Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

DOI Kapitel:
No. 14 (4. Februar)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.63024#0055

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Erscheint
wöchentlich drei Mal:
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
Alle Postanstaltsn
nnd Boten nehmen
Bestellungen an.

Mwehingcr Wochtniilalt.
Amtsverkündigungsötalt für den Aezirk Schwetzingen.
Kadilche Hopfenrcitu n g.

Preis
dikrislj-A^lich 4 > kr
Inserate
die viergesvaltene
PetiLzeile oder deren
Raum 4 kr.
Lokalanzeizen
3 kr.

Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfnlz.

Dienstag, 4. Februar 1873.

VII. Jahrgang.

«a. 14.

Für das „Schwetzirrger Wochssrblatt" bestimmte Inserate finden auch im „Philippsbnrger Wochenblatt Gratis-Aufnahme.

dieses Blatt für
die Monate Februar und
März werden bei säMntlichen Postanstalten sowohl
als bei den Landpostboten angenommen. s
Die Expedition.
Depeschen.
* London, I. Febr. (H.--B.-R.) Daily News theilen
eine Depesche aus Wien vom 31. v. M. mit, wonach die
Pforte den Khedive einladet, eine internationale Commission
nach Cairo einzube usen, die über Unificirung der Snez-
Canal-Abgaben Bericht erstatten solle, deren Vorschläge der
Pforte zn unterbreiten seien.
Elliot rieth dem Sultan sein'Ministerium zu behalten,
da eine Aenderung desselben auf die finanziellen Verhält- j
nisse der Türkei nur schädigend wirken würde. !
* Lissabon, 1. Febr. (H.-B.-R.) Unter den Ma- !
schinisten und Heizern der portugiesischen Eisenbahnen ist '
ein Strike ausgebrochen. Die Güterzüge sind eingestellt, j
und nur die Expreßzüge von Ausländern geführt, gehen
noch. Die Regierung wird gerichtlich gegen die Strikenden !
vorgehen, während die Gesellschaften vom Auslande entspre- ,
chende Kräfte erwarten.
* Athen, 30. Jan.( H.B.R) Das italienische Ministerium
hat seine Beziehungen mit unserem Minister der auswärtigen !
Angelegenheiten, wegen unpassender Ausdrücke, welche in ,
einem Briefe des Letzteren, über die Laurionfrage enthalten
waren, abgebrochen.
^Mische Aeöerstcht.
Unter den Fragen, womit sich der demnächst zusam- ,
mentretende Deutsche Reichstag zu beschäftigen haben
wird, befindet sich auch die, eine Entscheidung über die bis
jetzt eingegangenen Kriegsgelder zu treffen. Frankreich hat
bekanntlich am Ende des vorigen Jahres die dritte Mil- !
liarde und auf die vierte in den Tagen vom 16. bis 18.
Januar 150 Millionen Franken baar bezahlt, auch fernere ,
200 Millionen in Monatsraten angekündigt, ja man glaubt
in Frankreich an maßgebender Stelle, bis Ende Mai dieses
Jahres die vierte Milliarde voll ansbezahlt zu haben. Die
weiteren Pläne Hinsicht« der fünften Milliarde können vor- ,
auf sich beruhen, doch ist die Summe jetzt dergestalt ange- ,
wachsen, daß zu ihrer Unterbringung und Verfügung für ;
die in Aussicht genommenen Zwecke ein Reichsgesetz erfor-
derlich ist, das die Verwendung für Reichszwecke festsetzt. !
Zu den letzteren gehört auch, wie schon früher mitgetheilt,
die Kriegs-Juvaliden-Versorgung, für welche große Sum- i
men in Anschlag gebracht werden.
Die „Times" befassen sich in einem ihrer letzten Lea- i
der mit der Zukunft Frankreich s , wobei sie zu dem
Resultate gelangen, daß schließlich der Imperialismus in i
Frankreich wieder aus Ruder kommen dürfte. „Ganz °
Frankreich" — bemerkt das leitende Blatt — „stimmte am

