gabe zurückzuweifen, aber
ihre Wangen erglühten in Zorn und Scham über die
Demüchigung, seine Huldigungen anhören zu müssen.
Stumm schritt sie an seiner Seite weiter..
„Darf ich Sie um den ersten Tanz bitten, Beatrice?"
fragte Ormond.
„Ich werde heute nicht tanzen. Als Wlrthm muß ich
mich zunächst meinen Gästen widmen, und dafür sorgen,
daß alle die schüchternen jungen Mädchen, dre an diesem
Abend zum ersten Male einen größeren Ball mitmachen,
Tänzer finden." .
In diesem Augenblick erspähte Graf Berril, bleich vor
unterdrückter Erregung über das sonderbare Verschwinden
seiner Tochter vom Schauplatz der Festlichkeit, Beatrice
und ihren Verehrer.
Fortsetzung folgt.
 
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