Erscheint
wöchentlich drei Mal:
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
Alle Postanstalten
nnd Boten nehmen
Bestellungen an.
Mwctzingcr WochcMalt.
Amtsverkündigungsvtalt für den Mezirk Schwetzingen.
BadiIchr H o p f e n) k i t u n g.
vierteljährlich 45 Er
Inierate
die viergespaltene
Petitzeile oder deren
Raum 4 kr. .
Lokslanz eigen
? kr.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.
8o. 45. Donnerstag, 17. April 1873. VII. Jahrgang.
Für das „Schwetzirrger WocherrdLaLL" heftimmte ZnseraLe sirrderr auch im „PHLLippsburger är Germersheimer Wochenblatt Gratis-Aufnahme.
_.----!nr!.u.^. > > > u
politische Neöerstcht.
ZN Folge von Aenderungen, die rm deutschen
diplomatischen Corps demnächst vorgenommen wer-
den sollen, wonach Herr von Kendel! von Coustanlinopel
nach Rym versetzt werden wird, will man ersehen, daß in
Rom im gegenwärtigen Augenblick der Gesandtschaftsposten
für das Deutsche Reich wichtiger ist, als jener in Kon-
stantinopel.
Bekanntlich hat man bei der Umgestaltung der
deutschen Festungswerke davon Umgang genom-
men, an der Grenze Oesterreichs neue starke Vertheidigungs-
werke zu errichten. Die „Schles. Ztg.", indem sie hieran
anknüpfte, bemerkte dieser Tage: „Hält man dieses Ver-
fahren mit den von Seite Oesterreichs in neuerer Zeit für
seine Landesbefestigungen getroffenen Dispositionen zusammen,
welche gleichfalls di»> uns gemeinsame Grenze unbeachtet
lasten, stch aber unserem nach Osten gewendeten Befestigungs-
system anschließen, so scheint fast die Hoffnung berechtigt,
daß nämlich beim nächsten, Europa durchhallenden Kriegs-
lärm sich uns vielleicht ein Geheimuiß offenbaren werde,
nicht gleich, ober ähnlich dem, das Fürst Bismarck zur Zeit
des Luxemburger Handels zum Staunen der Welt und zur
Warnung Frankreichs und zur lauten Freude aller deutschen
Herzen vor dem constituirenden Reichstage über unser Ver-
hältniß zu den Südstaaten enthüllte!" Die Wiener „Tages-
presse" glaubt, diefis „Geheimnis;" taffe sich leicht errathen.
„Das preußische Organ meint einfa' , daß in ähnlicher
Weise, wie Bismarck die Südstaaten unter offenster Ver-
letzung des Prager Friedens an den preußischen Sieges-
karren zu fesseln wußte, er nunmehr auch des Beistandes
Oesterreichs in einem eventuellen Kampfe zwischen Frank-
reich und Deutschland gewiß ist. Aus diesem Grunde läßt
er die Festungen an der Südgrenzc Preußens verfallen, die
Zugbrücken und Thore verrosten." Die „Tgspr." fordert
die Delegationen in Rücksicht hierauf auf, das „Mysterium
der Politik" vor ihr Forum zu ziepen, „um den Völkern
Oesterreichs die Sicherheit und die Beruhigung zu verschaffen,
daß der nächste Sturm, der sich in fernen Landen erhebt,
nicht auch uns in seine verderblichen Wirbel hineinzerrt."
Kürzlich fragte ein Berliner Korrespondent der „K. H.
