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Badischer Volksbote: für Deutschtum, Thron und Altar ; Organ der Deutsch-Sozialen Reform-Partei in Baden (1) — 1890

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Nr. 51 - Nr. 60 (2. März - 13. März)
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Badischer BulkMtc.

Inserate die 1-spaltige Petitzeile oder deren Raum 1g
Reklame 25 Für hiesige Geschäfts- und Privat
anzeigen, sowie für Jahres-Anzeigen bedeutende Rabatt-
bewilligung. Expedition: Zwingerstrabe 7.
1890

Druck u. Verlag vonGrbr. Huber inHeidelberg
früher Verleger des Pfälzer Boten.

scheint täglich mit Ausnahme der Sonn- u. Feiertage.
Moneren»entSpreiS mit dem wöchentlichen Untechalwngs-
„Der SonntagSbote" fürHridelberg monatlich KV
^Trägerlohn, durch di r Post bezogen Viertels. X1.80 franco.

Berantwortl. Redakteur: F. 2. Knappe
in Heidelberg.

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er liebt

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zuweilen
n Herrn»
Organe,

ltniß mit
>aber ha»
jüngere»
ls er sich
athcn.

Treuer Klebe Kohn.
Roman von U. Rosen.
(N-chdr. Verb.)
Sie schob den Hosbericht zur Seite und nahm die Jn-
ljA'enspalte der „Times" zur Hand. Eine kurze Anzeige
« ihre Wangen erglühen:
fh -Eine Dame heiteren Gemüthes und sanften Charak-
wird als Vorleserin und Gesellschafterin für einen
tÄH<bkn alten Herrn gesucht. Gehalt unbedeutend, aber
Mätsvolle Behandlung zugcsichert. Adresse: Lord Tre-
Treworpark in Wales." Giralda las diese Notiz
dj^der und wieder. Sie bot ihr nicht gerade die Stelle,
i^be wünschte, aber sie schien ihr dennoch der Erwägung
«Armer, alter Herr!" dachte sie. „Krank und alt! Er
sich sehr einsam in der Welt fühlen und braucht ge-
Jtmano, ihm seine Zeitungen vorzulescn und seine
itl^kien zu reichen. Das würde ich so gut können, wie
hxj andere Andere. Das Blatt ist von heute. Wenn ich
Ä?. Bkwerbungsgesuch sosort abschicke, ist es möglich, daß
Stelle erhalte."
Wieder las sie Anzeige durch.
^-Obgleich ich das Vaterhaus gegen den Willen meiner
^e» Eltern verlasse," murmelte sie, „und den Schritt
Pia Unternehme, um ihr Loos zu erleichtern, ist meine
vor allen Dingen ihre Wünsche in dieser Angele-
zu erwäge». Mama erlaubte Keinem von uns
^Üi„ - "ach Loudon zu geben. Sie würde es auch nicht
biig^.n, wenn ich mich dorthin wendete, und es vorziehen,
der Familie eines guthmüthigen alten Herrn auf-
Muiumen zu wissen. Als Vorleserin und Gesellschafterin
H.UNkm Landgute in Wales werde ich ein sehr abge-
Offnes Leben führen- Niemand wird mir dort etwas
ihun- Ich möchte mich um diese Stelle bewerben
°vch kann ich Lord Trewor nicht schreiben, weil es
'»dtzsUuwöglich ist, Briese unbemerkt abzusenden oder zu
Zungen. 3ch sehe keinen anderen Ausweg, als mich
schon persönlich zu melden, aber ich muß mir noch
reiflich überlegen, was ich zu thun im Begriffe bin.

