Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

DOI chapter:
No. 97 (19. August)
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.63024#0389

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.

Erscheint
wöchentlich drei Mal:
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
Alle Postanstalten
und Boten nehmen
Bestellungen an.

Preis
vierteljährlich 51 kr.
Inserate:
die viergespaltene
Petitzeile oder deren
Raum 4 kr.,
Garmondzeile 5 kr.

lhwttzilM WochtlMt
Amtsverkündigungsblatt für den Aezirk Schwetzingen.

No. S7. Dienstag, 19. August 1873. VII. Jahrgang.

Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Kaaserrsteiir L Mogler, Rudolf Mossc und K. L. Aauöe L Go., sowie die Süddeutsche Annoncen-G.rpedilion
von H. StöKhardt in Stuttgart, Frankfurt, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg.

Rundsch a u.
Immer mehr wird es unwahrscheinlich, daß d e r
Reichstag zu einer Herbstsession einberufen wird, in
diesem Falle werden die jetzigen Parlamentsferien bis zum
Januar dauern. Wahrscheinlich werden die Neuwahlen der
Mitglieder des Abgeordnetenhauses nicht vor Ablauf der
jetzigen Mandate, also erst nm die Mitte des November
stattfinden. Der jetzige Reichtag wird dann gar nicht und
der nächste erst im October 1874 zusammentreten, da es in
der Absicht liegt, den Reichstag überhaupt für die Zukunft
im letzten Drittheil der Jahres einzuberufen. Man ver-
sichert übrigens, daß es der Regierung fern liege, die An-
beraumung oder den Fortfall einer Herbstsession des Reichs-
tages von irgend welchen Erfahrungen bei den Landtags-
wahlen abhängig zu machen, wie das hier und da behaup-
tet worden.
Die spanische Regierung macht in neuerer Zeit
bedeutende Fortschritte in der Niederwerfung der Aufstände.
Der Don Carlos hat bereits seinen Königseid geleistet, er
wird aber kaum in die Versuchung kommen, ihn halten zu
müssen, wenn er auch wolle.
Die türkische Regierung hat wieder eine Anleihe
in der Bagatelle von 300 Millionen Gulden gemacht.
Allmälig scheint das Bewußtsein des ganzen deut-
schen Volkes sich für den zweiten September als
für den Tag ausgesprochen zu haben, welcher als Gedenktag
des glorreichen Krieges der geeignetste ist. In Preußen wird
dieser Tag durch die Enthüllung des Siegesdenkmals auf
dem Königsplatze für alle Zeiten zum Gedenktag gestempelt
sein. Aber auch in den andern Bundesstaaten gewöhnt man
sich immer mehr daran, das Nationalfest an diesem Tage
zu feiern. In Stuttgart hat der Gemeinderath eine Sedan-
feier beschlossen, in München hofft man gleichfalls auf eine
festliche Begehung dieses Tages seitens der Stadt; auch in
Sachsen sind die Behörden angewiesen worden, die Feier
überall zu gestatten, zu ermöglichen und zu unterstützen, und
wie sehr der Gustav-Adolph-Verein die Feier des 2. Sep-
tember für zweckmäßig hält, geht daraus hervor, daß die
Generalversammlung, die auf den 2. September einberufen
war, der Sedanfeier wegen auf oen 3., 4. und 5. Septem-
ber verschoben werden soll.
Noch stehen nahe an 6000 Mann deutscher
Truppen in Frankreich. Sie sind in der Festung Verdun
untergebracht und bleiben so lange, bis der letzte Frank
der 5 Milliarden Kriegsentschädigung bezahlt ist.
Den Torpedos wird eine ganz besondere Auf-
merksamkeit zugewendet. Man beabsichtigt, sie auch zur
Landesvertheidigung zu verwenden, wo dieselben dann
minenartig wirken würden, namentlich zur Unsichermachung
des Vorterrains von Festungen; zu diesem Zwecke werden
die Torpedos vergraben und im Moment des Passirens

