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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

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No. 3 (9. Januar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.63024#0011

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Amtsverkündigungsbkatt für den Wezirk Schwetzingen.
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Allgemeiner Anzeiger für die badische und

Donnerstag, 9. Januar 1873.

M. 3.

bayerische Rhetnpfalz.
VII. Jahrgang.

Depeschen.
(H.-B.-R.)
* Brüssel, 8. Jan. Der „Nord" findet die von
einigen Journalen gebrachte Nachricht, daß Rußland und
England ihre asiatischen Beziehungen auf dem Vertrags-
wege regeln würden, nicht recht glaublich, zumal sich zwischen
den Besitzungen beider Mächte Bevölkerungen befänden, welche
absolut keiner Kontrolle oder Autorität unterstellt seien.
„Die gegenseitig freundschaftlichen Dispositionen Rußlands
und Englands, ihre analogen und parallelen, wenn nicht
gemeinsamen Interessen in diesen Gegenden, endlich die
topographischen Verhältnisse garantiren die friedliche Zukunft
ihrer Beziehungen in Asien vielleicht auf wirksamere Weise,
als eine nach allen Regeln der Kunst abgefaßte Convention
dies vermöchte."
* Moskau, 7. Jan. Wie ein Pariser Correspon--
dent der „Mosk. Ztg." wissen will, sei vom Fürsten Orloff
eine Revision des französisch-russischen Handelsvertrages von
1857 angeregt worden, „um dem russischen Handel eine
gleich günstige Lage wie dem der andern Frankreich befreun-
deten Staaten zu sichern." Der Revision würde die for-
male Kündigung ein Jahr vor Ablauf des Vertrages vor-
hergehen. »
politische Yeöechcht.
Wann der deutsche Reichstag zusammentreleu wird
kann heute noch nicht mit Genauigkeit angegeben werden,
da man noch nicht weiß, ob nicht der preußische Landtag
vor der Zeit an seinem Schlüße angelangen wird, dem
Reichstag aber wird der neue General-Feldmarschall Graf
Roon das neue HeereSgesetz vorlegen und daran wahrschein-
lich eine Geldforderung knüpfen, da bekanntlich die 225
Thaler per Kopf nicht mehr ausreichen sollen. Außerdem
wird auch das Münzgesetz wohl fertig gestellt werden und
zunächst die Spannung wegen der neuen Scheidemünze be-
friedigen. Bis jetzt ist darüber noch keine Einigung erzielt
mid es wird gerade dieser Gegenstand zunächst im Bundes-
rathe, dann aber im Reichstage zur eingehenden Discussio-
nen führen. Der Süden ist für seine Kreuzer viel mehr
eingenommen, als der Norden für seine Groschen, doch
wird diese Frage sich eher lösen lasten, als die über die
Ausprägung der Silbermünzen. Von einer Seite verlangt
man bekanntlich Dreimarkstücke, um so die Erinnerung an
die Thaler, von anderer Seite Zweimarkstücke, um die an
Gulden möglichst wach zu erhalten. Man sieht also, daß
hier noch manche Zweifel zu lösen sind, ehe der Vorent-
wurf nur zu einem Entwürfe wird. —
Der „Daily Telegraph,, entwirft heute ein anziehen-
des Bild von der an der Ostküste Afrika's gelegenen
Delagoa Bai, um deren Abtretung an das deutsche

Reich das Bundeskanzleramt mit ihrem gegenwärtigen Be-
sitzer Portugal in Unterhandlung getreten sein soll. Das
Blatt, das dieser Mittheilung der „Gazette de Paris" deßhalb
vollen Glauben schenkt, weil eia solcher pisä L tsrrv auf
der Ostküste Afrika's gerade das bedeute, was ein, preußi-
scher Staatsmann für wünschenswerth erachten müsse, sagt:
Erstlich sagt das Blatt, „sind alle Vorzeichen für die Oeff-
nung jenes dunklen Kontinents vorhanden, und diejenigen,
welche vermeinen, sie hätten mit afrikanischen Angelegen-
heiten Nichts zu thun, werden hinter dem Zeitalter zurück-
bleiben. Ferner ist es ein Lieblingswunsch des deutschen
Patriotismus, die Flotte des Vaterlandes zu entwickeln,
weshalb die Erwerbung auswärtiger Ankerstationen als
eine Nothwendigkeit erscheint. Dazu würde sich die Delagoa-
Bai ganz besonders eignen. Dieselbe besitzt bequeme Lün-
der-Communicationen und einen Strom, der auf zweihun-
dert Meilen Länge für große Boote schiffbar ist. Zwar
ist die Küste flacher Marschboden und im Sommer unge-
sund , aber die Deutschen würden klug genug sein, ihre
Niederlassungen auf höherem Terrain in eiiuger Entfernung
vom Meere anzulegen. Die Portugiesen besitzen ein Fort
bei Cap Myack und haben in Goldstaub, Elfenbein und in
Sclaven gute Geschäfte gemacht. Deren Ablösung durch
eine Garnison teutonischer Race kann im Interesse der
Civilisation nur willkommen sein. D-e Portugiesen sind
habsüchtig, schwerfällig und grausam gewesen, haben die
Sclaverei begünstigt und halten das Land gegen den Ver-
kehr verschlossen. Die Preußen würden mit England behufs
Ausrottung des fluchwürdigen Sklavenhandels gemeinsame
Sache machen, würden mit uns wetteifern, das ungeheure
reiche Territorium zwischen den Flüssen Limpoppo und
Ouillimane gleichsam aufzubrechen. In der Delagoa-Bai
wären sie Nachbarn unseres Coloniallandes Natal und
hätten die Transvaal-Repub!'.^ als Hinterland. Sie. wür-
den ohne Eifersüchtelei auf unserer Seite einen wachsenden
Antheil an dem Handelsverkehr gewinnen, welchen die Auf-
schließung Inner-Afrikas im Gefolge haben muß; die natür-
lichen Reichthümer jener unbegrenzt großen Regionen und
der Insel Madagaskar überdies würden dann die ruhige
See von Mozambique passiren. Uebrigens kann diese von
viel fernsichtiger Klugheit zeugende Absicht der Deutschen,
ein Stück der ostafrikanischen Küste zu erwerben, unserem
eigenen Auswärtigen Amte über die Wichtigkeit dessen, was
zu Zanzibar und im Osten überhaupt geschieht, zu^ Erleuch-
tung dienen. Vom Kaukasus bis zu dem Ocean Süd-
Indiens mehren sich die Zeichen großer Veränderungen, bei
denen England die erste Frucht und den Hauptantheil für
sich gewinnen sollte."
Das Organ des russischen Kriegsministers „Ruski
! Mir" hat sich gegenwärtig die Aufgabe gestellt, in einer
Reihe von Artikel die künftige Stellung der

