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Heidelberger Lokalanzeiger: Neuer Heidelberger Anzeiger (27) — 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.43807#0711

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1} Ericheint BETEN etner der Sonn- und Feiertage,
Als Beilagen das „Heidelberger Volksblatt“ und das Sfeitige

f öMujtrierte Sonntagsblatt“. Preis 30 Pfg., mit den Bei-
lättern 40 9fg. monatlid. Dur die Roit vierteljährlid

1 ME, odne BefteNgelb. Sn







28. Jahrgang.
Druck und Verlag von EG, Geifendürfer,
Berantwortlich: Ich. Geiſendürfer.







g. Lokale Geſchäfts und Privat-Anzeigen bedeutend

gt. Reklamen 40 Pfg. Für Aufnahme von Anzeigen

an beftimmten Tagen wird nicht garantiert, Gratisverbreitüng
0 . durch Säulenanſchlag. |

20 Afer Set die 1-fpaltige Betitzeile oder deren Kaum |
ermäß













28, Jahrgang.
—III—






Ar. 177.

Ein Feldzug gegen deutihe Erzieherinnen
| und Gouvernanten. .
Es wurde bereits telegraphiſch aus Konſtantinopel be
chtet, daß eine Verordnung des Großveziers den tlür-
iſchen Familien verbietet, europäiſche Erzieherinnen ferner
Ahgujtellen, und daß die bereit8 in türkijhen Dienften. be-
dlichen Perſonen diejer Art entlajfen werden müffen.
; Der Konftantinopeler Korrejpondent der „Frkf. Big.“ be-
. [bricht num in einem Briefe dieje Angelegenheit in der
© x genden interefjanten Weifje: Al8 ob in dem weiten, unter
n Szepter des Sultans ſtehenden Reiche ſich nichts
kührte, beſchäftigen ſich ſeit einigen Tagen Palais Pforte
und Preſſe mit Jrades, die das Wohl und Wehe der
ürkiſchen Frau zum Gegenſtand haben. Man fieht in
Siem Emanzipationsbeftrebungen der türkijhen Frauen
a Srund für die Leiden, an denen der Staatskörper
| alt, mährend in Wirklichkeit die {Havifche Stellung der
Fran gegenüber dem VManne ein Hauptgrund des Nieder—
SNQeS des türkijhen Staatswejens it. So oft auch die
vn Srau, einem natürlichen Ympulje folgend, {id
} en
} Seredjehe und Jaſchmak, Mantel und Schleier, und das


























; nöglich noch trauriger, als es früher war. Mit dem
. Ban der Eiſenbahnen und den Verbeſſerungen der fonftigen
Qu dungen iſt eine langſame Veränderung, eingetreten.
. an Sroßer Anzahl famen Erzieherinnen, Gouvernanten

% Sejelljehaftsdamen hierher, wo fie fogleich einen gol⸗

en Boden fanden. Die beſſeren türkiſchen Familien
Affen Ti förmlich um die Curopäerinnen, und es gehört
gie zum guten Ton, daß die Kinder der vornehmen
3 ſelmanen oder ihre Frauen Ausfahrten faſt nur noch
egleitung dieſer Damen unternehmen. Daß ſich unten
erangezogenen Damen mitunter auch zweifelhafte Ele—

ne befanden, die ihre Stellung mißbrauchten, mag zu-
N Ten, aber 08 iſt unſinnig, wenn die maßgebenden Per⸗

ET

) NEN jegt ein Wehgefchrei erheben, als ob die um ihren
erhalt fämpfenden und größtenteils den gebildeten

‘in Nden angehörenden Erzieherinnen und Gouvernanten
A Begriff ftänden, ben türkijden Staat zu ruinieren.
zig N 3irkular des SroßvezierS lenkt die Aufmerkſam—
zn der verſchiedenen Staatsdepartements auf die ſchimmen
en, die vom „mufelmanifchen Gefichtspunit“ das
eh Anwachſen der Zahl der Gouvernanten, Geſellſchaf
Or m, j. w. auf die türfifchen Häufer ausübe. Es
u Met demgemäß entfprechend einem Wuniche des Sultans
olfe aß dieſe europaiſchen Eindringlinge entlaſſen werden
* Zur Erläuterung des Zirkulars giebt die türkijche
ü ſe gleichartige, auf offiziellen Urſprung hindentende
"Mentare. ES Heißt dort: „Man weiß, daß feit einiger
% US den „germanijchen“ Ländern junge Mädchen und
in cn im großer Zahl hierherfommen, um einen Dienft
hren Hauſern zu finden. Die Ehre bildet die Bajis

Ang’ um Auge, Zahır um Zahn.

