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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

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No. 49 (26. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.63024#0197

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MwchilM Wochenblatt.
Dienstag, Donnerstag vie oiergefpaltene
und Samstag. . p ' Petitzeile oder deren
AmtsverkündigANgsötatt für den Jezirk Schwetzingen.
D s t> i I ch e H o p se n r e i t u n g.
Allftemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.
«». 497 ' Samstag M^pril 1873. VII. Jahrgang.

Kür das »Schwetzinger Wochenblatt" bestimmte Inserate finden auch im Philippsburger L Germersheimer Wochenblatt" Gratis-Aufnahme.
. --..-.>. --.-.-

JoMische Zleverstcht.
Ueber die politische Bedeutung der Petersburger
K a i s e r z u s a m m e nk u n f t läßt sich das „N. W. T." ,
aas Berlin schreiben: „Wir erfahren von unterrichteter
Seite, daß die Gründe, welche den Fürsten Bismarck zur
Theilnahme an der Reise bewogen, die Ergebnisse eines
jüngst gepflogenen Meinungsaustausches zwischen den Eabi-
nets von Berlin, Pelersbnrg und Wien waren. Die Pour-
parlers in Berlin, Petersburg und Wien sind noch nicht
so weit gediehen, um ein partielles Adkommen, sei es zwi-
schen dem deutschen und russischen Cabinete, sei cs mit der
Wiener Regierung, zu Stande zu dringen. Jedenfalls sind
ähnliche Andeutungen als verfrüht zu betrachten. Wohl
aber dürfte in Petersburg, wenn auch kein definitives Ab- i
kommen , so doch eine gemeinschaft! che Haltung gegenüber s
gewissen europäischen Eventualitäten in eine pracisere Form
gekleidet werden, als dies während der Fürstenzusammentunfr
in Berlin geschah. Unsere Mittheiluugen dehnen di? diplo-
matische Action des deutschen Cabinets bis zu dem Punkte
gus, daß sich dasselbe mit Erfolg bemühen dürfte, die An-
näherung Rußlands und Oesterreichs auf eine Anzahl drän-
gender Fragen zu fixiren. Gelingt d;es(, so sind alle jene
Differenzen beseitig:, welche bisher zwischen Rußland und
Oesterreich die intimen Beziehungen in hohem Grade er-
schwerten. Dann wäre es auch möglich, zu jener Form
der Verständigung zwischen den drei Regie ungen zu getan- .
gen, welche im vorigen Sommer in Berlin gesucht, aber
nicht gefunden wurde. Acußerlich wird sich dies durch den
Besuch des Czars in Wien thcitweise marlircn, denn die '
Reise des Kaisers Alexander zur Wiener Weltausstellung
steht nichts weniger als fest. Wie wir hören, wird Kaiser
Wilhelm seinen Einfluß darauf geltend machen."
Von Seiten der liberalen Fraktionen, insbesondere der
Mecklenburgs scheu Mitglieder derselben, wird der
bekannte vorjährige Antrag auf Herstellung einer constitu-
tionellen Verfassung in jedem deutschen Bundesstaat, also
auch in Mecklenburg, in der laufenden Reichstagssession '
wieder.eingebracht werden.
Der „Nürnberger EvrrcspoudeM" will aus München
in Erfahrung gebracht Huben, daß der Reichskanzler Fürst
Bismarck sich im Laufe dieses Sommers in's bayrische Ge- !
birge begeben und bei dieser Gelegenheit einige Zeit in
München verweilen wird, während welcher der Maler Franz
Lenbach denselben porträtiren solle.
Die „Spen.Ztg." schreibt: Die Ernennung des Grafen
Münster zum Londoner Botschafter ist nunmehr, ,
nachdem auch s-itens Englands die Befriedigung über seine (
Wahl ausgebrückt, als definitiv zu betrachten. (Mit dem
Grafen zu Münster-Ledenburg, Erbtandmarschall des ehe- §
maligen Königreiches Hannover, verliert die frei-conservative §
Partei im Reichstage und die neue Fraction im preußischen r

Herren, ame eines ihrer hervorragendsten Mitglieder. Graf
zu Münster da: übrigens schon einmal, in den Jahren
1854—64 als Gesandter, und zwar am Hofe zu St. Pe-
tersburg frmgirt, wenn auch damals nur als hannoverscher
Gesandter.)