Zjg." : „Wissen unsere Leser, was mau in militärischen
Kreisen ein Kriegsspiel nennt? und antwortete darauf:
„Vielleicht wissen es nur wenige und zum Verständniß des
Folgenden fügen wir daher hinzu, daß das Kriegsspiel eine
sehr beliebte und auch gewünschte Beschäftigung der Geueral-
stabs-Offiziere ist, bei welcher sie sich in zwei Parteien
theilen und nun auf einer Specialkarte, sei es mit Markier-
fLhnchen, sei es ohne solche, die Bewegung zweier feindlicher
Armeen gegen einander ausführen, wobei alle Eiuzelnheiten
der Ausführung aufs Genaueste angegeben und bei der Zeit-
berechnung berücksichtigt werben. Eins solche Beschäftigung
der Generalstabsoffiziere ist gewiß sehr nützlich und bei der
- Aufmerlsamkeit, welche man in Rußland der Ausbildung
der Armee widweft kann es nicht Wunder nehmen, daß sich,
wie den „Jahrbüchern für die deutsche Armee und Marine"
l mitgetheilt wird, in Petersburg die dort befindlichen Gene-
- ralstabs-Ofsiziere im Laufe des Winters sehr eifrig mit
diesem Spiel beschäftigt haben. Aber einige Beachtung ver-
s dient die Mittheilung wegen des Terrains, weiches man sich
> diesmal für das Spiel ausersehen hat. Bei dem Umstande,
daß die Expedition nach Central-Asien schon in der Vorbe-
reitung begriffen war, würde es sehr natürlich gewesen sein,
wenn der Scheinkampf auf einem, im asiatischen Rußland
' gelegenen Terrain geführt worden wäre, aber auffallender
Weiss hat man die am nächsten liegenden Westgrenzen, d. h. !
die russisch-deutsche Grenze gewählt, und zwar sind Liss, i
wie hinzugefügt wird, dieselben Gegenden, in welchen in I
den letzten Jahren die Generalstabsreisen stattgefunden haben. !
Um aber jeden Zweifel über die Gründe dieser Wahl zu be- >
seifigen, wird sie im „Russischen Invaliden" damit gerecht- i
fertigt, daß diese Wahl besonders deshalb nützlich sei, weil
die Mitspieler sich gelegentlich ihrer Uebungen unwillkürlich i
mehr oder weniger mit den betreffenden Karten vertraut i
machen. Man steht daraus, daß unsere Freundschaft mit s
» Rußland unerschütterlich, daß der Frieden auf ewig gesichert s
' ist. denn: si vis pacwnr, para, ballruu!" j
Wie der „Soir" berichtet, soll Frankreich im gegen-
l würtigen Augenblick etwas verstimmt sein, indem dasselbe
, weder die Linke, noch die Politik des Herrn Thiers begreift.
; Wenn Thiers geglaubt habe, fährt das Blatt fort, Goulard
' werde die Republikaner entwaffnen, so müsse er jetzt einsehen,
, daß das Gegentheil stutifiuw. , 'Göuwrd entmuthige die der
Republik ergebenen Beamten und er ermuthige die feindlich
gesinnten; Goulard finke die Fahne der Republik, so oft
es gelte, dieselbe hoch zu halten. Die Taktik der Rechten
aber sei eben die Erniedrigung der republikanischen Fahne.
Dieses Spiel könne nicht länger ruhig mit angesehen wer-
, den, Thrers müsse zeigen, daß die Regierung keine Trans-
acrion und die conservative Republik kein leeres Wort sei.
, Diese Auslassungen des „Soir" beweisen, daß der repu-
i blikänische Theil in der Umgebung des Präsidenten der Re--
: publik anfängt, ungeduldig zu werden.
Nach einem Telegramm der „N. Fr. Pr." lauten die
- Berichte aus den verschiedenen Provinzen Spanien's
- durchaus günstig. Die karlistischen Banden hätten sich nicht
- vermehrt und die Wiederherstellung der Ordnung schreite
vorwärts. Ebenso Günstiges wird über die verbesserte Dis-
i ciplin der in Katalonien operirenden Armee gemeldet. Der
neue Kommandeur Velarde wurde irr den Ortschaften mit
- Zuruf empfangen. Die Anstifter der früheren Jnsubordi-
Nation wurden gefänglich eingezogen. Zugleich ist das Ver-
trauen im Zunehmen begriffen.
r B r i g h a m P o u n g hat auf telegraphischem Wege
dem „Newyork Herald" eine lange Erklärung über seme Ab-
dankung gesandt, worin er sagt: „Ich habe meinem Volke
über 40 Jahre unaufhörlich arbeitend gedient. Ich k in nun
nahezu 72 Jahre alt und brauche Erbmung. Meine Resig-
nation als Kurator der Kirche, Präsident der Zion Coope-
rativ Mercantile Institution und Präsident der Deserat
Nationnl Bank geschah alleinig aus profanen Ursach n und
affizirt nicht meine Stellung als Präsident der Kirche. Wir
beabsichtigen, eine Niederlassung in Arizona, in Lande
Apachen, zu gründen, in der Ueberzeugung, daß n ir die-
selben, wenn wir mit ihnen bekannt werden, berlwm bein-
fluffin können. Wir hoffen, zur Herstellung der ^'fiubahn,'
welche das Land durchkreuzen soll, beizutragen, nnd einen
großen Theil unserer Auswanderung dieses Weges zu eiten."
