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Heidelberger Zeitung (45) — 1903 (Januar bis Juni)

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45. JühlMg. -- «-A i?5

Sülustüg, 30. Mai 1903.


'Lftes BßrrLt.



Trscheint täglich, Sonntags ausgenommen. Preis mit Familienblättern monatltch 50 Pfg. in's Haus gebracht, bei der Expedition und den Zweigstationen abgeholt 40 Pfg. Durch di« PoK

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an bestimmt-n Tagen wird keine Verantwortlichkeit übernommen. - An^chlag de^ Juserate au' dcu P!a k-.Naselu der Heidelberger Zeitung und den städtischen ^nWa^Me^Fe^

Tes Pfingstfesies wegen erscheint die nächste Nummer
"»> Dienstag.

Die Militärlasten der Großmächte.

Inl Kaiserlich Ttatistischen Amt ist neuerdings eine
^erechnung über die Kosten für Heere und Marine aus-
öwrbeitet worden, die angesichts der bevorstehenden Mi-
ätärvorlage interessant erscheint. Nach dieser Statistik
^etragen die Kosten für Heer und Flotte (in Millionen
^ark) nach dem Stand vom März 1903: für Groß-
^ritannien 2124,7, für die Union 1482,6, für Rußland
1082,2, für Deutschland 985,1, für Frankreich 927,2,
tur Oesterreich-Ungarn 408,8, für Jtalien 252,8, sür
^apan 218,5. Auf den Kopf der Vevölkerung Lerechnet
Zahlt danach Pro Jahr und Kopf für Heere und Marine
^r Deutsche rund 17 Mk., der Engländer 60 Mk., der
Ätnerikaner 18 Mk., der Franzose fast 24 Mk., der Russe
^.3 Mk„ der Oesterreicher 8,9 Mk., der Jtaliener 11 Mk.,
^er Japaner 8,8 Mk. Zieht man aber die Schuldenlasten
tn Betracht, so hat für Heer und Flotte pro Jahr zu be-
äahlen: der Teutsche 18,4 Mk., der Engländer 63,6 Mk.,
t>er Amerikaner 20,3 Mk., der Franzose 42,7 Mk., der
Äaliener 26,2 Mk., der Oesterreicher 18,3 Mk. Weniger
als der Deutsche zahlt nur der Russe (11,2 Mk.) und der
Äapaner (6,5 Mk.). Daraus geht hervor, daß, abgesehen
don den Russen, in Europa der Deutsche pro Kopf die
lvenigsten Steuern für die Landesverteidigung aufwendet.
HN Europa wendet der Dreibund die geringsten Summen
lür Heer und Flotte auf, Deutschland weniger als Eng-
land, Rußland und Frankreich im einzelnen.

Deulsches Reich.

Tüberitz (Provinz Brandenburg), 29. Mai. Der
Kaiser hielt heute zur Erinnerung an die größen
Ilebungen Friedrichs II. bei Döberitz vor 150 Jahren
°ine Gefechtsübung des gesamten Ga r d e -
r p s ab. Tie Kaiserin, der Kronprinz, Prinz Eitel
drriedrich und die eingetroffenen kommandierenden Ge-
verale wohnten der Uebung bei. Den größten Teil des
lIardekorps befehligte als blaue Westarmee derKaise r.
Der Rest bildste unter dem Befehl des P r i n z e n F r i e-
1>rich Leopold als markierter Feind die Ostarmee
Und nahm eine feste Steüung ein, die der Kaiser stürmte.
Der Kaiser hielt sodann Kritik ab, worauf nach einer
längeren Ansprache des Kaisers ein über 11 Meter hoher,
äein Andenken König Friedrichs des Großen gewidmeter
^ranitobelisk enthüllt wurde. Nachdem der komman-
ßierende General des Gardekorps Generalleutnant von
Kessel ein Hoch auf den Kaiser ausgebracht hatte, nahm
üer Kaiser den Vorbeimarsch des Gardekorps ab.' Nach
12 Uhx fand beim Kaiser untec einem riesigen Zelte ein
8rühstück statt, wozn 360 Einladungen ergangen waren.
'lus Anlaß des heutigen Tages erfolgte eine große Zahl
üon Beförderungen und Auszeichnungen. Die General-
lrutnants v. Kessel und v. Deines, kommandierende Gene-

rale des Gardekorps und des 8. (rheinischen) Armeekorps
wurden zu Generalen der Jnfanterie bezw. Kavallerie
befördert.

Baden.

