Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Lokalanzeiger: Neuer Heidelberger Anzeiger (27) — 1901

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.43807#0639

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext


















— re et 200110 mit Ausnahme der Sonh- und Feiertage.
18 Beilagen das „Heidelberger Volfsblatt“ und das Sfeitige
Aluſtrierte Sonntagsblatt· Preio 30 BPfg., mit den, Bei= |

blättern 10 Pfg. monatlich. Durch die Bofjt vierteljährlich

NE — 1 RE ohne Bejtelgetd. HE









28. Jahrgang.
Druck und Verlag von CE, Geifendörfer,
Berantwortlich: Uch. Geiſendörfer.








Anzeigen: die 1-{paltige Betitzeile“ oder deren Raum |
120 far. Sotale Geſchäfts— und Privat⸗Anzeigen bedentend
] ermäßigt. Neklamen 40 Pfg. Für Nifnahme von Anzeigen |.

an beitimmten Tagen wird nicht garantiert. Gratisberbreitung
— Air Säulenanfchlag. 1.









28, Jahrgange
—IOIII



Nr. 159.
Geſetze und Geſchäft.

Es iſt eine Thatſache, daß kaum in einem einzigen
anderen Lande ſo viele Geſetze beſchloſſen werden, wie im
Deutſchen Reiche, und ganz beſonders gilt das von den
Geſetzesbeſtimmungen für das praktiſche Leben Unſere
ſozialpolitiſche Geſetzgebung iſt außerordentlich ausgedehnt,
und ſolcher Leute, die ſie in allen Punkten ohne Weiteres
und ganz genau beherrſchen, dürften in unſerei Vaterlande
nicht viel zu finden ſein. Von Fachleuten iſt unſere gefeß-
geberiſche Arbeitsleiſtung oft genug ſtudiert und auch kritiſiert
und was dieſe in langen, gelehrten Abhandlungen darlegen,

Fernſprechanſchluß Nr. 621.






wie folgt, aus: „Alles mag gut gemeint fein, aber Vieles
hätte getroſt auf ſpäter verſchoben werden fönnen!“

Es iſt richtig, wir haben etwas zu viel Geſetze. Ein
Weniger hätte e8 auch gethan. Denn, Hand aufs Herz,
wer will behaupten, daß in allen gewerblichen. Betrieben
Deutichlands alle einfchlägigen Gefegesbeftimmungen haar⸗
ſcharf befolgt würden? Erſtens kann man alle dieſe Pa—
ragraphen unmöglich genau im Kopfe haben, und zweitens
iſt oft genug praktiſch nicht zu verwirklichen, was ſich ge⸗
druckt wunderſchön ausnimmt. Das hat man mehr als
einmal an oberſter Stelle auch ſelbſt eingeſehen und zu—
rückgenommen, was nur am grünen Tiſche, nicht aber
aus dem Arbeitsleben heraus erſchaut war. Es ſei nur
an die bekannte im Reichstage ziemlich allgemein. verur-
teilte Bäckereiverordnung erinnert, die eine Muſterleiſtung
dafür war, wie etwas. nicht fein foll. |

Befteht ein flotter Berdienft, dann wird über das Drum
und Dran, das unfjerem gewerblichen Leben anhaftet, noch |
gern fortgejehen; man Hat zu thun und Hält fich mit dem,
was man tragen muß, nicht weiter auf. Kommt aber

nicht wenige Betriebe hereingebrochen iſt, dann wird nicht
elten die Wohlthat Plage. Was hilft alles Gute und Schöne
Tür die Arbeiter, wenn der Unternehmer nichts zu thun hat? |
Alle die Unfojten, die aus Geſetzen und Beftimmungen
erwachſen machen ſich dann doppelt geltend, und mancher
fragt: Was hätte für die und die Ausgabe, die praktiſch
gar nicht notwendig war, alles gethan werden Können?
Indeſſen, was das Geſetz ſagt, ſoll doch thunlichſt befolgt
werden, mit den Nebengedanken muß inan ſich abfinden,
wenn nicht mit Hımor, dann. ohne den. KO
; Was wir Haben, werden wir behalten, der Hohe Reichs—
tag hält feine Weisheit für gar zu Koftbar, als daß er
lich gern axf prinzipielle Nenderungen einließe. Aber von
Seiten der Reichsregierung ſollte wenigſtens für die Zu
kunft richtiger gerechnet werden, das heißt nicht mit Idealen,
ſondern init den Thatſachen. Als der Reichstag den Neun
Uhr-Ladenſchluß der Geſchäfte beſchloß,
der Angeſtellten ſicher eine gute That begangen, aber nicht.
Im Onterefje der Heinen Gewerbetreibenden, die ihre Läden
— Allein beforgel. ARE

