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Heidelberger Lokalanzeiger: Neuer Heidelberger Anzeiger (27) — 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.43807#0531

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Beilagen das „Heidelberger Volksblatt“ und das Sfeitige |
8 TE Somutagsblatt“. Preis 30 Pfg., mit den Bei-
ttern 40 Pfg. monatlich. Durch die Poſt vierteljährlich

— * Beſtellgeld



— —

















durch Saͤulenanſchlag.





Jahrgaug.
—IIIIIIII






Wortag den 10. Juni

erſrcanſn 19801.





Krirgsmüde.

Lügen Haben kürzere Beine als die englifdhen Soldaten,
wenn fie vor Dewets und Kruiginger’$ waderen Scharen
erſengeld geben. Die engliſche Berichterſtattung vom ſüd⸗
ar Tanifchen Kriegsſchauplatz bildet ein getreuecs Pendant


u der amerikanſſchen Berichterſtattung vom philippiniſchen
Kriegs; chauplatz Da wird jeder gefallene oder verwundete
Ur mit doppelter oder vierfacher Buchführung gebucht,
jede aufgefundene alte Flinte wird zu einem „genommenen

Affenarfenal“ erweitert, jeder taftijcdhe Rückzug der Buren
* und die taltiſchen Rüchüge ſind beim Guerillakrieg
länntlich die, ‚Seele von ’$ Gejchäft“ wird zu einem
Sieg der Engländer“ verarbeitet und nur die

Niederlagen der Engländer behandelt Lord Kitchener nach
em Molo: Diskretion iſt Ehrenſache!

Aber auch der ſtärkſte Geduldfaden iſt einmal ſo weit
Augeſpannt, daß er zu zerreißen droht. Die Mehrheit des
Moliichen Volkes hat endlich das Lügengewebe jatt, das
°C amtliche Rriegsberichterftattung über den ſüdafrikaniſchen
8 rieg gebreitet hat. Die engliſche Preſſe verlangt immer
urmiſcher die Wahrheit über Südafrika zu wiſſen, und
ieſem mmer ſtärker anwachſenden Unwillen gegenüber hat
* engliſche Kriegsamt ſich bereits zu der Erklärung ver⸗
Det gejehen, daß eS alle Nachrichten, die ihın von Lord
(chener zugegangen ſeien, rückhaltslos veröffentlicht habe.

das engliſche Kriegsamt recht, dann iſt feſtgeſtellt, daß


Denn daß die amtliche Berichterftattung gerade die




8 fürglich der von den Englaͤndern verſchwiegene Buren⸗

ſieg dei Kalfheuvel gezeigt.

® Se mehr aber der Maſſe des engliſchen Volkes die

— Lage der Dinge in Südafrifa. Har wird, defto

(Ontelfer verfliegt der von Chamberlain und SGenosjen fünft- |
angefachte Krlegsrauſch und deſto rapidere Fortſchritte


ehrheit des englifchen Volkes erfaßt hat. Kriegsmübde


erwandte in Südafrika gegen die gefährlichen Buren

N das noch gefährlichere Klima fämpften. Kriegemüde

A dann, als die Milliardenrechnung immer ungeheurer

Alt. Dr der betrübte englijche Steuerzahler. Kriegsmüde
0

Dee längſt das engliſche Heer ſelbſt und die häufigen
GEGEN und Rebellionen, das kampfloſe Waffenſtrecken
Nüber den Buren reden hier eine deutliche Sprache.


and Umhlich anch von der Angſt gepackt wird, daß Eng-
| Südafrika langſam verbluten könne.

1895 re Monate dauert bereits der (am 11. Oktober

usgebrochene) Krieg den de Engländer nach ihrer

Yiaen de Ankündigung in drei Monaten mit der völ- |

Et werfung der Buren beenden wollten. —




(ächlich aber ijt die Lage der Cugländer heute‘ Tehlimmer
als fie jemals im Laufe diefes Yahrıes war. Die eng:
liſche Armee iſt abgemattet nn zum großen Teil demo-
ralifiert und auf die Forderungen Kitchener$ nad) neuen
Verſtärkungen kann Salisbury mit dem klaſſiſchen Citat
antworten: „Kann id Armeen aus der Erde ſtampfen?“
Aber während die Engländer immer mißmutiger werden,
erheben die Huren immer kühner ihr Haupt. Und wie
viele von den wackeren Kämpen auch die Heimatliche Erde
mit ihrem Blute färben, aus den Stammesgenofjen in der
Kapkolonie erheben ſich immer neue Hilfstruppen, welche
die Lücken in den Burenſchaaren ausfüllen.

