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Heidelberger Lokalanzeiger: Neuer Heidelberger Anzeiger (27) — 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.43807#0811

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Gricheint täglich mit Ausnahme der Sonn- und Feiertage, |

908 Beilagen das „Heidelberger Bolfshlatt“ und das Sfeitige |

lluſtrierte Sonntagsblatt“. Preis 30 Wig., mit den Bei: |

Blättern 40 Pfg. monatlich. Durch die Pojt vierteljährlich
1 ME, ohne Beftekgeld.

















28. Jahrgang.
Drud und Verlag von G. Geiſendörfer.
Serantwortlich: Ich. Geifendürfer,









Anzeigen: die 1-jpaltige Petitzeile oder deren Kaum
20 ie Qokale Gefdhäfts- und Privat-Anzeigen bedeutend |
ermäßigt. Keklamen 40 Pfa. Für Aufnahme von Anzeigen |
an beitimmten Tagen mird nicht garantiert. Grattsverbreitung

durch Säulenanſchlag.












Nr. 202. Zernſprechanſchluß Nr. 621.





Freitag, den 30. Auguſt

Fernſprechanſchluß Rr. 621. 1901.



Deutſches Reich.

Die Generalkommiſſion der Gewerkſchaften Deutſch—
lands veröffentlicht ſoeben ihre alljährliche Statiſtik der
deutſchen Gewerkſchafften im Jahre 1900. Danach waren
im Jahre 1899 in 55 Centralverbänden 580 473 Perſonen
organiſiert, während die neueſte Statiſtik für 1900 von
680427 Mitgliedern berichtet die in. 58 Verbänden or-
ganifiert find. Seit 1898 läßt fich eine {tete Vermehrung
der weiblichen Mitglieder nachweijen, nämlich von 13481
auf 19280 bezw. 22844 im Berichtsjahre. Bon den
einzelnen Central-Verbänden Hat der Metallarbeiter-Ber-
band als erfter und einziger die Zahl von 100000 übers
ſchritten; er zählt 100762 Mitglieder. Ihm folgen die
Verbände der VManrer mit 82964, Holzarbeiter 73872,
Bergarbeiter 36 420 11. f. w. Die KHNeinften find die der
Maffeure 279, Meijder 254, Gärtner 348, Formitecher
384 u. f. 7. Die Einnahmen der gefamten Centralverbänden

= ftieg im Jahre 1900 gegen das Vorjahr um fajt 2 Mill.
Mark und erreichten die Höhe von 9454074 ME. Die
Öefamtaugsgaben betrugen im Berichtsjahre 8088021 ME.
gegen 6450876 ME im Jahre 1899. Am Schluffe des
Yahres verfügten die Berbände über einen Kaſſenbeſtand
von insgejammt 7745901,87 Mif., movon nahezu die
Hälfte nämlich 3,7 Millionen Mark, auf die Buchdrucker
entfielen. Eine Geſamtüberſicht ſämtlicher organiſierter
Arbeiter Deutſchlands enthält folgende Zahlen: Gewerk—
{chaftliche Centralverbände 650427 6885 Ct.), lokale
Vereine 9860 (1,01 pCt), Hirſch-Dunckerſche Gewerkver⸗
vereine 91661 (0,20 pEt.), Oriftliighe Gewerkſchaften
159770 (16,05 p@t.), unabhängige Vereine 53 713 (5,39
— pet); das ergiebt insgelamt 995435 organifierte Arbeiter.
England,

Qondon, 29. Aug. Inu Peking traf von Prinz Zi hun
tin Telegramm ein, welches bejagt, die deutidhe Regierung
= Dderlange, daß der Prinz vor Kaifer Wilhelm
drei Verbenugungen mache und daß fein Legations—
) fefretär und jeine Unkergebenen ſich vor dem
WMonarchen hinwerfen ſollen. Die chineſiſchen Bevoll⸗

mächtigen appellierten an den deutſchen Geſandten
um Herbeiführung einer Abänderung der Zeremonie
Herr v. Mumm hat die jedoch abgelehnt.
Spanien,
Madrid, 29. Aug. In Laufe der Uebungen in den
ſpanniſchen Gewäſſern war ein engliſches Torpedo am
Strande von La Linea (Prov. Cadiz) aufgelanfen. CEng-
ſche Seeleute eilten herbei, um den Torpedo zu heben,
— fie wurden aber von ſpanniſchen Soldaten gehindert. Die
Erngländer kamen nun in größerer Zahl herbei und hoben
ben Torpedo trog des Einjpruchs der [pannijchen Soldaten.
Der Zwiſchenfall wird hier lebhaft beſprochen

