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Heidelberger Lokalanzeiger: Neuer Heidelberger Anzeiger (27) — 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.43807#0883

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18 Beilagen das „Heidelberger Bolkshlatr“ und das Sfeitige
AInufrierte Sonntagsblatt“. Preis 30 Pfg., mit den Betz
flätiern 40 Big: monatlid. Durch die Poft vierteljährlich

1 Mit, ohne Beitekgelb. ) —

Me Bean Sat mit Ausnahme der Sonnz und Feiertage.













28. Jahrgang.

Druck und Verlag von G. Geiſendärfer.
Berantwortlich: Uch. Geiſendör fer.



X




Anzeigen: die 1-{paltige Betitzeile oder deren Raum
20 Big. Lokale Gefchäfts- und Privat-Anzeigen bedeutend
ermäßigt. Kekflamen 40 Pia. Für Aufnahme von Anzeigen
an bejtimmten Tagen wird nicht garantiert. Gratisverbreitung

: durch Säulenanſchlag. De










| vr. 220. Fernſprechanſchluß Nr. 621.



Freitag, den 20. September

Serufprechanfchluß Nr. 621. 1901



Venezuela und Kolumbien.

Zwiſchen Venezuela und Kolumbien iſt ein richtiger

Krieg im Gange, wenn man auch noch nicht gerade viel

von kriegeriſchen Ereigniffen gehört hat. Von allzu hero—
iſcher Kriegsluſt ſcheinen beide Gegner nicht erfüllt zu fein
und beſonders die kolumbiſchen Truppen ſcheinen dem Zu—
| Jammenftoß mit dem Gegner mit einiger Borficht auszu—
weichen, da fie offenbar ſchon vor dem Ausgang des erften
größeren Zuſammentreffens eine ungünſtige Wirkung auf
| den Verlauf des Kriegsipiels befürchten.

An ſich find die Kräfte der Gegner ungefähr einander
| gleich. Zwar übertrifft Kolumbien den Gegner an Cin-
| mohnerzahl, aber einerjeitS iſt die militäriſche Organiſation
in Venezuela beffer durchgeführt als in Kolumbien und
andererſeits iſt Kolumbien durch die Aufſtandsbewegung,
deren Führer Uribe iſt, vollkommen zerrüttet, während die
Aufſlandsbewegung in Venezuela, deren Führer Gardiras
| it, einen weit geringeren Anhang gefunden hat.
| Die MNepublif Kolumbien, deren Präjident Maroquin
| it, umfaßt einen Flächenraum von 1330875 Quadrat
| Elometern mit 3325530 GCinwohnern. Die Republik
— Venezuela, deren Präfident General Cajtro iſt, umfaßt
—_ 1027030 Quadratkilometer mit 2444816 SCinwohnern.
Das ſtehende Heer von Venezuela bejteht aus neun Batail-
| Ionen Anfanterie a 360 Mann), einem Bataillon Artillerie,
| einer Schwadron Kavallerie und zwei Marine-Ynfantertes
Kompagnieen, das ſind zuſammen rund 380 )Yiann. Doch
= Hann das Heer im Kriegsfall- durch die Zuziehung aller
Meferven anf ca. 12000 Mann gebracht merden. Endlich
| giebt e8 im Venezuela noch die ſogenannte Nationalmiliz,
der jeder Benezolaner vom 18. bis zum 45. Lebensjahre
= angehört, aber dieje Nationalmiliz ſteht freilich nur auf
| dem Papier. Bon den erwähnten Streitfräften find dies
| jenigen Benezolaner abzurechnen, welche fich unter Gardiras
| im Mufitand gegen die RNegierung befinden und fich den
| Solumbiern angefchloffen Haben.

