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Heidelberger Lokalanzeiger: Neuer Heidelberger Anzeiger (27) — 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.43807#0499

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ilngen das „Getdelberger Volksblatt” und das s8ſeit
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ern "Big. monatlich. Dur e Boft vierteljährlich |
. ME, ohne Beftelgeld. .












— J
28. Jahrgang.
Druck und Verlag von G. Geiſendörfer.
Verantwortlich: Hy, Geifendürfer,

Deutſches Reich.
Geidelberg, 30. Mai.
Die China-Altion geht zu Ende, wie nun auch in
einem in unjerer legten Nummer mitgeteilten Telegramm
hefannt gegeben wird. Die Nachricht wird mit allgemeiner
Freude begrüßt worden fein, wenn auch in Oftafien nicht
alle8 fo gefommen ift, wie wohl erwartet wurde, Aber
der Haufteffekt ift doch erreicht, und foll die Einigkeit
unter den Möchten nicht ganz in die Brüche gehen, ſo
fonnte nicht wohl anderS gehandelt werden. Der Rückzug
der fremden Truppen erfolgt offenbar auf Orund einer
Verſländigung beſtimmten Juhalts unter den Negierungen,
denn aufgrund eines Borjdhlages des Reichskanzlers Grafen
Bülow, der in wiederholten Audienzen empfangen wurde,





deutſchen Oberkommandos in Tſchili und zur Verminde⸗
rung des Erpeditionskorps. Graf Walderſee und das
Gros unſerer Truppen, die allen an ſie herangetretenen
Aufgaben gewachſen waren, und waren dieſe nicht äußer⸗
lich glänzend, jo waren fie do hart, dürften alſo bis
zum Herbit etwa wieder in der Heimath ſein Bur Zeit
ftehen auf chinefijchem Boden etwa 22000 Mann deut
ſcher Truppen, von welchen etwa ein Viertel — alſo über
5000 Mann — in China bleiben werden, um unjere
Geſandtſchaft in Pecking und unſere deutſchen Landsleute
in anderen chineſiſchen Städten zu ſichern, etwa noch
rotzige Elemente zur Raiſon zu bringen und über die
Zahlung der uns zukommenden Kriegskoſtenentſchädigung,
bezüglich deren ja noch lange nicht alles glatt iſt, zu
wachen. Die Verteilung unſerer Truppen erſtreckt ſich

uf Nordchina, Peking und Tientſin, das Kiautſchougebiet,
von deſſen Pachtung“ wohl nicht mehr groß die Rede
— fein wird, und das noch immer recht unruhige Mangtſe⸗
debiet. Die Bewachnng der chineſiſchen Häfen unterliegt
— anferem jeweiligen Kreuzergeſchwader in Oſtaſien, die
Qulenſchiffsdiviſion kehrt nach Europa zurück. Er—
freulich Hingt auch die Meldung, daß der junge chine⸗
ſiſche Kaiſer nach definitivem Friedensſchluß nach Peking
uruckkehren will, ebenſo, daß der Prinz Zuan, der AUn-
| ftifter der Bekinger Greuel, der nach der Mongolei ge
flüchtet ift, {ich dort ruhig verhält. Hoffentlich bleibt er
het diefer Lobenswerten Sefiunung, und bleiben auch die










































Auſſchließung Chinas in leidlicher Berſtändigung Nach
Friedensfchluß wird noch ein kaiſerlich chineſiſcher Prinz
ſten Ranges an den deutſchen Kaiſerhof kommen, um die
offizielle Entſchuldigung Chinas wegen. Ermordung des
deutichen Gejandten in Peking zu überbringen. Chineſiſche
Kreiſe verſichern die baldige Rückkehr des Hofes nach
Peking beftimmt. Sehen wir zu! ;
= Berlin, 29. Mai. Der Katfjer, umgeben von den
Herren des Hauptquartiers und fremdherrlichen Offizieren,
darunter der franzöſiſche General Bonnal, beſichtigte

