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Heidelberger Lokalanzeiger: Neuer Heidelberger Anzeiger (27) — 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.43807#0707

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Ericheint täglich mit Ausnahme der Somi- und Feiertage.”

Als Beilagen das „Heidelberger Volksblatt“ und das Steitige

Arrer Sonntagsblatt“ Preis 30 Pfg., mit den Heiz

lättern 40 Big, monatlidh. Durch die oft vierteljährlich
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28. Jahrgang.
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_ Verantwortlid: Hıdy, Geifendärfer,







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durch Säulenanſchlag.
















Nr. 176. Feruſprechanſchluß Nr. 621.


Mittworh, den 31. Juli

Ferajpreianidlnf Nr, 621. 1901,















































Der Entwurf eines neuen dolltarifs

iſt nun bekannt. Das Schweigen iſt gebrochen worden
und die Regierung konnte nicht anders, als den bisher
geheim gehaltenen Geſetzentwurf preiszugeben. Etwas
wirklich Ueberraſchendes konnte nach den letzten, augenſchein⸗
lich auf authentildhen Grundlagen beruhenden Enthüllungen
nicht mehr ermartet werden, es iſt daher. auch ausgeblieben.

kannt gegeben ward, daß die Zujtimmung des Reichstags
Zu "einer jeden einzelnen Tarifpofition erforderlich iſt, und

und geändert werden wird, felbitverftändlich. ftets unter
der verfaſſungsmäßig erforderderlichen Zuſtimmung von
Bundesrat und Reichstag. Aljo fo, wie fich der neue Zoll-
tarif in diefer Stunde präjentiert, bleibt er nicht, vorſchlagen
und ablaflen gehört zu manchem SGejchäft, und jedenfalls
Zum Mbichluß von Handelsverträgen. .
Wir wollen heute an diejer Stelle davon abjehen, uns
die Köpfe der Neichstagesabhgeordneten Über den größeren
Dder geringeren Nuken der einzelnen Beſtimmungen zu
rbrechen; jeder praktiſche Gewerbetreibende wird ohne
Weiteres hier und dort Bemerkungen zu den Zollvorjchlägen
Machen fönnen, joweit die Tegteren feinen Intereſſen dienen
Oder ihnen mideriprechen. Wir wollen nur feitjtellen, daß
man über eines {id) freuen fann, nämlich davitber, daß
hun endlich einmal Klarheit gegeben ift, wie fi in großen
Umriffen die Hinftige Wirtjhaftspolitit des Reiches dar—

Sandel und Wandel. 7

Und wir gebrauchen dringend, aber auch ganz dringend
fine beifere Gejchäftszeit. Bielen großen und feinen Ge—
imäften {tot nicht allein der zur allgemeinen Dedung der

rmöglihenden Gewinns notwendige flotte Abſatz fie haben
Hoch dazu mandherlei in der Zeit der Hohen Konjunktur
Auer eingefaufte Rohmaterialien auf dem Halje, die nur
Mit erheblidjem Berluft verarbeitet werden Können. Bei
gem Abſatz kommt man {fchließlich darüber fort, aber
ct in Zeiten wie der Heutigen, wo für vele Branchen
es in wahrem Schneckentempo vorangeht. —
Die großen Finanzgeſchäfte haben zu wiederholten—
alen prophezeit, wann eine allgemeine Wendung zum

uſcht, ſie laſſen darum das Vorherſagen lieber ſein Die
a, wenn daraus Einer eine wirkliche Beſſerung der ge—

arten. Bor der Hand iſt in China noch fein Geld
üſſig und anf Kredit wird dort nicht geliefert,












tem Geſchäftsintereſſe nach fich ziehen kann.

€ wird nicht an Leuten fehlen, die jagen: Mit der
Bekanntgabe des Zolltarifs geht num erft recht das Ver»
trauen verloren! Wir glauben das nicht. Schlimmer
wie die Dinge lagen, fonuten fie nicht fommen, jebt, wo
Viele den neuen Tarif in Grund und Boden Fritifieren,
jind doch auch Viele Letdkich zufrieden. Und Haben die
erſteren keine Kourage, {0° werden doch die letzteren wieder
anfangen, ſich aufzurichten (Eins zieht das Andere nach
ſich, auch der größte Trübſalbläſer beſinnt {ich
Beſſeren wenn er anderswo Schneid erkennt.