Brigham Aoung gibt die alte mormonische Politik der Ab-
geschlossenheit auf. Er ladet gute Bürger em, sich in Utah
niederzulassen; fordert Capitalisten auf, ihr Geld daselbst
anzulegen, und verspricht, daß ihr Eigenthum ge'chi tzt und
leicht besteuert werden wird.
Deutsches Reich.
Berlin, 15. April. Der „Reichsanzeiger" erklärt
die Zeitungsmutheilungen über die jüngst stattgefundenen
Beratungen der deutschen Justizminister betreffend die Or-
ganisation der deutschen Gerichtsverfassung für ungenau und
unvollständig und sagt, das Gesammtergebniß der Konferen-
zen werde erst dann feststehen, wenn die Theilnehmer an
denselben die von ihnen verabredete fernere Besprechung ge-
halten haben würden, welche sich an die Berathung des Lew
Justizausschuffe des Bundesrathes vorliegenden Entwurfes
einer kivilproceßordnuug anschließen werde. Unter solchen
Umständen sei selbstverständlich weder eine Ablehnung des
Ergebnisses der Konferenzen durch die Reichsregierung er«
folgt, noch eine berechtigte Verstimmung Preußens vorhan-
den, noch auch die Verantwortlichkeit der süddeutschen Re-
i gierungkn wegen des Aufschubes der Justizreform begründet,
l Die Verständigung über diese schwierigen Fragen werde
' indessen durch eine Polemik in der Presse sicherlich nicht
gefördert werden.
München, 12. April. Von den Wehrpflichtigen der
- Alterskiaffe 1tz51 zeigten nach dem Ergebniß der mit den-
! selben vorgenommenen Prüfung mangelhafte Schulbildung:
' 1) in der Pfalz 12,6 Prozent; 2) in der Oberpfalz 11,8;
3) in Niederbayern 9,6; 4) in Oberfranken 6,2; 5) in
' Oberbayern 6,1; 6) in Unterfranken 5,3 ; 7) in Schwa-
§ ben 3,0; 8) in Mittelfranken 2,6 Procent.
München, 13. April. In dem Befinden des an
einer Lungenentzündung schwer erkrankten Frbru. v. Liebig
s ist seit gestern eine Besorgniß erregende Verschlimmerung ein-
i getreten.
H d e k i n e.
Novelle von Gottlieb Richter.
»Fortsetzung.)
„Sehen Sie,* fuhr der Graubart fort, „dos ärgerte mich. Ich
kann lange Geduld haben: zwei Stunden stehe ich ruhig auf dem An-
stande, drei Stunden in ialter Nacht auf dem DachsgebSude, daß mir
die Finger an den Gewehriauf frieren, Hühnerhunde habe ich abgerich-
tet, denen aus Versehen Gänsegehirn in den Kopf gekommen war, —
aber die Faulheit dieser Menschen bei Ihrer Freundlichkeit, das hielt
ich nicht aus. Ehegestern Abend, als Sie zum Grafen geritten waren
suchte ich in einer alten Kleiderkiste und fand richtig dort noch eine
russische Knute. Damit ging ich nach Revier vierundzwanzig, stellte
mich hinter eine Eiche und paßte auf, und als die Kerle wieder so
gemüthlich dastandcn und in die Luft starrten, da sauste ich unter sie
und habe sie ermahnt mit Gefühl. — Nun hätten Sie das Arbeiten
mal sehen sollen! es war eine Lust; die Leute sahen ordentlich glücklich
aus nach den Prügeln "
„Das hätte Dir aber übel bekommen können,* sagte der junge
Hzrr, »was hättest du machen wollen, wenn sie alle über dich herfielen."
' „Denken Sie nicht daran, Herr Forstmeister! Die Leute fürchten
die Knute mehr, als eine Büchse. Nein, nein, das Mittel ist gut. Sie
habens heute selbst gesehen, daß es hilft. Kommen sie morgen nach
Revier fünfzehn, wo sie den Weg bauen, werden sie ihre Freude haben
da bin ich heute gewesen."
