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Heidelberger Lokalanzeiger: Neuer Heidelberger Anzeiger (27) — 1901

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eidelberger



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Hr. 210.
Italieniſche Zuſtände.

Unſer Berliner Korreſpondent, der unlängjt von einer
Reife durch Italien zurückgekehrt iſt, ſchreibt uns

Die alte Wahrheit, daß jedes Ding zwei Seiten hat,
tritt niemandem fo greil und deutlich vor die Mugen, als
— demjenigen, der in das Land reilt, über dem, um den ge
merbsmäß g gebrauchten MAusdruc anzuwenden, Der „ewig
glaue Himmel lacht”. Wer nach Italien geht, um mit
dem Auge des KünftlerS in die al Zeugen einer glänzenden
Vergangenheit zurückgebliebenen Kunſtſchätze einzudringen,
oder um mit dem Yırge des NMaturfreundes fich in die un-
yergleichlıche Schönheit der italieniſchen Landſchaft zu ver—
tiefen, der wird vorbehaltslos den Schilderungen unſerer
Dichter und Künſtler zuſtimmen, welche uͤbereinſtimmend
Italien als das geſegnetſte Land der Erde bezeichnen. Aber
derjenige, den fein Beruf dazu verurteilt hat, die Dinge
diefer Welt nicht durch die blaue Brille des Bergnügungs-
reiſenden, ſondern durch die graue des Volkswirts zu be—
trachten, vermag jenes Urteil der Dichter und Künftler
nicht zu unterfehreiben. Für den Bolkswirt find nicht der
„ewig blaue Himmel“, nicht die ſchwungvollen Berglinien
nicht die von großen Zeiten kündenden Paläſte und Ruinen
das Entſcheidende Und felbit die unermeßlichen Kunſt⸗
ichäße von Rom, Florenz und Venedig Können für ihn in
der Hauptiache nur infojern in Betracht kommen, als fie
eine der Haupturjachen des FremdenverkehrS find und ſo⸗
“mit Geld in das arme Land bringen.

Denn arm iſt Italien und die Vorſtellnugen, welche
bei uns bielfach durch {hwungvolle Reiſebeſchreibungen er—
weckt werden, als ob Italien ein von der Natnr reich ge-
jegnetes Land fer, beruhen anf einem ſehr ſchweren Irrtum
Gewiß giebt es weite Landſtrecken in Italien, ſo vor allem
— in der Lombardijhen. Chene und in einzelnen. Teilen Süd—
und Mittelitaliens, die an Fruchtbarkeit kaum ihres gleichen
inden und wo der Boden mehrere Ernten zu gleicher Zeit
gewährt, indem zwijchen den Weizen, die Gerfte, den Reis
oder das Gemüte Maulbeerbäume und Reben gepflanzt
erden Aber dieſe Fruchtbarkeit iſt doch nur einem kleinen

Teil des italieniſchen Boͤdens eigen und der überwiegende
Teil, beſonders der üdlichen Hälfte, iſt ſteinig, waſſerarm
und unfruchtbar. Hierzu kommt noch die Armut des


anderen Staaten ihren induſtriellen Aufſchwung verdanken.
An den Naturprodukten, welche die Vorbedingung der
Induſirie bilden fehlt es Italien faſt ganz. Die Stein⸗
_ Fohle, die „Seele der Indufirie, wird in Italien über⸗
haupt nicht gefunden. Die Produftion an Braunkohle, an
Eſſen und Stahl iſt außerordentlich gering. So ft die
nduſtrielle Eutwickelung Italiens weit hinter der der anderen


Landbevölkerung
weiſe bebaut, eine Siadtbevölkerung, die ſich im großen
und ganzen auch nicht in einer ‚viel beiferen Lage befindet.

Aung' um Auge, Zahn um Zahn,
Roman von Karl Eden. .
= 50) [Nachdruck verboten.]

