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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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Mittwoch, 11. Mruar 1903.

«rfte» Blatt.

rck.cÄv^L?»^'

45. Jahrgarg. — .N 35



-H

Erscheint täglich, Sonntags ausgenommen. Preis mit Familicirblättern monatlich 80 Pfg. in's Haus gebracht, bei -der Expedition und den Ziveiganstalten abgeholt 40 Pfg. Dnrch

die Poft üegogen vierteljährlich l.38 Mk. ausschlietzlich Znstellgebiihr.

^ n 4 eigenpreis: 20 Pfg. für die Ispalrige Peritzeile oder deren Raum. Reklamezeile 40 Pfg. Für hiesige Geschäfts- nnd Privatanzeigen ermäßigt. — Fiir die Aufnahme von Anzeigen
«n bestimmten Tagerr.txird keine Verantwortlichkeit Lbernommen. — Anschlag der Jnserate auf den Plakattafeln der Heidelb. Zeitung und den städt. Anschlagstellen. Fernsprecher 82.

Kytlmöerlain und die ILuren.

. Fn B l v e III f o II t v i n Ivurde deni bl illschen .Uolo-
^lininisre^ Ch a in b e r l n i n eine Biltschrift
."erreicht, in der nach Arifzählnng einer Reihe von Be-
!5> werden die Ueberzengiing ausgesprochen Ivird, das;

Benvallnng der Oranjeflriß-Uoloiiie beabsichtige,
dren Bewohnern eine sie erdrückende finanzielle Last
'"lLtterlegen, die doch schon so üaL Beivubtsein l>ätten von
chen, Mangel an Wohlivollen sür sie bei der gegenwar-
,Mi Regierung. C h a m b e r l a i n erwidr'rte hieranf,
^g.^Utschrist erwähnle eine Anzahl von eingebildeten
iBchständen nnd unbegründeten Beschwerden. sssn der
^hnndlung der A nsrührec liege nichts, was eine
- drleiznng der piriedensbedingungen sei. Wie t'önnten
->,0 ButLn davon sprechen, dasz die Regiernng ihnen t'eine
d'hnrpathie entgegenbringe, wenn die Regiernng Tag
.^d Racht daran arbeite nnd Millionen darauf verwende,
^and Reformen durchzuführen? Chamberlain be-
entschieden die Behaiiptung, daß den Buren eine sie
^drückende Last ausgebürdet werde. Wenn sie auf ihrer
^olitik des Rliirrens beharrten, wäre es zwecklos, Lem
h?. ' das bereits so erhebliche Geschent'e ohne ein Wort
,Dantes aiigenoiiiiiien habe, noch weitere Zngeständ-
<lu machen. Taraus nahin (Lhristian d e W e t das
nMt nnd erklärte, üasz tein Zusaninienivirken inoglich
lolange Piet de Wet und Christian Botha daS Buren-
d°lt.berti'äten. Cr würde nicht rasten, bis er einen
ä " l.r u h r hervorgernfen habe, nicht einen bewafsne-
wndern einen A n f r u h r der A gitation und
^ U nzufried e n heit gegen die Regierung.
ein Abend des andern Tages hielt Chaniberlain bei
km 4sankett eine Rede, in welcher er auf das Vor-

biniiis init de Wet zurückkain und aussührle, er habe
über die Teputation, die zu ihnr gekonimen sei, nicht
M^Eagen, dcren Ansicht kennen zn lernen er sich glück-
Ichätze. Aber ec beklage das im letzten Augenblick
^reichte Lch r i f t st ü ck, welches mehrere Mitglieder
.Deputativn niemals gesehen nnd andere zurückge-
d>en haben. Er halte es sür seine Pflicht, gegen die
-^l^rechten und unrichtigen Ausdrücke des Schriftstückes
^..brotesiieren. Tas Tchriftstück enthalte kein Wort der
„ "rüignng der Wohltalen, welche die Regiernng den
wi, Zlolonien zukommen zu lassesr sich bemühe, bringe
geg^n die englische Regierung und gegen diejenige
b„?.?lap unbegründete Beschuldigungen vor. Tas Land
s^chrfe der politischen Ruhe. Er hoffe, daß die Uneinig-
u- unter den Buren bald anfhören werde. Die eng-
hAb Regrerung werde die Freunde (das sind die
jlchen Ueberlänfer) nicht im Stich lassen. Die An-
. riich^ sür die Verluste ini Krieg werden von einer
^ Kommission geprüft und ein neues Uebereinkom-
lvird danach in Kraft treten. Schlieszlich forderte

