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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

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No. 46 (19. April)
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Kchwchmgcr Wochtlmstl.

Amtsverkündigungsötatl ftr den Aezirk Schwetzingen.
Badische Hopfcnjeitung.

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Allgemeiner Anzeiger für die lmttsche und bayerische Rheinpfalz.
.' l — > . I > ^.^>»^.1.

Samstag, 19. April 1873

Slo. 46

VII. Jahrgang
Für das „Schwetzinger Wochenblatt" bestimmte Inserate finden auch im„Philippsburger <L Germersheimer Wochenblatt Gratis-Aufnahme

politische Aeversicht.
Nach Wien zur Weltausstellung wird der deutsche
Kaiser, wie nunmehr feststeht, sich von Berlin aus in Be-
gleitung des Kaisers von Rußland, welcher den vorläufigen
Dispositionen zufolge am 20. Mai dort eintrifst, begeben.
Es scheint nunmehr festzustehen, daß Botschafter in
London Graf Arnim wird, und dessen Stelle nach der Räu-
mung dem General Manteuffel zufällt.
Ueber die sonstigen bevorstehenden Aenderungen im
diplomatischen Dienste des deutschen Reiches gehen der
„Köln. Ztg." folgende Mittheiluugen zu: Der preußische
Gesandte in Dresden, v. Eichmann, soll für den Gesandt-
schaftsposten in Constantinopel designirt sein, da Herr v.
Keudel wahrscheinlich als Gesandter bei dem italienischen
Hofe nach Rom versetzt werden wird. Für den Posten in
Dresden wäre Graf Solms, für denjenigen in Brüssel Graf
Hatzfeld in Aussicht genommeu. Es bestätigt sich endlich,
daß der Legationsrath 0. Brause, Botschaftsrath bei der
deutschen Botschaft in London, zum Gesandten des deutschen
Reichs in Brasilien designirt ist.
Wie bestimmt verlautet, hat der als tüchtiger Jurist
bekannte König Johann von Sachsen einen eigenhändigen
Brief an den deutschen Kaiser gerichtet, in welchem der
König alle jene Gründe zusammenfaßt, die in der Confereuz
der bundesstaatlichen Justizmiuister gegen die Errichtung des
obersten Reichs - Gerichtshofes für Strafsachen angeführt
wurden. Wenn inan von den Gerüchten absieht, welche
über den Eindruck dieses Schreibens circuliren, so darf nach
„S.'s B.-Bl." angenommen werden, daß dem Wunsche
bereits ein Ausdruck gegeben wurde, die Justizorganisation
des deutschen Reiches in einer Weise angebahnt zu sehen,
die mit dem Reichstagsbeschlusfe betreffs des Lasker'schen
Competenzautrages conform ist.
Ueber die Entschädigungen, welche den deutschen
Eisenbahnen für die regulativwidrige Benutzung ihres
Materials zu Kriegszwecken gewährt werden sollen, meldet
die „D. R. C.", daß dieselben sich rund auf 550,000 Thlr.
belaufen. Fremdländische Eisenbahnen erhalten für die
Verwendung ihrer Wagen in Deutschland pro Tag und Stück
2 Thaler. Alles wird aus der Kriegskostenentschädigung
bezahlt.
In Kaiserslautern wird der christliche und jü-
dische Friedhof vereinigt.
Der „zu monarchisch angehauchte" französische
Minister de Goulard, von dem wir kürzlich erst zu berichten
hatten, daß ibm ein Adlatus gegeben worden, soll üm Be-
griff stehen, sich vom politischen Schauplatz überhaupt gänz-
lich zurückzuziehen. Als Nachfolger bezeichnet ein Gerücht
den demissiouirten Präsidenten der Nationalversammlung,
Grevy. Sollte das Gerücht die Wahrheit spre'en, so wäre
das eine Revanche für die Jnstallirung Buffet.