Unſere deutſche Geſchäftswelt und das große Publikum,
ſo ſchwere Wunden ihnen auch geſchlagen worden ſind
können doch unmöglich darauf warten, daß ihnen ein
Soldregen vom Himmel herab auf die Köpfe riejelt. Der





quelle von Seiten der Hohen Finanz ft nur gegen ge-
nügende Sicherheiten, Zinfen und Provifion zu erwarten.
Dafür find aber die Zeiten nicht recht geeignet, Kein
fremdes Geld, lieber ſich beſcheiden, aber ſich auf ſich
ſelbſt beſinnen. Dreht ſich die Geſchäftsmaſchine erſt mal
wieder langſam, dann funktionierl ſie auch wieder ſchneller,
wenn etwas nachgeholfen wird.
Es wird ſich Feder hüten, zu jagen, daß
wieder gute Zeiten Haben, zumal die Ernteausfichten ſo
wenig erfreulich find, man wird Jich ſehr nach der Decke
ſtrecken müſſen, aber tiefer herunter kann Mitteljtand und
Nährſtand nicht gut kommen. Und weil es einen feſten
Stillſtand weder oben noch unten giebt, ſo denken wir
doch, wollen es wenigſtens hoffen, daß wir auf dem Wege
ſind, doch wieder ein bischen nach oben zu kommen. Die
Bekanntgabe des neuen Zolltarifes trägt zu dem Empor—
ſteigen inſofern bei, als man weiß, woran man iſt. Man
kann ſich einrichten, man kann wieder für die Zukunft zu
rechnen beginnen. Freilich kann falſch gerechnet werden,
aber die bitteren Erfahrungen des letzten Jahres warnen
ſchon vor einer überſchwenglichen Auffaſſung
Im Geſchäft nur Optimiſt ſein zu wollen, kann unter
Umſtänden auf Leichtſinn oder Spekulation hinauslaufen.
Aber Peſſimiſt zu fein, läßt leicht auf Mangel an Cnergie
oder auf Verftellung fchließen. Hoffen wir einmal ordent-
lich! Das Koftet noch nicht@, und die frijche energiſche
Erwartung ſteckt ja erfreulicherweife auch an.

Dentiehes Reich.

Berlin, 30. Juli. Den Abendblättern zufolge beför-
derte der Kaiſer ſämtliche im Vorjahr in der Gejand-
ſchaft zu Peking eingeſchloſſen geweſenen Mannſchaften

übergetretenen Mannſchaften.
Helgoland, 30. Juli. Der Reichskanzler Graf





oman von Karl Chen.
U Nachdruck verboten
GSortſetzung)
= Gin Wolf im Shafspels.
GSeiftig und körperlich geftärft widmete ſich Georg nad)
r Rückkehr mit neuem Eifer den Gejchäften, und ſelbſt
© ruffifjchen Zeitwörter erfjchienen ihm nad) dem Heiteren
daufenthalt weniger ſchwierig Jeden Abend widmete
ich diejer Sprache und endlich erhielt er ſich mit den
hfangsgründen vertraut genug, um von Coventry’s An-
bieten Gebrauch zu machen und den polnijchen Flüchtling

Ang’ um Auge, Zahn um Zahn.



















notwendig, Kouget zu finden, eine Aufgabe, mit welcher

Ar jeinen Freunden entweder unbekannt, oder fie Hielten

überein, daß Ralowskt am folgenden Zag durch
il Franzoſen nach SGeorgs Wohnung gebracht, werden
„Da Georg die einfache Lebensweiſe des ausländiſchen
chtlings fannte, Jo machte er feine beſondere Vorbe—

Vorrat von Cigarren und Cigarreiten und einige





‚an. Er wurde dem Grafen Nalowski förmlich vorgeftellt
und der Franzofje ließ bald daranr Donnington mit dem

Hört und. gejehen Hatte, diente nicht dazu, ihn für fie ein-
zunehmen und mit den beften derfelben würde er ſich nie


Hatte er Häufig gefehen, und Coventry Hatte ihn für einen


dieſem Polen aber wußte er abſolut nichts und ein inner-
licher Widerwille erhob ſich beim erſten Blick in ihm


ſchwunden und Georg wunderte ſich, wie ein ſo liebens—
würdiger Menſch jemals den Zorn einer Regierung auf
ſich laden konnte.

Selten hatte
Stimme, die von einem leiſen Anflug von Melancholie
begleitet war, gehört. Wie verſchieden von den geräuſch—
vollen Politikern ſprach dieſer Mann, und welcher Reiz
lag in der Unterhaltung mit ihm! Nur wenn er von
ſeiner Vergangenheit erzäͤhlte, von der alten Geſchichte des
Strebens nach Freiheit, von der Erhebung einer unterdrück
ten Nationalität, oglänzten feine Augen in, wildem Feuer.

€ war unvermeidlich, daß ein junger Mann wie
Georg von dem Wejen des Grafen fi ſehr angezogen
fühlte und ſein Rechtlichkeitsgefühl und ſeine Ritterlichkeit
durch die Schilderungen des Grafen von den Schreckens⸗
ſzenen wilder Tyrannen lebhaft erregt wurden.

