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Heidelberger Lokalanzeiger: Neuer Heidelberger Anzeiger (27) — 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.43807#0483

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— Sge Aglie mit Ausnahme der Sonn und Feiertage, |.
| AS Beilagen das „Heidelberger Volksblatt” und das 8feitige |
po Anftrierte Sonntagsblatt“, Preis ZO Pfg., mit den Bei |
Müttern 40 Bfa, Monatlich. Dur die Poft vierteljährlich
; be 1 ME, vodne BeiteNlgeld. ——







65
28. Jahrgang.
Drud und Verlag von G. Geifendürfer,
7 — Berantwortlieh: Dj, Geifendürfer,

Nr, 120. SE
Langjam aber jicher

— gehen die Wirren in China, die jeit längerer Zeit mehr
diplomatijcher als kriegeriſcher Natur ſind, ihrem Ende
htgegen. Es ift jeßt gerade ein VYahr her, als die
— ölbilifierte Welt durch die Machrichten von der Erhebung
© Boxer gegen die Fremden in Schrecken gefebt wurden.
nn auch ſchon im April v. X. einige Marmunachrichten
dus China zu uns gelangten, ſo kam doch die Erhebung
der Boxer erſt in der zweiten Hälfte des Mai zu vollem
usbruch. Bald folgte die Bedrohnng der Geſandten und
CT mit ihnen eingelchloffenen Fremden in Peking, wo am
7 Juni der deutſche Geſandte Frhr. v. Retteler ers
| Mordet wurde. Ant 18. uni wurden die Taku⸗Forts
2 den Deuiihen, Ruffen und Japanern geſtürmt und
N 18, Mugujt drangen die Verbündeten in Peking ein,
Wührend der chinefiſche Hof nad Singanfı flüchtete.
Wer hätte damals gedacht, daß die Wirren. in China
Noch dreiviertel Jahre ſpäter nicht endgiltig, beigelegt fein
urden? Und dabei ift die Widerftandstraft der Boxer
MNd der mit ihnen im Bunde ſtehenden chineſiſchen Trup⸗
Ben ganz erheblich überfchägt worden. Thatjächlich {ft mit
3 en Kümpfen in Tientſin und der Einnahme Pekings der
zu in größerem Stil beendigt gemejen.. Die Hinefijchen
uppen und die Borerbanden beſchräͤnkten {ich feitdem
* einen Kleinkrieg, bei dem die verſtreuten Truppen
mes ſtrategiſchen Zuſammenhangs entbehrten. ;
Die wiederholten Aufftände und Angriffe der Chinefen
































uber v Y. unter den Oberbefehl des Grafen Walderfee
Oeteliten, unterdeß auf eine ftattliche Zahl gebrachten ver-
" Truppen erforderlich, aber wenn auch manche
utigen Kämpfe erforderlich wurden, ſo wiirde doch von:

Chineſen nirgends ein nachhaltiger Widerſtand ge—
tt n Laufe diefes‘ Yahres ſchrumpfte dann der
Aa Mefilche Krieg zu einer Anzahl; Straferpeditionen zu—
Wen und die Wirren in China würden, nachdem die
war HandSteaft der Ehinefen derart gedämpft worden
"or längſt ihr Ende erreicht Haben, wenn nicht den
. Knefen tin mächtiger Bundesgenoffe erftanden wäre.

Die det Bundesgenoffe war die Uneinigfkeit der Mächte.



Tan Sefriedigung darüber, daß die Wirren in China
"a ihrem Ende entgegen gehen — denn chinamüde
4. Wir ja offen geftanden Alle! — fann uns nicht ver:



en chönfärberiſch zu vertuſchen, wie Ichlecht die Einig-
eet Muͤchte bon der noch nie fo viel die Rede ge⸗
em lt, mic im lebten Jahre, die Probe auf das
Mel beftanden hat. In der chineſiſchen Tragifomödie
die Kampfe der derbündeten Machte gegen einan









Berta ‚gegen die Chinefen, und menn jene Kämpfe der |
Auen beten gegen einander nur auf diplomatiſchem Gebiet
Befochten wurden, ſo gebührt das hauptſächlichſte Ver—








Hreitag, den 24. Mai


In der That kann nur Kurzſichtigkeit oder Uebelwollen
leugnen, daß Deutſchland bei der chineſiſchen Affäre, in
die es durch die Macht der Umſtände hineingezogen wor—
den iſt, alles in allem ſo gut abgeſchnitten hat, wie es
nach Sage der komplizierten Umftände eben zu erwarten
war. (Crit eine ſpätere unpartetijche Betrachtung wird
feſtſtellen können, wie viel die Thütiglfeit der dentfchen
Diplomatie in dieſem politiſch ſchweren Jahre zur Er—
haltung des Friedens beigetragen hat, der durch die ſelbſt—
ſüchtige Intereſſenpolitik einzelner der beteiligten Mächte,
ſo Rußlands und der Vereinigten Staaten von Amerika,
oft genug bedroht worden war. DO