:>II ZWk hl Hs Zlsntttiiksliils.
„ 8 Es ist eine auffallende und höchst lehrreiche
Aatsache, daß unmittelbar nach den Wahlen vom 20.
stkbruar liationalliberale Blätter die baldige Aushe-
bung dieses Gesetzes in Aussicht stellen. Zwar wird
uationalliberale Partei selbst keinen Finger rühren
jur Beseitigung, allein das böse Gewissen scheint
Vertretern jener prinzipienlosen Partei keine Ruhe
A lassen. Wie ein Gespenst verfolgt sie das drückende
Bewußtsein ihrer Schuld. Hunderte von anerkannt
Ehrenhaften Männern haben sie in die Verbannung
Getrieben, ohne Urtheil, ohne Rcchtsspruch. Man
furchtet, das deutsche Volk werde sich endlich aus sich
^bst besinnen und ein Unrecht wieder gut machen,
Welches nunmehr fast 20 Jahre, 20 lange Jahre ge-
quert hat. Es ist eine anerkannte Thatsache, daß die
Eigentlichen Urheber des Jesuitengesetzes sich
den Kreisen des ungläubigen Protestantismus zu-
Anmengefunden haben. Die Jesuiten und verwandten
.^rden fielen dem Pr ote stan t enve rein und der
, vge zum Opfer. Wahrhaft gläubige Protestan-
waren weniger betheiligt bei der Jesuitenhetze,
wurden wohl mit hineingezogen in den Strudel,
innerlich durch das wüste Treiben befriedigt zu
> borden. Wir können sogar aus den Reihen der gläu-
iJsgen Protestanten ehrende Zeugnisse zu Gunsten der
Nullen aufführen. So schrieb z. B. schon Fischer
i Iburtheilung der Jesuitensache. 1853. Leipzig.) als
Resultat seiner eifrigen Studien der Satzungen und
fEr Geschichte des Jesuitenordens folgende beherzigens-
^rthen Worte nieder: „Nach allen Erörterungen scheue
Ä mich nicht, in dem vollem Bewußtsein, ein guter
Protestant zu sein, meine innigste Ueberzeuguug dahin
^»sprechen:
z !. Ter Jesuitenorden ist, abgesehen von jedem
Mfessionellen Standpunkte, in seinem Prinzip eine
bewunderns- u. achtungswürdigsten sittlichen Jn-
!.lutionkn, als eine Gesellschaft, welche der Idee, für
Ehre Gottes, in der Erweckung der Glückseligkeit
s^ler Mitmenschen — unter Entsagung aller
fischen Lebensgenüsse, der Befriedigung des Ehr-
Uzes, der persönlichen Willensfreiheit und der edelsten
Druden des Familienlebens — selbst auf Gefahr des
i?bens unermüdet wirksam zu sein, einzig und allein
Leben widmet.
z, 2. Soferne rach den Grundsätzen ihrer Kirche der
Zugriff der Religiosität in dem des Katholizismus
^fgeht, giebt eine Vergangenheit von 300 Jahren
^Verbindung das Zengniß, daß sie, als Korporation
rtz)