Neujahrstage darm überein, daß die Befreiung des natio-
nalen Territoriums das Werk von 1873 sein sollte. Im
October wird Frankreich frei sein. Nach October muß eine
Auflösung stattsinden. Es würde ein großer Trost sein,
wenn Wir nur überzeugt sein könnten, daß Frankreich die
Jntriguen zunichte machen würde, die nun auSgeheckt wer- *
den, um die Zukunft zu einer bloßen Reproduction der Ver-
gangenheit zu machen. Royalistische und imperialistische
Prätendenten, ob von älteren oder jüngeren Zweigen, dürf-
ten außer Fassung gebracht werden, aber Frankreich und
Europa würden durch das Resultat bevortheilt .werden.
Wir können indeß nicht vorgeben, irgend eine lebhafte Hoff-
nung für die Zukunft zu hegen. Es ist kein Grund vor-
handen, um anzunehmen, daß die Parteien in der jetzigen
Kammer die Parteien außerhalb derselben falsch vorstellen.
Die relative Stärke der Combattanten in der Nationalver-
sammlung und in der Nation mögen verschieden sein, aber
die in Versailles entfalteten Gewohnheiten des Geistes und
des Gemüthes spiegeln den Charakter des Volkes ab „ und
da die kriegführenden Fractionen der Kammer nur durch
die Nothwendigkeit, die Suprematie des Herrn Thiers an-
zuerkennen, im Zaume gehalten worden sind, so mögen die
kriegführenden Fractionen der Nation den Weg für die Her-
stellung Persönlicher Herrschaft als das einzige Präservativ
gegen Unordnung vorbereiken."
Ein Appendix der heiklen orientalischen Frage
bildet die türkische T h r o n f o l g e f r a g e. Wie man
der „,,N. Fr. Pr." aus Pera schreibt, beschäftigt seit eini-
gen Wochen die dortigen politischen Kreise, wie auch die
Blätter eine Broschüre, welche der durcb seine Schriften
rühmlichst bekannte Orientalist Baron ^es.a über die Frage
der Thronfolge-Ordnung in der Türkei geschrieben haben
soll; die Brochüre existire in der That, jedoch nur (da sie
im Buchhandel nicht erschienen sei) als Manuscript. Der
Berichierstutter schreibt weiter; „Die Broschüre führt den
bescheidenen und unverfänglichen Titel: „Valois äss sou-
varains da In Nuison Imperials äs8 OsmaniässJ' Der
Autor bleibt von Anfang bis zu Ende seiner Schrift auf
dem Standpunkte der Objectivität und enthält sich jeder
politischen Reflexion; er sucht an der Hand der türkischen
Geschichte und in Kraft bestehender Gesetze, auf die For-
schungen des berühmten Historikers Hammer-Pnrgstall gestützt,
nachzuweisen, daß die Thronfolge nach dem Senioriate in
reinem türkischen Gesetze begründet ist, ja vielmehr, daß
das Recht der Primogenitur zufolge des bisher nicht aufge-
hobenen Kanun's (Grundgesetzes) Mahmud's II. (1451 bis
1481) noch heute in voller Gleichgültigkeit ist; daß ferner
der Sultan des Khalif oder Vikar des Mahoiued, als geist-
liches und weltliches Oberhaupt der Muselmanen das Recht
hat, seinen Nachfolger ohne Rücksicht auf Seniorat oder
Primogenitur zu designiren."
Grenzverletzungen Seitens Rußland gegenüber
Preußens gehören bekanntlich nicht zu den Seltenheiten.
Ueber eine in neuerer Zeit vorgefallene gewaltthätige Grenz-