Dieſe Uneinigkeit der Mächte iſt die Urſache, weßhalb
die chineſiſche Altion fich weit länger hHingezogen hat, als
man annehmen fonnte. Um fo erfrenlicher it CS, daß,
wie alles in der Welt, auch die hinefijche Affäre ich jet
anſchickt, ihr Ende zu finden. Die chineſiſche Regierung
‘hat {ich genötigt gefehen, in den Hanprpunkten den freilich
‚nach und nach ermäßigten Forderungen der Mächte nach
zugeben. Die Hauptichuldigen find beftraft worden, in
gewiſſem Sinne hat China dafür Bürgichaft leiſten müſſen,
daß fih Sreuel, wie die des Vorjahres, nicht wiederholen
werden, fo weit Hierliber eben überhaupt Bürgichaft ge—
leiftet werden kann. Und endlidh hat fich die chineſiſche
Regierung auch, zur Erftattung der von den Mächten
nominierten Kriegskoſten bereit erklärt.





endgiltige Regulierung der Zahlungsbedingungen und der
Garantien für die Erfüllung diefer Leiſtung Sobald
dieſe Frage geregelt iſt, was freilich noch einige Monate
dauern fan, wird der China-Krieg offiziell für beendet
erflärt werden und das Gros unſerer Truppen wird in
die Heimat zurücfehren können. Ob die hinefijche Frage
dann endgiltig erledigt fein wird, das ſteht auf einem an-
deren Blatt. Aber follte felbjt über Kurz oder lang hie
und da ein neuer Ausbruch des Fremdenhaffes erfolgen,
deſſen Niederſchlagung den Mächten obliegen wird, ſo darf
doch alles in allem angenommen werden, daß die Expe—
dition der Mächte einen Keil in das ſtarre Chineſenthum
getrieben hat und daß ſich die Verſchmelzung Chinas mit
der in einem ſchnelleren Tempo
vollziehen wird wie bisher. Kl
Deutſches Reich.
Karlsruhe, 23. Mai. Der Minifte Dr. BuchHen-
berger begiebt fih zur zollpolitijden Konferenz am
4. Yuni nach Berlin Sn
Baden-Baden, 23. Mat. Die Kaiferin begiebt {ich
heute Abend gegen 11 Uhr nach dem Bahnhof, wo zur
Verabſchiedung anweſend fein werden: Geheinmrat Hanpe,
Dberbürgermeifter Gönner und Kurdirektor Weber. Die








20 Pfg Solale Geſchaftzs— und Privat Anzeigen bedentend
ermäßigt. Reklamen 40 Pfg. Fuͤr Aufnahme von Anzeigen |
an beftimmten Tagen wird nicht garantiert. Gratisverbreitung

durch Saulenanſchlag.










1901.

ſerin begiebt ſich nach der Verabichiedung in den
Salonwagen und fährt mit dem Nachtjhnellzug gegen 2
Uhr von hier ab. .
. Ftalien

_ Rom, 23, Mai. Der Mörder des Königs
Humbert, Bresci, hat im Gefängnis Selbitmord
verübt. — Bresci war feit dem Strafantritt trübe ge
ftimmt; er [prach jedoch fehr gern. Als ihm Schweigen
anbefohlen wurde, erwiderte er; „Sie werden fehen, daß
mein Zag nicht mehr fern iſt und werden dann bedauern,
mich grob behandelt zu Haben.“





der vergangenen Woche verfuchte Brescis {ich auf einen
Wächter zu ftürzen. Darnach wurde er tobſüchtig und.

man legte ihın die Zwangsjade an. In den lesen Tagen
ſchien Bresei fich ganz geändert zu Haben. Er ſprach

nachzubrüten. In der vergangenen Macht jchnitt er aus
feinen, Beinkleidern vier Streifen und verfertigte daraus
ein Seil. Dies befeltigte er an der Dede und hing ſich
daran auf. Auf die Gefängniswand. ritte ev mit den
Fingernägeln das Wort Rache“ ein.
Kukland.
Petersburg, 23. Mat. Das Kaiferpaar und die
kaiſerliche Familie find geftern von Zarskoje Selo zum
Sommeraufenthalt Peter ho f übergeſidelt
Furker
Konftantinopel, 23. Mai. Da die verfchiedenen mit
dem Boftftreit zufammenhängenden Fragen befriedigend ge-
löſt ſind, Kann der ganze Streit als vollftändig beigelegt
betrachtet werden. Alle fremden Poftämter nehmen vom
23. Mat die vorfehriftsmäßige Beförderung der fremden
Briefſendungen.
Spanien, a
Barcelona, 23, Mai. DHente hielten die Republikaner
eine Berjammlung ab, mobei zwei Redner Heftige An- n
Iprachen hielten und das Volk aufforderten, Heute bei der
Verkündung des Ergebniffes der SGefjammtwahlen bewaffnet
zu erſcheinen Zahlreiche Rufe wurden laut: „E83 lebe
die Nepublick 1“ ——