von Truppen auf galvanischem Wege entzündet. Wohl -
davon zu unterscheiden sind die Torpedos mit Selbst-
entzündung - bewirkt durch 2 Glascylinder, einer mit
Chlorcali, der andere mit Schwefelsäure gefüllt. Die Ver-
suche für den Landgebrauch sollen von der Artillerie-Prüsungs-
Commission auf dem Artillerie-Schießplatze bei Tegel an-
gestellt werden, und handelt es sich hauptsächlich um den
Entzündungsmodus. Bekanntlich sind die im Hauptetat der
kaiserlichen Marine für 1874 zur Vollendung des Baues
der Torpedo-Caserne in Wilhelmshafen geforderten 89,000
Thaler bewilligt worden, ein gleiches Etablissseinent nebst
Depot wird in Friedrichsort errichtet; das Torpedowesen
hat sein eigenes Zeugpersonal, aus 2 Lieutenants, 2
Feldwebeln und 4 Sergeanten bestehend und daneben noch
einen Electrotechniker. Zur Beschaffung von Torpedo-
Kriegsmaterial werden sür das Jahr 1873 100,000 und
für das Jahr 1874 200,000 Thaler dem durch das Ge-
setz vom 8. Juli 1872 einstweilen reservirteu Theile der
französischen Kriegskosten-Entschädigung entnommen.
Germersheim, 15. August. Als vor einiger Zeit
die neuen Umformen nach Preußischem Schnitte hier ein-
trafen, ereignete sich eine amüsante Sceue. Ein Offiziers-
bursche, früher als seine Kameraden im Besitze des neuen
Anzuges, trabte stolz in demselben hoch zu Roß zum deut-
schen Thor hinaus und gedachte, durch das französische in
die Stadt zurückzukehren. Der Posten ließ ihn aber auf
Grund seiner Instruction,' wonach fremdländische Soldaten
die Festung ohne Erlaubnis; des Commandanten nicht betreten
dürfen, nicht ein und es bedurfte erst der Intervention des
wachhabenden Offiziers, um dem biedern Vertheidiger der
Veste Germersheim begreiflich zu machen, daß nicht ein Aus-
länder, sondern ein Landsmann vor ihm stand.
München 13. Aug. Zwischen dem „Bayer. Va-
terland" und der clerikalen Aristokraten-Partei nimmt der
gegenseitige Kamps immer mehr an Bitterkeit und Ernst zu.
Das „Vaterland" macht sich auf eiuen Sturm „im größ-
ten Maßstabe" gefaßt und charakterisirt die clerikale Adels-
partei als Semmelschmarrnthum." Heute veröffentlicht das-
selbe Folgendes: „Sonntag den 3. August erhielten wir
folgende Zuschrift: „Herrn Redakteur Sigl dahier! Durch
Gegenwärtiges theile ich Ihnen mit, daß ich die „Pfälzer
Zeitung" in die Lage versetzt habe, ihre Angabe, daß der
Redakteur Sigl von Bismarck, resp. Wehrenpfennig be-
zahlt wurde rc. zu beweisen. Es wäre wchl möglich,
daß jener Dritte, in dessen Gegenwart Ihnen jene Summe
die für Verhinderung eines Ministeriums Gasser Ihnen
als Belohnung zuging, äusbezahlt wurde, seines Amtsge-
heimnisses entbunden würde: Eberhard Graf Fugger Blu-
menthal." Daran reiht Dr. Sigl die Aufforderung: „Gut