Roman von Karl Eden. .
Nachdruck verboten.)



2 A 7 7 Bo tſetzung) )
Dennoch hielt fich der Fürft Sudakow nicht für be-
Er beſchloß ſeine Verfuche, die er im Norden be-
en n Gegend zu wiederholen,
def beſaß auch Güter kaum hundert Kilometer von
Öhe © entfernt. Oier an einer Eijenbahn und in der
ü der großen Handelsftadt Hoffte er mehr, Verftändnis
Spore Nachdem er ein Jahr in der Nühe von Ti⸗
* bei Odeſſa zugebracht hatte, ſah er ſeine Erwar—
aund noch übertroffen und reifte nun nad) England, um
Über Maſchinen auszuwählen und guten Rat einzuholen
zu gründende Unternehmungen. . |
een Generationen hatten die Sudalow ihre finan-
en perationen, durch das Haus Bonham ausführen
8 welches zwei Geſchäfte in Petersburg und Odeſſa
er Auch hielt der Fürft eS für geraten, bei den be-
OR Intriguen feiner Feinde ein großes Kapital
Sorham in englifgen Papieren anlegen zu laſſen
\Derheit für den Fall, daß. eine Kataltrophe ein-
Dede feine @üter mit Befjchlag belegt werden follten.
an ieſes war der Mann, den Georg jebt faft täglich in
( on Kabinet {ah und mit welchem er fich oft unter-

ne Bonham abwejend war, da er Georg als Ver—



























Donnerstag, den 1. Auguft

der mufelmanifehen Erziehung. Entſprechen aber die Ber-

ſonen, die jeßt Überall aufgenommen werden, diejfen Er-
forderniſſen? Von Hundert find gewiß neunundneunzig
zweifelhafter Herkunft Man braucht nur ihren Gefichts-
aunsdruc zu betrachten, um ihre niedrige Herkunft feltzu-
ſtellen. Sie befhäftigen fih weit mehr mit ihrer Toilette
als mit der den Kindern zu gewährenden moraliſchen
Pflege. Einmal in der Woche pflegen fie einen freien
Zag zu haben. Wo verbringen fie ihn? Sie erhalten
Briefe ſuggeſtiver Art. Sie leſen und leſen dieſe wieder
und durchlaufen das Haus, tiefe Senfzger ausftoßend. Ges
wiß ſoll man den Kindern eine ſorgfältige Erziehung an—
gedeihen laſſen Aber weiß man, wem man fie anver-
traut? Gemiß. die Erzieherin wird dem Kinde die fran-
zöſiſche, die engliſche oder die deutſche Sprache beibringen ;
wird ſie ihm auch die. Moral einzuimpfen im Stande
ſein? In dieſem Alter iſt der Nachahmungstrieb beſon
ders ausgeprägt. Das Kind wird daher getreulich nach-
ahmen, was es bei ſeiner Erzieherin fah. Dieſe Nach—
ahmung muß zur Gewohnheit werden und des Kindes
ganze Zukunft beeinfluſſen Eine Hauptſorge dieſer Per-
foren ift auch, das Kind nach ihrem Ideen zu Heiden.
Die Toiletten, die fie ihın angewöhnen, ftehen im Wider-
ſpruch mit Sitten und Gewohnheiten der Muſelmanen.
Ferner lehrt man es europaiſche Ausdrücke und prägt ihm
chriſtliche Gebote ein Alles das iſt verdammenswert, und
hiergegen muß energiſch Stellung genommen werden. Und,
wie wenn das Angeführte nicht genügte, hat man nun auch
begonnen, für die Harems SGefelljchaftsdamen zu engagieren.
Geſellſchaft iſt ſicherlich von Nutzen, aber dieſe Perſonen
find nur die Vermittler faljcher Kdeen. Und wenn man
den Hanıms, türkifchen Frauen, mit ihnen gemeinſam
auf den Straßen begegnet, hat man fehr oft einen yein-
lichen Eindruck, weil die Europäerinnen zumeiſt Anlaß
zu beleidigenden Vermutungen geben.“ ;