UO. HasIach, 29. Mai. Der bisherige Reichs-
tagsabgeordnete des Wahlkreises Lahr-Wolfach, Herr
Schättgenin Haslach, der seit längerer Zeit an einem
bösartigen Kopfgeschwür litt, mußte öem „Bad. Beob."
zufolge vor einigen Tagen sich einer schweren Operation
unterziehen, die zufriedenstellend verlief. Man hofft, datz
der Kranks sich jetzt außer Gefahr befindet.

L.6. Karlsruhe, 29. Mai. Eine Entschließung
des Großh. Ministeriums des Jnnern bestimmt u. a., daß
die bei der Reichstagswahl künftig in Gebrauch kommen-
den Wahlurnen so Hergestellt sein sollen, daß die Stimm-
zettel durch eine Oeffnung (Spalt) im Deckel des Wahl-
gefäßes zu stecken sind, der Deckel selbst jedoch bis zum
Schlusse der Wahlhandlung geschlossen gehalten wird. Diese
Anordnung und der Umstand, daß die Stimmzettel nun
in einem Umschlag abzugeben sind, wird manche altehr-
würdige Wahlurne wegen Unzulänglichkeit außer Dienst
stellen. Wel-ch merkwürdige Begriffe übrigens im deut-
schen Vaterlande mancherorts über diS Form einer Wahl-
urne schon zu Tage getreten sind, beweist eine in Nr. 490
der „Straßb. Post" enthaltene Zusammenstellung von
Grundsätzen, welche der Reichstag bei den Wahlprüfüngen
im Laufe d-er Jahre aufgestellt hat und worin wörtlich zu
lesen steht: §11. Teller, Biergläser, Zigarrenkisten, Hut-
schachteln und Tischschubladen wurden als ungeeignet zmn
Gebrauch als Wahlurnen bezeichnct.

UO. B r u ch sa1, 28. Mai. Gestern Abend fand hier
eine Zusammenkunft freisinniger Bürger statt, in der nach
emeni Vortrag des Stadtrats Dr. Weill aus Karlsruhe
beschlossen wurde, einen freisinnigenVerein hier
ins Leben zu rufen. Temselben traten 35 Bürger bei.
Als Vorfitzender wurde Stadtrat Katz und als dessen
Stellvertreter Buchdruckereibesitzer Gutsch gewählt.

Kirchheim, 29. Mai. Heute fand hier eine zahl-
reich besuchte Versammlung statt, in welcher Herr Prof.
R o h r h u r st, der in Begleitung einiger Herren aus
Heidelberg erschienen war, einen Vortrag hielt. Anschlie-
ßend an denselben fand die Gründung eines n a t i o n a l-
liberalen ILereins statt, wel-chem über 200
Mitglieder sofort beitraten.

Aus der Karlsrntrer ZeiLung.

— Seiue Königliche Hoheit der Großherzog haben Ven
nachgenannten Königlich Preußischen Offizieren und Militär-
beamten die folgenden Auszeichnungen verliehen und zwar: V..
vom Orden vom Zähringer Löwen: 1. das Ritterkreuz erster
Klasse rnit Eichenlaub: dem Jntendantur- und Geheimen Bau-
rat Bernhard Kalkhof bei der Jntendantur des 14. Armee-
korps; 2. das Ritterkreuz zweiter Klasse mit Eichenlaub: vem
Oberroßarzt a. D. Hermann Schröder in Rastatt; 3. das
Ritterkreuz zweiter Klasse dem Oberleutnant v. Damitz im
Jnfanterie-Regiment Graf Bose (1. Thüringischen) Nr. 31.
8. die silberne Verdienstmedaille: dem Magazin-Aufseher a. D.
Josef Klein in Iarlsruhe.

— Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog haben dem Hos-

chef des Prinzen Adolf zu Schaumburg-Lippe, Kammerherrtt
und Major a. D. Eduard b. Winsloe das Kommandeur--
kreuz zweiter Klasse mit Eichenlaub und dem Königlich Preutzi-
schen Hauptmann v. Wedel im Westfälischen Jäger-Bataillon
Nr. 7 das Ritterkreuz zweiter Klasse mit Eichenlaub des Or--
dens vom Zähringer Löwen verliehen.