Des Bruders Braut
Roman aus der ruſſiſchen Geſellſchaft von C. Golowin.
Mit Genehmigung des Verfafſers Überfent von A. Hauff.
89) (Fortjegung.)
Alss ſie aus ihrem Zimmer wieder zu ihm ging, lag
MM ihren Augen nicht nur Verzeihung für ihn, ſondern
Such das Gefühl der Schuld ihn gegenüber. N
4, Seloft die Nachricht, welche ihr Vater brachte, übte |
feine erheblide Gegenwirkung auf fie.aus. Sie hatte in
Wſewolod den Glauben erwedt, daß -Knjäfchitich beim.
nterſuchungsrichter Alles beilegen, und Petſa am nächſten
Tage freigegeben werde. KU
Gebt erfuhr fie, daß ihres Vaters VBerfuch mißlungen |
„War, daß Petja vielleicht noch. lange die Schuld feines
Bruders zu fühnen Haben merde. Aber felbft bei dieſer
Nachticht regte ſich ihr früher ſo lebhaftes Rechtsgefühl
ur ſchwach und wurde bald gänzlich um Schweigen ge-
br acht. Sie ‘mußte, daß: es Wſewolods moraliſche Pflicht |
weſen wäre, ſogleich auf!s Gericht zu gehen, Alles offen
Anzugeſtehen und dem unſchuldig leidenden Bruder die
ÖTeiheit wieder zu verſchaffen Aber Wera Hatte nicht
e Kraft, ihn an dieſe Pflicht zu erinnern Eine Nach-
SBiebigfeit ihrer erfülafften. Willenskraft zog die andere
"A ; El zeg anden



Am anderen Tag war. Knjaſchuſch ſchon früh wieder
uf dem Gericht und ertrug mit ſtoiſcher Ruhe alle Un-
ee Omlichteiten der ihm fo ungewohnten Rolle eines Bitt-
















Donnerstag, den 11. Juli

Es laſſen ſich mancherlei ſolcher Fülle anführen, die
beweijen, daß ein Geſetz das für die Zeiten wirthaftlicher
Hochflut vortrefflichh paßt oder wenigjtens dann ſich nicht
drückend fühlbar macht, in den Zeiten des Niedergangs
und der Berdienſtloſigkeit zu einer Laſt wird. Ganz felbitz
verſtändlich kann ein Geſetz nicht ſo eingerichtet werden,
daß man dann und wann verſchiedene Paragraphen daraus
entfernen kann, das würde eine brave Konfuſion werden,
aber man kann ein ſolches Geſetz milder handhaben Das
Reich bezahlt die Ausfälle nicht wieder, die ein Bürger,
der feine Steuern pünktlich entrichten fol, von diefem ge-
ſetzgeberiſchen Uebereifer hat.

Man muß überhaupt konſtatieren, daß es den Herren
am grünen Tiſch, welche die Geſetze ausarbeiten und auch
die, welche ſie ſpäter beſchließen, wenig Neigung haben
fich in gewerbliche Berhältniffe, wie fie wirklich find, hin-
einzudenfen. Sie folgern: Der Mann hat ein Gejhäft,
folglich muß er Einnahmen haben, alfo muß er bezahlen
können, was wir ihm vorfchreiben. An fich ift das richtig!
Aber die Hauptſachen vergeſſen die Herren, nämlich, daß
es auch Ausgaben giebt. In ſolchen flauen Zeiten wie
den heutigen muß oft genug gearbeitet werden, um die
Kunden Beziehungen nur aufrecht zu Halten. Das Wort
bon dem „Arbeiten, nur um im Gefchäft zu bleiben,“
aljo ohne VBerdienft, iſt fein leerer Wahn.