biv!?u Kommission geprüft und ein neues Uebereinkom-
tzk'l lvird danach in Kraft treten. Schlieszlich forderte
N, ucherlain die Buren aus, in herzlichen Beziehungen
lhre o' .^llüländern zu lebeii, und versprach ihnen, dasz
den ihre Religion und ihre Sitten geachtet wer-

lviirden

England tut man gegenwärtig ersraunt darüber,
^im - ü'llu' d v W e t, den man bei dem Erscheinen seines
lch, lo lwch gepriesen, dessen Treue und Charakter-
l>,,s 'll'eit man erst gar nicht genug rühmen kounte, nun
>i<i, ^lninal so waukelmütig,'so undankbar un>d so dreist
y,- (nnn. der gesamteu britischen Regierung, dem all-
dx,^ligen Chambcrlain nicht attsgenommen, von nenein
btz, '. l' i e g z u e r k lä r e n. Tas; der tapfere u.»d un-
k„, lllaine Guerillasührer es uicht über sich gewinnen
l'ich mit seiuem Bruder, der vor Beend-igung des
ivmlles offen zu dem damaiigen Feinde überging, auszu-
^l^l, wurde schon wenig günstig beurteilt, aber schliesz-

lich t'onnte man die Gründe dasür verstehen, wenn man
sie anch nicht billigte. Aber eine so scharse unverblümte
llriegserklärung halte maii doch nicht erwartet. Ruu
wäre es zwar versehlt zu sageii, daß die Haltung de Wets
in England einstimmig als Verräterei bezeichnet und^als
solche verdammt wird. Das ist durchaus nicht der Fall.
Im Gegenteil, ein Blatt erklärt gauz offen, nur unver-
besserliche Optimisten hätten erwarten können, dasz die
Beruhigung des neuerworbenen Landes so glatt von stat-
ten gehen würde, ivie es anfangs den Schein hatte, uttd
nur diese Optimisten könnten hosfen, daß der soeben be-
richtete «treit der letzte sein werde. Jn der Haltung de
Wets liege absolut nichts, worüber man sich wundern
t'öune, ste bestätige vielmehr nur L-aS, was man immer
von der Zähigkeit und Beharrlichkeit der Buren im All-
gemeinen, iind Christian de Wets im Besonderen gesag/
habe. Auch dürse man die Politische Wichtigkeit der
Vorsülle nicht aufbauschen, denn bekanntermaßen spielten
hier F-amilienzwistigkeiten zwischen dem berühmten Gue-
rillaführer uud seinem Bruder in nicht unbedeutendem
Masze mit. Andere Blätter dagegen gehen nnt de Wet
schärfer ins Gericht, ja die „Snndah Sun" deutet in
schlecht verhehltem Grimme an, das; der tapfere Krieger
-iwentuell, gleich dem Iren „Colonel Lhnch" wegen H o ch-
v e r r a t s zum Tode verurteilt werdeu könne. „de Wet,"
sagt Las Blatt, „hat keine von den staatsmännischeu F-ä-
higkeiten seiner Kollegen Bothn und Delarey gezeigt.
Seine Politik ist augenscheinlich, der ReichSregiernng
lästig zu sallen. Seine Versicheimngen der Lohalität
kamen nicht von Herzen. Deni Colonel Lyuch ist kürz-
lich die Gefährlichkeit des Berrats zu Gemüte gesührt
worden. So sehr wir bedauern würden, einen tapferen
Soldaten, wie de Wet, in derselben Posttion zu sehen,
wie das ehemalige Parlanientsmitglied sür Calway, so
k'ann man ihm doch anf t'einen Fall gestatten, den Frieden
Südafrikas zu stören." — Bedeutend aude'rs sieht die
burenfreun-d-Iiche „Dailh News" den Fall an. Tas Blatt
erk'lärt, daß, wenn die Regierng verlange, daß die soge-
nannten „National Scouts" von ihren früheren Kampf-
genossen wieder als gleichberechtigte und achtungswerte
Männer anerkannt werden sollten, die Engländer dem
vielgeschmähten „Colvnel Lynch" die Bruderhand reicheu
müßten, anstatt ihn einznsperren. Das Blatt niinint
ferner Gelegenheit, den .Kolonia-liinnister Ivegen seines
Verhaltens zu tadeln, und überhaupt die ganze Reise als
ein verfehltes llnternehmeu hinziistellen, das besser
gar Uicht hätte unterno m m e n werden sol-
len. Die regierungssreundliche Presse ist natürlich des
Lobes über die Schlagfertigkeit und Energie Mr. Cham-
berlains voll, und erklärt die Abfertigung, die er der
Deputation zn teil werden ließ, sei einer der hervorra-
gendsteii Dienste gewesen, die er dem Laude geleistet
habe.

