Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

DOI chapter:
No. 132 (8. November)
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.63024#0529

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Procch DaMuc.
Versailles, 20. Oktober.
Zwölfter Werhandtmrgstag.
Lebrun sprich! zuerst über die Schlacht von Boruy.
Präs.: Was wissen Sie über das Projekt des Mar-
schalls Bazaine Betreffs des Marsches nach Metz?
Lebrun: Ueber die Sache wurde diskutirt, ehe Mar-
schall Bazaine das Oberkommando übernahm. Einige Offi-
ziere waren der Ansicht, daß mau kämpfen müsse. Ich ge-
hörte zu denselben. Ich diskntir'e nicht nut dem Kaiser.
Die Marschälle Courobert und Leboenf sowie General Chan-
garnier waren ebenfalls für den Kampf.
Präs.: Wußten Sie, ob Marschall Bazaine marschi-
ren wollte?
Lebrun: Nein! (Dieser General gibt daun einige Er-
klärungen über seine Amtsverrichtuugeu, aus denen hervor-
geht, daß er, obgleich er die zweite Stelle im Geueralstabe
hatte, auch nicht das Geringste von dem wußte, was vorgiug.)
Der Vertheidiger bistet dagegen den Präsidenten, noch
einige Fragen au deu Zeugen richten zu dürfen.
Verth.: Ist es nicht richtig, daß das Kommando des
Marschalls Bazaine am 13. Morgens begann?
Lebrun: Am 13. Morgens, in der Nacht vom 12. l
auf deu 13.
Verth.: Sie sagten, daß Marschall Bazaine 24 Stun-
den Zeit gehabt. Er konnte am 12. Abends keine Befehle
geben.
Lebrun (nach Lachaud wild hiublickend): Am 12. Abends
konnte Marschall Bazaine keine Befehle geben.
Der Kaiser mußte ihn benachrichtigen. Marschall Va-
zaiue konnte aber vom 13., Morgens 5 Uhr an, Maßregeln
ergreifen und hatte so Zeit bis zum 14., 5 Uhr Morgens,
also 24 Stunden.
Präs.: Kannten Sie die Befehle, welche der Marschall
Bazaine am 13. gab.
Lebrun: Keineswegs. Ich kannte die Instruktionen
nicht. Ich sprach aber mit General Jarras, dem Chef des
Generalstabes, und dieser sagte mir, daß Marschall Bazaine
keine gegeben habe.
Präs.: Wann begann das Kommando des Marschalls?
Lebrun: Am 13. Morgens.
Verth.: Marschall Bazaine gab am 13. Instruktionen.
Marschall Leobeuf sagte es soeben.
Lebrun: Ich habe sie nicht gesehen.
Bazaine ergreift nun das Wort: Lebrun blickt grim-
mig auf ihn.
Präs, (unwillig zum Zeugen): Sprechen Sie zum
Gerichtshof.
Bazaine behauptet, daß er am 13. Befehle ertheilt
habe und wird sie Vorbringen.