betrachtet, nie von ihrer ursprünglichen Verpflichtung
abgewichen ist, wenn auch einzelne Glieder sich nicht
probehaltig bewiesen haben und der menschlichen Ge-
brechlichkeit unterlegen sind.
3. Was das Auftreten der Kongregation in der
Gegenwart anlangt, so kann kein unbefangener
Beobachter der Zeitereignisse verkennen, daß in der
heutigen Tages sichtbaren Erkaltung des reli-
giösen Sinnes im Volke die Hauptquelle der
Sta atsz err üttnng, die Empörung gegen alle
Autorität im Staats-, Gemeinde- und selbst Familien-
leben, zu suchen ist (und daß) ... in der Thätigkeit
des Jesuitenordens ein Mittel erkannt werden muß,
welches vorzugsweise in seiner unmittelbaren Wirkung
auf die Belebung der Religiosität allen
staatsgefährlichen Verlockungen der Umsturzpartei plan-
störend in den Weg tritt."
Ungläubige und Revolutionäre sind in
der That stets die heftigsten Gegner des Jesuiten-
ordens gewesen. Wer sich nicht aus der Gesetzgebung
und aus der Geschichte der Jesuiten belehren lassen
will, der möge wenigstens aus dem Charakter ihrer
Gegner lernen, wie hoch und erhaben die Ideen sein
müssen, in deren Dienst jene Männer stehen.
Gott Dank beginnen die Ansichten in dieser Hin-
sicht sich immer mehr zu klären. Wenn wir der kon-
servativen „Kreuzzeitung" Glauben schenken dürfen,
so werden die gläubigen Protestanten einer demnächsti-
gen Aufhebung des Gesetzes, welches die Jesuiten und
verwandte Orden vom Boden des deutschen Reiches
verbannt, keinen Widerstand entgegenstellen. Sie
schreibt in Nr. 101 Sonnabend den 1. März 1890:
„Die Centrumsblätter behaupten, daß in den evan-
gelischen Ortschaften viele sozialdemokratische Stimmen
abgegeben seien, in den katholischen aber fast gar keine.
Bei jedem Dorfe lasse sich .das verfolgen. Ob das
richtig ist, wissen wir nicht. Thatsache ist aber, daß
in den großen Städten das Centruin auch nicht
der Sozialdemokratie Herr zu werden vermochte. Das
400,000 Einwohner zählende München wird keinen
Centrumsabgeordneten nach Berlin senden, und in dem
fast 300,000 Einwohner zählenden Köln hat der
Sozialdemokrat über 10,000 Stimmen erhalten.
Weniger große Städte, wie Aachen, Münster u. s. w.
sind dagegen fest geblieben. Die Ursache liegt darin,
daß in den großen Städten die Einwirkung des
Klerus auf den Einzelnen wegfällt. Die
großen Städte lassen sich, wie katholischerseits versichert
wird, nur durch Missionen behandeln ; deshalb wird
man um so energischer die Rückkehr der Jesuiten und
Ich verlasse die geliebte Heimath, die besten theuersten
Eltern, die zärtlichsten Brüder — und wofür?"
„Nein, ich darf nicht schwach und kindisch sein," sagte
sie, und heiße Thronen entströmten ihren Augen. „Ich
will nur an die Freude denken, welche meine Eltern haben
werden, wenn ich das erste selbstverdiente Geld nach Hause
schicke! O, wie stolz werden sie dann auf mich sein! Ja,
ich muß gehen ! Ich bin ihr ältestes Kind, und es ist meine
Schuldigkeit, Mama zu helfen. Da ich mich ohne Verzug
zu melden habe, muß ich noch in dieser Nacht abreisen,
um morgen früh in Treworpark einzutreffcn."
Sie stand auf, prüfte den Inhalt ihrer Börse, holte
aus ihrem Kleiderschrank eine juchtenlederne Reisetasche
hervor, packte Wäsche, einen schwarzseidenen und einen
wollenen Anzug hinein, legte ein Neisckleid von grauem
Kaschmir und eine flamllgesütterte Jacke von demselben
Stoff an und setzte einen breitrandigen, fedcrngeschmückten
Rembrandthut auf.
«Ich sehe gerade nickt wie eine Krankenwärterin aus,"
dachte sie enttäuscht, als sie ihr Bild im Spiegel betrachtete.
„Aber vielleicht wird Lord Trewor weniger mein Veußeres
als meinen guten Willen, ihm zu dienen, berücksichtigen."
Nachdem sie so weit gerüstet war, setzte sie sich an
ihren Schreibtisch, um ihren Eltern einen Abschiedsgruß
zu schreiben. Es war eine schwere Aufgabe für sie, ihnen
mitzutheilen was sie im Sinn habe. Mehr als ein Dutzend
Briefbogen wanderten in's Feuer, ehe es ihr glückte, einige
Zeilen zu entwerfen, die sie befriedigten. Ohne ihr Ziel
zu nennen, und nur bethcuernd, daß sie London vermeiden,
und die empfangenen Lehren stets beherzigen würde, zeigte
sie ihnen an, daß sie aus dem Wege sei, sich Brod zu ver-
dienen, und wieder schreiben würde, wenn sie die erste
selbstcrworbene Geldsumme einzuschicken vermöchte.
Das Blatt, das sie weinend zusammenfaltete und auf
ihr Kiffen legte, trug überall die Spuren ihrer Thränen.
Schluchzend blickte sie fick in ihrem Zimmer um. Ach, es
war so schwer, fick von all' den theuren, durch die Erinne-
rung geweihten Gegenständen zu trennen, viel schwerer,
als sie gedacht hatte. Die Reisetasche in der Hand, trat
sie in die Vorhalle hinaus, schlich leise bis zu Rupert's