„Mag sein, daß du recht hast, Daniel. Der Graf fragte mich
was für Strafen ich bei der Faulheit anwendete und als ich sagte:
gar keine, da lächelte er und sagte, ich sollte nicht meinen, daß ich noch
auf dem Harze wäre."
„Ja, ja, Herr Forstmeister, es mag noch lange Jahrs dauern,
ehe die Peitsche hier ihr Recht verliert. Ich kenne das aus meinen
> Soldatenjahren."
„Apropos, Alter! erzähl mir doch, wie bist du früher eigentlich
' nach Rußland gerathen ? du hast's mir schon mal erzählt auf Eichhorst,
aber es ist mir wieder entfallen."
„Sehen Sie," begann der Knutenführer, „Sie wißen doch, daß
> der Napoleon viele Deutsche mit nach Rußland nahm, und da mußt
j ich auch mit. Den Marsch will ich Ihnen nicht erzählen, den haben !
Sie gewiß schon zwanzig mal gelesen. In dem heillosen Kampfe Lei
, Smolensk kam ich mit heiler Haut davon. Auf dem Wege von Smo-
lensk nach Moskau wurde ein Theil unseres Regiments abgeschiät, um
! einen Kosaäenhaufen zu verfolgen. Einerder armen Teufel stürzt mit dem
Pferde in einem Gebüsch, als ich mit der Büchse dicht hinter ihm bin. „Was
Hilsts", dachte ich, „wenn du den Ker! niederschießest." Ich nahm mein
Gewehr in die linke Hand und war im Sprunge bei ihm. Er mochte
wohl denken, es wäre um ihn geschehen. Ich aber nahm meine Feld«
flasche, thai einen guten Zug daraus und reichte sie ihm. Sie können
nicht glauben was der Kerl für Augen machte. Uebrigens nahm er '
meine Flasche und that mir ehrlich Bescheid. Darauf schüttelte ich ihm
die Hand und winkte ihm fortzureitm. Er stürzte vor mir nieder,
, küßte mir den Nock, saß dann wie der Blitz auf seinem mäusegrauen
: Pferdchen und verschwand. Wir kamen nach Moskau und dachten da
recht auszuruhen, da ließ uns der Rostopschin das Feuer anzünden,
das uns nach Hause leuchtete. Sehen Sie, Herr Forstmeister, ich bin
grad nicht so semmelweich, aber wenn ich an diesen Rückzug denke,
läufts mir über den Körper wie ein Eisschauer. Hunger, Frost und
Müdigkeit stürzten einen nach dem andern; was übrig blieb, würgten
die Verfolger. Ich und ein Haufen braver Westphalen hatten uns
. eines Abends ein Feuer angezündet und ließen uns. die Füßei braten
und die Ohren erfrieren. Der Wind sauste wie heute. Aker endlich
schliefen wir ein. Gegen Morgen wachte ich auf vor Frost, meine
Kameraden schliefen noch, ich wollte sie Wecken, — keiner regte sich, —
sie waren alle todt, — erfroren. Weit und breit war nichts Lebendes s
! zu sehen. Nichts als Schnee und dunkele Bäume, und auf dem Weiß
lagen wie gesäet: Menschen, Pferde, Wagen, Mäntel Kanonen, — die
ganze große Armee. Ich sank wieder am Feuer zusammen. Aus der
Ferne kam ein Haufen Kosacken heran. Sie mochten den leichten Rauch
unseres noch klimmenden Feuers gesehen haben. Wie der Blitz waren
sie da. Ich raffte ein Gewehr auf, ich wußte kaum, was ich that.