Präs, (zum Zeugen); Wir haben S-.e nicht mehr
nöthig und wenn, es der Regieruugskommsifär und der Ver-
theidiger gestatten, so können Sie Ihrer Pflicht als Zeuge
enthoben werden.
Lebrun: Ich möchte aber noch über die Ereignisse des
14. als Zeuge cckirt werden.
Rkg.-Komm.: Es ist nicht nothwendig
Verth.: Ich habe nichts dagegen, wenn es dem Ge-
neral gefällt (Lärm, im Saal.)
Präs.: (zum Zeugen): Verbleiben Sie also im Saale
der Zeugen; wenn man Sie nöthig hat, so wird man Sie
rufen.
Lebrun: Ich möchte ein Dokument Vorbringen. (Neuer
Lärm im Saal.)
Präs, (mit äußerst ungeduldigem Ton): Wenn Sie
Dokunnute haben, so reichen Sie düselben dem Regierungs-
kommissär ein; wenn man Sie gebraucht, wird man Sie
rufen. Jetzt ziehen Sie sich zurück.
Der Präsident hebt um 2 Uhr 20 Minuten die Sitzung
für 20 Minuten auf. Nachdem der Gerichtshof den Saal
verlassen, ruft plötzlich der dieustthuende Hauptmann in den
Saal hinein: „Die Personen, welche während der Sitzung
laut spreche -, werden sofort aus dem Saal gewiesen werden!"
Um 2 Uhr 40 Minuten wird die Sitzung wieder auf-
genommen. Der nächste Zeuge ist der General Jarras, zu-
erst zweiter Adjunkt des Kommandeurs der Rheinarmee und
Chef des Generalstabes der Rheinarmee. Der General ist
klein, sein Gesicht ist sehr beweglich. Der Zeuge hat nur
mit Widerwillen die Stelle eines Chefs des Generalstabes
angenommen und zwar in Folge eines förmlichen Befehls.
Vor dem 12. August war er uur mit dem Dienst in den
Bureaux des großen Geueralstabes betraut: er wußte daher-
gar nicht, was im Kabinet des Kaisers vorging, was eben-
falls ein Grund war, weßhalb er die ihm angetragene Stelle
nicht aunehmen wollte. Von Anfang wurde er ferngehalten,
erfuhr die Dinge nur, wenu er die Befehle zu übermitteln
hatte. Ohne das Vertrauen seines Chefs sei der General-
stab so zu sagen vernichtet. Er sei in den Händen des
Marschalls vollständig passiv gewesen.
Präs.: Haben Sie besondere Thatsachen zu melden?
Jarras: Einige. Bereits am 13. gab der Marschall
seine Befehle für deu 14. direkt an die Garde. Der Zeuge
setzt noch ferner auseinander, auf welche Weise man ihn
fortwährend umgangen habe. Er erklärt fernsr, daß er am
12., zwischen 2 u. 3 Uhr Nachmitt., von Leboeuf benachrich-
tigt worden sei, daß der Kaiser Bazaine zum Oberkomman-
danten ernannt habe. Ich schrieb sofort an den Marschall,
der in Borny war, um bei ihm anzufragen, ob ich zu ihm
kommen sollte. Er habe ihn von da an als Oberbefehls-
haber betrachtet, da er vom Hauptquartier keine Befehle
mehr erhalten habe. Jarras sagt dann weiter, daß er un-

ter vielen Generalen gedient und deren Vertrauen gehabt habe.
Präs. : Das gehört nicht zur Sache.
Lauchaud richtet hierauf einige Fragen an den Zeugen,
die aber ohne Bedeutung sind. Aus den ganzen Zeugen-
Äussagen geht hervor, daß Bazaine auf sehr schlechtem Fuße
mit seinem Geueralstabschef stand.
Der nächste Zeuge war der General CoffiniZres, dessen
Aussagen aber (vorläufig) ohne alle Bedeutung waren.
Ihm folgte der Graf Ksratry, der bekanntlich mit
Bazaine in Mexiko war, und nach dem 4. Sept. Pariser
Polizei-Präfekt wurde. Derselbe figurirt unter dieser Gat-
tung von Zeugen, weil er behauptet hatte, daß die Mar-
schallin Bazaine in Paris des Morgens um 8 Uhr zu ihm
gekommen fei, um ihn zu bitten und ihn zu veranlassen
(Keratry gehörte zur Opposition), Schritte zu thun, dainit
ihr Mann, der allein fähig sei, zum Oberbefehlshaber der
Rhein-Armee ernannt werde. Vor dem Gerichtshof hält
Ksratry (er macht einen sehr bösartigen Eindruck) seine Be-
hauptung aufrecht.
Lauchaud bestreitet die Sache aufs euergisch'ste.
Jules Favre, dem Ksratry die Sache mitgetheilt haben
will, und der deßhalb als Zeuge geladen ist, erklärt, daß er
sich der Sache nicht erinnere.
Der nächste Zeuge in dieser Sache ist der General
Palikao, der den Grafen Ksratry geradezu als Lügner nennt.
Der Präsident gibt die Absicht kund, die Frau des
Marschalls vor das Gericht zu citiren, natürlich nicht als
Zeugin, sondern nur um Aufklärung zu geben.
Die Erregung im Saale ist sehr groß. Die Sitzung
wird erst um 5 Uhr 40 Minuten geschloffen und man ist
genöthigt, die Lichter anzuzünden.

