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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

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No. 133 (13. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.63024#0533

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AmtsverküMgungsölatt fimden Mezirk Schwetzingen,

B ,i ü j! ch r Hßpfcnzeit u n g.

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Inserat
die viergespaliene
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Raum 4
Garmondzeile 5 kr.

Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Kheinpfalz.


Fo. 133. Donnerstag, 13. Nosember 1873. VII. Jahrgang.
Inserate va» Auswärts nchnien für uns auch entgegen die AnnencennBurcaug von oenotenttetn L Ztogker, Htüdekf^sotse tute ff. n. Dnuöe L Go-, sowie die Süddeutsche Annottcen-Krpedltrvn
Von K. SlöckhardL in Stuttgart, Fraulfurt, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg.



Pwcch Plyame.
VerfaLlLes, 21. Oktober.
Dreizehnter Werhandlnngstag.
Das Zeugenverhör wird forig-setzt.
Herr Schneider, ehemaliger Präsident des gesetzgeben-
den Körpers, 68 Jahre alt, ist überzeugt, daß der Ange-
klagte sich niemals zu dem Oberbefehl gedrängt hat und
keinen Antheil an dem Schritte des Herrn Jules Favre
und Genossen hatte, in welchem diese auf ihn als den Mann
der Situation sahen.
Herr Rouher, Abgeordneter, 58 Jahre alt, kann, wie
er in mürrischem Tone sagt, sich nicht erklären, warum er
vorgeladen worden.
Präsident Herzog von Aumale: Die Vertheidigung
hat es gewünscht.
Lachaud: Ist Ihnen bekannt, daß der Marschall Va-
zaine sich jemals direkt oder indirect um den Oberbefehl
beworben hat ?
Zeuge: Ich bin überzeugt, daß er nur einer ihm ge-
worfenen Ordre gehorchte und gar nichts zu seiner Ernen-
nung gethan hat.
Präs.: Wir gehen jetzt zu dem zweiten Abschnitte
unseres Gegenstandes über, zu der. Militärischen Operatio-
nen vom 13. bis zum 19. August.
Zeuge Marschall Canrobert, 75 Jahre alt, sehr rüstig
und noch heute, wie vor zehn Jahren, der Typus des bie-
deren, bei allen achtungswerthen Eigenschaften, etwas bur-
lesken Soldaten. Er wird von allen Seiten ehrfurchtsvoll
begrüßt, leistet seinen Eid mit einer Geberde, als ob es
gälte eine Fahne auf einer eroberten Festung aufzupflanzeu
und erzählt dann mit behaglicher Breite, wie in einer Ge-
sellschaft: Ich befand mich im Lager von Chalons, als
ich am 12. August nach Metz berufen wurde. Hier erfubr
ich die Ernennung Bazaine's zum Oberbefehlshaber und da
dieser einige Schwierigkeileil machte, redete ich ihm selbst
noch zu und erklärte mich gern bereit unter ihm zu dienen,
obgleich mein Corps durchaus nicht mit Allem, was nö'lsig,
verseh n war. An der Schlacht bei Vorny nahm ich kemen
Theil; dieselbe war für unsere Waffen ruhmvoll und das
Verhalten des Marschalls verdient ebenfalls alles Lob. In
der Nacht von; 14. zum 15. überschritt ich die Mosel und
am 15. Abends nahm ich in Rezonville Stellung, nm mü-
neu Marsch am andern Morgen fortznsetzen. Am 16. früh
erhielt ich aber den Beseht, die Stellungen zu behaupten.
Alif einmal sahen wir eure Division in Verwirrung zu uns
fl.ehen und uns selbst, wie ich absichtlich sage, von einem
Artilleric-Tirallleurfeuer angegr ffen. Ich ließ dieses- Feu.r
sogleich erwdern. Da wir aber nicht genügend mit Mu-
uition ausgerüstet waren, wurde uns dieses Ariillen dnell ;