Deutsckeü Reich.

- - Gegen die K a u d i d a t u r des Grafen B a I l e-
st r e m im Wahlkreise L n b l i n i tz kündigt die „Gazeta
Opolst'a" einen heißen Kampf der Polen an und betont,
dasz sich der großpolnischen Zeitung LeL Nedak'teurs Sie-
mianowski, der den Grafen in mehreren Polenversaiiim-
lungen scharf angegriffen hat, durch diese Kandidatur ein
fruchtbares Arbeitsfeld erschließe. „Möge das Zentrum
den Grafen in einem deutschen Wahlkreise aufstellen,
wenn es ihn als Abgeordneten wünscht. Aber Gras
Ballestrem will nicht, und das Bolk will ihn nicht." Auch
in anderen oberschlesischen Wahlkreisen sind nunmehr
polnische Kaudidaten endgiltig aufgesteklt worden.

— Der Buud der Landwirte hat in Berlin
seine G e n er a l - V e rsa m m lu n g abgehalten und

die
aherer

dabei sich auf die Seite der Bundesleitung gestellt,
das ext r e m steAgrari e r t u m repräsentiert. (Nä
Bericht morgen.)

Keuischt'r Hieichstag

Berlin, 10. Februar.

Jiüerpellation Nißler, betreffend Geiährung von Bci-
hilfen an die Veteranen.

-Staatssekretär Frhr. v. Thiel m an n erklärt sich zur so-
fortigen Beantwortung bereit.

Abg. N i s; l e r (bahr. Bauernüund) begründet die Jnter-
pellation, die Vetcranen hätten cin Recht, daß sie nicht als
Aschenbrödel behandelt wiirden. Wichtiger als die ganze Ko-
lonialpolitik sei diese Frngc. Er könne der Regierung manchen
Vorwurf darin nicht ersparen.

Staatssekretür Frhr. v. Thielmann: Der Jnvaliden-
fvnds iverde in wenigen Jahren anfgezehrt sein, sriihestenS
1008, spätestens 1010. Die Ausgaben für die Jnvaliden
wiirden dann auf deu vrdentlichcii Etat übernvmmen werden
miisseu. Für 1003 siud 9 Millivnen fiir die Vetcranen aus-
geworfeu, Vvn dcuen 78 000 ihre 120 Mk. erhalten können.
Was er tiin könne, das; allen bcrechtigten Aniivärtern 10 Mk.
monatllch ausgczahlt werden, ivcrde geschehen. Die Zahl der
Nercranen schtvanke fvrtwährend. Einc Rundfrage bei den
Rcgierungen ergab, daß Löhnc, Erwevbsfähigkeit nnd Erwerbs-
möglichkcit dcr vorhandcnen etiva 600 000 Kricgsteilnehmer
sich auch nicht annäheriid schätzen lasse, sodaß man uicht au-
gebeu köuue, ivie viel unter die Rcsolution fallen. Der Antrag
Nißler sei nicht gangbar.

D-as Haus tritt in die Besprechung ein.

Abg. Graf Oriola (natl.) steht wie früher auf dem
Standpunkt dcs Antragcs. Jm Reichstage sprechen sich alle
Parteien dahin aus, das; in dieser Fragc müglichst wcitherzig
und liberal verfahren werde.

Abg. G r ii ii b e r g (Soz.) spricht sich im Sinne dcr Re-
solution aus.

Abg. Dr. Arendt (Rcichsp.): Tas ganze Vaterland sei
den Veterancii zmn Danke vcrpflichtck. Einc ReichSeinkom-
mensteucr köiine eine rasche Hilfe nicht bringen.

Abg. Dr. Paasche (natl.): Die Bchauptimg des Vor-
redners, das Rcich habc noch keiucii Pfennig fiir die Vcteranen
ausgegcbcn, treffe uur formell zu. Weiin man alle eiitschädigen
wollte, dic infolge dcs KricgeS arm nnd hilfsbedürftig geworden
seien, so kämc man zu Forderungeii ohne Grengcn.