Rundsch n u.
Die parlamentarische Saison Europa's hat
begonnen, überall regt es sich oder wird sich bald regen mit
Landtagen, Reichstagen, Nationalversammlungen oder Par-
lamenten. Religionspolitische Fragen werden in den Ver-
handlungen der Vertreter der beiden östlichen Großstaaten
Centraleuropa's eine hervorragende Rolle spielen, Verfas-
sungs- und innere Umgestaltungsfragen in denen der west-
lichen ; in beiden handelt es sich um die fernere Existenz
der Regierung. Der südliche und jüngste Großstaat wird
sich hauptsächlich mit der Ordnung seiner Finanzen zu be-
schäftigen haben und bietet in der Sorge für seine ökono-
mischen Interessen eine Analogie zum Donaustaat.
Die Botschaft des Herzogs von Magenta, mit welcher
vorgestern die französische Nationalversamm-
lung eröffnet wurde, bildet eigentlich nur die Einleitung
zu dem Antrag auf Verlängerung der Gewalten des gegen-
wärtigen Chefs der Executivgewalt. Die Botschaft scheint

6- iä>.Mi
wvch.uilich > MU;
Dimstap, To.nierstag
und Samstag.

IchwthilM WocheliblM.

Alle Postanstalten
und Boten nehmen
Bestellungen an.

Amtsverkündigungsötatt für den Wezirk Schwetzingen.
Badische H s p s e n s r i k u n g.

Preis
vMl-!>5lu!'ch 5t lr.
I n s e r a t
die viergespaltene
Petiizerle oder deren
Raum 4 kr.,
Garmondzeile 5 kr.

Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.

«0. 132. Samßag, 8^ November 1873.VII. Jahrgang.
Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureauy von Äaasensteitt -L "Kogkcr, Iiudokf Masse und ch. L. Daube L Go., sowie die Süddeutsche Aunoncen-GrpedlLisu
von G. Stöchhardt in Stuttgart, Frankfurt, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg.

Die Zigeunerin.
Novelle
von Fanny Klink.
(Fortsetzung.)
Der Graf und die Gräfin hatten deu Schmerz um
ihr verlorenes Kind nicht überwinden können, und selbst das
angenommene Kind vermochte ihnen kaum einen Ersatz zu ge-
währen. Es war ein hübsches sechszehnjähriges Mädchen, aber
den unglücklichen Eltern nur eine traurige Erinnerung an
ihr eigenes verlorenes Kind.
Wie stille wars im Landhaus geworden, seit Franziska fort
war. Um das Kind hatte sich alles gedreht, das Kind war
der Abgott des Hauses gewesen, der verzärtelte Liebling
Aller und seitdem es verschwunden, war's so öde, entsetzlich
öde im Hause geworden.
Die Gräfin kränkelte seit der Zeit, wo sie ihr Kind ge-
sehen, oder wars uur der sinkende Lebenslauf, der sie so
schwach und hinfällig erscheinen ließ, vergebens wurden die
svorzüglichsten Aerzte zu Rathe gezogen. Alle bestätigten
nur, daß die Gemühtsstimmung der Gräfin ihr größtes
Unglück sei.
Nachdem Franz das Kind einer entfernten Verwanten
zu sich genommen hatte, um so seiner Eltern einigen Ersatz
für den verlornen Liebling zu geben, war die Gräfin An-