denn, Eberhard Graf Fugger Blumenthal, Landtagsabgeord-
neter, Lieutenant a la snito und Mitglied des Hofkasino,
des Vereins deulscher Katholiken und des Comites für die
Generalversammlung der katholischen Vereine Deutschlands!
Sie sagten es brieflich, daß Sie diesen Beweis liefern
können. Sie werden diese gemeine Lüge oft genug münd-
lich geäußert haben: Heraus denn mit dem Beweise! Wir
stellen Ihnen dazu unser eigenes Blatt zur Verfügung, daß
Sie innerhalb 8 Tagen diesen Beweis liefern. Wir for-
dern Sie auf mit dem Bemerken, daß nach Umlauf dieser
Frist alle diejenigen Schritte gegen Sie geschehen werden,
welche nöthig sind, diese infame Verleumdung, unwiudig
eines Abgeordneten, eines gewesenen Offiziers wie eines
Adeligen, als solche öffentlich zu constatiren und nach Ver-
dienst züchtigen. Die Redaktion des „Bayerischen Vater-
land." Or. Pir. Sigl."
Düsseldorf, 13. Aug. Die Düss. Ztg. schreibt,
Der Berliner Schnell- oder richtiger durchgehende Zug-
welcher gegen 8 Uhr hier eintrifft, ist heute Morgen wirk-
lich du r ch g e g an ge n , so daß ein Theil des eisernen Git:
ters der Drehscheibe in der Friedrichsstraße, sowie die Loko-
motive nebst dem halben Tender über die Friedrichsstraße
und, ohne vorher anzuklopfen, in das Haus des Berliner
Möbelfabrikanten Hrn. Arnold gedrungen ist, wo dieselbe
jetzt herausgebrochen werden muß. Die Familie des Hrn.
Arnold saß in der ersten Etage gemüthlich beim Kaffeetrinken,
als plötzlich die Bresche geschossen wurde, die Maschine ar-
beitete noch in sich, so daß man, durch einen angebrachten
Schlauch das Feuer löschen mußte.
Berlin, 15. Aug. Das Project der Erbauung
einer Eisenbahn - Brücke bei Germersheim von Seite der
Pfälzischen Eisenbahn-Gesellschaft wird in sofern mehrfach
beanstandet, als dadurch die Interessen der oberrheinischen
Schifffahrt beeinträchtigt werden sollen. Die Rheinschiff-
fahrts - Zentralkommission wird sich demnächst mit dieser
Frage beschäftigen. v
Berlin, 13. August. Durch bisherige Bestimmungen
des Postreglements und der Postdienst-Jnstruktionen ist nach-
gegeben worden, daß mit dem Franko-Stempel versehene
oder mit Freimarken beklebte Formulare zu Postkarten und
Postanweisungen, welche in den Häuden des Publikums un-
brauchbar geworden sind, von den Postanstalten gegen neue
Formulare umgetauscht werden dürfen. In Folge vorge-
kommener Mißbräuche und da eine Verpflichtung der Post-
Verwaltung zum Umtausch verdorbener Postwerthzeichen nicht
besteht, wird diese dem Publikum seither gewährte Vergün-
stigung jetzt zurückgezogen. Dagegen sind Frankostempel,
welche aus verdorbenen Frankokouverts ausgeschnitten sind,
ferner Freimarken, welche von Couverts, Briefen, Adressen
oder Postanweisungsformularen abgelöst oder aus solchen
ausgeschnitten sind, als giltige Postwerthzeichen zuzulassen.

Baron und Schauspieler.
Novelle
von I. Krüge r.
Fünftes Kapitel.
Vater und Sohn.
(Fortsetzung.)
Als Adolf Warte eines Morgens zu ihm eintrat, fand
er den Baron bleich und in Thrünen. In seinem Lehnstuhle
sitzend hielt er euren Brief in der Hand, den der Postbote
ihm kurz zuvor gebracht. Das Schreiben kam von seinem
alten Freunde in Pesth, der an dem Schicksal, das ihn
dort einst betroffen, den regsten Antheil genommen und für
die Erziehung seines Sohnes so redlich gesorgt hatte. Der
Freund meldete ihm, daß Graf Wardozi kürzlich an einem
schleichenden Fieber, das er sich durch sein ausschweifendes
Leben zugezogen, gestorben sei. Dem Tode nahe, hatte er
Fernaus Freund zu sich bitten lassen und, von Gewissens-
qualen gefoldert, ihm das Geständniß abgelegt, daß er mit
wahrhaft teuflischer List die Gattin des Barons bei seinem
abendlichen Besuche durch narkodische Mittel eingeschlüfert
und ein Verbrechen an ihr begangen habe, das ihm der
ewige Richter, dem er jetzt entgegengehe, niemals vergeben
werde. Auch hatte er ferner gestanden, daß sein unglückli-
ches Opfer nicht mit ihm geflohen sei und er es niemals
Wiedergesehen habe.
Es läßt sich denken, welche schmerzliche Empfindungen