sehr unangenehm, denn wir verloren darin 552v Mann.
(Leise Heiterkeit im Publikum.) Der Marschall Bazaine er-
schien und stellte die Ordnung wieder her. Obgleich das
nicht der Platz für einen Oberbefehlshaber war, ließ er sich
doch durch feine gewöhnliche Bravour fortreißen. Des
Abends erhielten wir Befehl, in unseren Stellungen zu ver-
bleiben und um 3 Uhr Morgens den weiteren Befehl, nach
Verneville zu marschircn, um uns leichter von Metz aus
verproviantiren zu können. Ich kam gegen 9 Uhr in Ver-
neville an und erkannte gleich die Schwächen dieser von
drei Gehölzen umgebenen Stellung. Ich berichtete es dem
Marschall und dieser wies mich nun an, in diese Stellung
vor Saint-Privat abznziehen, jedoch so, daß ich mit dem
Corps Ladmirault verbunden bliebe. Es war schon Nacht,
als ich in Saint-Privat ankam und am andern Morgen um
halb 12 Uhr wurde ich angegriffen. Ich hatte 11 Batte-
rien, nicht eine einzige Miirailleuse und meine Munitions- !
wagen waren nur zu einem Drittheil gefüllt. Der Kampf
nahm bald furchtbare Proportionen an und ich verlor 5150
Mann. Die königliche Garde des Feindes schob sich zwi-
schen das 3. und 6. Corps vor und wir brachten ihr schwere
Verluste bei (7000—8000 Mann.) Wir sahen uns von
90,000 Mann und 260 Geschützen.angegriffen. Ich schickte !
dem Marschall Boten über Boten, um Verstärkungen zu er-
langen, erhielt aber immer nur den Befehl, mich in Saint-
Privat zu behaupten. Gegen 6 Uhr gewann die preußische
Artillerie eine unwiderstehliche Ucbermacht; gleichwohl hielten
meine braven Soldaten noch bis 7 Uhr aus. Endlich muß-
ten wir uns stufenweise zurückziehett und erreichten in or-
dentlichem Marsch die Position von Monthiesant, wo eine
starke Batterie ausgestellt war; die Artillerie der Garde kain
dieser zu Hülfe und es gelang ihren vereinten Anstreng-
ungen, die Preußen aufznhalten; doch zog ich mich nach
den mir gewordenen Befehlen unter die Kanonen von Metz
zurück. In einem Bericht, den d-r Marschall am 19. von
mir erforderte, konnte ich ihm nicht verhehlen, daß meine
Truppen diesen Rückzug nur weil er anbefühlen war und
mit Widerstreben angetretcn hatten.
Präs.: Nach Ihrer lichtvollen Darstellung werde ich
nur wenige Fragen an Sie zu richten haben. Erhielten
Sie am 13. schon die Befehle von Bazaine?
Zeuge: Nein, er hatte noch nicht ganz vom Oberbe-
fehl Besitz genommen.
Präs.: Glauben Sie, daß, wenn inan die Mosel-
brücken abgebrochen hätte, der Marsch des Feindes aufge-
hallen worden wäre und Sie Ihre Bewegung nach Metz
hätten ruhiger fortsetzm können?
ZeuZw Vielleicht, aber ich glaube nicht, daß die
Schuld auf Bazaine fällt.
Präs.: Waren die Straßen schon verstopft?
Z ug : Ungeheuer.

Präs. : Und als Sie in Longwy standen, schien Ihnen
da die Demonstration des Feindes auf einen ernstlichen An-
griff zu deuten?
Zeuge: Nein, aber seine Geschosse trafen da schon
merkwürdig gut: ein Oberst wurde in Stücke zerrissen und
ein Hauptmann verlor ein Bein.
Präs.: Kennen Sie den Plan des Rückzuges über
Verdun nach Chalons?
Zeuge: Nur vom Hörensagen, aber nichts Genaues.
Präs.: Glauben Sie, daß es am 17. noch möglich
gewesen wäre, die Stellungen von Mars-la-Tour und Vion-
ville wiederzunehmen?
Zeuge: Das ist schwer zu sagen, nachdem sie einmal
aufgegeben waren. Man har die Bewegung des Marsches
vielleicht kritisirt, aber tadeln ist leichter, als besser machen.
Präs.: Hatte am 17. ein Angriff auf den Feind
Aussicht auf Erfolg?
Zeuge: Auch dessen bin ich nicht ganz gewiß, aber
ich glaube es. Als ich die Front meiner Truppen passirte,
sah ich ihnen im Gesichte an, daß ihnen etwas fehlte. Ich
erkundigte mich und erfuhr, daß sie Hunger hatten, es hatte
ihnen bei Saint-Privat selbst an Trinkwaffer gefehlt.
(Fortsetzung folgt.)
Rundschau.
Der polnische Kellner, der Herrn Ledochowski's
Equipage und Pferde abkaufte, war nur ein Strohmann-
Posener Anhänger des Erzbischofs wollen sie ihm wieder
zurückkaufen. Der Herr Erzbischof soll jedoch das Anerbie-
ten mit dem Bemerken abgelehnt haben, daß, trotzdem er
für die Kutsche allein 1000 Thlr. bezahlt habe, er weder
sie noch die Pferde zurückkaufen wolle, da sie ihm doch
wieder abgepfändet werden würden.
Es wird nunmehr der Bundesrath in nächster
Zeit zusammLntrcten, um sich in Betreff der demnächst er-
forderlichen Auflösung des Reichstags schlüssig zu machen,
d. h. zunächst den Antrag an dm Kaiser bezüglich der Auf-
lösung des Reichstags zu richten und den Umfang der Vor-
lagen festzustellen, welche den Reichstag zunächst in der kur-
zen Frühjahrssession beschäftigen werden.
Der bei Ausbruh des deutsch-französischen Krieges hier
accreditirte franz. Militärbevollmächtigte, Oberst Stoffel,
dessen von hier nach Paris gesandte Berichte über die preuß'
Militärorganisation, welche nach Sturz des Kaiserreichs zur
Veröffentlichung gelangten, allgemeines Aufsehen erregten,
ist jetzt im Prozeß Bazaine wieder in den politischen Vor-
dergrund gürelen — wie es scheint, in einer für ihn nicht
sehr vortheilhaften Wüs-. In Berlin halte man die Natur
Stoffel's richtig erkannt. Man ahnte die Natur seiner Be-
richte, die Schärfe seiner Beobachtungen und als er nach

