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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

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No. 90 (2. August)
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https://doi.org/10.11588/diglit.63024#0361

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--^-SchwtMgtr Wochenblatt.
Alle Postanstalten
°n'"" AmtsverlümdigungsölaLt für den Aezirk Schwetzingen.
Badische H o p s c n z e i t u n g.

Preis
vierteljährlich 51 kr.
Inserate:
die viergespaltene
Petitzeile oder deren
Raum 4 kr.,
Garmondzeile 5 kr.

Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.

Ao. 90. Samstag, 2.'August 1873. VII. Jahrgang.

Inserate von Arrswürts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Kaasenstein L Dogker, Rudolf Wofse und ch. Danöe L Go., sowie die Süddeutsche Annoncen-Grpedition
von G. Stöckhardt in Stuttgart, Frankfurt, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg.

Die Anklage gegen Adele Spitzeder
nnd Genossen.
(Fortsetzung.)
München, 14. Juli.
Bei einer solchen Geschäftsführung, die mit nichts be-
gonnen wurde und bei welcher eigentlich mit dem Augenblick
der ersten Einlage auch schon der Zust.ind der Insolvenz
emgetrelen war, mußten natürlich die Passiven zu einer
kolossalen Höhe mit rascher Schnelligkeit anwuchsen und mußte
sich schließlich eine enorme Ueberschuldung ergeben. So stehen
denn auch in der That in der Spcheder'schen Gaiusache
1,974,000 Aclien der Summe von 10,063,319 Fl. Passiven
gegenüber, und ob selbst diese Zahlen dem wirklichen Schulden-
veryältniß entsprechen, ist sehr die Frage, da mit Sicherheit
anzunehmen ist, daß eine große Zahl von Forderungen gar
nicht angemeldet wurde. Niemand wird nun ernstlich be-
zweifeln wollen, daß Adele L Pitzeder über den Stand ihres
Geschäftes, über die Unvermeidlichkeit der Zahlungseinstellung,
die nur eine Frage der Zeit war, so wie über den schließlich
eintretenden ungeheuren Schaden, den ihre Glünbigerschaft
erleiden mußte, vollständig im Klaren war; daß sie ferner
recht wohl einsah, daß die Ziffer dieses Schadens desto be-
trächtlicher werden mußte, je länger das Geschäft fortgeführt
wurde. Gleichwohl zögerte Adele' Spitzeder keinen Augen-
blick, auf dem einmal begonnenen Wege fortzuschreüen. Ver-
meiden könnte sie die unausweichliche Katastrophe des Zu-
sammenbruches nicht, aber dieselbe so lange als möglich hin-
auszuzu'hen, dies konnte gelingen, und' dazu wurden denn
auch alle zu Gebote stehenden Mittel versucht; die Stimme
des Gewissens -- die ihr Hütte sagen müssen, daß die ver-
derblichen Folgen ihres Thuns gerade denjenigen Theil der
Bevölkerung trefsin würden, welcher Vermögensverluste am
schwersten empfindet, die Armen und Unbemittelten, an deren
Ersparnissen der Schweiß harter Arbeit und die Bitterkeit
der Entsagung haften — wurde übertäubt durch die Lockungen
der Eitelkeit und eines üppigen Genußtebens.
Adele Spitzeder hatte sich ziemlich rasch daran ge-
wöhnt, sich von dem glänzenden Comfort des Reichthums
umgeben zu sehen; ihre Zimmer waren auf das eleganteste
eingerichtet; in denselben waren Spieluhren aufgestellt, um
mit ihren Melodien die geladenen Gäste bei der Tafel zu
ergötzen nnd die Gebieterin in einsamen Stunden in süße
Träumereien zu wiegen; die Wände waren bedeckt von
Oelgemälden in prunkenden Rahmen; für ihre sonntäg-
lichen Ausflüge standen drei Equipagen im Stalle bereit;
ein Troß von Bediensteten harrte ihres Winkes, und über
alle diese Herrlichkeiten, so ganz im Stil eines sybaritischen
Paschathums, noch eine Zeit lang zu gebieten, sagte ihren
Neigungen außerordentlich zu; auch das Flittergold ihrer
erschwindelten Popularität reizte sie viel zu sehr, um sobald
wieder darauf zu verzichten.

