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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

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No. 87 (26. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.63024#0349

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Erscheint
wöchentlich drei Mal :
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
Alle Postanstalten
und Boten nehmen
Bestellungen an.

klhwchmgtr Wochenblatt.
AmLsverkündigungsölatt für den Aezirk Schwetzingen.
Kadischc H o p s c n z r i t u n g.

ors^e-stänrl'ch öl kr.
Z n L e:
die viertzeUsttene
Petitzeile oder deren
Raum 4 kr.,
Garmondzcile L kr.

Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rhempfal;.

Äo. 87. Samstag, 26. Juli 1873. VII. Jahrgang.
Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Äaasenstein L Aogker, Rudolf Wofse und Aauöe L Go., sowie die Süddeutsche Ännoncen-HrpedlLion
von H. Stöchhardt in Stuttgart, Frankfurt, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg.

Me Anklage gegen Adele Spitzeder
und Genossen.
(Fortsetzung.)
München, 14. Juli.
Auf Grund dieses Antrages wurde vom k. Bezirks-
gericht München l. d. I. am 12. Nov. 1872 die Beschlag-
nahme ihres Vermögens verfügt und die Prüfung der Ver-
mögenslage angeordnet. Die Beschlagnahme des Vermögens
und die damit inbegriffene Schließung des Geschäftes wurde
noch an demselben Tage vollzogen und zugleich Adele Spitz-
eder gemäß Beschlusses des genannten Gerichts in die
Civilhaft abgeführt. Die der so gerichtlichen Maßnahme
zu Grunde liegende Annahme bedeutender Ueberschuldung
stellte sich, zufolge der späteren Erhebungen, auch vollständig
gerechtfertigt dar. Denn es ergab sich bei einem Activ-
vermögen von 1,974,000 Fl. 24 Kr. ein Schuldbetrag von
10,099,766 Fl. 50^-2 Kr., mithin die enorme Üeber-
schuldung von 8,125,758 Fl. 26^/s Kc. Einiges Miß-
trauen war übrigens durch das obenerwähnte warnende
Auftreten der Behörden auch schon vor der gerichtlichen
Einmischung und der hierauf erfolgten wirklichen Zahlungs-
einstellung nachgerufen worden. Der Andrang der Wechsel-
gläubiger, welche Rückzahlung ihrer Einlagen forderten,
wurde sehr bedeutend, während die Capitalzuflüsse sich er-
heblich minderten. So betrugen am 8. Nov. ungefähr die
Einlagen 15—16000 Fl., die Rückzahlungen an Capitalien
40,000 Fl., am 11. November 8500 Fl., dagegen die
Rückzahlungen 65,000 Fl. Diese für die Bankinhaberin
höchst fatale Wahrnehmung hatte dieselbe auch zu einigen
sehr bemerkenswerthen Maßnahmen veranlaßt. Sie hatte
nämlich die Rückzahlung verfallener Wechsel auf die unge-
wöhnliche Morgenstunde von 6—7 Uhr beschränkt, und
weiter angeordnet, daß an bestimmten Trgen (Mittwoch und
Samstag) verfallene Wechsel gar nicht angenommen wurden.
Diese Anordnung wurde durch Rücksichten auf ihre Gesund-
heit motivirt bezeichnet. Am 11. November kam es sogar
vor, daß in der zur Zahlung festgesetzten Stunde die Zah-
lung der am genannten Tage fälligen Wechsel verweigert
wurde, weil der Tag noch nicht abgelaufen sei, obwohl be-
kanntlich jeder Wechselgläubiger, welcher einen verfallenen
Wechsel zur Zahlung präsentirt, dessen sofortige Auszahlung
zu verlangen berechtigt ist. Diese Manöver, welche gleich-
sam das Vorspiel zu der bald darauf eingetretenen Zahlungs-
einstellung bildeten, und aus dem Bewußtsein entsprangen,
daß bei einem etwas lebhaftem Andrang der Wechselgläu-
biger die disponiblen Zahlungsmittel wicht ausreichen wür-
den, waren alle darauf berechnet, die Rückzahlung der ein-
gelegten Capitalieu möglichst zu erschweren und den Andrang
der die Auszahlung der Wechselsumme fordernden Gläubiger
möglichst zu hemmen.
Was den Geschäftsbetrieb der Adele Spitzeder anbe-

