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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

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Nr. 15
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https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0323

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Kunlt= und Kulturrat für Baden

313

zugänglich macht und die Vorrechte des
Geldes und der Bildung nicht mehr an-
erkennt.
Er erßrebt deshalb die Unentgeltlichkeit
und Volksmäßigkeit aller Darbietungen
der Kunß und Wiflenfthaft in den vom
Staat oder der Gemeinde gehaltenen oder
unterftützten Inßituten.
Er gelangt damit zur Aufhellung des
folgenden Programms:
1. An Stelle des ftaatlich oder ßädtifch
fubventionierten Gefchäfts- oder Unter-
nehmertheaters, das man der privaten
Fürforge derer überlaße, die es nötig
haben, tritt die unentgeltliche Volks-
bühne, die, ftatt in täglichen Auf-
führungen wahllos Gutes und Schlechtes
zu mifchen, in wenigen feierlichen Ver-
anfialtungen nur den Offenbarungen der
wahren Kunß dient. Ihr Raum iß das
Volks-Spielhaus, das außerdem den
Darbietungen der hohen Mufik und der
Feier der Volksfefte geweiht iß. In
ihm wird auch der Dichter und Denker
feine Kanzel haben,- in feiner GeßaL
tung wird der Baumeißer, der Maler
und Bildhauer eine Zukunftsaufgabe
finden. Virtuofenkult und Applaus
wird aus diefem Raume verbannt fein.
Er wird einer KunlLKirche ähnlicher
fein als einem Theater von heute.
2. An Stelle der allein für den Kunftge-
lehrten beßimmten Einrichtung des Mu-
feums tritt eine Anordnung und Auf-
hellung des ßaatlichen und ßädtifchen
Kunßbefitzes, welche der Kunßwirkung,
die von ihm ausgeht, entfpricht: bloß
hißorifch Intereffantes und Seltenes mag
immerhin in der heutigen Weife zu
Studienzwecken aufgeßapelt werden —
was noch zu den Lebenden fpricht, muß
würdig und eindringlich als einzelnes
Werk in eigenem, nach feinem Wefen
geßaltetem Raume in einem Volks =
Kunßhaus zu Geltung kommen.
3. Neben die Unterrichtsfchule <die als
Einheitsfchule für das ganze Volk und
fpäter als Fachfchule für die einzelnen
Berufe die für das Leben notwendigen
praktilchen Kenntniffe vermittelt) tritt
die Kultur = Schule, die, wahlfrei,
aber ebenfalls allen zugänglich, Dichtung,

Mufik und die bildende Kunß nicht lehrt,
fondern darbietet: die lediglich Gelegen^
beit gibt, zu fchauen und zu hören,
aber weder zum Auswendiglernen, noch
zum verßandesmäßigen Zergliedern und
hifiorifchen Verßehen des Kunßwerkes
zwingt,- die ferner alles allgemeine
kulturelle Wißen und Denken, das
über das Praktifch=Fachliche hinausgeht,
durch Vorführung und Vorlefung eben-
falls zu lebendiger Anfchauung bringt.
Dafür wird die hißorifche und philo-
logifch=moralifche Behandlung der Kunß,
wie fie bisher nach dem Vorbild des
Gymnafiums im LInterricht üblich war,
aus der Unterrichtsfchule entfernt.
Das Gymnafium felbß iß als reine
Gelehrtenvorfchule eine Fachfchule un*
ter andern und keine Bildungsfchule
mehr, deren Befuch irgendwelche Be-
rechtigungen verleiht. Sie wird wie
die anderen Fachfchulen nach AbfoL
vierung der Einheitsfchule vom 16. Le-
bensjahre an befucht und leitet organifch
zur eigentlichen Gelehrtenfchule, der
Univerfität, über.
,4. Neben der Univerfitgt, die lediglich
der gelehrten Forfchung und der Heran-
bildung wirklicher Forfcher dient, find
Fachfchulen mit eigener Prüfungsbe-
fugnis für die bisher fogenannten aka-
demifchen Berufe rein praktifcher Art
zu errichten, alfo für Lehrer, Ärzte,
Richter, Anwälte, Geifiliche und Be-
amte aller Art, die bisher durch den
ftreng theoretifchen Betrieb der UniverlL
tät, der ihnen für ihr künftiges Amt
nichts Brauchbares mitgab, in gleichem
Maße behindert wurden, wie lie felbß
der eigentlichen Aufgabe der Univerfität,
der reinen Forfchung, im Wege waren.
5. Die Spieler, Sprecher und Redner, die
Sänger und Mufiker, die Maler, Bau-
meißer, Bildhauer erhalten ihre technifche
Ausbildung in Fachfchulen, die in der
ßaatlichen Kunftfchule zufammenge-
faßt find, welche durch Wahl der Stoffe
und Mufter, der Aufgaben und Aufträge
den einzelnen Fächern das einheitliche
Ziel einer hohen und fvolksmäßigen
Kunß fetzt und allen akademifchen Be-
trieb, alles Modifche und Salonmäßige
aus dem Unterricht ausfchaltet.
 
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