— Seine Königliche Hoheit der Grotzherzog haben dem
Fürstlich Fürstenbergischen Geistlichen Rat Theodor Martitt
in Heiligenberg die Erlaubnis zur Annahme und zum Tragen
des ihm verliehenen Königlich Preutzischen Kronenordens 3-
Klasse erteilt, dem Postdirektor Karl Straub in Barr mit
Wirkung vom 1. Juli d. I. die Vorsteherstelle bei dem Post--
amte in Lörrach übertragen, sowie mit Wirkung vom 1. Aug.
d. I. dem charakterisierten Postinspektor Erwin Forstner in.
Mannheim unter Ernennung desselben zum Postdirektor die
erledigte Ortsaufsichtsbeamtenstelle bei Lem Postamte I in
Karlsruhe und dem Ober-Postpraktikanten Josef Schmid
bei der Kaiserlichen Ober-Postdirektion in Konstanz eine Kaf-
siererstelle bei dem Postamte I in Mannheim unter Verleihung
des Charakters als Postinspektor übertragen.

— Betriebsassistent Max Oehmke in Mannheim wurde
nach Lahr, Betriebsassistent Albert Krotzin Malsch nach Keht
versetzt.

— Fincmzassistent Otto Bühler in Hornberg wurde zum
Buchhalter daselbst und der dem Kontrollbureau des Grotzh.
Verwaltungshofs zur Dienstleistung beigegebcne Verwaltungs-
assistent Alois Scheu wurde zum Revidenten bei dieser Be--
hörde ernannt.

Karlsruhe, 29. Mai. Der Großherzog empfing
heute Vormittag 10 Uhr den Staatsminister von Brauev
zn einer Besprechung und nahm von 11 Uhr an den Vor-
trag des Finanzministers Dr. Buchenberger entgegew.
Nachmittags hörte der Großherzog die Vortväge des Ge°»
heimrats Dr. Frhrn. v. Babo und des Legationsrats Dr:.
Seyb.

Ausland.

Ocsterrcich-Nngarn.

Wien, 29. Mai. Die kroatischcn Reichsrats- und
Landtagsabgeordneten aus Dalmatien und Jstricn ver-
öffentlichen in den Blättern eine Bekanntmachung über
die Vorfälle in Kroatien. Sie erklären in ihr,
es stehe fest, daß in Kroatien und Slavonien
st a r k e U n z n f r i e d e n h e i t hecrsche, die sich an
verschied-enen Orten in so heftigen Kundgebungen Luft
gemacht, daß zur Niederhaltung der Unruhen die gesamte
Wehrmacht im Lande nicht ausreichte, vielmehr Trnppen
aus Oesterreich nnd Ungarn herbeigeholt werden mußten.
Solche Erregung könne nicht künsüich erzeugr werven,
sondern habe ihre Ursache in der traurigen Lage des Lan-
des. Jn Kroaticn walte Willkür, die Presse werde unter-
drückt, der Steuerd-ruck sei unerträglich. Ein Zehntel der
Kroaten befände sich jenseits des Ozeans. Die nationalen
Rechie der Kroaten würden verletzt. Die Be-kanntmachunK
drückt schließlich die Ueberzeugung aus, die jetzigen Er-
eignisse würden die über das Kroatenvolk verbreiteten Vor-
nrteile zerstreuen und ihm die Syinpathien der zivilisierten!
Welt crringen.

Rusiland.

Petersburg, 27. Mai. Der Korrespondent deir
Londoner „Times" in Petersburg ist aus Rußland a u s-

Rosegger über die Reformkleidrmg.

Er sagt es gerade aus: „W»nn sonst Schneider S-christ-
siEer geworden sind, weil ihnen die Feder handlicher
ichien als die Nadel, so müßten Schriftsteller jetzt Schnci-
werden, um auch mit Händen mitzutun, so wichtig
ll>äre die Einführung einer wahren Kleiderreform." Dieser
flusspruch findet sich in einem Aufsatze, den Peter Rosegger
^ der Juni-Nummer seines „Heimgarten" der Resorm-
üeidung widmet. Der steierische Poet, der ganz unum-
^unden die fachmännischen Erinnerungen aus seiner Ju-
3end und Lehrlingszeit zu Rate zieht — er war Schneider-
Ehrstng — will von der Rsformkleidnng nur dann etwas
^sssen, wenn es stch nicht um eine neue Mode, sondern um
^irkliche Hinkehr zum Zweckmäßigen und Praktischen
Mndelt. Und dann in diesem Zeitalter ohne Schnür-
^ust, ohne bazillenaufwirbelnde Schleppe, ohne zehen-
^drkrümmende, hühneraugenbefördernde Schuhe — Las
ll>äre eine Frende zu erleben! Aber zumeist spricht er von
Männern und deren Kleidung. Und da besorgt er,
Resormkleidung werde eine Uniformkleidung werden
psollen, eine Unisorm, die überall, wo sie auftritt, Jndi-
^ualität und Persönlichkeit verni-chtet. Denn eben der
^lciderzwang, der Modeterrorismus sei es, an dem man
^genwärtig leide und der durch eine freie, vernünftige
"cidung gebrochen werden sollte. Und so hält es Ro-
^gger für einen greisbaren und möglichen Erfolg d-er
^stiderbewegung, daß jeder sich kleiden darf, wie er will,
es seiner Gesundheit und Behaglich-keit entspricht, ohne