Redemptoristen fordern. Es ist nicht ohne Humor,
daß man sich zn Gunsten der Missionen, speziell der
jesuitischen, auf das „einwandfreie" Zengniß der „Köln.
Zeitung" beruft, welche über die vom 27. Oktober bis
10. November 1850 in Köln abgehaltene Jesuiten-
mission geschrieben hat: „Während der ganzen Zeit
versammelten und erbauten die ihm hohen Dome und
in der St. Severinskirche dreimal täglich gehaltenen
Vorträge Tausende aus den verschiedensten Klassen der
Bürgerschaft. Das allgemeine Urtheil über diese Vor-
träge spricht sich dahin aus, daß die Väter mit wahrhaft
apostolischem Eifer, zarter Mäßigung und großer Klar-
heit die Grundlehren des Christenthums dem Volke dar-
legen, u. Gottes- und Nächstenliebe so eindringlich ge-
predigt haben, daß die besten Früchte davon zn erwarten
stehen. Die letzte Predigt im Dome hielt k. Roh vor
einer Versammlung, die man über 20,000 schätzte. „Ob
die Rückkehr der Jesuiten in nächster Zeit oder über-
haupt zu erwarten ist, wissen wir nicht. Als Zeichen
der Zeit sei nur bemerkt, daß die „Schlesische Volks-
zeitung" heute darauf hinweist, „daß der Reichskanz-
ler schon vor Jahren die Wiederzulassung der Jesuiten
als eine durchaus harmlose Sache behandelt hat."
Allerdings ist die starke Zunahme der Sozialdemokra-
tie vielleicht geeignet, diese Bestrebungen zu fördern.
Entscheidend wird der Wille der Regierung sein.
Ja, entscheidend wird der Wille der Regierung
sein. Wir aber vertrauen auf die Einsicht und den
Gerechtigkeitssinn der Regierungen, die nicht länger
zögern lverden, ein Gesetz zu beseitigen, welches die
Gefühle aller Katholiken aufs Empfindlichste verletzt.
Achrchk des hl- Mus
an das Kard'nals-Kollegium am 2. März 1890. *)
Das h. Kollegium der Kardinäle möge den Aus-
druck Unserer größten Erkenntlichkeit entgegennehmen
für die Glückwünsche, die es Uns bei Gelegenheit
Unseres Geburtstages durch den Mund seines ver-
ehrnngswürdigen Nettesten ausgesprochen. Das zwei-
fache Jahrgedächtuiß, an das Sie, Herr Kardinal,
Uns soeben erinnert haben, mahnt Uns an Unser
hohes Alter und die nicht kurzen Jahre, welche Wir
in schwierigen Zeitläuften auf dem Stuhle des hl.
Petrus gesessen haben. Unser Leben steht in Gottes
Hand nnd ist schon seit langem dem Dienste der
Kirche gewidmet. Unser glühendster Wunsch ist, daß
jeder Tag des Lebens, der Uns noch verbleibt, bei-
trage zur Erhebung dieses Lebens selbst, zur Aus-

*) Uebersetzung der Kölnischen Volkszeitung.
Thür und lauschte. Der Ton regelmäßigen lauten Atbems
drang zu ihr hinaus.
Leise stahl sie sich an des Bruders Zimmer. Ruvert
schlief. „Leb' wohl, theurer Bruder, flüsterte sie. „Du
bist es, für den ich aulgebe, was mir das Liebste ist. Er-
setze den Eltern Giralda's Stelle, mein Rupert."
Sie kützte den Knaben auf die Stirn und entfernte sich
lautlos, um auch Egon aufzusuchen, der gleichfalls in tiefem
Schlummer ruhte. „Leb' wohl, leb' wohl, Du süßer kleiner
Engel," hauchte sie-
Auf der Schwelle zu ihres Vaters Zimmer kniete sie
in inbrünstigem Gebet nieder. Behutsam glitt sie die
Treppen hinab, öffnete die Gartenpforte und schritt hinaus
in die finstere, stürmische Nacht, Als sie eine Strecke weit
gegangen war. blieb sie stehen und blickte wehmüthig nach
dem stillen friedlichen Hause zurück. Aus dem Studir-
zimmer des Grafen schimmerte noch Licht. Der heiße
Wunsch, umzukehren, erwachte plötzlich in Giralda's Brust,
doch sie bekämpfte und überwand ihn. „Die Pflicht ruft,"
tröstete sie sich, den einsamen Landweg nach der Bahnsta-
tion vorwärts eilend.
Sie kam noch rechtzeitig an, um den Nachtzug be-
nutzen zu können. Ahnungslos, was sie in der großen
freundlosen Welt erwartete, begab sie sich zu dem schlimmsten
Feind ihres Vaters, dem rachsüchtigen und erbarmungs-
losen Marquis von Trewor-
11. Kapitel.
LordTrewor.
Mit Ausnahme eines kurzen Aufenthaltes bei einem
Knotenpunkt der Bahn, wo ein Wagenwechsel nothwendig
War, setzte Giralda die Reise ohne Unterbrechung fort.
Sie kam in dem Dorfe Trewor in der kalten grauen
Dämmerung eines wilden sturmvollen Märzmorgens an.
Müde und erschöpft stieg sie aus ihrem Wagen auf
den Perron der öden, fast menschenleeren Station. Ein
seltsames Gefühl der Verlassenheit schnürte ihr das Herz
zusammen.
Es war noch zu früh, sich in Trewor-Park zu melden.
Sie mußte sich deshalb entschließen, das Dorswirthshaus
aufzusuchen. Mit Unbehagen hatte sie bemerkt, daß sie
 
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