Lachend legte der Eine seine Lanze ein, nm mich zu spießen. Nach
einer Sekunde, ich fühlte schon im voraus die Eisenspitze in der Brust,
denn zur Parade war ich zu schwach. — Da plötzlich fünf Schritt von
mir pariert der Kerl sein Pferd so heftig, daß es sich hoch aufbäumt,
er springt aus dem Sattel, wirft die Lanze fort und hängt sich an
meinen Hals. Weiß Gott! es war der Kosack, der aus meiner Flasche
getrunken hatte. Nun war meine Noth zu Ende. Mein Freund war
Officier der Bande, die verwundert der Begrüßung zusah. Mit drei
vier Worten jagte er den Haufen in den Wald, und eine Viertelstunde
später brannte das Feuer haushoch. Zehn Schnappsflaschcn boten sich
mir dar, Pelze und Mäntel deckten mich zu. Aber ich konnte nicht
warm werden, der Kopf brummte mir wie ein Mühlwerk. — Kurz,
ich hatte das Fieber. Was die braven Kerle mit mir gemacht
haben, ich weiß es nicht, — als ich zu mir kam, lag ich oben auf
einem russischen Ofen. Der Kosack hatte mich zu einem freien Bauer
gebracht, hatte bezahlt, gedroht, besohlen und gebeten, daß man mich
pflegen sollte. Das hatte der Bauer ehrlich gethan. Langsam wurde
ich besser, hatte mich aber so in die Leute hineingelebt, die Kinder
hingen mir so an allen Schößen, daß ich nicht fort konnte. -- Endlich
aber trieb mich dasHeimweh nach Haus. Ich kam just noch früh ge-
nug, um mir Lei Waterloo noch einige Fetzen Fleisch abhauen lassen
zu können, und dann wurde ich Jäger beim alten Oberförster. Als
ich nun hörte, daß Sie nach Rußland ging-n, da habe ich gleich g sagt:,
da muß ich mit! — denn ich kenne die Nation und ihre Sprache."
Dem Alten war bei der Erzählung die Pfeife ausgegangen, cr
stand auf und stopfte von neuem.
„Und ein wahres Glück istS, daß du mitgingst, du alter, treuer
Bursche," sagte der junge Forstmeister vom Sessel aus, „ich weiß nicht
wie ich hier hätte fertig werden sollen, wo ich im Anfang keinen Laut
der Sprache verstand. Im Reviere hätt'S lauter Unsinn gegeben, wäh-
rend jetzt alles so prächtig geht." (Fortsetzung folgt.)
wöchentlich drei Mal:
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
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vierteljährlich 45 Er
Inierate
die viergespaltene
Petitzeile oder deren
Raum 4 kr. .
Lokslanz eigen
? kr.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.
8o. 45. Donnerstag, 17. April 1873. VII. Jahrgang.
Für das „Schwetzirrger WocherrdLaLL" heftimmte ZnseraLe sirrderr auch im „PHLLippsburger är Germersheimer Wochenblatt Gratis-Aufnahme.
_.----!nr!.u.^. > > > u
politische Neöerstcht.
ZN Folge von Aenderungen, die rm deutschen
diplomatischen Corps demnächst vorgenommen wer-
den sollen, wonach Herr von Kendel! von Coustanlinopel
nach Rym versetzt werden wird, will man ersehen, daß in
Rom im gegenwärtigen Augenblick der Gesandtschaftsposten
für das Deutsche Reich wichtiger ist, als jener in Kon-
stantinopel.
Bekanntlich hat man bei der Umgestaltung der
deutschen Festungswerke davon Umgang genom-
men, an der Grenze Oesterreichs neue starke Vertheidigungs-
werke zu errichten. Die „Schles. Ztg.", indem sie hieran
anknüpfte, bemerkte dieser Tage: „Hält man dieses Ver-
fahren mit den von Seite Oesterreichs in neuerer Zeit für
seine Landesbefestigungen getroffenen Dispositionen zusammen,
welche gleichfalls di»> uns gemeinsame Grenze unbeachtet
lasten, stch aber unserem nach Osten gewendeten Befestigungs-
system anschließen, so scheint fast die Hoffnung berechtigt,
daß nämlich beim nächsten, Europa durchhallenden Kriegs-
lärm sich uns vielleicht ein Geheimuiß offenbaren werde,
nicht gleich, ober ähnlich dem, das Fürst Bismarck zur Zeit
des Luxemburger Handels zum Staunen der Welt und zur
Warnung Frankreichs und zur lauten Freude aller deutschen
Herzen vor dem constituirenden Reichstage über unser Ver-
hältniß zu den Südstaaten enthüllte!" Die Wiener „Tages-
presse" glaubt, diefis „Geheimnis;" taffe sich leicht errathen.
„Das preußische Organ meint einfa' , daß in ähnlicher
Weise, wie Bismarck die Südstaaten unter offenster Ver-
letzung des Prager Friedens an den preußischen Sieges-
karren zu fesseln wußte, er nunmehr auch des Beistandes
Oesterreichs in einem eventuellen Kampfe zwischen Frank-
reich und Deutschland gewiß ist. Aus diesem Grunde läßt
er die Festungen an der Südgrenzc Preußens verfallen, die
Zugbrücken und Thore verrosten." Die „Tgspr." fordert
die Delegationen in Rücksicht hierauf auf, das „Mysterium
der Politik" vor ihr Forum zu ziepen, „um den Völkern
Oesterreichs die Sicherheit und die Beruhigung zu verschaffen,
daß der nächste Sturm, der sich in fernen Landen erhebt,
nicht auch uns in seine verderblichen Wirbel hineinzerrt."