2 Mußland.
Petersburg, 29. Aug. Die „Nowofti" weiſt auf die





unzweifelhafte Annäherung hin, die im letzten Jahrzehnt
zwiſchen Frankre ich und Deutſchland ſich vollzogen
habe. Man müſſe die Annäherung bei Beurteilung der
augenblicklichen Lage in Europa und der bevorſtehenden
Zuſammenkünfte berückſichtigen Die Lage ſei in hohem
Grade erfreulich. Rußland, Deutſchland und Frankreich
wünſchten alle drei den Frieden, der auf Beibehaltung des
status quo und auf Achtung der gegenfeitigen Intereſſen
{iQ gründe. Der „Graſhdanin“ ſchreibt, die Nachricht
von der Reiſe des Kaiſers nach Frankreich ſei nicht nur
wichtig, ſondern auch hoch erfreulich, weil dieſes Ereignis
mit der Reiſe des Kaiſers nach Danzig im Zuſammenhang
ſtehe Der Kaifer habe zeigen wollen, daß er den dratitios
nellen Banden der Freundfchaft, die das ruffijche Herrfcher-
Hans mit den Haufe Hohenzollern verbinde, trem fei, eben-
ſo treu aber auch jenem neuen Vermächtnis das die Freund-
ſchaft zwiſchen dem franzöſiſchen und dem ruſſiſchen Volke
geſchaffen habe
China,

Peking, 29. Aug. Die Geſandten beſchloſſen wie
das Bureau Reuter meldet, das Edikt, das die Waffen—
einfuhr verbietet, anzunehmen, mit Ausnahme des 81,
gegen den Einſpruch erhoben werden wird. Wie verlautet
ſoll der britiſche Geſandte den Antrag geſtellt haben, das
Edikt den chineſiſchen Vertretern als nicht zufriedenſtellend
zurückzugeben. Der Vorſchlag wurde abgelehnt.

2—

Der ſüdafrikaniſche Krieg.
London, 29. Aug. Nach einer Laffan Meldung
aus Prätoria vom 28. d. M. hat General French jetzt
hinter jedem in der Kapkolonie operierenden Kommando
eine Kolonne. Nur einige kleine Abteilungen im Bezirk
Kenhardt ſind noch unberfolgt, doch iſt gegen dieſe eben—
falls eine Abteilung geſandt worden. Oberſt Beatſon treibt

Scheepers Kommando nordwärts von Willowmore

London, 29. Aug. Hier eingetroffene Privatnach⸗
richten ſtellen die Verkündigung des Belagerungs—
zuſtandes in Kapſtadt und in den Hafenſtädten als
beborſtehend hin. Die Handelskammer von Kapſtadt hat
ſich zwar ſehr entſchieden gegen dieſe Maßregel ausge—
ſprochen, doch glaubt man, daß ſie nicht zu vermeiden
ſein wird. Thatſächlich lauten die Nachrichten aus
der Kapkolonie recht ungünſtig, was auch in der
Preſſe des Kaplandes zugegeben wird. Der Bezirk Frazer—
burg ſteht in offenem Aufruhr und wird von zahlreichen




iſt unterbrochen, Hunderte von Kolonialrebellen ſchließen


der auf ſeiner Farm polizeilich überwacht wird, auch alle
anderen Führer der Afrikander verhaftet werden ſollen



Vermiſchte Nachrichten.

Neckarſteinach, 28. Aug. [Gemeinderatswahl.]
Bei der heute vorgenommenen Gemeinderatswahl entfielen
von 96 abgegebenen Stimmen SO auf oh. Ulmer IL,
76 auf Georg Jlzenhöfer, 73 auf &. X. Schmitt V.
und 72 auf Philip Schmitt I. Im Ganzen waren
19 Gegenfandrdaten aufgeftellt. Die Gewühlten gehörten
ſeither dem Gemeindekollegium an und iſt das ſchöne Er—
gebnis ſicher ein Beweis des Vertrauens, das die Ge—
wählten bei der hieſigen Bürgerſchaft genießen.