— (Sortfegung.) —
fehr dankbar, Herr Middleton, daß
„Ihre Nachrichten
Seine

Schweſter muß das alles fogleich erfahren, dodj nein —

e8 wird beffer jein, id ſpreche zuerſt mit Lord Hasle⸗
mere! Was Heabfichtigen Sie jebt zu tun? Können Sie
einige Zage Düranf verwenden, nach Hampijhire zu fahren,

— wenn eS nötig 1?“ ; ;
Gewiß erwiderte der junge Mann, „wenn meine
Gegenwart der jungen Dame Troſt bringen kann. Ich
alles opfern, um Donnington in ſeiner ſchrecklichen
Lage zu helfen, und mein Onfel — mein einziger Ders
wandter“, fuhr er mit Heiterkeit fort, „kann noch ein
wenig warten. Er hat ſich nicht ſo ſehr um meine Wohl⸗
fahrt gekümmert, daß es eine große Sünde, wäre, wenn
ich mir Zeit Iaffe, ihm zu beſuchen. Ich glaube, ev weiß
— Kaum, ob ich tot oder am Leben hin. Aber ich muß jebt
im meinen lub gehen und dan zu meinem Schneider,

dieſe Kleidung paßt ſchlecht für die jetzige Jahreszeit.“

Niccht ſo raſch, Mibdleton“, unterbrach ihn der er—
der ſofort erkannte, daß Middleton
den Klub nur befuchen wolle, in der Hoffnung, einen
Freund zu finden, der ihın etwas Seld vorſchießen könne
„Wir Haben noch eine KMeinigkeit abzumachen, che Sie

Sie gekommen jind“, ſagte Bonham.













Dienstag, den 17: September



— — —

fosialiftiiche Bewegung in Italien immer gewaltigere und
erſchreckendere Fortſchritte macht —
Dieſer Eindruck der bitterfien Armut und des unge
heuren Elendes jpringt jedem in die Augen, der mit offenen
Angen durch das von den Dietern etwas optimiſtiſch be⸗
fungene Land wandert. Gewiß fehlt es nicht an mannig⸗
facher überwältigender Prachtentfaltung. Aber dieſe be—
ſchränkt ſich doch in der Hauptſache auf die Kirche, einen
Teil der öffentlichen Gebäude und auf etliche palazzl, deren
Befißer noch nicht zu der weit verbreiteten Klajje der vers
armten Nobili gehört. u allen italienifchen Städten,
auch in denen, deren Schöngeit in zahlreichen Büchern bes


allerdings gemildert durch die Bedürfnisloſigkeit der Be—
wodner. Und dieſe Dürftigkeit tritt noch ſchroffer dadurch
hervor, daß ung allüberall die Spuren einſtiger, jetzt ver—
fallener Macht und Größe entgegentreten. Welch ſchneidende
Salire liegt darin, wenn wir auf verfallenen Häuſern, wo
die Riſſe im Mauerwerk mit Lappen zugeſtopft und die
zerbrochenen Fenſterſcheiben mit Bapier verklebt find, die
Inſchuft Lejen, daß dieler „Palazzo“ der „Nobile Famiglie“
ſoundſo gehört. Diejer Stolz auf, man weiß ſelbſt nicht
was, iſt dem Italiener angeboren. Mit weicher nachläſſigen
Grandezza balanciert der einfache itakientjche Arbeiter jeinen
ſchmubigen, zerlumpten Rock auf Der linfen Schulter!
Mit welchem Admiralsbewußtſein lenkt der Gondoliere
ſeine Gondola durch die ſehr poetiſchen, aber etwas an—
rüchigen Kanäle Venedigs! Und mit welchem Chi weiß
auch die einfachite Frau 04S dem Volke ihr Spitzentuch
um ihren Kopf zu drapieren und den Fächer elegant zu
ſchwingen, der in der Hand der Italienerin nie zur Ruhe
kommt!