langt, so war derselbe trotz der großen Ausdehnung des
Geschäftes ein überraschend einfacher. Den Einlegern wur-
den an Zinsen früher 10 pCt., seit Mitte 1871 aber regel-
mäßig 8 pCt. per Monat, vergütet; es wurden also die
eingelegten Capitalsbeträge jährlich mit 96 pCt. verzinst.
Der Zins von 2 Monaten wurde sofort bei der Geldaus-
lage ausbezahlt und über die Einlagesumme unter Hinzu-
rechnung eines weitern einmonatlichen Zinses ein Wechsel,
auf 3 Monate lautend, ausgegeben. Legte also Jemand
1000 Fl. ein, so wurden ihm sofort 160 Fl. Zinsen auf
2 Monate vergütet und ihm ein auf den Betrag von 1080
Fl. lautender, nach 3 Monaten zahlbarer Wechsel einge-
händigt. Außerdem erhielt jeder Capitalzubringer, welcher
für Andere Gelder einlegte, auch noch ein Trinkgeld von
5—7 pCt. durchschnittlich. Da nun bei dem großen Zu-
drang von Leuten, welche der Spitzeder-Bauk ihre Erspar-
nisse anvertrauen wollten, die Geldeinlage fast regelmäßig
durch Agenten vermittelt wurde, so bildete die Auszahlung
von Trinkgeldern noch neben den Zinsen die Regel, und
Adele Spitzeder bezahlte somit an Zinsen und Provisionen
jährlich noch um einige Procent mehr, als die Summen
der einglegten Gelder betrugen — ein Kunststück, das aber
nur dadurch zu leisten möglich wurde, daß sie ihre Verbind-
lichkeiten an Zinsen und Capitalsrückza' lungen immer wieder
aus den Eintagen deckte. Das sogenannte Bankgeschäft der
Adele Spitzeder beruhte daher auf der verwerflichsten Grund-
lage, es war lediglich darauf berechnet, durch enorm hohe
Verzinsung die Capitalien gering Bemittelter so wie die
Ersparnisse der Arbeiter mw Dienstboten an sich zu ziehen,
die Zinsen, Provisionen und Capitalsrückzahlungen mit Hülfe
der neu zufließenden Capitalien zu bestreiten, und dieses
System des Schwindels und Betruges dadurch zu verdecken,
daß mau sich den Anschein gab, als ob alle diese Zahlungen
aus dem durch den Betrieb großartiger Ausleihgeschäfte,
durch Speculation in Jmmobiliarwerthen u. dergl. erzielten
Gewinn des Geschäftes bestritten wurden, auch wohl auf die
Leichtgläubigkeit der Menschen pochend, hier und da in
unbestimmter Weise Andeutungen machte, als ob ihr, der
Adele Spitzeder, in Folge geheimnißvoller Verbindungen
unerschöpfliche Mittel zu Gebote stünden. (Forts, folgt.)
Rundsch a u.
Aus Peking kommt die Nachricht, daß endlich die
seit langer Zeit schwebende Audienzfrage geregelt ist. Der
junge Kaiser hat am 29. Juni in Gegenwart seines frü-
heren Vorwunders, des Prinz-Regenten Kung, zuerst dem
Gesandten Japans und sodann den Gesandten von England,
Rußland, Amerika, Frankreich und den Niederlanden Au-
dienz ertheilt Sehr bedauerlich ist, daß bei der Audienz
kein eigentlicher Vertreter der deutschen Regierung zugegen
war. Bekanntlich hat der deutsche Gesandte in China, Hr.