Die kolumbiſche Armee beiteht im Frieden aus nur
= 1000 Mann, doch ijt jeder Kolumbianer für den Kriegs:
| fall mehrpflichtig. Infolge der Aufitandsbewegung hat
| jedoch die Kolumbijche Regierung nur menig über 6000
| Mann um ihre Fahnen zu fammeln vermocht, da ungefähr
— 3000 Rolmmbianer fidh unter Uribe zu den VBenezolanern
| gefchlagen Haben. Da Präiident Cajiro, der jofjort die
| Ditenfive ergriffen hat, mit etwa 2000 Mann in Co-
= Ylumbien eingefallen ift, wozu noch etwa 3000 Mann aufs
ſrändiſche Kolumbier kommen, ſo ſind die kolumbiſchen
Truppen, die mit den venezolaniſchen Aufſtändiſchen zu—
ammen über 7C00 Mann betragen, an Zahl den Venezo-
= Ianern überlegen.

Aber dieſer Vorteil wird einerſeits durch die beffere
Schulung der venezolaniſchen Truppen und andererſeits
durch die Ueberlegenheit der Venezolaner zur See aus—
‚geglichen. Allerdings find die Seckräfte auf beiden Seiten



um Auge, Zahır um Zahn.
— Moman von Karl Eden.
; — MNachdruck verboten.)

















Gortſetzung.)
Der erwähnte niederſchlagende Brief wurde von Lord
Haslemere in Gegenwart von Sir Eduard und Lady
Randal, Eva und Bonham vorgeleſen. Middleton war
dieſes Mal nicht aufgefordert worden, den Lord zu be—
gleiten, da dieſer ihm den Verdruß erſparen wollte, ſeine
Glaubwürdigkeit jo. angezweifelt zu jehen. ——
Das habe ich mir immer gedacht“, ſpottete Sir
duard, als Haslemere geendet hatte und die Anweſenden
einander befümmert und niedergeſchlagen anblickten, „kein
ernünftiger Menſch konnte zu einem andern Schluß kom—
aber natürlich, die jungen Leute wiſſen es immer
beſſer
„Wenn Sie damit fagen wollen, daß wir unbedingt
Herrn Middleton vertrauen, ſo Haben Sie recht“, rief
Eva mit einiger Heftigkeit. | \
„OD wirklich?" fragte der Baron, und blicte das
Mädchen durch das Pincenez an, das er zu Hiejem Zweck
auf die NMaje Memmte, in der Neberzeugung, daß dadurch
fein Sarkasmus cine {iegreiche Schärfe erhalte. O wirk—
ih? Nım in diefem Fall bin ich ja hier überflüſſig, denn
eine Bemerkungen würden doch nur unangenehm klingen.“
Mit einer ironifhen Berbeugung {hob er fih aus dem














Hinmer

Eba⸗ rief Lady Randal, als die Thüre ſich hin⸗




armierten Zolldampfern. Die kolumbiſche Flotte, die noch
winziger iſt, beſteht aus einem veralteten Heckradkanonen—
boot, einem Transportdampfer und drei Segelſchiffen
Beſondere Seegefechte ſind ſchwerlich zu erwarten, denn
beſagte kolumbiſche Flotte wird am geſcheiteſten handeln,


Die beiderſeitigen Chancen ſtehen ſo, daß beide Gegner
alles in allem einander die Waage halten können, wenn
Kolumbien nicht durch die Aufſtandsbewegung vollkommen
zerrüttet wäre. Urſprünglich hieß es auch, daß Ecuador
und Nicaragua ſich dem Vorſtoß Venezuelas gegen Ko—
lumbien anſchließen würden. Aber der Präſident von
Ecuador hat bereits erklärt, daß er ſich einer ſtrikten
Neutralität befleißigen werde. Und was Nicaragua an—
betrifft, ſo wird es zweifellos ſchon aus Rückſicht auf
einen Einſpruch der Vereinigten Staaten von Amerika die⸗
ſelbe Politik verfolgen.

Wenn die beiden Gegner Venezuelas und Kolumbien
fich ſelbſt überlaſſen bleiben, ſo ſpricht die Wahrſcheinlichkeit


jo aus, als ob das Duell ſeinen ungeſtörten Fortgang
nehmen wird. Die Vereinigten Staaten von Amerika
zeigen ſchon lange eine gewiſſe Neigung, ſich zu Gunſten
Kolumbiens in den Streit zu mijchen, und feitdem Präfi-
dent Mac Kinley durch Präſident Rooſevelt, dem die Bor-
herrichaft feines Landes in dem ganzen amerifanifchen Erd-
teil vorſchwebt, abgelöſt worden iſt, dürfte ſich dieſe Neigung
noch verſtärkt haben.