SDes Bruders Braut.
oman aus der ruſſiſchen Geſellſchaft von C. Golowin.
WMit Genehmigung des Verfaſſers überſetzt von A. Hauff.
54) 2 (Fortfegung,) DE
— „Sie hat. fi noch nicht ſehen laſſen erwiderte
Wſewolod, ſie ſieht gewöhnlich ſpät auf! Das iſt nun
einmal, wie Du weißt, Petersburger Sitte! Uebrigens
lam fie Heute erft um 4 Uhr morgens vom Ball.”
x „dahrt Yhr Häufig ans?" —
Nun ja, wir gehen zuweilen in Geſellſchaft.“
Wſewolod ging, wie es ſchien, raſch
VNun komme ins Kabinet.
Bei mir!“ 2 ;
ndtch Höre doch nicht?“ ; 0 ;
— wBewahre! Was fällt Dir ein? Mit den Leuten
brauche ich feine Umftände zu machen ! Da ift Moſchaisky!
Du erinnert Did doch noch feiner? ES ift immer noch
derjelbe Schwäger. Dann ift au der Sohn Rasme⸗
talsfi’s, Philipp, da. Uber vielleicht {ft c& Dir unange-
unehm, mit ihn zujammenzutreffen ?" 1
Warum nicht gar! Id habe jeit langer Zeit alles
vergeſſen, was wiſchen uns vorgefallen iſt.“
Um ſo beſſer! Dann iſt noch ein anderer Herr hier,
MArtemy Artemjewitich Desmontagnes.“ - !
| „Cin Sramoje?"

Bört; franzoſiſch ſpricht er ſchlecht, ſeine geſellſchaftliche
Stellung iſt ganz unklar; er zeigt ſich überall, auf der










Donnerstag, den 30. Mai

Gardeinfanteriebrigade auf dem Tempelhoferfelde.
An die Gefechtsübungen ſchloß ſich ein Parademarſch aller
beteiligten Truppenteile. Der Kaiſer kehrte an der Spitze
der Fahnenfompagnie mit zahlreichem Gefolge, darunter
die franzöſiſchen Offiziere, nad) der Stadt zurück, von der

Offizierkorps des 2. Garderegiments ein.

Berlin, 29. Mai Der „Reichsanzeiger“ veröffentlicht
das Geſeh betreffend den Verkehr mit Weinen, ſowie
mweinhaltigen und weinähnlichen Getränken. Das Geſetz
tritt am 1. Oftober 1901 in Kraft. ' .

Die Ermordung des RNittmeifters v Kroſigk
vor dem Kriegsgericht.

Gumbinnen, 29. Mai. Am Montag, den 21. Januar,
abends gegen 5 Ahr, war der Rittmeiſter und Chef der
4. Schwadron Dragonerregiments Nr. 11, v. Kroſigk,
ein Soͤhn des ehemaligen Kommandeurs des Leibgarde⸗
Huſarenregiments und ſpäteren Chefs des Militärreitinſtitut,
General der Kavallerie d. Kroſigk, in der Reitbahn meuch—
lings erſchoſſen worden, während er eben Reitübungen
machen ließ. Er hatte grade Eskadron kehrt!“ komman⸗
diert, als der Schuß fiel, der ihm durchs Herz ging.
Niemand hatte eine Ahnung davon, woher der Schuß ge
fommen, niemand den Mörder gefehen. Nad) langwierigen
Ermittelungen richtete ſich der Verdacht, den Mord be
gangen zu haben, [ohließlich gegen den Unteroffizier Mar -
ten, während die Unteroffiziere Haedel und Domnik
angeſchudigt wurden, ſich der Beihilfe bezw Begünſtigung
hinſichtlich dieſer That ſchuldig gemacht zu haben.
begann vor dem Kriegsgericht der 2. Diviſion die
Haͤuptverhandlung gegen die drei Angeklagten. Sie be:
fireiten Jämtlidy ihre Schuld. Das Kriegsgericht beſchloß
auf Antrag des Stantsanwalts, Sffentlich zu verhandeln
Und nur, ſobald die Charaklereigenſchaften v. Kroſigks und
ſein Verhältnis zu ſeinen Untergebenen zur Sprache kom⸗
men, die Oeffemlichkeit auszuſchließen