! in der „Gesellschaft unmöglich" zu sein. Und — unge-
sittete Leute, die sich lärmend und alarmierend tragen,
nimmt er von der Bild-ung aus —, wer zur heißen Som-
merszeit in Sandalen und nur in einem langen Linnen-
kleide durch die Straßen gehen will, den möge der Pöbel
unges-choren, und die Polizei unbelästigt lassen. Hat da
dem Peter Rosegger der Maler Diefenbach vorgeschwebt?
Ja, sagt ec weiter, die Freiheit müßte so weit gehen, daß
jemand ungeniert in Frack und Zylinder einherstolzieren
d-ürfte, ohne ausgelacht zu werden, sreilich nach Roseggers
Ansicht. Tie weiteste Konzession, die man einer Leibes-
tracht geslatten kann. Und schließlich vergönnt sich der
Er-Fachmann vom „Alpel" eine ganze Reihe positiver
Vorschläge: Reform bom Fuß 'bis zum Kopf! Stiefel mit
dicken Sohlen, meichem Ueberleder nnd Strupfenzügen,
Wadenstrümpfe aus grober Schafwolle, bis an die Knie
reichend, Weites Beinkleid ans Wolle, dessen Gürlel sich
über den Hüften leicht festhält, es reicht über die Kiiis
hinab, wo es leicht gebunden durch Gummi oder Hafteln
die Strümpfe hält. Nirgends durch festes Binden eine
Hemniung des Blntumlaufs. Das Beinkleid möglichst
ohne .Taschen. Das Hemd von weißer Seide, Kragen,
Brust und Manschetten also — ungestärkt. Weste aus
leichter Wolle, vorn bis hinauf geschlossen, sodaß vom
Hemdkragen nur der Rand hervorsteht. Halsbinde, Kra-
vatte und d-ergleichen überflüssig. Rock aus Tuch oder
Lodcn, mit zwei Seitentaschen und einer Brusttasche. Der
Rock ohne liegenden Kragen und ohne Brustflügel, viel-
mehr durch Beinknöpfe oder Stahlhafteln bis hinauf ver-

schließbar, die Aermel zi-emlich weit, aber vor dem Hand-
gelenke llerengt. Handschuhe nur, wenn es kalt ist, nnä
nicht Leder, sondern Wollhands-chuhe. Der Hut aus wei-
chem Filz und- mit nicht zu schmaler Krempe. Das würde
die männliche Reformkleidung nach Roseggers Sinn. Und
da er ein Poet ist, verlangt er noch ein Sträußchen oder
eine Feder für den Hut. Aber er findet keinen Schneider,
der ihm diese Kleidung beschafft, und er - so klagt er —
ist in seincm alten Handwerk ni-cht mehr so sattelfest, uin
zur Selbsthilfe zu schreiten.

Kieine Zeidiua-

— Hochschnlnachrichtcn. Wie das „Leipz. Tagebl." mel-
det, leistet Prof. Dr. jur. Rieker von der Universität
Leipzig d-em Ruf als o. Professor der Rechtswissen-
schaften an die Universität Erlangen im September Folgs.
— Wie die „Doss. Zig." mitteilt, treten an der Prager
deuts-chen Universität niit Ablauf des Sommersemesters
der Kunsthistoriker Professor A. Schulz nnd der Professor
der Pastoraltheologie Dr. Karl Elbl in den Ruhestand.

-— Dcr Snini. Aus Wien wird- berichtet: Jn der
gesirigen Festsitzung der Akademie der Wissenschaften er-
stattete der Orientalist Prof. Karabatschek Vericht
über die Ergebnisse der zweiten Reise des Palästinafor»
schers Musil und teilte mit, daß danach der gegenwär«
tige Berg Sinai nicht identisch ist init dem b i b --
lischen Berg Sinai.

Die heutige Nummer umfuVt drei Biätter, zusammen 14 Seiten
 
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