Die Vereinigten Staaten von Amerika berufen ſich
darauf, daß ſie auf Grund des 1846 mit Kolumbien ge—
ſchloſſenen Vertrages für die Neutralität des Iſthmus zu
forgen haben. Vor allem aber handelt es ſich für die
Vereinigten Staaten darum, den Plan des Präſidenten
Caſtro zu verhindern, deſſen Streben anſcheinend dahin
geht, eine Vereinigung von Venezuela und Kolumbien an—
zuſtreben, was einen ſchweren Schlag gegen die groß-
amerifanijdhe Politik der Vereinigten Staaten von Amerika
bedeuten würde. Aus dieſem Grunde wird man darauf
rechnen können, das dieſe ſich früher oder ſpäter in den






Dentſches Reich.

Berlin, 19. Sept. Heute Mittag fand in der ameri-


ſtatt. Anweſend waren die zur Zeit in Berlin weilenden


Der Kaiſer hatte den Grafen v. Solms-Baruth mit ſeiner
Vertretung betraut. Außerdem war befohlen worden, daß
heute alle Schiffe der Marine die Flagge auf

Deinem Onkel immer jo entgegen? Du fragt {In um
u Dich, wenn fie nicht
ganz ſo lautet, wie es Deinen Wünſchen entſpricht!“
Es beleidigt mich, daß Herr Middleton immer als
unglaubwürdig hingeſtellt wird“ erwiderte Eva, „er hat
ſich als Georgs treuer Freund erwieſen, und ich werde
Diefer einfältige Brief kann meine
Neberzeugung nicht erfchüttern, und Du denkft. ebenjo,
Karl, nicht wahr? Sir Henry Hält. fih. für einen glän-
zenden Diplomaten, einen Charakterfenner, aber der ſchlaue


faden. Und dabei nennt er Dich leihtgläubig, Karl!


fünftige Frau Deine BVerirrungen mit Dir teile.
Ach, wenn ih ein Mann wäre! —"
„Was würdeft Du dann thun?“ fragte Haslemere.
„Ieun, ich mürde meinen Bruder felbjt befreien oder


trauen, welcher ſolchen Unſinn, wie dieſen ſchreibt! »

„Nun, ja; aber da Du eben fein Mann bift“, ſagte
Haslemere, indem er feine Arme um fie legte und fie an
ji 309, „da Du nur ein Kebendes, eigenjinniges, Meines
Maͤdchen biſt, wird eS doch beifer fein, Du Iäßt das an-
dere für Dich thun.“

„Wer mürde einen fo verzweifelten Verfuch wagen?"
fragte fie traurig, indem ſie ſich ſanft von ihm losmachte.

„Wer? Nun, wozu Hat maft fo einen fehS Fuß lan—




Halb maſt führen. In Vertretung des Reichstanzlers
war Geheimrat ®ünther erfchienen. Die Feier begann
mit Chopins TIrauermaridh. Nach Gebet und Geſang
hielt Meverend Dickie die OGedächtnisrede. Alle Welt,
Jagte der Prediger, verabſcheue das furchtbare Berbrechen,
trotzdem ſolle man ſich nicht Vergeltungsgefühlen hingeben,
da dies nicht im Geiſte des Ermordeten liege. Dann
ſprach Redner die Gefühle tiefjter Sympathie für die
Witwe und das Land aus und feierte die Staatskunſt,
die Rechtſchaffenheit und das Chriſtentum des Toten. Er
ſchloß mit einem Hinweiſe auf den neuen Präſidenten
Rooſevelt, von dem man das Beſte erwarten könne. Ge—
jang und Sebet beendigten die Feier.

Frankreich.

Paris, 19. Sept. Die Polizei nahm in der Redaktion
des Anarchiſtenblattes „Liberlaire wegen eines Hetz—
artikels gegen den Zaren eine Hausjuchung vor.
Zahlreiche Schriftſtücke wurden beſchlagnahmt. Der Re—
dakteur des Blattes, Grandidier, und der Verfaſſer des
betr. Artikels wurden verhaftet.