Wie lange noch wird das Morden in Südafrika
dauern? Wird es erſt ſein Ende nehmen, wenn der letzte
waffenfühige Bur ſich für Vaterland und Freiheit geopfert
hat, oder werden die militäriſchen Kräfte Englands früher

Stimmung in England ſcheint dieſer Hoffnung Raum zu
geben.
daß angeſehene engliſche Blätter es angeſichts der lebten
ſchweren Niederlagen der Engländer wagen fönnen, den
Augenblick als günſtig zu bezeichnen, um den Huren einen
ehrenvollen Frieden anzubieten.

In der That fheinen fih bemerkenswerte Dinge in
England vorzubereiten. Allem Anfchein nach iſt der Ein—
fluß des Kriegshetzers Chamberlain im Sinken begriffen
und Lord Kitchener ſoll des Oberbefehls müde fein.
Unter dieſen Umſtänden kann es nicht als ausgeſchloſſen
gelten, daß die Engländer den Buren über kurz oder lang
ganz andere Friedensbedingungen als bisher anbieten, da
fie allgemach an der Möglichkeit, dieſe freiheitliebenden
Männer jemals zu unterwerfen, verzweifeln EN
Jedenfalls iſt die Lage in Südafrika nicht derart,
man jegliche Hoffnung auf eine halbwegs günftige Wen-

Kriegstragödie aufgeben müßte.

Deutſches Reich.

B.N. Karlsrnhe, 9. Juni. Morgen begeben ſich der
Großherzog und die Großherzogin, einer Ein—
ladung des Kaiſer folgend nach Kiel, zur Taufe des
Linienſchiffes D, welche am 12. Juni ſtattfinden ſoll.
Auf Wunſch des Kaiſers wird die Großherzogin den Zauf-
akt vollziehen und der Großherzog die Taufrede halten.
Um 12. Abends gedenten die höchſten Herrfchaften zurüc-
zufehren.

Berlin, ‚8. Juni. Die Nordd Allgem. Big.” ſchreibt.
Nach unſeren Informationen werden die preußiſchen Staats»
bahnen, ſoweit es ſich bis jetzt überſehen läßt, auch für
das Etatsjahr 1900 günſtig abſchlie ßen Wir ſchätzen



Mark.

Berlin 8. Duni. Nach Mitteilungen 505 Kriegs









abteilung in Stärfe von 10 Offizieren und 559 Mann
die Heimreife nach Deutſchland auf dem Reichspoſtdampfer
„Hamburg“ am 8 Juni in Shanghai angetreten. Die
fahrplanmäßige Ankunfti in Bremerhafen erfolgt am 23. Juli.
Berlin, 8 Juni. Die Kreuzer Gefiion und Irene
treten anfangs Juli gemeinſam die Heimreiſe aus Oſt—
afien an. Der Kreuzer „Cormoran“ geht Mitte diefes


einer Straferpedition.

Berlin, 8. Suni.
litärwochenblatt“ veröffentlicht die Stellenbeſetzung für die
oſtaſiatiſche Beſatzungsbrigade. Die Brigade hat 3 In⸗
fanterleregimenter, 1Eskadron Jäger zu Pferde, eine Feldarz
tillerieabteilung eine Pionierkompagnie ‚eine Trainkom⸗
pagnie mit Pferdedepot, eine Santäls-Halbkompagnie, ein
Etappenkommando, zwei Feldlazarette. Kommandeur iſt
Generalmajor v. Rohrſcheidt, bisher Oberſt und Führer
des 3. Sſtaſiatiſchen Infanlerkeregiments; Regiments—
kommandeure ſind die Oberſten Graf Splippenbad, ee
v. Ledebur und Grüber

Frankreich.

Paris, 8. Juni. Aus Mlgier wird berichtet: Unter
den im hiefigen Gefängnis, unterbrachten 166 Arabern,
die an der Plünderung des Ortes Margueritte teilgenommen

hatten, brach eine Meuterei aus Das Militär ſtellte
die Ordnung wieder her, |
Paris 8. Juni. Die Toulouſer Polizei beſchlage
nahmte einen Wagen, in dem ſich die Bronzebeſtandteile


gramm befanden, die aus dem Arfenal geftohlen worden

waren.
Bronzeftücke von unbefannten Leuten gekauft zu haben, ft
Der VBorfall erregt großes Auff ſehen.