Remusat will nun do, den Wahlkampf mit Ba-
rodet aufuehmen; man mu' ihm also Hoffnung darauf
gemacht haben, er könne durchdingen. Betrachtet man die
Stimmung der Pariser, so i^uß man diese Hoffnung für
einen Jrrthum halten. Die läriser sind in ihrer Mehr-
heit grundsätzlich oppositionell ibd eine amtliche Candidatur
ist ihnen verhaßt, nur weil sie amtlich ist. Sie fragen also
nicht danach, ob Remusat Verluste hat, sondern sehen in
ihm nur den Candidaten des Herrn Thiers, und da Herr
Thiers in der letzten Zeit groj Dummheiten gemacht hat,
so muß man ihm eine Verwaltung ertheilen, dadurch, daß
man Remusat nicht wählt, freilich sind die conservativen
Elemente in Paris zahlreich gel'ug, und wenn sie alle sich
vereinigten, könnte Remusat di Mehrheit gewinnen. Aber
Remusat gilt ja vielen Conservitiven selbst als ein Republi-
kaner und Freigeist, der mitt keinen Umständen gewählt
werden darf, und so werden die vereinten Republikaner
sicherlich den Sieg davontragen Barodet erklärt in seinem
Wahlmauifest, daß er hauptsählich auf die Auflösung der
jetzigen Versammlung und die festere Constituiruug der Re-
publik hinwirken werde. Aehrlich erklärt sich Remusat,
nur mit Vorbehalten, die rach der Thiers'schen Schule
schmecken. Immerhin würde lie Niederlage Remusat's dem
Ansehen Thiers' schaden, das vissen auch die Republikaner,
und ihr Groll auf Thiers mu; groß seiu, wenn sie so offen
gegen ihn auflrcien und seine Aitorität zu schädigen suchen.
Petersburger Nachrichten aus Khiwa zufolge ließ
der Khan mehrere feiner nächten Verwandten und Rathge-
ber hinrichten oder verhaften und schickte die gefangen ge-
haltenen Russen an das Orenburger Detachement ab.
Graf von Eu und Gemahlin,die Thronerbin
Brasiliens, werden bald sine Reise nach Europa
machen. Die Regierung hat den Kammern die versproche-
nen Gesetzentwürfe noch nicht vorgelegt._
Deutsches Reichs
Karlsruhe, 16. April. Am 27. d. M., Vormit-
tags 9 Uhr, findet in hiesigem Rathhause die zweite Si-
tzung des A u s s ch u s s e s des Städtetages statt.
Die Tagesordnung lautet; 1) Berathung der erstatteten
Berichte (v. Feder, Langer, Küttinger) und Feststellung der
hieraus sich ergebenden Resclutiotten für den Städtetag;
2) Beschlußfassung über Tag und Ort derselben; 3) Be-
schlußfassung über die Zahl derjenigen Städte, welche zu
dem Städtetag einzuladen sind, 4) Niedersetzung der ge-
schäftsführenden Kommission.
. Leipzig, 14. April. Gestern Nachmittag wurde der
erste allgemeine deulscheSchuhniachertag im Schützenhause durch
eine Ausstellung von Schuhmacherarbeiten und Lederfabri-
katen, Schuhmacherwerkzeugen und Maschinen eröffnet. Diese
Ausstellung bot ein erfreuliches Bild in engem Rahmen,
denn nicht allein, daß die von nah und fern in großer

Anzahl herbeigekommenen Berufsgenoffen sie mit regem
Interesse betrachteten, es wurde auch das Bestreben kund:
guter, solider Arbeit, die mit geschmackvoller Eleganz das
Praktische verbindet, Eingang zu verschaffen, wozu die in
vorzüglicher Qualität ausgelegten Lederfabrikate, die dem
Fuße treu nachgebildeteu Leisten und in der Technik vorge-
schrittenen Maschinen (Näh- und Walkmaschine r) nur er-
muntern konnten. In der am Al.-md im Trianon abge-
haltenen Vorbesprechung hieß der Vorsitzende des Central-
Comites, Herr Staub, die aus allen Gauen Deutschlands
hier erschienenen Kollegen herzlich willkommen, indem er als
Zweck der zahlreichen Versammlung „die Gründung eines
allgemeinen deutschen Schuhmachervereins" betonte. Die
nun folgenden lebhaften Debatten über: Rechuungsrevifo-
ren (Ausstellungsbudget), Modekommission, Bureaus und
Geschäftsordnung des Schuhmachertags waren mehr vertrau-
licher Natur, da Herr Bierberg (Berlin), dem Herr Staub
später den Vorsitz übergab, erklärte, daß kein eigentlicher
Beschluß gefaßt werden, noch ein Antrag zur Abstimmung
gelangen könnte.
Berlin, 16. April. In dem Gefolge des Kaisers
auf seiner Reise nach Petersburg werden, der „Kreuzztg."
zufolge, sich befinden: Der Reichskanzler Fürst Bismarck
mit einem Departementsbeamten (Bucher oder Bülow),
Feldmarschall Molte, die Generäle v. d. Goltz, v. Steinäcker,
v. Albedüll, Hofmarschall Graf Perponcher, sechs Kabinets-
Beamte, Generalarzt Dr. Sauer und der Geh. Hofrath Borck.

