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Kunstgeschichtliche Gesellschaft zu Berlin [Hrsg.]
Kunstchronik und Kunstmarkt: Wochenschrift für Kenner und Sammler — 54.1918/​1919

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Nr. 16
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Zoege von Manteuffel, Kurt: Kunstwerke in estländischem Privatbesitz
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https://doi.org/10.11588/diglit.54677#0341

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Sdiweizerifche Graphik

331

in Bafel flehende Wanderausftellung der
internationalen Verftändigung dienen foll,
wird jetzt zuerft in L e i p z i g Buchgewerbe-
haus) gezeigt, Diefe Schau umfaßt freie und
angewandte Graphik. Der Charakter bei»
der Zweige beftimmt fich durch den eigen»
tümlichen Charakter des Schweizertums
unferer Zeit, das (feiten voll Sinn für eine
verfeinerte Quinteßenz des Lebensgefühls
etwa im Sinne der »Sturm« »Künftler) eine
Kunft bevorzugt, die aus naturaliftilcher
Bafis erwachsend oft nach Größe und
Stärke ftrebt. — Der Gefamteindruck der
freien Graphik kann nicht als be»
deutend bezeichnet werden. Gewiß im»
poniert noch immer Hodlers Kraft, die
aus Lithographien der »Heiligen Stunde«
und eines »Jenaer Studenten« fpricht.
Aber die Nachfolge feiner Art ift nicht
irgendwie hervorragend. Einzelne Ex»
preffioniften, wie Fritz Baumann, Ignaz
Epper, Heinrich Müller und Werner Koch,
bemühen fich um die modernde Linien»
kunft,- aber fie bleiben ziemlich gleich»
gültig, fobald man fie an den Perfönlich»
keiten der »Brücke«»Genoßen mißt. Es
fehlt eben der ftürmifche Auffchwung und
die Glut des Herzens, aus der allein
wahrhaft großartiger Expreffionismus er»
wachfen kann, Überblickt man diefe Künft»
ler und fpürt ihre geringe Kraft, fo muß
man fagen: die modernde Richtung hat in
der Schweiz nur unzureichend Boden ge»
faßt und nach der Blüte impreffioniftifcher
Kunft ift die Führerfchaft von keinem
großen Könner aufgegriffen worden, Nur
taftende Verfuche mehr äfthetiziftifchen
Charakters liegen auf diefer Ausheilung
in den Radierungen und Lithographien
etwa M, Barrauds vor. Wie denn über»
haupt die dargebotene Auslefe vom Ge»
fichtspunkte volkstümlicher Propagandiftik
beftimmt erfcheint. Hat man doch bei
Hermann Huber leider nur eine einzige
Periode herausgegriffen und zur Schau
gehellt: als er noch Harke Plaftik der
Körperformen und viel Gefühl vereinigte,
— Die anderen der im ganzen 61 Künft»
ler umfaßenden Schar find für den Fern»
blick ohne beachtenswertes Relief, Aber
wer fich näher mit ihnen befchäftigt, fühlt
durchweg eine fefte Perfönlichkeit, die mit
ficherer Kenntnis ihrer Technik ein ehrliches

Werk leidet, — eine fefte Perfönlichkeit
zugleich, die ohne Willen zur individuali»
ftifchen Unvergleichbarkeit doch ihre fcharf
ausgeprägte Befonderheit hat. Die Zahl
der jedem Einzelnen zugeteilten Blätter
ift nicht groß; und manche, wie E,
Würtenberger, Alb. Welti, Ed. Vallet,
find von früher her gut bekannt. Dies
find natürlich die prägnanteften Namen,
die auch hier wieder unwillkürlich am
meiften Beachtung finden, da ihr Werk
am relativ bedeutendften ift. Von un»
bekannteren Graphikern ift wohl Giov.
Giacometti mit farbigen Holzfchnitten und
Fr. Voellmy mit tüchtigen Schabeblättern
gefchickter Impreffioniftik am intereflan»
teilen. Bei den übrigen wird man Be»
herrfchung der Technik fchätzen und die
Bodenftändigkeit ihrer Begabung, die aber
über ein achtbares Talent nicht hinaus»
geht.
Weit ftärker als die freie zeigt fich die
angewandte Graphik. Indem fich die
graphifchen Anftalten —' z. B. J.E.Wolfens»
berger, Grell Füßli und Gebr. Fretz in
Zürich, W. Wafiermann in Bafel — be»
deutenderer Künftler zum Entwerfen ihrer
Plakate bedienen, ergibt fich aus ficherer
Technik und tüchtiger Begabung eine de»
korative Leiftungsfähigkeit, die es zu
ausgezeichneten kunftgewerblichen Dingen
bringt. Für Wolfensberger arbeiten etwa
Maler wie Cardinaux, für Fretz: E. Keller,
Kammüller, Bickel ufw, Vortrefflich find
befonders die Anzeigen für Ausheilungen
von Kunftgewerbemufeen, fo etwa die
von Kammüller für die Bafeler Gewerbe»
fchau 1916 im Bafeler Gewerbemufeum,
die von Urech für das Afiatifche Kunft»
gewerbe im Kunftgewerbemufeum der
Stadt Zürich ufw. Theaterprogramme von
E. Keller folgen, höchft gefchmackvoll Linie
und Farbe verwendend, klaffiziftilcher Ein»
Heilung. —- Auch die übrige angewandte
Graphik der Erinnerungsblätter, Ein»
ladungen, Neujahrskarten ufw. beweifen
immer von neuem raftlofes Streben nach
Vollkommenheit und innerer Kraft, — ein
Streben, das in mancher Beziehung (wie
der Plakatkunft) auch für uns noch an»
regend und manchmal vorbildlich fein
kann- v. S.
 
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