Der Graf zeigte Intereſſe für Georgs Abſicht und er—




















dampfers „Najade“ von Norderney fommend am Nach»
mittag hier ein, befichtigten das Oberland und kehrten
abends nach Norderney zurüd. ;
X *
Zur Wahlbewegung.

Durlach, 30. Juli. Im Landtagswahlbezirk Durlach—
Land hat nunmehr auch die antiſemitiſche Partei ihren
Führer, Herrn Buchbindermeiſter Walter aus Mannheim,
als Kandidaten aufgeſtellt.

*

*
*

Oeſterreich-Ungarn.
Belgrad, 30. Juli. Wie amtlich aus Priſchtina
gemeldet wird, vertrieben die Arnauten gewaltſam den
Bataillonskommandeur Adjem Paſcha, der im Sinne einer
Zuſage des Sultans an den ruſſiſchen Botſchafter in Kon-
flantinopel, Sinowjew, an Stelle des bisherigen abgeſetzten
Muteſſarifs Djemal Bey mit der Leitung der Geſchäfte
des Muteſſarifs betraut war Darauf übernahm der ab-
geſetzte Muteſſarif wieder die Amtsgewalt.

Stalten,

Neapel, 30. Juli. Ein Heute früh über das Bes
finden Crispi ausgegebener Bericht beſagt: Der geſtern
bezüglich der allgemeinen Körperkräfte und der Herzthätig-
feit fejigeftellte leichte Beſſerung hält an, doch beſteht dabei

Belgien.

Brüſſel, 30. Juli. Repräſentantenkammer
Der liberale Abgeordnete Buyns beantragt wegen der
ſchwachen Beſetzung des Hauſes Vertagung bis Donners-
tag. As der Präfident es ablehnt, über den Antrag ab-
jtimmen zu lajfen, erhoben die Anwejenden dagegen Cin-
ipruch durch Lärmen und Klappen mit den Pultdekeln,
jo daß der Präfident und der Redner unverftändlich blie-
ben. Ein Sozialift ftimmte die Arbeitermarfeillatfe an.

Der Lärm dauert fort. — Auch im weiteren Verlaufe der
heutigen Sitzung ſetzten die fozialiftijdhen Abgeordneten den
ruheftörenden Lärm fort, fo daß die Medner gänzlich unz


Lärmen geſchloſſen werden mußte, —
England.

Qondon, 30. Fuli. Die „Zimes” meldet aus Peling
Die Chineſen warten geſpannt die Wirkung der tibetani⸗


daß dies Ränkeſpiel mit einer Macht, die nominell China
untergeben iſt, den Zweck hat, die ruſſiſche diplomatiſche
Altion zu ſtärken und ihre Macht zu erhöhen, wenn die
mandſchuriſche Frage wieder aufgerollt wird, was in’ Kürze
gefhehen wird. En N ; ;





ſprechen konne. Er felbft wollte ein oder zweimal in der
Woche mit ihm Iejen. . —
Dadurch geriet Georg einigermaßen in Verlegenheit,
denn er war nicht reich genug, um ein großes Honorar
für Stunden zu zahlen. Der Graf {Hien zw erraten,
was in Georg vorging. nn DO
„Sch. weiß, woran Sie denken“, fagte er, „aber ich
bin nicht mittellos, mie viele meiner armen Sandsleute.
Ich habe Ihnen meine Dienifte als Freund angeboten.
Nun, gute Nacht! Wenn es Ihnen angenehm iſt, ſo er—
warten Sie mid jeden Dienstag bis auf weiteres." Mit
einem höflichen Gruß verfchwand hierauf der Graf. ;
Georg. war entzüct, das ©hüc war ihn günitig ges
wejen.
a für ein feiner Kerl ift diefer Ralowsfi", dachte
er. „Wie feine Augen funkelten, als er erzählte, wie die


feine Mutter. und Tante vor General M. geführt wurden.
Es war wirklich ſchwer, ſich der Thränen zu enthalten.
Wie wird Eva ſich freuen, von dieſem günſtigen Zufall
zu hören! Ich muß ihr gleich davon ſchreiben
So verfaßte er denn einen langen Brief an feine
Schwefter über feine Bekanntjchaft mit dem Grafen Ra—
fowsft und ermähnte den großen Nuken, den ihm dieſe
Dieſen Brief trug er zur

er 3u feinem Eritaunen, daß das Gefühl von
welches der erſte Anblit des Grafen in ihm erweckt Hatte,
nod) immer in voller Kraft vorhanden war, und er bes




 
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