Paris, 19. Sept. Laurent Zailhade, der Verfajfer
des Hetzartikels in dem Anarchiſtenblatt Libertaire“
deſſen Redakteur verhaftet wurde, konnte noch nicht ver—
haftet werden, da er ſeit geſtern nicht mehr in ſeiner Woh⸗
nung erfchien.

FTonlon, 18. Sept. In der vergangenen Nacht wurde
bei den an der Küfte von Corfica vorgenommenen Üebungen
das Torbedoboot Nr. 24 von einem anderen Zorpedoboot
angerannt und fanf eine Stunde ſpäter. Die Mann-
fchaft wurde gerettet.

Amerika,

Canton (Ohio), 18. Sept. Tauſende von Menſchen
ftrömten {don vom frühen Morgen an zujammen, um den
Bug mit der Leiche Mac Kinleys zu erwarten.
Dieſer traf Mittags hier ein. Bereits viele Meilen vor
Canton hatte fid) die Bevölkerung an dem Bahngeleife
/ eingefunden und ließ den Zug mit der Leiche unter tiefem
Schweigen vorbeifahren. Als Frau Mac Kinley den
Zug verließ, mar fie jo Übermültigt, daß fie in einen
Wagen gebracht und nach Haufe geführt werden mußte.
Önzwildhen wurde der Sarg nach dem Haufe Mac Kinleys
gebracht. Die Letdtragenden, darunter der Gouverneur
von Ohio und zahlreiche andere Würdenträger, gaben ihm
das Geleit in einer langen Wagenreihe. Generäle und
MAdmiräle, darunter Dewey, Irngen die Zipfel des Leichen-
tuches. Später wurde die Menſchenmenge in den Hof
des Haufes eingelaffen und zog zu Tanfjenden an dem
Sarge vorüber. —

Canton (Ohio), 19. Sept. Frau Mac Kinley
i{t jo frank, daß fie dem heutigen Leichenbegängnis des
Präſidenten nicht beimohnen kann. Der Präftdent der
Vereinigten Staaten, Roofevelt, reiſt abends nach Waſhing—
ton ab.


gen Bräutigam, wenn er ſich nicht nützlich zu machen
verſteht?“

„Du willſt gehen?“ fragte ſie atemlos, legte beide
Hände auf ſeine Schulter und blickte ihm in die Augen.

„Ja, ich will“, erwiderte der Lord, „wenn Dein Bru—
der noch am Leben iſt, ſo werde ich ihn mit Gottes Hilfe
finden.“ Er küßte die ſchöne Stirne des jungen Mäd—
chens zur Bekräftigung ſeines Gelübdes

Einen Augenblick ſah ſie ihm ins Geſicht, als ob ſie
nicht ſofort ſeine Worte verſtehen könne; dann ſank ihr
Kopf an ſeine breite Bruſt und ſie ſchluchzte laut, über-
wältigt von widerſprechenden Gefühlen, Hoffnung für den
geliebten Bruder, Furcht um den Mann, der ihr Herz
gewonnen hatte.
„Der Zephyr—

Wie oft iſt es der Fall, daß nach einem Ausbruch
von Enthuſiasmus die Schwierigkeiten des Unternehmens
ſich erſt nach und nach deutlich herausſtellen

Haslemere war dafür, dirxekt nach St, Petersburg zu
gehen und die ganze Sache dem Kaiſer vorzulegen; aber
wie Bonham bei ſeiner Kenntnis der ruſſiſchen Verhält-
niſſe erklärte, war dieſer Plan von höchſt fraglichem Wert
Somit wurde derſelbe aufgegeben. und Haslemere ſchlug
vor, er wolle als gewöhnlicher Reiſender mit einer großen
Geldſumme in der Taſche nach Sibixien fahren und durch
Beſtechung, oder auf irgend eine andere Weiſe dem Ge—
fangenen zur Flucht verhelfen. ;


 
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