?lbg. Gras Roon (kons.): Er habe zwar dic Fnterpellation
mit unterzeichnct, müsse aber die Hurrastimmung e-twas herab-
mindcrn. Vor allem sei es nötig, die Finanzlage im Auge
zu behalten.

?lbg. Cahensly (Ztr.) empfiehl-t einc wohlwollende
Priifung der Jnterpellation.

?lbg. Singer (Soz.) tritt energisch für die Resolution
ein, obwvhl er ein grnndsätzlichcr Gegncr -dcs SNilitaris-
mus sci.

?lbg. Dr. Stoecker (wild-kons.) betont gcgcnüber dcm
Vorredner, es gäbe kcine produktivere ?lusgabe, als die für
Heer und Flotte.

?lbg. Dr. P a ch n i ck e (sr. Ber.) cmpfiehlt zyr Deckung
etwaiger Kosten cine Reichserbschaftssteuer.

Die Diskussion wird geschlosscn.

Es folgt Wciterberatung dcs Etats des ReichSnmis des
Jnnerii.

?kbg. Groeber (Ztr.) begründct eine Resolurion betrefss
Vorlegung eincr Uebersicht über die Gesetzgebungs- und Ver-
ivaltungsmaßregeln, dic znr Regeliing des Wohnwesens und zur
Förderung des Wohnungsbaues für unbemittelte Klasseu ge-
troffeu tvorden sind.

?lbg. R a a b (Reformp.) ist befriedigt iiber die Maßnahmcn
bctrcffcnd kaufmännische Schiedsgerichte, fragt an, wie weit die
Regierung der Resolntion nachgekommcn sci betrefss Verpro-
viaiitierung ttnd Ladclinie von Seeschiffen, nnd wünscht Ver-
mehrung des dlrbeitevschutzcs auf dcn Schiffcn.

Staatssekretär Dr. Graf v. Posadowsk h erklärt auf
einc gestern gefalleiie ?lnregung, die Gastwirteordnung könne

4. populäres Sympljoniekonzert.

Heidelberg, 11. Febr.

Slücklichcr Einsall war es, das gestrige Sinfonie-
cz ^ " gerade mit Haydns ?lbschiedssiiifonie zu schließen und
zi, ausdriicklich als das letzte Koiizert im altcu Hause
'^ichnen. Es ist sclbstverständlich, daß bei einer solchen
lich ^ ^chr-ii die Wahl der aufgeführten Wcrke besoiidcrs dent-
:.p„<?^spricht, worauf das Kon-zertunternehmeii zielt. Fiir die
"^n" Sinfoniekonzerte handelt es sich iiamcntlich darnm,
se„ 8cwo„„r„e Gebiete unserer ?Nusikliteratur breiteren Mas-
sMckich »ud im einzclnen bekannter zu machen; sie er-
«h^isGchamit die Veraiistaliungcn des Bachvcreins, der sich oor
hc>, ^oberung musikalischen Nculaiids zur ?lufgabe gemacht
-^chZ diese Tendenz dann nnd -wann anch erwas stark zum
>v„)i Z'E kommen, jedcnfalls muß man anerkcnnen, das; das
lie^.^.süordriiigen zu iieuen Zielen gleich notwciidig ist, wie die
Vcrständigiiiig über alre Jdealc, daß bcidc Hand in
Äif <,6ehen miissen, damit auf der eineu Seite Verknöcherung,
»»dcrn enges Forrschrirrsphilistertum vcrhütet wird.
P'üc, d-iescr Gesichispuiikt ist bei einer Beurteilung des
Konzcris imvermeidlich. Denn wozu die übergroße
''Wstcmlich Mozarischer Klassik, wemi sie nicht eine ?lnt-
""f Hauseggers ausgesprochciie Modcrue üedeuteu sollte?
R>d cniem Mozartschen Divertnncuto sür Streichquiutett
Äs'" Teil dcs Blaskörpers setztc -das Programm ein:
i"st „(1-^ p(stcht aus scchs, vcrhältnismätzig kurzen Sätzen,
^ 'Vchließlich von ftöhlichem Tnnzcharakier, amimtig in
^ ^jmwg- "bcr eben anf die Tauer doch etlvas ermüdend.

driuglicher wirkcu köuuen; störeud cmpfaud ich namcntlich im
2. Satze (Adagio) die gleichmähig rauhe Tongebuirg der melo-
dieführen-deu 1. <öeige; besser hielte» sich im Ganzen die Bläser,
denen die Kom-position ziemlich viel zuimnet.