Rußland.
Petersburg, 8. Juni. Der Pariſer „Newyork Herald"


Nakırgebiete beftimmt, damit die rufjfifche Flotte in Oftafien


wieſen ſei.

Sofia, 8. uni. Nach einer Meldung des „Wiener


fprechen, der um die Bernehmung der in Haft befindlichen
Macedonter durch einen bulgarifjchen Richter erfuchte.
DT A

Der ſüdafrikaniſche Krieg.

Southampton, 8. Yunt.
Morgen mittels Dampfers hier ein.







Des Bruders Braut.
De aus der ruſſiſchen Geſellſchaft von C. Golowin,
62) enehmigung des Verfaſſers überſetzt von u Sauff. |

(Fortjegung.) ,

Gen Solin, das fagit Du? Befinne Dich doch“, rief die
alin ſchmerzerfüllt
An ih Dich gar nicht mehr ſehen darf, wenn ich
GB, daß Du glücklich biſt! Wen habe ich denn ſonſt


„Sieh doch, die Mutter weint“, rief Petja erſchüttert.

Schluiſt Dir Diy nice?“

. Mate Un, warum weint fie?“ war Wiewolods Kalte
früher, 6 Es thut mir leid, daß fie nicht mehr, wie
“jagen, ihre Gewalt über uns ausüben kann. — Sie








Sie lieben mid? — Das iſt eine ſchöne Liebe!
purn wir alles im Vaterhauſe erleben inüſſen, ich
Yebten Ha! Wie war unſere Kindheit? Mit dem Vater
der für ſie ſlets im Sireit, um jeden Kopeken zitterten Sie,
Petja oder für mich ausgegeben war! Hätte ich
tige EN verſtanden, mir ſelbſt meine Lebensweiſe einzu
ich wüßte überhaupt nicht, was Hungen) 8“
unterbrach) ihn Petja, wie kannſt Du
Cutter freche. Das iſt unwahr; für Dich war
Der $ zu tener!“
Ha Anblick der mütterlichen. Thränen erſchülterte





Aber feine Ein⸗


nahfäffionng

Sie Hütte die bitteren, ungerechten Worte ihres
Lieblings bertragen können; Petja's Intervention aber er⸗


wurden alsbald thränenleer

„Gut denn“, ſagte ſie in ſcharfem Ton und ihr Ge—
ſicht erblaßte, „ich habe alſo Deine Kindheit verkümmert,
ich war gegen Dich alſo karg und herzlos Schön! Nur,
jo fage ich Dir, Wiewolod: E$ wird mit Dir ein böfes
Ende nehmen. Wer mit feiner Mutter ſo verführt,
lacht kein ©lüc mehr!“

Im Vorzimmer ließ ſich ein Geräuſch hören.

Halten.

eintrat und lächelnd ihrem Mann die Stirn zum Kuſſe
‚bot.
Spitzen.

„Die Mutter ie hiern (Müllerte ihr Wſewolod zu,
und Wera trat ſchnell auf die jetzt erſt von ihr bemerkte

durch den Anblick des ſchönen lebensfrohen Geſichts und
der teuren Toilette noch mehr gereizt.
zurück, welche Wera ergriffen hatte, und wandte auch MW
Geſicht ab.




„Wozu ſolche gemathten Zurtlichkeiten e lehnte ſie in










ſcharfem Tone Es Tiebt. mic hier ja doch niemand ;


„Was ift Ihnen denn, Mama ?“ fragte Wera De
ſtaunt, und ſich fragend nach ihrem Gatten umfjehend..

in Kummer ſtürzen, wie er eS$ mit mir gethan hat.“

Stimme zitierte wieder vor Aufregung. „Was fiehft Du


mit Deinem Selde . .
Die junge Frau MM zuſammen, richtete ſich aber als⸗
hald ſtolz in ganzer Höhe auf.


nicht“, unterbrach fie gereizt die Schwiegermutter.


fein wird!”

Wera blickte wieder franend auf Wſewolod. Dieſer
verharrte im regungsloſen Schweigen.
„Dit wirft. auch noch über ihn weinen.

Dein Geld! So lange Du noch im Luxus lebſt und in
ſolchen Toiletten umherſpazierſt, mag es noch ſein. Aber


fömmen, daß er das Samilien-Crbgut verkaufen will!
Ya es thut mir ja leid um Oi wenn. U ‚u int












 
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