v. Rehfues, welcher seit 1864 daselbst accreditirt ist und
sich ununterbrochen in China aufhielt, vor wenigen Mo-
naten einen wohlverdienten Urlaub angetreten, und weilt
augenblicklich in dem Bade Soden. Bei dem Antritte sei-
nes Urlaubs wurde mit der Vertretung Deutschlands der
Gesandte einer uns befreundeteren Macht betraut, da der
Legationssecretär v. Holleben, erst kurze Zeit in den diplo-
matischen Dienst getreten, nicht vollständig den wüchsigen
Geschäften der Gesandtschaft vorstehen konnte. Der Wort-
laut der in den englischen Blättern veröffentlichten Reuter'-
schen Depesche läßt nicht ersehen, ob einer der dem chine-
sischen Monarchen vorgestellten Gesandten gleichzeitig Deutsch-
land mitvertrat. Als eine besondere, dem deutschen Reiche
gezollte Aufmerksamkeit muß jedoch gelten, daß der Kanz-
ler der deutschen Gesandtschaft, Herr v. Bismarck, auser-
sehen wurde, die französische Anrede des russischen Ge-
sandten, Hrn. v. Vlangali, ins Chinesische zu übersetzen.
Berichten aus Spanien vom 22. d. zufolge haben
die Insurgenten >n C a r t h a g e n a die rothe Flagge
auf dem Fort Galera aufgehißt. Sie haben sich auch des
im Hafen vor Anker liegenden Geschwaders bemächtigt und
das Commando über dasselbe Posas, dem Insurgenten-
führer aus Ferrol, übergeben. Das Geschwader besteht aus
vier Fregatten, die „Numanicia" 25 Kanonen, „Tetuan"
40, „Victoria" 23, Almansa 48, und drei Dampfern:
„Fernando el Catolico", „La Ferrolana" und den „Bla-co
de Garay". Drei der Fregatten sind Eisenpanzer. Das
gegen Carthagena abgesandte Regiement Iberia hat sich
empört und den Insurgenten angeschlossen. Drei Majore,
13 Officiere und 16 Soldaten blieben der Regierung treu
und sind nach Madrid zurückgekehrt.
Das Londoner Carlistencomite hat aus St. Jean de
Luz unterm 21. d. folgende Depesche erhalten: Das
Hauptquartier des Königs ist heute in Arizcun. Die Co-
lonuen von Dorregaray und Lizarraga haben ihre Verei-
nigung bewirkt und zählen zusammen 6500 Mann. Die
Avantgarde der Royalisten hat soeben angesichts von Viktoria
l einen glänzenden Sieg über die republikanischen Truppen
errungen.
Wie man aus Bayonne meldet, ist der Carlisten-
Führer Santa-Cruz in begleitung seines Lieutenannts
Emparu und seines Secretärs Et Maestro von Penna de
la Plata aus auf das französische Gebiet übergetreten. Er
geistliche Kleidung und sagte, daß er sich nach Rom begeben
wolle, um die Verzeihung des Papstes für seine Sünden
anzuflehen.
Die Japanische Regierung steht im Begriff,
sämmtliche jungen Japanesen, welche auf Staatskosten sich
des Studiums wegen in Europa aufhalten, nach der Hei-
math zurückberufen, da die für die jungen Leute bisher er-
wachseneuKosten in hohem Grade den dafür ausgeworfenen Etat


Baron und Schauspieler.
Novelle.
von I. Krüger.
Drittes Kapittel.
Drei Jahre beim Theater.
(Fortsetzung.)
Die Köchin trug das Abendbrod auf, das wie gewöhn-
lich aus kalter Küche bestand. Ich will warten, bis Minna
kommt, dachte er, und selbst in dem Falle, daß sie heute
zum ersten Male meine Abendmahlzeit nicht theilen sollte,
so wird es mir doch besser schmecken, wenn sie an meiner
Seite sitzt, mir mit ihren zierlichen Händen die Bissen vor-
schneidet und mir den Wein kredenzt.
Er wartete geduldig, bis die nroße Pendüle seines
Zimmers zwölf schlug. Aber das Weib seines Herzens er-
schien nicht. Eine innere Unruhe ergriff ihn, aber er suchte
sie eine ganze Stunde lang zu bekämpfen, da Minna mög-
licherweise von der Familie, wo sie in diesem Augenblicke
war, noch zurückgehalten werden mochte. Als aber der
Glockenschlag Eins in sein Ohr tönte, da konnte er seine
Aufregung nicht mehr bemeistern. Er zog heftig die Klinge!
und herrschte das Mädchen, das noch wach war, um ihre
Herrin wieder einzulassen, zu sich herauf.
„Hat meine Frau ihnen den Namen der Familie ge-
nannt, zu der sie gegangen?" fragte er.
Das Mädchen schüttelte den Kopf.