?luf die Eiuleituug des Orchesters folgtcn vier Nummern
der beiden Solisten. Frau Dr. V i e r o r d t - H e l b i n g
habe ich vor reichlich einem Fahr hier als Jnterpretin Hugo
Wolsscher Lhrik kcnneii gelernt uud hatte mir dauach -von ihrem
Gesang mehr versprochen. Möglich, datz die Dame gestern nicht
ganz Herrin ihrer Stimme war, meincs Erachtcns ivar an ihrer
Unsicherheit bcim Vortrag der ?lrie ans „Jdomeneo" auch dcr
Maugcl au griindlicher Vorbereitung schuld. Wesentlich besser
als die Arie gelang ihr Schuberts „?lm Grabe Lliiselmos".
?Illciu schon Suleika ließ wieder einiges zu wiinscheii übrig,
von Brahms Liedcru ganz zu schwcigeu. — Häkte ribrigens
— namentlich im letzten Liede — der Konzertleiter nicht durch
kräfrigere und remperamcntvollcre Begleitung die Sängerin
wenigstens etwas aus ihrer kiihlen Reserve herauslocken
köimeii? —

Vicl vollendeier als die Gesangssoli warcn die Klarinett-
vorträge Herrn Mühlfelds. Er besitzt — was der Sän-
gcriu, vor allem in Bezug auf ?lussprache, abgeht —: eine
ausgezcichncte Tcchnik. Der Tou ift rund und voll; die schwie-
rigsten Passagcn erklinge» mit tadelloser Remheit; schade, datz
Herr INühlfcld eigentlich bloß Gelegenhcit fand, sich nach
technischer Seite hin auszuzetchnen. Denn Llusdrucks-
musik sind Webers Konzertino und die beiden Sätze aus Mo-
zarts Konzert doch uur in gerin-gem Gra-de, mögen sie mich
zum Besten gchören, was für Soloklarinetie und Orchester ge-
schrieben wordeu ist. —-

imer de-? Kouieris,

Haydns dlbschiedssiufouie, wirkte geradezu erquickend als Ge-
geusatz zu dicser Virtuoscuarbeit. Dem Programm ivar eine
kurze Bemerkuug über die Entstehuiigsgeschichte der Sinfonie
beigodruckt, dic uicht viel mehr als eiue harmlos scherzhafte
Gelcgcnheitsmusik evwarteu licß. Jch glaube, mir Ivenige ahn-
ten, wclch anmutige Euttäuschung ihnen- bevorstand. ?llles
ist hier Charnkteristik und gäuzlich manierfreie Originalität:
zuuächst dies unruhige Llllcgro mit seiuen scltsamen Hürten,
daim der zweite, laugsame Satz, in dem namentlich die eigen-
tümliche, ganz „modern" anmutende Harmonik überrascht imd
in-teressiert; wcniger bedeuteiid, aber auch reizvoll, das
INenuctt uud eiidlich das Fiuale, erst trotzig uud schroff —
plötzlich ein jüher Stimmungswechsel; der Trotz wandelt sich in
schmeichelnde Bitten, dic dann langsam und leise auskliugeii...
Augeuschemlich hatteu Dirigeut und Orchester auf die Schluß-
nummcr die mciste Sorgfalt und Liebe berwaudt, ivas das
Publikum deuu auch gcbührcii-d dankbar ausnahm. Älllerdings
möcht' ich nicht dafiir eiiisteheu, ob nicht eiu Teil des Beifalls
dem lautlos gcwaudten Vcrschwiudeu der eiiizrlueu, außer
?Ikriou gesetzteu Orchestermitglieder galk. — Nuu, wo ich doch
eiumal den Scherz durch eine Spalte eingelasseu habe, kauu
ich auch eine Frage, die mir läugst auf der Zuuge schwcbt, nicht
mehr unterdrücken: Dcr anf dcm Programm angedeutete histo-
rische Vergleich sollte doch wohl nicht soweit durchgesührt wcr-
den, daß es zum Schluß auch hier hieße: „I!im könncn wir
uicht mehr" —? Jch für meiucu Tcil hab' ein kräftiges,, „Jeht
erst recht!" erwartet. Hoffenilich geht diese Erwariung iu
Erfülluiig imd betritt das Orchester und sein Leiter das neue
Haus womöglich noch frischer, als es das alte verlassen hat!

dl. kl.

B-
 
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