, Slaven gegenüber dem deutschen Reiche seinen Lesern
! klar zu machen. Die Existenz der Slaven als einer selbst-
i ständigen historischen Nation wird nach seiner Meinung
. nicht durch Culturerscheinungen, sondern nur durch eine
! „fürchterliche politische Niederlage" gelöst werden. Dies
i wird in einem nicht weit entfernten Kriege der slavischen
Race mit der deutschen entschieden werden. „Der Germanis-
mus steht mit dem Schwerte in der Hand vor der Thür
< der slavischen Welt — bereit, alle zerstreuten Glieder der-
selben, wenn auch nicht mit Feuer und Schwert, so doch
' durch den energischen Druck seiner hochentwickelten Cultur
zu absorbiren." Diese Ueberfluthung der ölaven von Seite
der Deutschen gebiete Rußland, nicht gleichgiltig der Ent-
. nationalisirung der Slaven in Preußen und Oesterreich Un-
garn zuzuschauen, sondern darin zu Gunsten der „Unter-
' drückten" zu interveniren. Angesichts einer solchen Gefahr,
welche Existenz aller Slaven bedrohe, sei es, meint das
Blatt, äußerst nothwendig, daß die slavischen Stämme ein-
ander näherrücken, damit sie Eine politische Mach', bilden
und hiedurch sich selber schützen können. Diese politische
Einigung der Slaven wird nach der Ansicht des Ruski Mir
blos durch eine große Entwicklung der russischen Cultur
' und durch — Krieg erreicht werden können. Diese Sprache
! bedarf natürlich keines weiteren Comentars.
Deutsches Reich.
Karlsruhe, 7. Januar. Das badische Gesetzes-
und Verordnungsblatt Nr. 1. enthält folgende Ver-
Ordnungen und zwar: I) großh. Ministeriums des großh.
j Hauses, der Justiz und des Auswärtigen vom 27. v. M.:
die Sendungen an Gerichtsboten auswärtiger Amtsgerichts-
§ bezirke, und 2) großh. Ministerium des Handels vom 19.
! v. M., den Verkehr über die Schiffbrücke bei Hüningen,
den Durchlaß von Schiffen und Flößen durch dieselbe und
den Floßverkehr oberhalb derselben und vom 27. v. M.,
die Landungsstelle in Bodmann betr.
Karlsruhe, 7. Jan. Der heutige Staatsanzeiger
§ Nr. 1. enthält (außer Personalnachrichten) :
Verfügungen und Bekanntmachungen der Staatsöe-
- Hörden. 1) Bekanntmachungen des Ministeriums des Jn-
! nern: a. den Hebammen-Unterricht in Heidelberg betreffend,
Beginn am I. Febr. d. I.: k. den Hebammen-Unterricht
in Freiburg betr., Beginn am 15. Febr. 2) Des Han-
delsministeriums: die Ertheilung von Erfindungspatenten
betr. 3) Des Finanzministeriums: a. das 5prozentige
j Eisenbahn-Anlehen vom Jahr 1866, k. das4^s prozentige
i Eisenbahn-Anlehen vom Jahr 1866, o die Tilgung des
- auf Zi/sprozentige Obligationen aufgenommenen Eisenbahn-
. AnlehenS vom Jahr 1842 betr.
Berlin, 5. Jan. Bezüglich der Reichseinheit
im Reiche scheint die Einsetzung der Schöffengerichte statt