Hieſe angeborene noble Haltung und eine gewiſſe Ele⸗
ganz des Auftretens konſtraſtieren ſeltſam mit der überall
{ich breit machenden Dürftigkeit und der jchreienden Armut.
der großen Mafjfe des italienifchen Volkes. Dieje Armut
fritt dem Fremden, der Ytakien bereit, recht auffällig und
nah, und mitunter recht unangenehm vor die Augen, Wo.
man geht und jteht, ftrecfen fich einem begehrliche Hände
entgegen, die in allen Tonarten des melodiöſen Organs
der Italiener „un sotdo! un soldo!“ fchreien. Die Ar—
mut des Landes zeigt fich jchom in den Münzverhältniffen.
Kupfer und Papier überwiegen, Nickel ſind ſeltener und
Gold bekommt der gewöhnliche Sterbliche niemals zu Ge—
ſicht. Eben deshalb übt das Gold einen ſo verlockenden
Reiz auf die Italiener aus und mer nach Italien geht,
thut gut, ſich ſeine Barſchaft in Gold mitzunehmen, da
ihm dieſes infolge des Goldagios ohne Wechſelgebühr in
italieniſches Geld (das heißt Papier) umgewechſelt wird.
Hierbei iſt allerdings vorausgeſetzt daß man dem Yyaluto,
dem Wechsler, gehörig auf die Finger jieht, denn den
Fremden nach Möglichfeit Hochzunehmen, hält der Italiener





Jange aufhalten.“

(E& nahın eine Feder, machte einige Berechnungen und


„Nun, Herr. Middleton", fuhr er in förmlichem Ge—
ſchäftston fort, welchen er für geeignet hielt, etwaige Ein⸗
wendungen des jungen Mannes zum Schweigen zu brin⸗
gen, „erlauben Sie mir, einige Worte in voller Offen-
heit zu fprechen. Wir Haben es Ihnen zu verbanfen, daß
wir vor der Entdeckung einer ſcheußlichen Intrigue ſtehen,
und das Haus Bonham ift imftande, wichtige Dienſte ent⸗
fprechend zu belohnen. Mein, unterbrechen Sie mich nicht“,
daß Ihre Verhaftung und was
Sie ſonſt noch durchgemacht haben, eine Folge. davon find,
daß Sie ein Freund meines SGejhäftSführers waren, und
deshalb müffen Sie mir erlauben, Sie als unſern Ange⸗
ſtellten zu betrachten, mit einem Gehalt von fünfhundert
Pfund jährlich vom Tage Ihrer Verhaftung an, und dieſe
Stellung behalten Sie bei, bis wir etwas paſſenderes für
Sie finden. Nein, feinen Dank! Aber ſehen Sie nach,
ob die Summe auf diefem Chef richtig berechnet iſt, und
dann unterichreiben Sie diele Quittung“, jchloß er mit
geſchäftsmäßiger Pünktlichkeit, indem er die beiden Papiere
dem jungen Miann reichte. )

„Aber das find Hundert Pfund zuviel", erwiderte
Middleton nach einem Blick auf den Check.

Eſne kleine Vergütung für den Verluſt Ihrer Stel—
Yung in Nußland“, erwiderte Bonham. „Haben Sie die













Quittung unterſchrieben ? Gut; fönnen Sie heute Nach⸗

S


Feruſprechanſchluß Nr. 621.

1901.

ung die cameriere, die Kellner. Die Kellner, welche
dem Fremden, den fie ja am Aeußern und an der Aus⸗
ſprache erkennen, ohne jedes Experiment völlig korrekt auf
die von ihm gezahlten Scheine oder Münzen heraus⸗
gegeben, gehören in den eigentlichen Fremdenſtädten jeden⸗

Geradezu auf—
fallend iſt die nahezu einmütige Gewohnheit dieſer
cameriere, die 2-Lirejtücke, welche der Fremde zahlt, nt
tümlicherweije“ als 1.Lireſtücke anzuſehen und zu behandeln.
Gegen dieſe Anzapfungen ſchützt auch die größte Vorſicht
nicht ganz. Deßhalb ſoll ſich, wer nach Italien geht,
außer mit einem vollen Beutel mit einer guten Doſis
Humor bewaffen, um dieſe kleinen Leiden, die ſich, wie
neben die Roſen die Dornen, neben die großen Freuden
des Wanderns durch das ſchöne Italien ſtellen, mit Ge⸗
duld und ungetrübten Gemütes zu ertragen.