Air Zigeunerin.
Novelle
von Jonny Kiiuir.
(Fortsetzung.)
„Und wo?"
„Nicht weit von hier entfernt, im kleinen Städtchen
Braunfels."
„Ist er verheirathet?" fragte die Zigeunerin abermals.
„Ja, schon seit langer Zeit," entgegnete der Graf.
Ein höhnisches Lächeln überflog die Züge der Zigeu-
nerin.
„Vielleicht schon seit sechszehn Jahren?" fragte sie
spottend.
„Sie sind anscheinend mit unseren Familienverhült-
uissen genau bekannt," sagte der Graf erstaunt. „Es sind
beinahe sechszehn Jahre."
„Ich danke ihnen," entgegnete die Zigeunerin, indem
sie dem Grusen und seiner Gemahlin den Rücken zuwandte
und, ehe diese sich noch besinnen konnten, hinter den Bäu-
men verschwunden war.
„Seltsam!" murmelte der Graf.
„In der That," fügte die Gräfin noch immer er-
schrocken hinzu. Sie konnte sink dein Verlast ihres Kindes
den Anblick eines Zigeuners oder einer Zigeunerin nicht


mehr erlragen. Der GeRmke an jenen Abend, wo sie das
w.lde Volk in Zusammenhang mit ihrer Franziska gebracht,
wollte nicht mehr aus ihrem Gedächtnisse entschwinden.
'Mittlerweile wanderte die Zigeunerin den Weg, den sie
gekomm-u war, zurück. Ihre hohe Stirn war in finstere
Falten gezogen und ihre dunklen Augen schossen Blitze.
„Verheirathet — seit sechszehn Jahren!" kreischte sie
zwischen den blendend müßen, tadellosen Zahnen hervor, als
sie aus dem Gesichtskreise des gräflichen Paares verschwun-
den war. „Verheirathet!" und sie lächle grell auf. „Armes
Ding — arme Zendale!" fuhr sie nach einer Pause fort.
„Das hast du nicht geglaubt, als du für ihn li test. O,
diese Weißen — diese Elenden! Du brauchtest mich nicht
zu ihm zu senden — hättest mir den weiten, mühevollen
Weg ersparen können. Ich muß jetzt heimkehren — ich
kann wieder nach Spanien ziehen ohne ihn gesehen zu haben ;
er wird sich wenig aus deiner Botschaft machen. Arme un-
glückliche Zendale, armes Ding, wie felsenfest hast du auf
seine Treue gebaut!"
Diese Frau war Fiora — Zendale's einstige Freundin.
Fiora war fast entschlossen, in ihre Heimath zurückzu-
k hren, ohne Zendalrs Auftrag ausgeführt zu haben; sie
hielt es jetzt nicht mehr für nöthig, nachdem sie erfahren
hatte, daß Leon schon sechszehu Jahre verheirathet war,
noch im selben Jahre, als er von Zendale Abschied genom-
men. Ein solcher Mensch würde sich gewiß noch kaum
seiner einstigen Leidenschaft für ein hübsches Zigeunermäd-
chen erinnern

„Wer weiß," murmelte sie aber doch endlich bei "dem
Gedanken au ihr Versprechen, das sie der sterbenden Freun-
din gegeben halte, „was aus ihm geworden ist. Wenigstens
will ich ihn doch sehen, bevor ich wieder heimk.hre; ich will
mich meines Auftrages entledigen und dann —" sie hielt
einen Augenblick inne.
„Dann habe ich mit allen meinen Erinnerungen an
meine traurig verlebte Jugend abgebrochen," murmelte sie
dumpf, „daun beginne ich ein neues Leben. Wehe dir und
deiner Familie, stolzer Graf, wenn ich nicht eine Schuld
an euch zu sühnen hätte!"
Der älteste Graf von Cölestin war gestorben und vor-
feinem Tode hatte er seinem Sohne das 'furchtbarste Ver-
brechen, das er in seinem Leben verübt, den Raub seiner
Nichte, mitgetheilt, und ihm geschworen, wenn er je eine
Spur von Franziska entdecken würde, nicht zu rasten, noch
zu ruheu, bis sie wieder in ihre Rechte eingesetzt wäre. Erst
dann hatte der beklagenswerthe Mann seine Augen für
immer geschloffen.
Den Schmerz des unglücklichen Leon zu beschreiben,
wäre unmöglich. Es war ihm, als wenn ihm das Ver-
brechen seitens des Vaters vor die Stirn geschrieben stünde,
und er scheute sich fast, die Straße zu betreten. Aus diesem
einzigen Grunde hatte er seine Vaterstadt verlassen und war
nach dem kleinen Städtchen Braunfels gezogen, in die
Nähe des Onkels, trotz der Weigerung seiner Gattin, ihn
dorthin zu begleiten.
(Fortsetzung folgt.)
 
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