Feuilleton.
Schwetzingen, den 9. Januar 1873.
Die verschleierte Frau.
Roman von Gustav Traugott.
(Fortsetzung.)
VIII.
Seine Augen kümmerten sich wenig um den entseelten
Körper, sie streiften gleichgültig über ihn hinweg und über-
flogen mit einer Gier das Mobiliar des Zimmers, als ob
sie es mit einem Blicke zu verschlingen droheten. Er hörte
nicht auf das kindliche Gewiminer der verlassenen Alice,
Bit weinend am Bette der Verstorbenen knieete und noch
Immer auf ihr wiederholtes Rufen ein Wiedererwachen hoffte.
„Hihi! eine wahre Goldgrube das," kicherte derHaus-
«igenthümer, als er seine prüfenden Blicke zufrieden auf
sich zurückzog. „Es giebt in der ganzen Stadt kein zweites
Zimmer, das diesem gleich käme. — Ist schon der vierte
Miether, der gleich nach seinem Einzuge die Augen auf
«ewig schließt. He, Hollah, 's wird wieder ein fetter Fang
für mich sein — bringt mehr ein, als meine verfl—Hobelet
— will nicht mehr von Statten, — wenig Kunden, dabej
schlechte Bezahler. Dieser Glücksfang wird mich schadlos
halten, vielleicht noch besser als bei der letzten Matrone,
die gleich in der ersten Nacht — Gott habe sie selig —

ihre Augen für immer schloß und mir ihre sieben Sachen
hinterließ, die mir einige tausend Mark eingebracht haben.
— Da ist nun zwar der vertracte Balg als überflüssige
Zugabe. Hättest auch wohl Abschied nehmen können und
dich jener Alten beigesellt — Na, 's wird sich wohl ein
Mittel zur Schadloshaltung finden mußt betteln gehen,
kleine .Hexe, betteln gehen von Thür zu Thür. — Hast ein
ganz niedliches Gesicht, 's wird dir an Spenden nicht
fehlen. — Hihi, wirst mehr einbringen, als du verbrauchst
und meinen Beutel spicken helfen. Will dies wider Er-
warten nicht ziehen, giebt's andere Mittel und Wege, eine
Bürde, die man nicht tragen will, los zu werden."
Er schwieg einige Secunden und strich sich während
dessen mit seiner rauhen, knöcherigen Hand über die Stirn;
dann fuhr er in seinem Selbstgespräch mit höllischem
Grinsen fort:
„Polizei? haha! eine Vogelscheuche dies Wort — ein
kluger, vernünftiger und weiser Mann, wie Meister Stel-
ling, drehet ihr überall, wo unsere Sterne sich feindlich
berühren könnten, eine gewaltige Nase. — Welch' glücklicher
Einfall war es doch, daß ich mit der Anmeldung dieser
fremden Person auf dem Polizei-Bureau gewartet habe!
Konnt's wohl denken, daß sie es nicht lange machen werde
— hätte jetzt das Nachsehen — könnte froh sein, wenn ich
für diese paar Tage meine Miethe erhielte, alles andere
fiele entweder dem Staate oder diesem Balg anheim. —
Kann's besser brauchen, als diese Beiden. Der Staat hat
einen nimmer satten Magen, kann ganze Länder verschlin-

gen und wird doch nicht satt — und dieser Balg? Nun,
über den wär' ich mit mir ja schon eins."
Bei diesen letzten Worten fielen seine Geierblicke auf
einen kleinen Reisekasten in der einen Zimmerecke. Als er
ihn verschlossen fand, durchsuchte er die Zeuge der Ent-
seelten und fand in deren Tasche den nöthigen Schlüssel.
Er öffnete den Kasten mit zitternden Händen, und mit
einem Freudenschrei, dem eines überraschten Wahnsinnigen
gleich, zog er das uns bewußte Geld, welches Kennedy
beim Verlassen des Schiffes durch den Obersteuermann er-
halten und noch sorgfältig in diesem Kasten verschlossen
hielt, heraus, preßte es mit aller Gewalt an sich, als ob
er sich von dem Arm der Gerechtigkeit, der es gebieterisch
zurückforderte, schon umklammert fühlte, nahm die noch
immer heftiger schluchzende Alice gewaltsam bei der Hand
und sagte zu ihr in diabolischer Freude:
„Komm, Schreihals, bist wohl hungrig, sollst einen
halben Zwieback und eine kleine Tasse Wasser mit Milch
haben — wird wohl so viel dabei übrig sein."
Später untersuchte er die übrigen Sachen, und als er
seiner Meinung nach nur werthlose Papiere unter ihnen
fand, so überlieferte er Liese den Flammen.
Aus diesem wenig erquicklichen, für die unglückliche
Waise trostlosen Selbstgespräch des gefühllosen, von nie-
drigem Geiz beherrschten Hauseigenthümers werden meine
freundlichen Leser und Leserinnen sich leicht ein Bild zu
entwerfen vermögen, wessen die von allen Verlaßene sich
zu versehen hätte. (Fortsetzung folgt.)
 
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