Deutscher Reichstag.
Berlin, 23. April. Der Reichstag erledigte die erste Berathung
Les Völk-Hinschius'fchen Gesetzentwurfs über die bürgerliche Form der
Eheschließung durch Ueberweisung an eine Kommission von 14 Mit-
gliedern. Die Zentrumspartei hatte den Gesetzentwurf wegen der an-
geblichen Inkompetenz Les Reichstages bekämpft. Bei Berathung der
Petitionen wurde der Löwc'fche Antrag, den Reichskanzler zur einheit-
lichen und gesetzlichen Regelung des Impfwesens mit Vakinatious- und
Revalkinationszwang aufzufordern, angenommen.
Znr Reform der GeineLnde-Ordnrrrrg.
III.
Die Organisation der Gemeindevertretung.
Bei dein erheblich erweiterten Kreise der Gemeinde, so
führen die schon erwähnten Berichte weiter aus, ferner bei
dem auf alle Einwohner ausgedehnten Wahlrecht wird die
Betheiligung einer ungleich größeren Anzahl von Interes-
senten an der Verwaltung der Gemeindeangelegenheiten eine
voraussichtliche Folge sein. Eine Aenderung des Gemein-
derathcs oder in der Wahl des Bürgermeisters kann in An-
betracht der hierbei herrschenden freisinnigen Bestimmungen
nicht in Anregung gebracht werden, dagegen werden bez.
der Bildung des Bürgeransschuffes verschiedenem Reformen
eintrereu muffen. Neben der Abschaffung des Claffensystemes
Lei der Wah' ist namentlich dis Frag- über die Stellung
des Gemeinberathes znm Bürgerausschuffe von größerer,
praktischer Bedeutung. Wir citiren hier den Wortlaut des
Berichtes:
„Die bei uns bestehende Einrichtung, wonach der Ge-
meinderath zugleich einen Bestandttheil des Bürgerausschuffes
bildet, ist eigeylhümlicher Natur. Sie findet sich weder in
einer andern deutschen Gemeindeordnung, noch läßt sich
auch in anderen Staatseinrichtungen eine ähnliche Erscheinung
ihr an die Leite stellen, man müßte denn auf das Beispiel
englischer Pariamentseinrichtungen greifen wollen.
„Vor dem Gesetze vom 14. Mai 1870 machten sich
keine erheblichen Mißstände als Folge dieser Einrichtung
bemerkbar. Seitdem aber das letztgenannte Gesetz dem
Bürgernüsschuß das Recht der Zustimmung zu der Aufstel-
lung der Gemeindevoranschläge und Schuldentilgungspläne
einrämnte, eine Maßnahme, von welcher die Gesetzgebung
mit Recht e-ne erhöhte Lebensthätigkeit der BürgerauSschüffe
erwartet: (Man vergleiche den Commissions-Bericht der
II. Kammer) stieß man überall auf eine Unzulänglichkeit
der bestehenden Einrichtungen.
„Der Bürgerausschuß sieht sich einer von dem Ge-