„Nein, Herr Feruau. Madame eilte sehr schnell fort
und sprach nur wenige Worte mit mir. Uebrigens ist mir
. etwas sehr ausgefallen."
! „Schnell, schnell, was war es?" rief der geängstigte
i Mann.
„Obwohl sie einen dichten Schleier trug," erwiderte
i das Mädchen, „so glaubte ich doch zu bemerken, daß sie
i sehr bewegt war und daß ihre Stimme zitterte."
„O, mein Gott! mein Gott! was mag meine Gattin
! so betrübt, so aufgeregt haben!" rief Feruau.
Das Mädchen zuckle die Achseln.
„Ich vermag es ihnen nicht zu sagen, Herr Fernau.
, Es wäre denn, daß der Herr Graf, der eine Stunde zu-
i vor, ehe Madame fortging, hier war und den sie, wie ich
l hörte, erwartet hatte —"
Fernau fuhr erschrocken zurück.
„Ein Mann wurde in meiner Abwesenheit, da sie al-
war war, empfangen? Mädchen du lügst!"
Die Dienerin, ein noch junges Geschöpf, fing zu wei-
nen an.
„Ich schwöre ihnen, Herr Fernau, ich spreche die Wahr-
heit," sagte sie.
„Und ein Graf, sagst du?"
„Ja, Herr Fernau."
„Weißt du seinen Namen?"
„Er nannte ihn mir: Graf Wardozi."
Fernau war so bestürzt, daß ihm die Sprache den

Dienst versagte. Er winkte dem Mädchen mit der Hand,
ihn zu verlaßen.
Als er allein war, warf er sich in wilder Aufregung
in eitlen Sessel und stützte seinen Kopf in beide Hände. Em
furchtbarer Gedanke durchzuckte ihn, ein Gedanke, der, wenn
er sich zur Wirklichkeit gestaltete, sein ganzes Leben zerstören
würde."
Es war der erste Funke der Eifersucht in seine Seele ge-
fallen, hatte dort gezündet und drohte schnell zu einer mäch-
tigen Flamme anzuwachsen.
„Wenn es denkbar wäre," murmelte er nach kurzem
Schweigen,' „wenn Minna, die ich aus heißer inniger Liebe
gewählt, die ich wie eine Heilige anbete, die mir noch gestern
in traulicher Stunde gestand, daß ich ihr ganzes Sein aus-
fülle — wenn sie dennoch — o, ein gebrechlich Wesen ist das
Weib! sagt der Dichter. Sie sprach ost mit mir von dem
Grafen, sie interessirte sich für ihn, sie lobte sein bescheide-
nes Wesen, sie bedauerte, daß stets solche Trauer auf seinen
Zügen ruhe — wenn sie und der Graf längst im heim-
lichen Einverständnisse — o, mein Schöpfer, begründet sich
mein Argwohn, dann schütze mich vor Verzweiflung!"
ES schlug zwei, drei, vier Uhr — seine Gattin kehrte
nicht ins Haus zurück.
Fernau suchte sein Bett nicht. Er rannte wie ein
Wahnsinniger im Zimmer auf und ab. Zuweilen stürzte
er ans Fenster, riß es auf und blickte nach allen Seiten
in die Nacht hinaus. Ein kalter Nordsturm blies ihm in's
 
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