Deutſches Reich.

B. Karlsruhe, 16. Sept. Heute früh 5 Uhr reifte
Se. Kol. Hoheit der Großherzog nach Weißenburg,
um von dort das Mandvergelände der 31. Divifion zu
erreichen. Mad) Beendigung diefer Uebung fuhr Se. Xgl.
Hoheit über Sulz nach Freiburg, und begab ſich von
dort in das Mandvergelände der 39. und 29. Divifion.
Ihre Kal. Hoheit die Großherzogin ijt am Sonnabend
aus der Schweiz zurücfehrend zum Bejuch der Erbgroß⸗
herzoglichen Herrſchaften in Badenweiler eingetroffen. Ihre
Kol. Hoheit befuchte geſtern Nachmittag die Freifran von
Marſchali in Neuershauſen und kehrte Abends nach Baden⸗
weiler zurück

Danzig, 16. Sept. Die Kaifjerin kehrte um halb
3 Uhr, wiederum von einer Huſarenabteilung begleitet,
von der Parade zurücg und begab fich an Bord der Yacht
Der Kaifer traf 3 Uhran der Spike
der Fahnen- und Standartenkompagnie ein und begab id
ebenfall® an Bord der „Hohenzollern“, wo das Kaiſerpaar
verblieb.
Bruͤnsbüttelkoog, 16. Sept. Das ruſſiſche Kaiſerpaar
und Prinzeffin Heinrich trafen nachmittags 5 Uhr an
Bord der „Standart“ hier ein. Prinzeffin Heinrich bes
gab {id alsbald mittels Sonderzuges nach Kiel zurüc,
während das ruffijche Kaiſerpaar erſt morgen früh 8 Uhr
die Weiterreiſe nach Dünkirchen antritt.

Kiel, 16. Sept. Unter den Salutichüffen der Kriegs»
ſchiffe und den Hurahrufen der Mannſchaften trat, wie be—
reits furz gemeldet, das Zarenpaar um 8%, Uhr die
Das








Bezich



mündung zujftenernden „Standart. Die Großfürſtinnen⸗
Töchter blieben im Schloß zurüc. Prinzeſſin Heinrid
begleitete das Zarenpaar bis Brunsbüttel.



mittag um bier Uhr hier fein? Bis dahin Haben Sie drei
und eine halbe Stunde Zeit für Ihren Schneider, denn
ih glaube, Sie werden es jebt nicht ſo eilig haben, in
den Klub zu kommen“, ſchloß er lächelnd. —
„Sie find fjehr großmütig“ , jagte der junge Mann
daß Ihre rückſichts

„Gut, gut, um ſo beſſer! Seien Sie um vier Uhr
hier! Ich werde Lord Haslemere telegraphiſch einladen,
nit uns zuſammenzutreffen. Ich bin jet fehr befchäfs


Redensart.


wieder im Zimmer des n
und nach wenigen Minuten wurde Lord Haslemere ann
„Wiſſen Sie neues von Donnington?“ rief er lebhaft.
„OD ja“, fagte Bonham, „und jehr wichtige Menig-

feiten! Bitte, jegen Sie fich! Nun,


„Einen Augenblick!“ rief der Lord.

„Iſt der arme
Donnington noch am Leben?“ ;


widerte Middleton feierlich,
Bericht und erzählte von Georgs Freundſchaft mit Suda⸗
kow, von der Verhaftung des Fürſten, von Graf Bodiskow
und Donningtons Zuſammenſtoß mit diefent.
jedoch nichts von Donningtons Verlobung mit Fräulein
Bromirska. Endlich {prad er noch von dem beabfichtigten








 
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