Frankreich,

Paris, 29. Mai. . €$ Heißt, daß der Minifjter des
Auswärtigen, Delcaffe, der geftern nad) Paris zurüc-

ordentlidhen maroffanifchen Geſandtſchaft von der voll—
jtändigen Erfüllung des laufenden franzöſiſchen Ultima⸗
tums abhängig macht. Der „SFigaro“ erklärt, der jüngſte
Zwiſchenfall habe die franzöſiſche Politik im Marokko ge⸗
kennzeichnett: „Frankreich wünſcht keine militäriſche Ope—
ration in Marokko, und es wird ſich zu einer ſolchen nur
in zwei Fällen entſchließen, wenn nämlich der Sultan von
Marokko ſich als ſchlechter Nachbar zeigt oder wenn irgend
eine europäiſche Macht beanſprucht, Frankreich in dieſem
Gebiete das Uebergewicht ſtreitig zu machen.“ Man wird

VBörfe, bei Aktien-Gefelljchaften und — denke Dir &


befommen.“

VBerwundert blidt Petja den Bruder an.
Wie? Spielſt Du etwa ſelbſt an der Börfe, Wolja?“
Nun, manchmal. Aber erſchreckt Dich das? Kann
man denn in unſerer Zeit anders? Yun komm nur,
komm.“ —

Er nahm den Bruder am Arm und führte ihn in
das „Kabinet“, ein großes Zimmer, deſſen Fußboden Mit
weichen Smyrna-Teppichen belegt war ; die Fenſter deſ⸗
ſelben gingen nach dem Hofe hinaus und waren von ſchwe⸗
ren Vorhängen verhüllt, jo daß das ganze Kabinet, unge—
| achtet feiner glänzenden Ausftattung ein finfteres, ernſtes
Ausfehen gewann. Ein ſchwerer Schreibtiſch ftand mitten
im Zimmer. Auf dem Kamin {tand neben anderen Koſt⸗
barkeiten eine große Bronze-Uhr, auf dem niedrigen run—
den Tiſchchen befand ſich eine prachtvolle Vaſe, welche
eine Unmenge von Vifitenkarten enthielt. Die Luft im
Kabinet war ſchwer und von Ledergeruch erfüllt, den die
koſtbaren Bezüge der Polſtermöbel ausſtrömten; ein ſchar⸗
fer Geruch von türkijchem Tabak vermifchte ſich damit.
Die ſchweren feidenen Vorhänge ließen nur ein gedämpftes
Licht ein.

Als die Brüder eintraten, ſaß Fürſt Moſchaisky ge—
rade eine Cigarette rauchend, rücklings auf einem Stuhl
und unterhielt die übrigen Gäfte in etwas gelangweiltem
Tone. Philipp Rasmelalski, ein junger Menſch mit ganz



1











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durch Sänlenanſchlag.













7 1901.

Sürkei.
Konſtantinopel, 29 Mai. Die Pforte richtete geſtern
an die Botfchafter von Defjterreich-Ungarn, England und
Frankreich eine Note;
Empfang der Note vom 20. Mai, durch die die drei Bot⸗
ſchafter von der befriedigenden Erklärung des Miniſters
des Aeußern betreffs des Poſtſtreites Kenntnis nehmen.
Die Pforte erklärt in ihrer geſtrigen Note, daß die Note
yom 20. Mai nicht fo gedeutet werden dürfe, als ob die


ung die Lage beiderfeit3 Diejelbe bleibe wie vor dem Aus-
bruch des Streites. Da die Pforte indeffen in ihrer
gejtrigen Note feine Anfpielungen macht, die den. Wert
der erwähnten Erklärungen Tewfiks — vers
möchten, bleibt der Poſtſtreit erledigt

Die Wirren in China.