Das ganze Streben der Spitzeder war daher darm
gerichtet, ihrem Geschäft die möglichste Ausdehnung zu gebe^
und hiedurch, gegenüber der täglich zunehmenden Schulden-
last, eine beständige Steigerung der tauglichen Capitalszu-
flüsse zu erzielen. Zur Erreichung dieses Zweckes suchte sich
Adele Spitzeder zunächst die Presse dienstbar zu machen, was
ihr auch zum Theil gelang. Von der ihr ergebenen Presse,
die vorzugsweise in den Kreisen der Landbevölkerung ver-
breitet ist, wurde das Lob der Adele Spitzeder, ihre Un-
eigennützigkeit, die Solidität und die Dauerhaftigkeit ihrer
„Bant" in allen Tonarten gesungen. Blätter, die ihre
Stimmen erhoben, um den gefährlichen Schwindel der
Dachauer Bank bloßzulegen und das Publikum vor einer
Betheiligung zu warnen, wurden in der heftigsten Weise
angegriffen, beschimpft und ihnen vorgeworfen, daß sie nur
darauf ausgingen, um im Interesse eines geldwuchernden
liberalen Judenthvms die lästige Concurrenz der gerade für
die arbeitende Elaste so wohlthätigen Dachauer Bank der
Adele Spitzeder zu vernichten, u. dgl. Unter der Hand
wurde denn auch der Versuch gemacht, diese Blätter auf
andere Weise, nämlich durch Bestechung, zum Schweigen
zu bringen, oder solche gar anznkaufen. Adele Spitzeder
gründete selbst eine Zeitung, das Münchener Tagblatt,
dessen Redaction ein gewisser Ör. Faift übernahm, welches
unter dem Deckmantel der politischen Tendenz eines ge-
müßigten Ultramontauismus ausschließlich die Interessen des
Spitzeder'schen Geschäftes zu vertreten hatte. Auch sorgte
sie, wie bereits bemerkt, dafür durch Spendung reicher
Pathengeschenke bei Taufen und Firmungen, durch Ueber-
nahme zahlreicher Gevatterschaften, durch sonstige Acte der
Wohlthätigkeit und durch Gründung einer sogenannten Volks-
küche, in welcher Speisen und V'etrünke zu außergewöhn-
lich billigen Preisen abgegeben wurden, und an deren Wän-
den Devisen angebracht waren, wie: „Aus dem Volk und
durch das Volk", den Nimbus einer Wohlthäterin des
Volkes, einer Beschützerin der arbeitenden Elasten, welchen
ihre Freigebigkeit, so wie die von ihren Organen unablässig
gepriesene Uneigennützigkeit ihres Bankgeschäftes bereits um
sie gebreitet hatte, noch zu erhöhen. Und in der That, alle
diese Mittel waren vom besten Erfolge begleitet, denn bis
wenige Wochen vor dem Eintritt der Katastrophe war
ihre Popularität stets im Wachsen und der Zudrang zu
ihrem Geschäfte beständig im Steigen begriffen. Besonders
die Landbevölkerung strömte massenhaft herbei, nm ihre
Capitalien der neuen Wunderbank anzuvertrauen.
(Forts, folgt.)
Rundschau.
Wie offiziös bestätigt wird, hat der Kronprinz des
Deutschen Reichs eine Einladung des jungen Kön gs von
Schweden und Norwegen erholten, welcher denselben zu
einem Besuche von Stockholm und C h r i st i a n i a auf-