Ausland.
Pttvis, 12. April. Der Gaulois erzählt und zwar
in einer so unverständlichen Form, daß man die Phantasie
eines schlechten Reporters auf Meilenweite arbeiten sieht,
folgende Räubergeschichte. In dem Fort Saint Martin
de R 6, welches bekanntlich Henri Rochefort beherbergt, soll
ein Komplot zwischen diesem und vierhundert Mitgefangenen
entdeckt worden sein, die fämmtlich aus der Haft ausbrechen
wollten und zu diesem Behuf schon in zwei Kasematten —
und in zwei Außenmaueren Bresche gelegt hätten. Diese
Bresche sei, ohne daß der Direktor des Gefängnisses noch
sonst irgend Jemand etwas bemerkt hätte, schon so groß
gewesen, daß vier Mann nebeneinander sie durchschreiten
konnten. Ein Posten hätte die Sache in dem Augenblicke
entdeckt, als die ersten vier Mann auf dem Punkte standen,
zu entrinnen. Man wird uns die Einzelheiten dieser alber-
nen Geschichte erlassen.
NeWpork, 16. April. In Grant (Louisiana) ent-
stand zwischen Negern und Weißen ein Streit in der Kirche.
Die Neger vertheidigten sich im Rathhause; es wurden an-
geblich 100 Neger und ein Weißer getödtet. In Knighis-
town (Indiana) strickten die Bergleute. Die Neger über-
nahmen deren Arbeit, was einen Kampf zwischen den Stri-

K d e l i n e.
Novelle von Gottlieb Richter.
(Fortsetzung.)
„Ja, ja, die Nation muß man kennen," sagte der Alte aufstehend.
Er legte Holz in den Kamin, trat ans Fenster und sah unter dem
aufgezogenen Rouleaux hinaus ins Freie. Das Unwetter hatte sich
gelegt, der Himmel war sternenhell. Nur ganz in der Ferne hörte
man die letzten Athemzllge des Sturmes rauschen.
„Es ist still draußen, ich denke —"
Der Alte vollendete seine Rede nicht, unten aus dem Thale hallte
ein Schuß. ,
„Heiliger Hubertus!" polderte der Jäger, „nun wirds noch toller!
Ich glaube, diese Wildschützen holen uns die Rehe noch aus der Küche.
Was ist da zu machen, Herr Forstmeister? Die ganze Jagd wird
ruinirt. Zwanzig Kerle hab ich schon erwischt, und der Schloßvogt
drunten im gräflichen Schlosse hat sie eingesteckt, aber hats geholfen?
— Und der Tollste von allen ist der Radaman, der hat sich in allen
Ländern Herumgetrieben, ich fürchte, mit dem haben wir noch unsere
heilige Nacht. Unten im Dorfe hat er in der Schenke beim Schnapps
geschworen, er wollte mich niederschießen. Der Hund der! Blau will
ich ihn hauen wenn ich ihn finde!"
Ganz verzweifelt warf sich der Alte in einen Sessel und blies
mächtige Dampfwolken vor sich hin.
„Hör, Alter!" sagte der junge Gebieter, „ich weiß ein Mittel, daß
wir den Radamann vom Halse schaffen."
„Nun," fragte ungläubig Daniel, „soll ich ihn über den Haufen
schießen?"
„Nein, so gründlich nicht," sagte lächelnd der andere, „wir machen
ihn zum Wildmeister und lassen ihn hier im Schloße wohnen."
„Den Hallunken mit uns ehrlichen Deutschen unter einem Dache!"
fuhr der Waldmensch auf.