Der ſüdafrikaniſche Krieg
Johannesburg, 23. Mai. Der frühere Präſident
Prätorius iſt am 19 Mai in Potſchefſtroom nach zwei
tägiger Krankheit geſtorben. Ueber 1000 Einwohner und
Flüchtlinge nahmen an dem Begräbniſſe teel
Kapſtadt, 22. Mai. Von allen Seiten gehen Nach—
richten ein, weldhe befagen, daß die Kommandos der Auf

Befehl erhielten, fih zu konzentrieren. Die Militärbe—
hörden find zwar darauf vorbereitet, daß Dewet mög-
licherweiſe beabſichtige, das Kommando über die konzen⸗





On der ruſſiſchen Geſellſchaft von €, Golowin.



ortfegung.) On
ſprich vernünftig!" unterbrach ihn Petja

)

Nun nun
„Sera ertwoiderte ihm, gerade Heraus, daß fie Niemand
nn „Oi heiraten und von dieſem Entſchluß nie
de
reudenſtrahl erhellte Betja’s Augen. Pawlik
e eedree 02022 e e
ae durde Heftig, und zwar in ſolchem Maße, daß
"Omen. Wera anſchrie Das iſt noch niemals vorge-
Und pficn „90 aber antwortete ihm gelaffen wie immer
ne Me Das machte ihn nur noch zorniger.“
norgen Bei un ich mich denn unter ſolchen Umſtänden
Vera Tan ſchadet Nichts! Du wirft gut empfangen werden!
Ginwiga ie dem Bater, ſie werde abwarten, bis er ſeine
gübe, aber fie müffe unbedingt mit Dir



ed es
Vet nn wathſender Erregung hatte ihm Petja zugehört.
Uhtren „.T Überzengt, daß das treue Mädchen ihm nicht
erden SR. 308 fie nad) wie vor feine Frau zu
| diere hloſſen fei, audy wenn {te noch Jahre hindurch
el warten müffe.

00 ut zu ſehr,“ unterbrach Pawlik






25






etwa, daß Papa nicht einwilligt, das Benehmen von Wera
ſelbſt will mir nicht gefallen. Sie ijft nicht mehr fo wie
Yeüher.“. . . :

klürt hat nur mid heiraten zu wollen...“
„Allerdings! Aber ich habe alles aufmerkſam beobachtet,
ie jaß da wie eine Berurteilte. Wenn Dur geſehen hätteſt,
wie bleich ſie war, al$ fie von der vermünfchten Spazier-
fahrt zurückkam! Etwas iſt bei ihr nicht in Ordming, aber
Gott weiß, was ihr im Herzen ſitzt! DS
Beide beobachteten während einige Augenblicke Still⸗
ſchweigen, welches endlich Pawlik mit den halblauten
Worten unterbrach: „Es iſt möglich, daß ich mich irre,
Petja, aber es ſcheint mir, als ob Wera ſich in Deinen.
Bruder verliebt hat.“ x
— Wieder entftand ein kurzes Schweigen, bis Pawlif
fortfuhr: „Was fie eigentlich Befonderes an ihm gefunden
hat, begreife ich wirklich nicht! Mir gefällt Dein Bruder
ganz und gar nicht! Sr ijft fo glatt und einfehmeichelnd.
SO dverfuchte, Wera meine Meinung über ihn zu Jagen.“
Pawlik verſtummt plötzlich N
Was erwiderte fie,“ fragte Betja eifrig.
„Micht ein Wort, Sie blickte mich nur mit derfelben
ruhigen, kalten traurigen Miene an, als wollte fie [agen,
ich hätte Fein Necht, über einen folchen Mann, wie Deinen
Bruder zu urteilen. Wern ift nicht wie die meiften anderen
Mädchen; glaube mir, fie opfert ſich auf; fie fchont ſich


das offene Fenſter
Regen riefelte herab.
Es iſt eine ſchlimme Geſchichte, Bruder,“ ſeufzte
„Nun lebe wohl! IH muß wieder nad Haufe.“
@,Leb’ wohl,“ erwiderte Petja einfach, ohne {ich zu
venen. Be . : ES

Die Nacht war düfter und ein feiner

finden wir noch viel Schönes in der Welt, die
bietet uns ja noch fo Vieles.“ ; ; :

„Sebe wohl,“ wiederholte Petja, und ohne aufzufehen,
reichte er dem Freund die Hand. /

Zukunft

auf und ab. Selten traf er bei feinen Plänen auf Hin-
dernifje, und diesmal hatte er am allerwenigften geg'aubt,
daß fein neueftes Projekt durch den Eigenfinn feiner Tochter

greifliche Weigerung, einen Mann zu heiraten, den fie
liebte On — —
Knjäſchitſch zweifelte nicht daran, daß Wera ſich auf—
opferte. Das war an ihren getrübten Augen Leicht zu


wahnſinnig.





timmung Das Schlimmſte iſt nicht



nicht wenn ſie der Anſicht iſt, daß die Pflicht etwas von
ihr fordere.” ; —

Er wiederholte ſich wohl zum Hundertften Male: „Sie
weigerte fich, den geliebten Mann zu heiraten, um dem










 
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