fordert; der Kronprinz gesenkt im Monat August, nach
Beendigung der Badekur in Wyck, der Einladung nachzu-
zukommen; es wird zu dieser Reise ihm ein Theil des in
den deutschen Gewässern jetzt zusammengezogenen Geschwa-
ders zur Verfügung gestellt werden. Am 2. Sept, wird
der Kronprinz von seiner skandinavischen Reise nach Berlin
zurückgekehrt sein, daselbst und bei den Mannövern des
Gardekorps ein paar Wochen verweilen, dann eine größere
Reise nach Süddeutschland behufs Jnspizirung seiner Armee-
Jnspection (bayrische und württembergisches Armeekorps) an-
treten und mir dieser namentlich auch eine technische In-
spektion der süddeutschen Waffenp'ätze, U l m u. s. w. ver-
binden
Bekanntlich besteht bei unserem Bundeskanzleramt die
Absicht, auf den Grundlagen der preußischen Gewerbesteuer
eine R e i ch s g e w e r b e st e u e r einzuführen. Mit dieser
Absicht ist es wohl in Verbindung zu bringen, daß dos
preußische Finanz-Miuisterium neuerdings einen Gesetzentwurf
ausgearbeitet hat, der verschiedene Reformen in der preußi-
schen Gewerbesteuer zum Zweck hat. Der Entwurf ist den
Regierungen und von diesen auch einzelnen Magistraten zur
gutachtlichen Aeußerung zugefertigt. Die Behörden sind
dabei zugleich aufgefordert, nicht nur den Gesetz-Entwurf
einer eingehenden Erörterung zu unterwerfen, sondern ihr
Gutachten auch über solche Abänderungen der Gewerbe-
steuergesetze abzugeben, welche ihnen außer den in dem
Entwurf augestrebten als nothwendig oder wüuschenswerth
erscheinen. Vorläufig sei nur erwähnt, daß durch den
Gesetzentwurf beabsichtigt wird, die besonderen Steuerklassen
der Bäcker, Fleischer und Brauer eingehen zu lassen und
die Gewerbetreibenden derselben den Steuerklassen des Handels
är. I., II. und 8. zuzuweiseu. Außerdem soll der
Finanzminister ermächtigt werden, geringfügige Handels-
geschäfte der Steuerklasse B. von der Gewerbesteuer ganz
freizulassen, ohne daß der dadurch entstehende Steuerausfall
von der Steuerklasse anderweit wieder aufgebracht werden
darf. Endlich sind einige Erleichterungen für den Hausir-
handel in Aussicht genommen.
In Rom, so wird von verschiedenen Seiten überein-
stimmend gemeldet, gedenkt Feldmarschall Graf Moltke
bald nach Beendigung seiner Badekur in Gastein, einzu-
trcffen. Ganz bedeutungslos ist das nicht. Die Jesuiten
Hetzen die französische Regierung immer tiefer in eine gegen
Italien feindselige Politik hinein, um für den Papst die
weltlihe Herrschaft wieder zu gewinnen; es ist daher wohl
denkbar, daß dem italienischen Kriegsminister daran gelegen
ist, sich mit den Ansichten des berühmten Feldherrn über
italienisches Heerwesen und namentlich über die Verthei-
digung des Landes gegen einen etwa von Nordwesten herein-
brechenden Feind bekanntt zu machen. Ob mehr als eine
bloße Besprechung sich an den Besuch des deutschen Feld-
marschalls knüpfen werde, bleibt vorläufig dahingestellt.

Baron und Schauspieler.
Novelle.
von I. Krüger.
Viertes Kapitel.
Ein Besuch aus der Fremde.
(Fortsetzung.)
„Wenn sie meine Bedingungen annehmen wollen, Herr
Feldmann," sagte er, „so null ich ihnen und ihrer Tochter
so lange ein Asyl gewähren, bis sie mir selbst den Entschluß
anküudigen, diesen Aufenthalt wieder zu verlassen."
„Und diese Bedingungen sind?" fragte Feldmann.
„Niemals in meiner Gegenwart in unfern Gesprächen
das Theater zu berühren und die Vergangenheit ruhen zu
lassen."
Der Alte bedachte sich einem Augenblick. Dann ver-
setzte er:
„Es wird mir schwer werden, Herr Baron, da ich noch
an meiner alten Kunst mit Leib und Seele hänge und wenn
ich auch keine Lorbeeren auf den Brettern zu ernten vermag,
doch mich gern noch der schönen Zeit erinnere, wo wir uns
zuerst kennen lernten und ich ihnen den Rochus Pumper-
nickel einstudirte, in welcher Rolle sie so rasendes Furore
machten."
Herr von Fernau sprang heftig vom Stuhle auf.
„Still ! still!" gebot er, „kein Wort mehr davon, oder
wir sind auf der Stelle geschiedene Leute!"