dieser Brief in der Seele des Barons erweckte. Seine ganze
Vergangenheit trat wieder vor ihn. Entsühnt, rein wie ein
Engel des Lichts erschien ihm jetzt seine verblichene Gattin
und er konnte ihr Andenken wie das einer verklärten Hei-
ligen segnen. Er sah Adolph, der sich auf einen Wink
neben ihm niedergelassen, nut nassen Augen an. Sein Herz
floß über vor Wehmuth und Jammer. Er fühlte den Drang
in sich, es an der Brnst eines Freundes zu entlasten. Der
junge Mann war ihm so lieb geworden. Was er selbst
erlebt, konnte diesem zur Lehre und Warnung dienen. Ohne
daß Adolph ihn nach der Ursuche seiner Thrünen gefragt
hatte, sollte er sie erfahren. Herr von Fernau faßte seine
Hände und theilte ihm, hin und wieder von seinen über-
wallenden Gefühlen unterbrochen die Geschichte seines Jugend-
lebens mit. Er war kaum damit zu Ende, so lag Adolph
zu seinen Füßen und blickte flehend zu ihm empor.
,,Jn dieser Stunde," bat er, wo Sie erfuhren, daß
Sie Ihrer Gattin viele Jahre aus Jrrthum mit Unrecht
gezürnt haben, wage ich, der ihren Unwillen mit Recht ver-
dient, Ihre Verzeihung zu erflehen."
Der Baron starrte ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
„Allmächtiger Gott! wer sind Sie, junger Mann?"
rief er an allen Gliedern zitternd.
„Ihr Sohn, Ihr ungehorsamer Sohn," versetzte Adolph,
„der unter fremdem Namen hierher kam mit der Hoffnung,
nach und nach Ihre Zuneigung und mit derselben Vergebung
zu erlangen für den Schritt zur Bühne, den er gegen Ihren
ausdrücklichen Befehl gethan."

Wie hätte Herr von Fernau, bei der Zerknirschung
seines ganzen inneren Menschen, dieser Bitte widerstehen
sollen?
Er hob ihn auf, schloß ihn in seine Arme, benetzte
sein Antlitz mit Thrünen, die halb der Wehmuth, halb der
Freude entflossen und gab. ihm den süßen Namen Sohn,
den Adolph noch nie gehört hatte, der wie Engelsgesang
an sein Ohr schlug und den er mit dem oftmals erneuten
Ausruf: „Mein Vater! mein theurer, heißgeliebter Vater!"
erwiderte. Hatte der Baron Adolph Vertrauen geschenkt, so
erzählte dieser jetzt seinem Vater, daß er in der Residenz
als jugendlicher Komiker engagirt, vom Publikum gern ge-
sehen sei und auch in den höheren Kreisen, wie zum Bei-
spiel bei dem Grafen von Rohrleben, der ihn seinem Vater
empfohlen, Zutritt gefunden habe. Aber damit waren seine
Geständnisse noch nicht zu Ende.
„Ich habe noch mehr auf dem Herzen, theurer Vater,"
rief er. „Gedulde Dich nur wenige Minuten, dann wirst
Du Alles erfahren."
Er eilte hinaus und kehrte nach kurzer Zeit mit dem
alten Feldmann und dessen Tochter Minna zurück.
„Mir ist hier ein zwiefaches Glück zu Theil geworden,"
sagte er. „Ich habe erst ein liebliches Mädchen als Braut
und dann Deine Verzeihung gewonnen. Minna Feldmann,
meine Cousine, ist so rein und unschuldig, wie es einst
meine selige Mutter war, als Du um sie warbst. Du
hast Deine Hände segnend auf mein Haupt gelegt, versage
Deinen Segen nun auch meiner Erwählten nicht!" (F. f.)
 
Annotationen