fangs allerdings etwas ruhiger geworden, aber bald genug
stellte sich ihre grenzenlose Traurigkeit wieder ein. Es war
doch nicht ihre Franziska, die da um sie herumspielte, son-
dern eine Fremde, die sie wohl an ihr Kind erinnern, aber
es ihr niemals ersetzen konnte.
Ein unruhiger, nebeliger Herbstabend senkte sich hernie-
der und hüllte die Landschaft in seinen feucht-kalten Dunst-
schleier. Trotzdem Graf Franz es nicht wünschte, daß seine
Gemahlin sich der Kälte aussetzte, hatte diese doch nicht aufge-
hört, ihn mit Bitten zu bestürmen, bis er, wenn auch nur
widerstrebend, in einen Spazirgang durch den zum Theil
schon blätterlosen Park willigte. Trotz der langen Reihe
von Jahren, die seitdem verflossen waren, bildete doch auf
solchen einsamen Spaziergängen das verlorene oder gestor-
bene Kind immer den Inhalt ihres Gesprächs.
Auch heute, nachdem sie noch nicht weit vom Landhause
entfernt waren, gedachten die Eltern schon des verlorenen
Lieblings. Trauriger und immer trauriger schritt die Gräfin
am Arme ihres Gemahl dahin. So gelangten sie unbewußt
an deu Ausgang des Parks und der Graf wollte eben seine
Gemahlin zurückleiten, als diese plötzlich einen Schrei, aus-
stieß und sich angstvoll an seinen Arm klammerte.
Der Graf sah nach der Richtung wohin seine Gemah-
lin wortlos deutete. Nicht weit von ihnen entfernt stand
mit verschränkten Armen, gegen einen Baum gelehnt, eine
Frau — mau konnte nicht genau unterscheiden, ob alt oder
in den mittleren Jahren. Sie war groß und schlank ge-
wachsen und wohl selten hatte man einen graziöseren Wuchs

gesehen. Ihr Gesicht verwischte jedoch diesen günstigen Eine
druck sogleich. Die Züge waren scharf markirt, die Na-
spitz und laug, und uur noch die schwarzen, glünzendZn
Augen, welche unverwandt das Landgut des Grafen betrach-
teten, verriethen, daß die Frau einst von hinreißender Schön-
heit gewesen sein mußte.
Sie schien die Annäherung des Grafen und der Gräfin
nicht zu bemerken, erst auf den Schrei der letzteren wurde
sie aufmerksam. Sie ließ die Arme sinken und richtete
ihren durchbohrenden Blick fest auf das gräfliche Paar.
„Um Gotteswillen Franz," hauchte die Gräfin kaum
hörbar, „komm fort. Die Zigeuner haben uns stets nur
Unglück gebrach!."
„Unsinn, Minna," entgegnete der Graf gleichfalls leise,
denn gerade in diesem Augenblicke schritt die Frau mit festem
Fuß auf die Gatten zu.
„Verzeihen sie, mein Herr," wandte sie sich zu dem
Grafeu, „wobnt hier nicht der Graf Franz von Cölestin?"
Der Graf sah die Frau erstaunt an und die Gräfin
überwand sogar ihren Abscheu und trat einen Schritt näher.
„Der Graf Franz von Cölestin bin ich," sagte er
endlich.
„Ich danke ihnen für den Bescheid, mein Herr, ver-
setzte die Zigeunerin, „vielleicht wird ihnen ihre Freund-
lichkeit einst nicht leid thun. Doch sagen sie mir jetzt noch,
ob der junge Graf Leon von Cölestin noch lebt?"
„Dersebe lebt noch."
(Fortsetzung folgt.)

MW" Wegen des Kirchweihfestes erscheint das nächste Blatt am Donnerstag. "GW
 
Annotationen