Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Editor]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

DOI issue:
Nr. 16
DOI article:
Zoege von Manteuffel, Kurt: Kunstwerke in estländischem Privatbesitz
DOI article:
Literatur
DOI article:
Zoege von Manteuffel, Kurt: [Rezension zu: R. Oldenbourg, Die flämische Malerei des 17. Jahrhunderts]
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0335

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
R. Oldenbourgs »Die flämifche Malerei des 17. Jahrhunderts,

325

Widerfpruch. Wir vermißen ein näheres
Eingehen auf die vorrubenfifchen Groß®
figurenmaler. Es finden Sich zwar einige
feine und treffende Bemerkungen über die
große hiltorifche Bedeutung diefer Künftler
und über ihren Zusammenhang mit Rubens,
es fehlt aber gegenüber der recht eingehen®
den Behandlung der Kleinmaler die Fülle
der Darßellung, So wird nicht das Ge®
fühl erweckt, daß es fich um eine weit®
greifende und tief einfehneidende Bewegung
handelt, die mit Leidenschaft von der ganzen
künftlerifchen Welt der Niederlande er®
griffen und durch mehrere Generationen
feftgehalren wurde,- es fehlt der Eindruck,
daß nur aus diefer Bewegung ein Rubens
hervorwachfen konnte.
Ift alfo diefer Auftakt in einigen Punkten
nicht ganz befriedigend, fo wird man um
fo vollere Töne hören, fobald man Sich mit
den folgenden Kapiteln in das eigentliche
Thema des Buches eingeführt Sieht. Das
Kapitel über Rubens ift nicht nur mit Wärme
und tiefem Verftändnis gefchrieben, es bringt
auch trotz feiner Kürze mehrfach neue Ein®
zelbeobachtungen, die über frühere umfang®
reichere Darftellungen hinausgehen. Sorg®
fähig ab wägend ift van Dyck behandelt,-
es ergibt Sich eine Ehrenrettung diefes
leicht überfchätzten, noch leichter abge®
lehnten Künftlers. Eine wefentliche Be®
reicherung unferer AnSchauung flämiScher
Malerei wird dadurch erreicht, daß alle
zeitweilig oder dauernd von Rubens un®
abhängigen Großfigurenmaler in einem be®
Sonderen Kapitel behandelt Sind,- es zeigt,
wie trotz der überragenden, faß tyran®
niSchen Stellung des Rubens auch auf
diefem Gebiet Nebenftrömungen von Wert
beftanden. Nur andeutend konnten die
meiften Rubensnachfolger behandelt werden,-
die Einzelforfchung liefert hier keinen ge®
nügenden Stoff zur umfaßenden Ver®
lebendigung diefer meift nicht fehr eigen®
artigen Persönlichkeiten, Aber gerade die
Streng auswählende Art diefes Kapitels
hat einen befonderen Wert,- Sie zieht
gleichfam eine Bilanz darüber, was wir
von diefen Meiftern wißen und was noch
zu klären oder zu ergänzen bleibt. Dazu
find an mehreren Stellen wertvolle neue
ForSdiungen mitgeteilt oder neue Gefichts®
punkte aufgeftellt. Der nicht ganz leicht

zugängliche Jordaens wird durch Olden®
bourgs Darftellung, die feiner Begabung
Richtung und Grenzen fehr Scharf betont,
manchem Lefer näher gerückt werden.
Im ganzen ergibt Sich ein fehr reiches und
geordnetes Bild von der Figurenmalerei,
die im Belgien des 17. Jahrhunderts die
große und führende Kunft war.
Von dem folgenden Kapitel, das das
Sittenbild zum Gegenftande hat, war fihon
die Rede. Es ift hinzuzufügen, daß es
mit der Sorgfalt und Liebe gefchrieben ift,
die die Beschäftigung mit diefen Klein®
meiftern verlangt, und daß andererfeits
der Sie alle überragenden mächtigen Ge®
ftalt Brouwers ihre volle Würde gewahrt
ift. Die beiden letzten Kapitel behandeln
Landfchaft, Stilleben und Tierftück, Bild®
arten, die im Süden nie die Selbständige
Bedeutung erlangten wie in den nörd®
liehen Provinzen. Auch ihnen wird Olden®
bourg in vollem Maße gerecht.
Ein Handbuch wie dieSes zu Schreiben,
ift keine fehr dankbare Aufgabe. Der Ver®
faffer ift nicht ganz frei, muß auf den Be®
Stand der vorliegenden Sammlung Rüdk®
ficht nehmen, muß mit vielen und ver®
Schiedenartigen Benutzern rechnen. Er darf
über der Betonung der großen Entwiche®
lungslinien die Rückficht auf den einzelnen
Künftler nicht vernachläffigen, andererfeits
aber auch das Material an Biographischem
und Stilkritifchem nicht häufen. Es Scheint
uns, daß Oldenbourg überall das Richtige
getroffen hat. Klar heben Sich die treiben®
den Persönlichkeiten heraus, die geringeren
Künftler find nicht vergeßen. Nicht zu
ängftlich ift der Beftand des Kaifer®Fried-
rich®Mufeums zur Grundlage genommen
und doch wird es in den meiften Fällen
für den Benutzer möglich fein, Sich an ihn
zu halten. Die Schwierigkeit mancher
Probleme ift'nicht verhehlt, das Sichere
»aber um fo entfehiedener betont. Für den
Gelehrten wird das Buch einen klaren,
kurzen Überblick davon vermitteln, wo
die Forfchung fteht und was für Auf-
gaben noch zu löfen find, für den interef®
fierten Liebhaber wird es die befte Ein-
führung in die Kenntnis der flämifchen
Malerei des 17. Jahrhunderts fein können,
K. Zoege von Manteuffel
 
Annotationen