Bor Allem aber eins: Behörden und Gefesgeber können
ſich ſchwer denken, daß es auch Taufende von mittleren
und kleineren Gewerbetreibenden geben foll, denen das
Geld nicht fo pünktlich, auf den Tag zufließt, wie ihnen.
Solche Veute giebt e$ aber reichlich, und wenn diefelben
mehr daran denken, wovon fie leben und wie fie am Wochen—
ſchluß ihre Leute bezahlen follen, fo ift das erflärlih; in
joldhen Stunden hat man gerade keine Begeifternng, {ich

Das Auge des Gejekes foll wachen, aber es foll fich auch
ſchließen können, wenn die Umftände darnach find.

Unſere Sozialgeſetzgebung ift ein ſtolzes Werk großen
Zuges, und darum darf es ſich ſchließlich nicht in Sack

Zeit nicht. Unſer Kaiſer hat neulich gemahnt, das Klein—
liche abzuwerfen, das dem Deutſchen anhaftet, auch unſer
Reichstag kann ſich das merken. Oder er muß noch etwas
Anderes thun, nämlſch, wenn er dem Bürger vorſchreibt,
was er thun und laſſen, wie er ſeinen Betrieb bis in alle
Einzelheiten hinein einrichten ſoll, dann ſoll er auch gleich
Checkbücher mit Anweiſungen auf die Reichskaſſe ausgeben,
damit der Bürger merkt: du haft etwas vom einigen
Vaterland! *

Deutſches Reich.
Schilingsfärft, 10. Kult. Die Leiche des Alt—
reichskanzlers Fürſten Hohenlohe ift heute Vor
mittag 10 Uhr in feierlichem Zuge hier eingebracht worden.

Nach langen vergeblichen Bemühungen um den Zutritt

Ihon am Tage vorher gemachten Einwürfe zu Überzeugen,
etwa wie ein unfjiherer Schüße feinen Patronen-Vorrat

duld zu entſprechen, erbot er {ich fogar, für Petja Kaution |
au hinterlegen. Trapezuntoff fand aber auch hier Schwierig
Teiten. —
Der frucht⸗ und endloſe Streit wurde durch den Ge—
richtsdiener mit der Meldung unterbrochen, daß eine junge
Dame hatnäckig darauf beſtände, den Unterſuchungsrichter
perſönlich zu ſprechen. |
Trapezuntoff's Geſicht verſinſterte ſich bei dieſer Mel—
dung. Er wußte aus Erfahrung, wie viel Geduld es er—
forderte, weibliche Bittfteller, befonders junge, anzuhören,
und als echter Puritaner Hatte er vor Damen im Al-
gemeinen Furcht und Widerwillen.
Entſchuldigen Sie mich“ wandte er ſich indeß zu
Knjäſchitſch, nachdem er ſich endlich entſchloſſen hatte, die
junge Dame zu empfangen, fei es auch nur, um fi von
der gegenwärtigen unbequemen und ausfichtslojen Unter-
Haltung zu befreien. ; A
Knjäſchitſch ging hinaus. In der Thüre des Bu—
reaus wäre er beinahe mit der angemeldeten jungen Dame
zuſammengeſtoßen, die ſich mit ſichllicher Ungeduld herein⸗
drängte. Kniäſchitſch erkannte in ihr, troß des dichten ihr
Geſicht verhüllenden Schleiers, zu ſeinem höchſten Er⸗









Iſ01.

Am Eingang des Ortes fand die Einſegnung durch den
katholiſchen Pfarrer ſtatt. Hinter dem Wagen ſchritten
die Kinder des Verblichenen, ſowie die nächften Verwandten.
Unter dem Geläute der Glocken bewegte ſich der Zug durch
Dort wurde die
Leiche feterlich aufgebahrt und ſodann eine Meſſe celebriert
Berlin, 10. Juli. Die „Nationalzeitung erfährt be—

Fernſprechanſchluß Nr. 621.