Feldmann schwieg erschrocken. Sein Schwager ging
mehrere Male im Zimmer auf und ab. Endlich blieb er
vor Vater und Tochter stehen.
„Nun wozu sind sie entschlossen?" fragte er.
Feldmann blickte auf seine Tochter, die ihn bittend
ansah.
„Gut, Herr Baron, wir nehmen ihr gütiges Anerbie-
ten an. Ich werde meine Zunge im Zaum halten und nur
insgeheim mit meiner Tochter von Dingen plaudern, die mir
lieb sind."
„Ihr Ehrenwort darauf?"
„Mein Ehrenwort."
Die B änner gaben sich die Hände. Damit war die
Sache abgemacht.
Noch denselben Tag ließ der Baron einen geräumigen
Pavillon, der unfern des Herrenhauses im Garten lag und
mehrere wohnliche Zimmer enthielt, zur Aufnahme für feine
Gäste in Stand setzen. Die Zimmer wurden sehr einfach
aber ausreichend möblirt und für Minna Feldmann, die,
wie ihr Vater dem Baron berichtet, einigen Musikunterricht
in früheren Jahren genossen und Gesangstalent besaß, ein
hübsches Klavier hineingebracht.
Der Baron führte, als alles fertig, Bc de selbst hinein.
„Ich denke, Herr Feldmann," sagte er, „daß diese be-
scheidenen Räume ihnen und ihrer Tochter genügen werden.
Sie können sich von den in den letzten Jahren ausgestan-
denen Strapazen nach und nach wieder erholen und haben
mit keinen Sorgen mehr zu kämpfen. Die nöthigen Nah-

rungsmittel werden ihnen von meinen Dienern gebracht
werden. Den Garten und den Park, wie den naheliegen-
den Wald mögen sie zu Spaziergängen benutzen. Ihre Ge-
genwart im Schloße wünsche ich nicht. Aber ich werde sie
zuweilen besuchen. Noch Eins," fügte er hinzu, ehe er sich
wieder dem Ausgange zuwandte. „Es kommen mitunter
Verwandte von mir hierher, die sich gewöhnlich acht oder
vierzehn Tage bei mir aufhalten. Ich wünsche nicht, daß
sie und ihre Tochter von diesen gesehen werden. Sie haben
sich also in der Zeit ihres Hierseins am Tage im Pav llon
aufzuhalten. Damit sie aber nicht wie in Gefangenschaft
leben, so mögen sie die frühen Morgen- und späten Abend-
stunden zum Spazierengehen wählen."
Feldmann und Minna, die ganz entzückt von ihrer
freundlichen Wohnung waren, versprachen, dem Befehle
ihres Schwagers und Onkels getreu nachzukommen und sich
so viel wie möglich em rstraits zu halten.
Als Beide aber allein waren, sagte Feldmann zu seiner
Tochter:
„Im Grunde verdrießt es mich doch, daß mein ehe-
i maliger Schüler sich unserer Verwandrschaft schämt, und
wenn mich auch jetzt die Noth zwingt, ihm zu gehorchen
und der Sklave seines Willens zu sein, so hoffe ich doch,
daß in einigen Jahren die Zeit kommen wird, wo ich dich
und mich aus dieser ziemlich unwürdigen Knechtschaft zu
befreien vermag. Du bist fo hübsch, wie meine arme selige
Schwester Minna gewesen ist und hast nnbezweifelt ebenso
! viel Talent wie sie hatte. Um jetzt schon auf der Bühne

Hiezu eine Beilage: Der GeueraL Änzeiger Nr. 5 für Baven, Elsaß, Hessen, Nassau L Pfalz.
 
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