Berlin, 29. Mai. Das Kriegsminiſterium teilt
mit: Dampfer „Wittekind“ mit dienſtunbrauchbaren Mann-
ſchaften des Expeditionskorps iſt auf der Reiſe nach Deutſchh
fand am 25. Mai in Colombo eingetroffen und. fährt
am 29. Mat weiter. OO A

Kiel, 29. Mai. Das Ariegsminifterium mieteie
den neuen Dampfer „Silvia“ der Humburg-Amerikas
Linie für den Rüctransport der deutſchen Truppen aus
China. |
Peking, 29. Mat.
Geſandte Giers erklärte,
in den engliſchen Vorſchläſgen vorgeſehenen gemiſchten
Kommiffion zuitimnme. Man glaubt, daß Rußland auch
dem engliſchen Vorſchlage bezüglich der Zahlung der Ent⸗
Die Frage der Aufhebung:
der Prüfungen ift geregelt. Die Doktoratsprüfungen in
Peking dürfen fortgeſetzt werden, aber nur für Kandidaten
aus den nichtſchuldigen Provinzen. ud 9

Shanghai, 29. Mai. Nach dem „Standard“ brachen
4000 Aufſtändiſche aus der Provinz Kweytſchuan ein, wo
ſie weithin Schrecken verbreiten. 3000 Mann aus Yızen-
nan follen auf dem Marfhe fein, um zu ihnen zu
ſtoßen. —

Die Times“ meldet: Der ruſſiſche
daß Rußland der Bildung der

Der ſüdafrikaniſche Krieg.
Brüſſel, 29. Mai. Nach einer Depeſche des „Petit
bleun aus Haag iſt dort eine amtliche Depeſche
eingegangen, welche einen bedeutenden Sieg der
Buren meldet. Am 2. d. M. jiegten die Buren unter
Kommandant Beyer und Breetenbach bei Kalkhenvel
im der Nähe von Prätoria über die Engländer, 49 Eng»
{änder wurden getötet, 159 verwundet und 60
gefangen genommen. Much wurden 6 Geſchütze
erbeutet. —





Der dritte
Bejucher, Desmontagnes, ſtand an den Schreibtiſch ge—
lehnt, auf den er ſich mit einer Hand ſtützte Desmon⸗


etwas ergrautem Schnurrbart und beweglichen liſtig
blickenden, kleinen Augen. Das Georgenkreuz verſchwand


weshalb.
Mein Bruder“, ſtellte Wſewolod dieſen ſeinen Gäẽ
{ten vor. ; N —

Moſchaisky begrüßte Petja ſogleich wie einen alten
Bekannten und fuhr dann unbeirrt in ſeiner Erzählung
von den liſtigen Anſchlägen eines Eiſenbahnkönigs fort—
deſſen Opfer die vielgeduldige Regierung geworden war.


tion, — was er wahrſcheinlich ſehr bedauerte — dafür
SAN verurteilte er, fremde Schliche ſtets mit jcharfer
unge.‘ — 2 2
Nun, wie iſt's“ fragte Moſchaisky, iſt es wahr
daß Sie zum Direktor der weſtöſtlichen Bank gewählt
werden ſollen ? Sie bewerben ſich darum — behauptet
man.” . ; | ; U
„SO bewerbe mich nie um etwas“, erwiderte Wiwes
lod, eine der auf dem Tijch liegenden Zeitungen ergreis
fend und nad) den Kursberichten juchend. — Bor ſeinen
Gäſten genierte er ſich anſcheinend nicht ſehr —
„Man wird Sie auf jeden Fall wählen‘, fiel Des⸗




montagnes eifrig ein. Wir haben Leute nötig, die ehr











 
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