Dieſe Probe des offiziellen türkiichen Kommentars
dürfte genügen, um Ddarzuthun, wie jeit einiger Zeit
ſyſtematiſch die Abſperrung und der Haß gegen alles Weſt
liche in der Türkei genährt wird. Daß durch die Harems
eine etwas freiheitliche Bewegung unter das Volk kommen
und ſich eine Annäherung der trotz des raumlichen Bei—
ſammenſeins ſich völlig freind gegenüberſtehenden Raſſen
vollziehen könnte, iſt den panislamitiſchen Kreiſen ebenſo
ein @renel mie die jungtürfijche Bewegung. Es unter
liegt gar feinem Zweifel, daß durch die obenerwähnte Ver»
fügung Hunderte von Gouvernanten und Geſellſchaftsdamen
plötzlich brodlos werden. Vor der Macht eines Kaiſen
lichen Irade beugt ſich hier noch alles in ſtummer Reſig⸗
nation. Außerdem ſind für die muſelmänniſchen Frauen
noch weitere Verordnungen ergangen. Dieſelben müſſen
jetzt eine Stunde vor Sonnenuntergang in ihre Harems
zurückkehren Mehrere ausſchließlich für das türkiſche
Publikum berechnete Theater haben um dieſe Zeit bei






Inzwiſchen war Graf Ralowski ein faft: täglidher Be-
und alle Zurückhaltung zwi⸗
ſchen beiden hatte aufgehört. Khr Verfahren war. ſehr
einfach Zuerft las Georg laut einige Strophen aus
Pujchkins Gedichten; dann zündeten {ie Cigarren an und
unterhielten ſich rauchend; darauf laſen ſie wieder ruſſiſche
Proſa oder Georg ſchrieb nach Diktath und nach längerer
oder fürzerer Unterhaltung verabfjchiedete ſich Ralowski

Bei diefen Gelegenheiten zeigte der Graf ein ſehr leb—
Haftes Interejfe für das Haus Bonhanı und Hörte immer
mit großer Aufmerkſamkeit zu, wenn Georg zuweilen eine
kurze Bemerkung über feine neue Befhäftigung machte.

„Sa“, bemerkte Ralowstt, „die Engländer find ein
ſchlüſſig rechnen, kommen ihre Kapitaliſten und eine neue

ben Sie mir, Donnington, Sie haben wohl gethan, Kauf
mann 30 werden. Der Handel ift ein höherer Beruf als

felbjf bewußt, mie viel Ontes er durch feinen Unterneh⸗

— und ih kann fagen, mit Erfolg, — mid bemüht, den
Zuſtand der Bauern auf meinen Olitern zu heben. Ich
baute Mühlen und Fabriken mit großen Koften und alles
jtand in Blüte, als der Uebermut unferer Herren meine
unglücklichen Landsleute‘ zum Mufftand trieb, und alles,




Sernipredanfdlnp Sr. 621. 1908,

Sitten widerfpricht, den türkijchen Frauen der hier fo be-
liebte Nuderjport unterfagt. Wie jehr der Geift der Un-
duldſamkeit fortjchreitet, geht auch daraus hervor, daß
hohen Ortes ein Befehl ergangen ift, der fich dagegen
ausipricht, daß viele Mohamedaner auf der meiftens von.
Chriften bewohnten, eine Stunde von Konftantinopel para
diefijch gelegenen Prinzeninfel ihre Sommervillegiaturen
aufgeſchlagen haben Infolgedeſſen ſtellen in dieſem Jahre
viele türkiſche Beſitzer auf der Prinzeninſel ihre vielfach
erſt in den letzten zwei Jahren gebauten Villen zu Spott
preiſen zum Verkauf. Wenn Yzzet, der Scheit Abu
Huddah und Konſorten noch weiter in dieſer Richtung
das Reich regieren, wird man ſich über unliebſame Ueber
rajchungen“ nicht wundern dürfen. ;

Deutſches Reich.