meinderathe ausgearbeiteten Vorlage gegenüber. Es stehen
ihm keine Mittel zu Gebot, vor der Verhandlung über die-
selbe sich genauer zu instruiren und zu berathen. Es bleibt
vielmehr Alles dem Studium der Einzelnen überlasten, ein
Verhältniß, welches bekanntlich fast niemals zu erheblichen
Resultaten führt.
„Somit ist in der Sitzung eines Bürgerausschuffes
Niemand eingehend instruier als der Gemeinderath. Dieses
Verhältniß sichert zwar allerdings dem Gemeinderathe ein
erhebliches Uebergewicht zu, allein es vermindert auch die
Bedeutung der Controls, welche dem Bürgerausschuffe ein-
geräumt ist, und entzieht ihm jede eigentliche Lebenskräfligkeit.
„In den Städteverfaffungen des übrigen Deutschlands
hat man organische Einrichtungen getroffen, welche der Ge-
meindevertretung eine entsprechende Wirksamkeit ermöglichen.
„Nach der preußischen Städteordnung hat das Stadt-
verordnetenkollegium eine selbstständige Stellung neben dem
Magistrat. Seine Befugnisse sind wesentlich dieselben wie
die unserer BürgerauSschüffe; die Stadtverordneten führen
nicht aus, aber sie controliren und ertheilen oder versagen
ihre Zustimmung in. den durch das Gesetz an sie verwiesenen
Angelegenheiten. Sic wählen einen Vorsitzenden, einen
Stellvertreter und einen Schriftführer. Ihre Zusammen-
berufung erfolgt durch den Vorsitzenden, so oft es die Ge-
schäfte erfordern. Sie sind befugt, Commissionen zur Prü-
fung und Berichterstattung über einzelne Angelegenheiten
zu ernennen. Die Akten des Magistrats stehen denselben
zu Gebot. Der Magistrat ist zu allen Sitzungen einzula-
den und kann sich durch Abgeordnete vertreten lasten. Kommt
in einem einzigen Falle eine Einigung mit dem Magistrat
nicht zu Stande, so kann die Einsetzung einer gemeinschaft-
lichen Commission begehrt werden; ist auch daraufhin eine
Einigung nicht zu erzielen, so ist die Entscheidung der Re-
gierung einzuholen."
Nach Anführung anderer deutscher Partikular-Bestim-
mungen über die Organisation der Gemeindevertreter fährt
der Bericht fort:
„Die Trennung des ausführenden und des controliren-
den GemeindecollegiumL, sowie der selbstständige Organis-
mus des letzteren, ist daher allgemein gültige Institution
in Deutschland. Sie beruht auf einem entschieden gesunden
Gedanken, da nur auf diese Weise dem Gemeindevertre-
tungskörper die Erreichung seiner Aufgabe der Controle,
sowie eine eingreifende Selbstthäügkeit gesichert werden kann,
während auf der anderen Seite-in der selbstständigen Be-
rathung und Beschlußfassung des Magistrats (Gemeinde-
rat Hs) eine Garantie für reifliche Prüfung eines Gegen-
standes liegt, die nach unserer jetzigen Gemeindevecfastang
bei unmittelbar auftauchenden Fragen leicht unmöglich ge-
macht werden kann. Vergleicht man die Wirksamkeit dieser
Einrichtung in dem praktischen Leben mit der bei uns her-

K d e k i n e.
Novelle von Gottlieb Richter.

(Fortsetzung.)
„Nein, Herr! Latz hab ich nicht gesagt, ich sagte nur, daß ich sie
nicht für stolz hielte und daß sie so wunderbar erzählen tonnte," er-
widerte der Wirth eifrig.
„Nun, werdet nur nicht böse, Alterchen!" beruhigte ihn der Gast,
„ich scherzte nur. Aber sagt mir, habt ihr das Fräulein lange nicht
gesehen?"
„Ganz lange ists nicht, eine Stunde ungefähr, fuhr sic mit dem
Förster von der Kirche heim."
„Sie ist im ForsthauS Steinthal?" rief Karl erregt und wollte
aufspriygen, „vor einer stunde, sagtet ihr?"
„Ich glaube, Sie wissen das besser als ich," meinte der Wirth
lächelnd.
„Nein, wahrhaftig nicht, Alter!" betheucrte der Jäger, „ich tomme
direct aus Rußland. Aber sagt, was bin ich schuldig, ich muß fort." !
Der Wirth empfing das Geld, wünschte dem stürmischen jungen
Manne gute Reise und sah ihm kopfschüttelnd nach.
Draußen über Feld und Au lag glänzender Sonnenschein, grüne
Aehreüfelder wogten leise im Morgenwinde. Im Walde ruhte ein
kühles Halbdunkel. Es war still, nur daß hier und da eine Drossel
schlug oder das Geneset des Waldbachs das Schweigen unterbrach.
Weiches Moos schmiegte sich um den eilenden Fuß, und verspätete Mai-
blümchen lachten aus dem Dunkel verschämt herauf, weil sic eben
ein Schmetterling geküßt hatte
Karl schritt die Waldwiese, vor der oben das Forsthaus lag,
hinauf. Das Haus lag still da, nichts ließ sich blicken. Linker Hand
lag der Forstgarten. Die hohe Tanneneinfassung ließ ihn nicht hinein >
schauen. Aber dort, zwanzig Schritt weiter, da war die Thür und die