CO Mannheim, 29. Aug. Auf der General—
verfämmlung deutſcher Katholiken] in Osnabrück
wurde unſere Stadt als Ort der nächſten GeneralverJamm-
lung gewählt —

CO Mannheim, 29. Aug. [Verfhiedenes.] Wegen
Verdachts der Blutfchande wurden zwei Perjonen (Mutter
und Sohn) aus Neckaramn verhaftet. — Die am 28. d. M.
unterhalb der Friedrichsbrüce am rechten NMeckarufer ge—
fändete Leiche mit zufammengebnndenen Händen wurde als
die des feit 24. d. M. vermißten Ledigen SoOHloffers Karl.
Anton Helbitern von Horb (Württ.) erkannt. Zweifel⸗
los liegt hier Selbſtmord vor, der Verlebte foll kurz vor
feinem Berfchwinden Spuren von Schwermut gezeigt haben.

B.N. Qörrad), 29. Aug. [Seines Amtes ent-
hoben.] Der Direktor der hief. Filiale des Schwarz—
wälder Bankvereins of. Gräffer wurde feines Amtes.


Herr mit dem Geld der Bank Privatjpekulationen betrieben
hat. Grüſſer ſtellte ſich freiwillig der Staatsanwaltihaft..
Die der Bank dadurch entſtandenen Verluſte werden zum
Teil von Verwandten gedeckt ———

“B.N. rad, 29. ug. [Verhaftet.] Der von
hief. Amtsgericht ſteckbrieflich wegen Urkundenfäljchung und
Betrugs verfolgte Kaufmann Joſ. Käufer von Etiten-
Heim murde in Bafel verhaftet und jieht nun feiner Aus:


St. Blaſien, 27. Aug. Faſtnacht im Sommer
Unſere Kurgäſte verſtehen es ſehr wohl, ſich Unterhaltung
zu bverfchaffen. Am Samstag Abend veranjtalteten fie im
Kurhaus „Fafjtnacdht im Sommer.“ Bereits um 7 Uhr
begannen {ich die Säle mit Masten und Schauluſtigen
zu füllen, jo daß bald die Räumlichkeiten zu Mein waren,
um die Gäſte faſſen zu fönnen. Befjonders {tarf war der
„Bad. Landesztg.“ zufolge das jhMöne Gefchlecht vertreten
und muß man fichh nur wundern, wie die. Damen in der
Kürze der Zeit die reizenden Koſtüme beſchaffen konnten
Da ſah man u. A. Ruſſinnen, Schwedinnen, eine zierliche
Chineſin, reizende Geſtalten in verſchiedenen Schwarzwälder
Trachten, fenrige Zigeunerinnen und liebliche Weſen in
Phantaſiekoſtümen. Auch die Herrenwelt hatte ihr Mög-
lichſtes gethan, das Bild zu beleben und fogar die Nieds
lichen Sprößlinge verſchiedener Familien ftolzierten in den
erjten Stunden mit eleganter Sicherheit. in reizenden








Aug' um Auge, Zahn um Zahn.
MNeoman von Karl Eden.
35) > [Machdruck verboten.)
(Fortſetzung.) DE
Graf Boriskow ſandte ſofort die läſtigen Poliziſten
ort und nahm ſeinen Aufenthalt im Hauſe, angeblich um
eine Pflichten als Verwalter zu erfüllen, wozu er ohne
Schwierigkeit ernannt morden war. Janina war feine
Nöhe außerordentlich widerlich, aber die Fürftin fand
_ Stoßen Troft darin und äußerte ihre Entrüſtung über Ja—
ninas Kälte gegen ſeinen ſo liebenswürdigen und guther-
digen Beſchützer ı
Anfſangs behandelte Bodiskow Janina mit ausgeſuchter
Höflichkeit in der Hoffnung, dadurch ihren Widerwillen in
Achtung zu verwandeln, aber als dies bergeblich war, ver—
umte er keine Gelegenheit, Janina in einer Weiſe den
Hof zu machen, wie ſie ſeiner gemeinen und brutalen Na-
tür entjprach. Einige Tage lang fühlte ſich Janina durch
eine Verfolgungen fehr unglücklich, und war beinahe zur
En Flucht entſchloſſen, um feiner Zudringlichkeit zu entgehen.
— Die Fürftin Hatte er zu feiner Vertranten gemacht; fie
— glaubte unbedingt allen feinen, für den Fürften gefahrvollen
x Andeutungen, die er ihr zuflüfterte, und den Anſpielungen
Auf fommendes Ungemach, das er alleit abzuwenden im-
Stande fei. Um fih einen fo mächtigen Freund geneigt zu
_ Machen, unterftüßte ihn die Fürftin in feinen Bemühungen,