TI, Armeeforps am 18. d. M. in Oumbinnen beginnen,
Verhandlungsführer iſt der Oberkriegsgerichtsrat Meyer

aus Königsberg. € wird eine umfafjfende neme Zeugen⸗
vernehmung ſtattfinden, die auf mehrere Tage berechnt iſt.
Die alten Verteidiger ſind für die zweite Inſtanz nicht
von amtswegen beitellt, jondern als Wahlverteidiger zUge-
laſſen. Verteieiger von amtswegen find nicht beftellt.

Frankreich.

Paris 10. Juli. Nachdem das Komite des Bundes
der Bergarbeiter in der geſtrigen Sitzung den Beſchluß
des Kongreſſes erneuert hat, am 1 Ottober den allgemeinen
Ausſtand zu erklären, wenn die Regierung bis dahin nicht
die Forderungen der Bergarbeiter erfüllt habe, fand heute
eine zweite Sitzung ſtakt, an der Vertreter der verſchiedenen
Gewerkvereine auf Einladung des Komites feilnahınen. Die
Verſammlung nahm einen Befchluß an, in dem die Ueber
einſtimmung aller Arbeiter über die Nüblichkeit eines
allgemeinen Ausftandes der Bergwerksarbeiter feitgeftellt wird.

‚Spanien 7

Madrid, 10. Juli. Nach einer Depejhe des Prä—
feften aus Sevilla am e$ geftern Vormittag zwiſchen Aus
jtändigen und Arbeitswilligen zu einem Zufamanen-
itoß, wobei eine Berfon getötet wurde. Sa

Sevilla, 10. Iuli. Die Straßenunruhen dauerten
geitern den ganzen Tag fort. Ein Haufen Mufftändiger
ſchleuderte gegen einige Fabrikgebäude Steine.

gehoben. Truppen und Gendarmen halten in den Straßen
die Ordnung aufrecht. — An
. LAND
Petersburg, 10. Juli. Ein kaiſerlicher Ulas befiehlt
nunmehr die Einführung einer dreizölligen Schnellfeuer—
fanone für die gefamte ruffijche Feldartillerie. — Die
Hochzeit der Großfürſtin Olga Alerandrowna und


in Gatſchina gefeiert werden Am 1 Auguſt erfolgt die
MNoreije der Kaiferin-Mutter auf dem Seeweg nach
Kopenhagen, wo fie vermutlich bis ‚gegen Weihnachten zu







„Was willſt Du denn Hier?“ fragte er mit erfhrecter


halb in das Bureau zurück. IN allen Bewegungen Weras
lag etwas fieberhaft Aufgeregtes: DS —
Sie führen die Unterſuchung in der Sache
direft an Trapezuntoff, ohne die Anweſenheit ihres Vaters
zu beachten.

Jawohl, was wünſchen Sie, Madame?“

bald auf deren Vater. E8 fuhr ihm der Gedanke durch
den Kopf, ob fie etwa irrfinnig fet, in ſo fieberhaftem
Slanze {trahlten ihre Augen. Entfjest dachte er bei ſich
„Zeigt ſich etwa noch eine neue Phaſe in dieſer verwickel
ten Sejchichte?*
„Ich habe Ihnen eine wichtige Mitkeilung zu machen
fuhr Wera fort, ohne ſich zu feben und wie von einer
fremden Macht getrieben. 2
Erlauben Sien unterbrach ſie der Unterſuchungs
richter, „daß ich Sie darauf aufmerkjam mache, daß fich
hier Fremde befinden.“
„Dies ft mein Vater", erwiderte fie, ihren Kopf
kaum merklich zu Knjäſchitſch hinwendend Ich werde
in feiner Gegenwart {prechen; es ijt ihm ohnedies Alles
bekannt.“ NEM . ER
Knjäſchitſch konnte ſich von ſeinem Erſtaunen noch
immer nicht erholen. Bei den letzten Worten ſeiner
Tochter ahnte er etwas Schlimmes







 
Annotationen