B.N. Rarlsruhe, 31. Iuli. Gr. Minifterium der
Finanzen hat bezüglich der Beſteuerung der zur Aus
beſſerung von Kirchen beſtimmten Vermächtniffe, verfügt,
daß auf ©rund des S 4 Biff. S des Erbjchafts= und
Schenkungsſteuergeſetzes alle Zuwendungen die juriſtiſchen
Perſonen des offentlichen Rechts mit der Beſtimmung der
Verwendung für Neubau, Erweiterung, Vergrößerung,
Unterhaltung oder Ausichmücung won Kirchen und, Pfarr-
häufern anfallen, fteuerfrei zu belaffen find, .

Berlin, 31. Juli. Gegenüber einer Meldung der
„Köln. Volls= Zeitung“, wonach vom Gouvernement im
Kamerun die Entfaltung einer größeren Truppenmacht
in Deutſch⸗ Adamana beabſichtigt fein folle, um dem Ein-
fluß des auf engliſchem Gebiet wohnenden Cmirs von
Yoln entgegenzuwirfen, ftellt die „Nord. Allg. Ztg.“ feft,



merun der Stationschef in Yoko beauftragt wurde, den
Streitigkeiten im Sultanat Tibati ein Ende zu machen.
ES handle fich nicht um ein feindlihes Vorgehen gegen
den, Emir, fondern im Gegenteil um eine Neuordnung der
Verhältniſſe im Sultanat Tibati im Einvernehmen mit
dem Emir, der als geiſtliches Oberhaupt der mohameda—
niſchen Sultanate in Deutſch⸗Adamaua anzuſehen ſei
Holland, .
Hang, 31. Juli. Die Königin unterzeichnete das
Dekret betreffend die. Ernennung des neuen Kabinets.
Die neuen Minifter leifteten Heute der Königin den Eid.
England, |
London, 51. Yuli. Im Unterhaufe brachte Balfour
eine Kejolution ein, daß Lord Roberts eine Dotation
von 100 000 Pfund bewilligt werden folle. Campbell
DBannermann unterftügt den Antrag. Dillon nimmt.
jedoch) Anlaß, das Verhalten des Feldmarſchalls in Suüͤd
u beſonders das Niederbrennen der Farmen, zu
tadeln. —







lich, dies von fi jagen zu fönnen, {chloß er mit einem
Senfzer. SS ;

„Darin haben Sie recht“, erwiderte Georg, „ich habe


dajfjelbe erftrebte,‘ wie Sie, aber ohne Erfolg.“

„Wirklich?“ rief der Graf. „Bitte, erzählen Sie
mir mehr von ihm! Wer weiß, vielleicht kann ich eines
Tages nach Polen zurückkehren, und dann ſeine Fehler


„Er iſt ein ruſſiſcher Gutsbeſitzer, der die Bildung


niedergebrannt, und er erfuhr nur Undank. Dennoch will

er neue Fabriken errichten, obgleich mir das ſehr riskiert
zu ſein ſcheint; doch er kann es aushalten!“

„Dann ſprechen Sie wahrſcheinlich von Fürft Suda-

kow“ erwiderte der Pole langſam, indem er feinen Blick
auf Donnington's Geſicht richtete „ich kenne feinen an-
dern im Reich, auf den Ihre Beſchreibung paßt“

Wie konnten Sie das erratend“ rief Georg erſtaunt.
Daran iſt nichts zu verwundern“, erwiderte Ra—
(owsfi, Fürſt Sudakow iſt einer der unſrigen, der künf⸗
tige Leiter der liberalen Partei, welche dem großen Reich


nington“, fuhr er nach kurzer Pauſe fort, „daß ich Ihnen


bie ich mid) verlaffen kann.”
„Seien Sie unbeforgt, erwiderte Georg einfach, „ich





Mann Bonhams and ohne Bedenken Vertrauen




was EEE hatte, zerfiel. Bun Teil aber hatte ich

jehe den Fürften nur, wenn er in Gefchäften zu un8 ;
kommt.“ N * 9 SR





 
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