verletzung berichtet die „Schles. Ztg." aus Beuthen Folgen-
des : Verflossenen Sonnabend ereignete sich an der an dem
ruffisch-preußischen Grenzfluß Brinnitza belegenen sogenann-
ten Kuna-Mühle folgender Vorfall. Das Wehr des Müh-
lenteiches der der Scharleygrube gehörigen Kuna-Mühle ist
bisher der regelmäßige, wenn auch osficiell nicht erlaubte
Uebergangspunkt jenseitiger Grenzbewohner gewesen, und
dies mag dem russischen Grenzsoldaten wohl stets ein Dorn
im Auge gewesen sein. Wahrscheinlich um diesen Uebergang
zu erschweren, erschienen am 25. d. Mts. Nachmittags, un-
ter Führung eines russischen Capitäns und eines Unteroffi-
ziers, 4 Grenzsoldaten, sämmtlich uniformirt und letztere
mit Aexten bewaffnet. Während der Officier auf dem rus-
sischen Ufer stehen blieb, begannen die Mannschaften das
Wehr trotz des Widerspruchs des Mühlenpächters zu demo-
liren. Das abgeschlagene Holzwerk wurde säuberlich auf
das diesseitige Ufer gebracht. Während das Zerstörungs-
werk noch im besten Gauge war, begab sich ein Beamter
eines benachbarten Bergwerks in Begleitung von zwei Auf-
sehern an Ort und Stelle. Derselbe machte den Officier
darauf aufmerksam, daß das Wehr preußisches Eigenthum
sei und der Scharleygrube gehöre und ersuchte denselben
von der Zerstörung des Wehres abzustehen. Der Offizier
fragte hierauf den Beamten um seinen Namen und nach
seiner Legitimation zu diesem Einspruch. Derselbe gab bei-
des an, und fragte nunmehr seinerseits nach denen des
Offiziers, um denselben in die über den Vorfall seinerseits
zu erstattende Meinung aufnehmen zu können. Statt wei-
terer Antwort zog der Offizier eine Pistole und schlug auf
den Beamten an, steckte dieselbe jedoch, ohne zu schießen,
wieder ein, da sie sich augenscheinlich nicht in Ordnung be-
fand. Darauf sprach der Capitän einige Worte zn seinem
Unteroffizier, welcher sodann zu dem in der Nähe haltenden
Wagen des Offiziers lief, von wo er einen Gegenstand zu-
rückbrachte, den er nnter dem langen Mantel verbarg. Der
Offizier griff sofort nach diesem Gegenstand, der sich als
eine kurze Büchse erwies, schlug in der Richtung auf den
Beamten an und schoß. In die rechte Brust getroffen,
stürzte der neben dem Beamten stehende Aufseher Pelka
nieder. Das Gewehr war mit grobem Schrot geladen und
der Getroffene hat etwa 6 bis 7 Körner in die Brust, Hals
und rechten Arm erhalten. Die Verletzung soll leider ge-
fährlich sein und ernste Befürchtungen rechtfertigen. Bald
nachdem der Schuß gefallen, erschien ein inzwischen herbei-
geholter preußischer Gendarm und nun zogen sich sämmtliche
Russen schleunigst zurück. Die Angelegenheit ist sofort der
zuständigen Behörde angezeigt worden und es darf wohl
erwartet werden, daß dieselbe mit aller Energie die Verfol-
gung dieser unerhörten Gewaltthat aufnehmen wird.
Ncneste Hopsen-Nachrichten.
Nürnberg, 1. Febr. (Orig.-Ber. v. C. Schmidt.)
Obwohl seit 8 Tagen die so lang ersehnte kalte Wit-
terung eiugetreten ist und die Brauereien sich nun mit Eis
— dieser Lebensbedingung für den Sommer — versorgen

Feuilleton.
Georg
oder
Gin Opfer der Vornrtheile.
Deutsch von H. K. Kißling.

(Fortsetzung.)
Dieser dagegen, nachdem er Alicen völlig aufgegeben,
warf sich, um die Stimme des Gewissens zu übertäuben, in
die lärmenden Vergnügungen der Welt, aber diese kommen
gewöhnlich jenen sehr theuer zu stehen, welche sie zur einzi-
gen Nahrung ihrer tollen Existenz machen, da sie ruinirend
find, ohne jedoch dem Herzen seinen Frieden wiedergeben zu
können. So lauge Alice lebte, ließ er der Amme des geraub-
ten Kindes, das in der Taufe den Namen Georg erhalten,
ein reichliches MonatSgeld zufließen. Als er aber den Lod
der Mutter erfuhr hielt er sich nicht mehr für verbunden
für das Kind noch ferner zu sorgen. Von da an fiel der
kleine Knabe derjenigen zur Last, die von seiner zartesten
Kindheit an, an ihm Mutterstelle vertreten und die sich bis-
her vergebens bemüht hatte, Namen und Wohnung des Va-
ters des Kindes zu erfahren.
Georg war ein liebenswürdiger, munterer und aufge-
weckter Junge, den seine Amme wie eine Mütter liebte,
weßhalb sie ihn, obwohl die Monatsgelder ausblieben, noch