ine günftige Stimmung für fid bet Janina hervorzu-
ufen. Janina ſah ein, daß ihre einzige Sicherheit darin




lag, das Land ſobald als möglich zu verlaſſen. Als Kind
hatte fie einige Monate in Bern zugebracht und erinnerte
{ih gerne der fhönen Hauptftadt der Schweiz; dort we-
nigftens war fie befreit von feiner Gegenwart. Zuvor
aber mußte fie fich mit Georg beraten, und Hier ftand fie
wieder vor einer neuen Schwierigkeit, denn fie wußte, daß
jeder. Brief, den ſie ſchrieb, geöffnet wurde. Plötzlich ev-
innerte ſie ſich Middletons, und nach einer Stunde hatte
Donnington ein Telegramm in Händen, das nur vier
Worte enthielt. „Komm, Du biſt nötig! Janina.“

Das Mittagsmahl war vorüber: die Damen hatten


blieb allein bei Wein und Cigarren. Seine Stimmung
ſchien nicht fehr Heiter zu fein, und er blies große Rauch
wolfen fait zornig hervor. . 7
„Freche, Heine, polnijdhe Hexe!“ murmelte er, nach-
dem er nahezu ein Walferglas voll Cognac geleert hatte.
„Sie wagt es, mich abzuweiſen und mir zu trotzen! Aber
fie wird bald erfahren, mit mem ſie es zu thun hat. Es
würde mir nicht viel Mühe Koften, fe nach Sibirien zu
ſenden, um ihre niedlichen kleinen Füßchen abzukühlen;
aber das würde mir nicht aus meiner jetzigen Verlegen—
heit helfen. Baranows Wechfel muß in Zehn Tagen ein—
gelöft fein, Jonft bin ic ruiniert. Der Teufel ſoll Schlumm
Holen, der mir die zehntauſend Rubel in dem Augenblick


ſein, der mich überredete, mein Glück mit den Karten noch



einmal zu verfuchen! Alles ijt fort, die ganze Summe,
die mich befreit hätte, iſt verſchwunden, und dieſes Mäd
chen, das mich retten könnte, will mich nicht einmal an
Hören, was fie doch als eine Ehre betrachten müßte. Aber
jie Joll mir nicht entfommen !“ ES
Wieder füllte er ſein Glas und leerte es, und dann
wandte er ſich mit etwas unſicheren Schritten nach dem
kleinen Salon, in welchem die Damen gewöhnlich den
Abend Zubrachten. Ve
Sanina faß nachdenklich am offenen Fenfter, als ihr
Verfolger eintrat. Nur felten verließ er den Zijh zu {0
früher Stunde, und fie erwartete ihn nod) keineswegs,
fonft wäre fie nicht allein in dem Zimmer geblieben, das
die Fürftin menige Augenblide zuvor verlaffen Hatte. Ihr
Schrecken über die Situation, in der fie fich befand,
wuchs noch mehr, als fie das rote Geficht Bodiskows jah,
während er mit fchwerer Zunge begann: Aa
„Endlich alſo Habe ich Sie allein gefangen, Comteß-
hen! Heute Nachmittag find Sie mir zweimal entfom-
men, aber jet habe ich Sie ficher; eS wird uns niemand
unterbrechen, während id) meinen Siebesjchmerz in Ihr
niedliches Oehrchen flüſtere
Cr ſtand vor ihr; ſie hatte ſich erhoben und blickte
ihn mutig an, während er mit trunfener Dreiftigkeit ihr
ins Geſicht ſtarrte. —— VW SE
„Nein, rennen Sie nicht weg“, ſagte er mit Heiferer
Stimme, indem er feine Arme um fie legte, als fie an
ihm vorüber gehen. wollte... „SS kommt felten vor, daß
wir allein beifammen find.“ Sin Blid der Verachtung

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