„Hör doch, Alter! Der Radaman soll eigentlich kein schlechter
Mensch sein, nur ein wilder Teufel. Wenn er hier bei uns ist, wer-
den wir nicht schlechter durch ihn, er kann aber besser werden. Und
einen besseren Jäger finden wir nicht, dich natürlich ausgenommen."
„Ja, ein guter Jäger ist er, Gott sei's geklagt," knurrte der Grau-
bart, die besten Hirsche schießt er nieder, er kennt jeden Wechsel und
thut keinen Fehlschuß. Aber am Ende haben Sie doch Recht," setzte
er nachdenklich hinzu, „wenn wir ihn hier nicht zurecht bringen, so
muß er noch nach Sibirien."
„Morgen wollen wir ihn fangen und anstellen," entschied der
Forstmeister. „Kinleff hat mirs gesagt, daß Radaman schon zwei Mor-
gen zur Cour ginge, wo der Vierzehnender wechselt. Auf frischer That
müssen wir ihn ertappen, das gibt uns Gewalt über ihn. Und nun
wollen wir schlafen gehn, Alter es ist elf Uhr vorbei."
Eine Viertelstunde später war alles still und dunkel im alten Jagd-
! schlosse. Den jungen Forstmeister umtändelten süße Träume von der
j lieben blonden Fee dort im heimischen Deutschland.

Der Himmel wurde hell im Osten, als die schmale Zugbrücke sich
knarrend niedersenkte.
! Die beiden Jäger wanderten, die Büchse auf der Schulter, die
' Jagdtasche an der Seite, schweigend nebeneinander hinab zum Thale
! in den Wald. Bald kamen sie dem Wechsel näher. Vorsichtig und
> leise schlichen beide der Stelle nach, von der sie wußten, daß sie Rada-
I man wählen müsse, wenn der Hirsch ihm schußgerecht kommen sollte.
Hinter einem Dickicht, dem der Herbst noch ein dichtes Grün gelassen,
' kauerten sie nieder. Kaum saßen sie versteckt, so sahen sie fünfzig Schritt
von sich eine Gestalt durchs Unterholz streichen, einer hohen, von unten
auf dicht bebuschteu Eiche zu, die am Rande einer Waldwiese stand.
An der Eiche machte er Halt, nahm die Büchse von der Schulter, zog
den Hahn über und setzte ein neues Zündhütchen auf den Kegel. Es
war ein strammer Bursche, dieser Radaman, richtig sechs Fuß und zwei
Zoll hoch , mit breiten Schultern, blitzenden Augen und schwarzem

Barte. Er lugte vorsichtig umher. Jetzt flog sein Blick auch nach
dem Dickicht, hinter dem die beiden lauerten. Hatte der Wildschütz
etwas gemerkt? Jetzt duckte er sich nieder, um genauer hersehen zu
können und faßte, wie im Argwohn, sein Gewehr. Die Forstmänner
saßen regungslos. Es lag ihm sehr dran, den wilden Kerl auf der
That zu ertappen. — Er mußte aber doch nichts gemerkt haben. Viel-
leicht war die unbestimmte Ahnung einer Gefahr, wie wir sie oft haben,
ihm durchs Gehirn geflogen. — Wenn der Hirsch überhaupt kam,
mußte er bald kommen.
„Binnen einer Viertelstunde, oder gar nicht," flüsterte der alte
Daniel.
Karls Brust schlug doch etwas schneller wie gewöhnlich, aber der
Alte neben ihm saß so ruhig da wie eine Broncefigur. Seine Hände
umfaßten fest den Lauf der Büchse, während seine grauen, durchdrin-
genden Augen jede Bewegung des Wilderers so genau beobachteten wie
der Falke das Küchlein.
Jetzt zog sich Radaman hinter die Eiche zurück. Die Wiese herauf
schritt langsam ein Hirsch, hier und da ein Büschel Gras abweidend,
dann den Kopf mit dem stolzen Geweih aufwerfend und das Terrain
recognoscierend. Der Wind zog vom Hirsche nach dem Russen und
den beiden Versteckten herüber. Auf hundert Schritt war der „König
der Wälder" herangekommen. Radaman zog die Büchse an die Wange.
Ob er dabei seine Gestalt ein wenig preisgab, oder ob das Metall des
Laufes einen Lichtreflex in das Auge des Thieres warf: Es stutzte,
warf den Kopf auf, ein Zittern flog über seine Flanken, und mit
mächtigem Sprunge schoß er seitwärts. In demselben Augenblicke krachte
Radamans Büchse, der Hirsch zog alle vier Läufe zu einem fabelhaften
Sprunge unter sich zusammen, stürzte dann schwer zu Boden und ver-
endete auf der Stelle.
„Spitz von von vorn, grad ins Herz!" murmelte Daniel vor
sich hin, „spitz von vorn im Sprunge! Ein Capitalschuß! der Kerl
Hot den Teufel im Leibe!"
(Fortsetzung folgt.)
 
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