Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler
— 54.1918/1919
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DOI Heft:
Nr. 8
DOI Artikel:Glaser, Curt: Demokratie und Kunst
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Demokratie und Kunft
die Konferenzen der abfoluten Gleichberechtigung klar zu machen, um diele
anfcheinend fortfchrittliche Forderung als in Wahrheit erzreaktionär zu er-
kennen. Gleiche Ausltellungsmöglichkeit für Alle ift das erfte Poftulat, das
heute bereits mit Nachdruck erhoben wird. Daß das Sondervorrecht des
Vereins Berliner Künftler auf das ftaatliche Ausftellungsgebäude in Moabit
aufgehoben werden muß, ift eine Selbftverftändlichkeit. Daß andere Künftler-
Vereinigungen, wie die beiden Sezeffionen, dasfelbe Anrecht auf den Glas-
palaft haben, muß ohne weiteres anerkannt werden. Aber ob es wirklich das
Ziel aller Wünfche ift, daß die Sezeffionen ihre eigenen Häufer aufgeben, um
in dem unwirtlichen Riefenkäfig am Lehrter Bahnhof zufammen mit den anderen
ein Unterkommen zu finden, ift eine andere Frage, und diefe Frage wird
nicht jeder ebenfo leichtherzig in bejahendem Sinne beantworten.
Aber das ift nur das erfte und keineswegs das fchwerwiegendfte Be-
denken. Soll die Behangfläche in dem ftaatlichen Gebäude nach demokratifchen
Grundfätzen aufgeteilt werden, fo kann nur die Mitgliederzahl der Ver-
einigungen zum Maßftab genommen werden, und jedem Mitgliede wieder
müßte auch fein Anteil tatfächlich gewährt werden. Schließlich dürfte auch
hier nicht Halt gemacht werden, denn es gäbe keinen Vorwand, Künftlern,
die keiner der beliebenden Vereinigungen angehören, das gleiche Recht zu
verweigern.
Welches das Ergebnis wäre, überlaflen wir dem Lefer, fleh fchaudernd
auszumalen. Das vollkommene Chaos der juryfreien Kunftfchau wäre das
Ende aller Bemühungen, und die Künftler, die jetzt in die Sezeffionen ge-
flüchtet find, würden fleh fchleunigft wieder zufammentun, um der perfönlich-
keitmordenden Gleichmacherei einer demokratifchen Kunftpflege zu entgehen.
Daß diefelben Forderungen wie für das Ausftellungswefen auch für die
öffentlichen Sammlungen zeitgenöffifcher Kunft erhoben werden könnten, und
daß fie dort zu noch groteskeren Ergebnilfen führen müßten, liegt auf der
Hand. Sie find fo widerfinnig, daß kaum jemand den Mut zur letzten Kon-
fequenz auf diefem Gebiete aufbringen wird. Dagegen liegt es nahe, die
Ankaufskommiffionen der Mufeen aus Wahlen nach demokratifchen Grund-
fätzen hervorgehen zu laflen. Es könnte fcheinen, als fei das die Gerechtigkeit
felbft. Nur daß man vergißt, daß in der Kunft nicht die Gerechtigkeit, fondern
die Qualität entfcheidet, daß an allem Anfang die Ungerechtigkeit der Natur
fteht, die das Talent nicht gleichmäßig an alle verteilte, und daß der erfte
Grundfatz lautet: die Künftler find ungleich.
Man braucht fogar kaum ernftlichen Widerfpruch zu fürchten, wenn man
den Satz aufftellt, daß die Mittelmäßigkeit unendlich häufiger ift als das außer-
ordentliche Talent. Legt man alfo die Entfcheidung in die Hände der Mehr-
heit, fo überläßt man fie unweigerlich eben der Mittelmäßigkeit. Und diefe
Demokratie und Kunft
die Konferenzen der abfoluten Gleichberechtigung klar zu machen, um diele
anfcheinend fortfchrittliche Forderung als in Wahrheit erzreaktionär zu er-
kennen. Gleiche Ausltellungsmöglichkeit für Alle ift das erfte Poftulat, das
heute bereits mit Nachdruck erhoben wird. Daß das Sondervorrecht des
Vereins Berliner Künftler auf das ftaatliche Ausftellungsgebäude in Moabit
aufgehoben werden muß, ift eine Selbftverftändlichkeit. Daß andere Künftler-
Vereinigungen, wie die beiden Sezeffionen, dasfelbe Anrecht auf den Glas-
palaft haben, muß ohne weiteres anerkannt werden. Aber ob es wirklich das
Ziel aller Wünfche ift, daß die Sezeffionen ihre eigenen Häufer aufgeben, um
in dem unwirtlichen Riefenkäfig am Lehrter Bahnhof zufammen mit den anderen
ein Unterkommen zu finden, ift eine andere Frage, und diefe Frage wird
nicht jeder ebenfo leichtherzig in bejahendem Sinne beantworten.
Aber das ift nur das erfte und keineswegs das fchwerwiegendfte Be-
denken. Soll die Behangfläche in dem ftaatlichen Gebäude nach demokratifchen
Grundfätzen aufgeteilt werden, fo kann nur die Mitgliederzahl der Ver-
einigungen zum Maßftab genommen werden, und jedem Mitgliede wieder
müßte auch fein Anteil tatfächlich gewährt werden. Schließlich dürfte auch
hier nicht Halt gemacht werden, denn es gäbe keinen Vorwand, Künftlern,
die keiner der beliebenden Vereinigungen angehören, das gleiche Recht zu
verweigern.
Welches das Ergebnis wäre, überlaflen wir dem Lefer, fleh fchaudernd
auszumalen. Das vollkommene Chaos der juryfreien Kunftfchau wäre das
Ende aller Bemühungen, und die Künftler, die jetzt in die Sezeffionen ge-
flüchtet find, würden fleh fchleunigft wieder zufammentun, um der perfönlich-
keitmordenden Gleichmacherei einer demokratifchen Kunftpflege zu entgehen.
Daß diefelben Forderungen wie für das Ausftellungswefen auch für die
öffentlichen Sammlungen zeitgenöffifcher Kunft erhoben werden könnten, und
daß fie dort zu noch groteskeren Ergebnilfen führen müßten, liegt auf der
Hand. Sie find fo widerfinnig, daß kaum jemand den Mut zur letzten Kon-
fequenz auf diefem Gebiete aufbringen wird. Dagegen liegt es nahe, die
Ankaufskommiffionen der Mufeen aus Wahlen nach demokratifchen Grund-
fätzen hervorgehen zu laflen. Es könnte fcheinen, als fei das die Gerechtigkeit
felbft. Nur daß man vergißt, daß in der Kunft nicht die Gerechtigkeit, fondern
die Qualität entfcheidet, daß an allem Anfang die Ungerechtigkeit der Natur
fteht, die das Talent nicht gleichmäßig an alle verteilte, und daß der erfte
Grundfatz lautet: die Künftler find ungleich.
Man braucht fogar kaum ernftlichen Widerfpruch zu fürchten, wenn man
den Satz aufftellt, daß die Mittelmäßigkeit unendlich häufiger ift als das außer-
ordentliche Talent. Legt man alfo die Entfcheidung in die Hände der Mehr-
heit, fo überläßt man fie unweigerlich eben der Mittelmäßigkeit. Und diefe