weitere vier Jahre bei sich behielt. Als sie aber Wittwe
geworden, nnd der Unterstützung selbst bedurfte, zog sie es
vor, sich von ihm zu trennen, statt ihre Armuth mit ihm
zu theilen. Sie hatte in London einer! Bruder, der dort
das Seilergewerbe betrieb und namentlich Schiffstaue fertigte;
Diesen besuchte sie mit dem Knaben und theilte ihm mit,
öaß ihre traurige Lage sie zwinge sich von ihm zu trennen.
Das gute Aussehen des Jungen gefiel dem Meister und so
ging Georg ans den Armen seiner Erzieherin in die Hände
des Meisters über, ohne eine Idee von dem grausamen
Wechsel zn haben, welchem ihn das Geschick unterworfen hatte.
Seine Amme Bertha entfernte sich schweren Herzens
während der Knabe weinte und der Seiler vor Allem sein
Matrosenlied zu Ende sang, worin ihn seine Schwester un-
terbrochen hatte.
„Du willst also Seiler werden?" begann er den Kna-
ben zu fragen.
„Wie Sie wünschen, mein Herr."
„Sehr gut geantwortet, ich sehe daß wir uns ver-
stehen werden. Und so wollen wir denn gleich den Anfang
machen, schloß er, ihm einen großen Haufen Hanf zum zu-
recht machen gebend. Aber Georg's kleinen zarten- Händen
konnten, da ohnehin im der Wind den Staub des Hanfes
und der Straße in die Augen wehte, nicht recht fertig wer-
den, indem er jeden Augenblick den Staub aus den Augen
reiben mußte."
„Was machst Du denn?" brummle der Seiler Ralf,
indem er bemerkte daß Georg seine rothgewordenen Augen rieb,

„Herr, der Staub. —"
„Thut nichts, das bringt das Handwerk mit sich, über-
haupt wirst Du noch andere Dinge erfahren, bevor Du
Arbeiter sein wirst. Bei uns wachsen nicht lauter Rosen
und nun mach' daß du fertig wirst. Ralf sprach die letzte-
ren Worte sehr kurz und begleitete sie mit so ernsten
Blicken, daß der arine Knabe den Kopf senkte und zwei stille
Thränen vergoß.
Georg der einen schmiegsamen und sanften Charakter hatte,
machte sich glücklicherweise mit seinem Unglücke bald vertraut
und war bald zu dem Entschluß gekommen alle Unbill ge-
duldig zu ertragen, indem er trotz seines jugendlichen Alters
recht wohl einsah, daß das Brod des Unglücklichen immer
von Thränen feucht wurde.
Ralf war dem Trünke sehr ergeben weßhalb Georg mehr
als einmal das Opfer der durch den Rausch erregten Lei-
denschaften war, aber auch dieses ertrug er geduldig, sofern er
es doch nicht zu ändern vermochte und tröstete sich schießlich
auf seine bessere Zukunft.
Drei Jahre hatte so Georg die schlimme Behandlung seines
Meisters ertragen ohne auch nur die geringste Veranlassung
dazu gegeben zu haben, daMien der Himmel Mitleid mit
ihm zu haben, und seine Engelsgeduld belohnen zu wol-
len. Fünfzehn Jahre waren seit der Abreise des Schiffslieu-
tenants Gremm auf seinemköniglichen Mchiffe verflossen,
und nun kehrte derselbe als Schiffscapitän wieder in feine
Heimath zurück.
(Fortsetzung folgt.)
 
Annotationen