stand halb offen. Es mußte Jemand im Garten sein. Dem Forstmann
packte das Herz unter der Uniform. Jetzt war er an der Pforte, er
warf einen Blick hinein und bezwang kaum ein lautes Aufjauchzen.
Dorthin wandelte sie langsam, sie, Edeline. Er stand still und sah
ihr nach, tief aufathmend. Sie trat in eine Laube, ihm schiens als
ob sie las.
„Es sei!" sagte der Jäger zu sich und eilte ihr nach. „Guten
Tag, Fräulein Leg ar ü!" sagte er zu der im Lesen Vertieften, als er
am Eingänge der Laube stand.
Sie bebte erschrocken zusammen und sprang auf. Als sie aber
den Grüßenden erkannte, überzog ein brennendes Roth ihr ganzes
Antlitz.
„Herr Sanders!" brachte sie kaum hervor und ergriff leise die
dargebotene Hand. Um Gott! wo kommen Sir her?"
„Grad aus Rußland!" erwiderte der Jäger etwas verwirrt über
ihre Erregtheit. „Ich bitte tausentmal um Verzeihung, wenn ich sie
so erschreckt habe, ich sah Sie im Garten und wollte Sie überraschen."
O, es ist nichts," sagte sie leise, „ich war nur so in meiner Lec-
türe verloren, da hörte ich Ihre Stimme und meinte doch, Sie wären
im fernen Rußland und das hat mich so verwirrt. Seit wann find
Sie denn wieder zurück?"
„Eben, eben komme ich an, ich bin noch auf der Reise."
Sic gehen ohne Abschied und grüßen durch Ueberfälle," sagte sie
lächelnd und schon wieder ganz ruhig.
„Aber Fräulein, wollen Sie mir denn gleich zürnen beim ersten
Zusammentreffen? Habe ich den anders gekonnt? Hat Ihnen Frau
Revierförsterin Allershausen denn nicht erzählt, wies kam?"
„Mir? nein, kein Wort! sie konnte auch nicht, denn kurz nach
Ihrer Abreise, verreiste auch ick, und als ich wiederkam, war Ihre
frühere Principalin leidend. So find wir nie zusammengekommen."
Der Jäger setzte sich ihr gegenüber und erzählte ihr das Ereigniß.
Er zwang sich, es ruhig und klar zu erzählen, er sagte nichts von seinem
Schmerz, er sagte nichts von seinen Träumereien in Rußland und von
dem, was die Feder gekritzelt hatte. Er durfts ja noch nicht sagen.
- Und wie Edeline ihn so ruhig, wie sie meinte, kalt, erzählen hört«,

dann bäumte sich ihr Stolz auf und in dem Stolze fand sie ihre eisige
Unnahbarkeit wieder, die Karl aus jedem ihrer Blicke deutlich sah.
„Er liebt mich doch nicht," fprachs in ihr, „er ist so ruhig, als ob er
i mich gestern auch gesehen; nnd nun soll er auch nicht merken, daß ich
von ihm geträumt habe die lange lange Zeit." — und im gleichgül-
tigsten Tone erzählte sie ihm, was sich in bekannten Kreisen ereignet.
„Und ists Ihnen nun gefällig Herr Sanders, daß wir hinauf zu
- Onkel gehen?" fragte sie höflich, als eine Pause eingetreten war.
„Fräulein," sagte Karl jetzt plötzlich, ich fühls aus Ihren Worten,
Sie zürnen mir. Weßhalb, weiß ich nicht; vielleicht, weil ich mir
den kleinen Scherz der Ueberrafchung erlaubt habe. Aber Sie haben
einst zu mir gesagt, daß Sie Vertrauen vor allen andern zu mir hätten,
und da glaubte ich, ich dürfts wagen."
„So, hab ich das gesagt? fragte sie, und unverhüllt legte sich
über ihr Antlitz ein eisiger Stolz.
„Nein, Sie dürfen mir nicht zürnen!" rief plötzlich der Jäger
leidenschaftlich und sprang auf.
„Und warum nicht, mein Herr?" fragte sie einen Schritt zurück-
tretend. —
„Weil ich dich unendlich lieb habe, Edeline, so lieb als nichts auf
Gottes weiter Welt, weil ich dich geliebt habe vom ersten Sehen bis
heute, und weil ich dich lieb haben werde bis zum letzten Athemzuge/
Als das Mädchen die ersten dieser leidenschaftlich ausgeftoßcnen
Worte hörte, überzog Leichenblässe ihr Gesicht, zitternd ließ sie sich auf
der Gartenbank nieder und verhüllte ihr Antlitz mit dem Tuche.
„Edeline, Edeline/ rief der junge Mann heftig und bog sich zu
- ihr hinab, ich bitte dich, antworte mir, sprich doch. Hast Du mich
den« nie lieb gehabt?"
Aber er vernahm nur, wie sie krampfhaft schluchzte.
Edeline, hoffest du mich denn?" rief er trostlos „soll ich gehen D
- Sag doch nur, dann will ich ja fort von hier in die weite Welt
( du sollst mich niemehr sehen."
( ; Sir antwortet nicht, aber schüttelte heftig mit dem blonden KöpfchcA.
(Fortsetzung folgt.)
 
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