Kürzlich fragte ein Berliner Korrespondent der „K. H.
Zjg." : „Wissen unsere Leser, was mau in militärischen
Kreisen ein Kriegsspiel nennt? und antwortete darauf:
„Vielleicht wissen es nur wenige und zum Verständniß des
Folgenden fügen wir daher hinzu, daß das Kriegsspiel eine
sehr beliebte und auch gewünschte Beschäftigung der Geueral-
stabs-Offiziere ist, bei welcher sie sich in zwei Parteien
theilen und nun auf einer Specialkarte, sei es mit Markier-
fLhnchen, sei es ohne solche, die Bewegung zweier feindlicher
Armeen gegen einander ausführen, wobei alle Eiuzelnheiten
der Ausführung aufs Genaueste angegeben und bei der Zeit-
berechnung berücksichtigt werben. Eins solche Beschäftigung
der Generalstabsoffiziere ist gewiß sehr nützlich und bei der
- Aufmerlsamkeit, welche man in Rußland der Ausbildung
der Armee widweft kann es nicht Wunder nehmen, daß sich,
wie den „Jahrbüchern für die deutsche Armee und Marine"
l mitgetheilt wird, in Petersburg die dort befindlichen Gene-
- ralstabs-Ofsiziere im Laufe des Winters sehr eifrig mit
diesem Spiel beschäftigt haben. Aber einige Beachtung ver-
s dient die Mittheilung wegen des Terrains, weiches man sich
> diesmal für das Spiel ausersehen hat. Bei dem Umstande,
daß die Expedition nach Central-Asien schon in der Vorbe-
reitung begriffen war, würde es sehr natürlich gewesen sein,
wenn der Scheinkampf auf einem, im asiatischen Rußland
' gelegenen Terrain geführt worden wäre, aber auffallender
Weiss hat man die am nächsten liegenden Westgrenzen, d. h. !
die russisch-deutsche Grenze gewählt, und zwar sind Liss, i
wie hinzugefügt wird, dieselben Gegenden, in welchen in I
den letzten Jahren die Generalstabsreisen stattgefunden haben. !
Um aber jeden Zweifel über die Gründe dieser Wahl zu be- >
seifigen, wird sie im „Russischen Invaliden" damit gerecht- i
fertigt, daß diese Wahl besonders deshalb nützlich sei, weil
die Mitspieler sich gelegentlich ihrer Uebungen unwillkürlich i
mehr oder weniger mit den betreffenden Karten vertraut i
machen. Man steht daraus, daß unsere Freundschaft mit s
» Rußland unerschütterlich, daß der Frieden auf ewig gesichert s
' ist. denn: si vis pacwnr, para, ballruu!" j
Wie der „Soir" berichtet, soll Frankreich im gegen-
l würtigen Augenblick etwas verstimmt sein, indem dasselbe
, weder die Linke, noch die Politik des Herrn Thiers begreift.
; Wenn Thiers geglaubt habe, fährt das Blatt fort, Goulard
' werde die Republikaner entwaffnen, so müsse er jetzt einsehen,
, daß das Gegentheil stutifiuw. , 'Göuwrd entmuthige die der
Republik ergebenen Beamten und er ermuthige die feindlich
gesinnten; Goulard finke die Fahne der Republik, so oft
es gelte, dieselbe hoch zu halten. Die Taktik der Rechten
aber sei eben die Erniedrigung der republikanischen Fahne.
Dieses Spiel könne nicht länger ruhig mit angesehen wer-
, den, Thrers müsse zeigen, daß die Regierung keine Trans-
acrion und die conservative Republik kein leeres Wort sei.
, Diese Auslassungen des „Soir" beweisen, daß der repu-
i blikänische Theil in der Umgebung des Präsidenten der Re--
: publik anfängt, ungeduldig zu werden.
Nach einem Telegramm der „N. Fr. Pr." lauten die
- Berichte aus den verschiedenen Provinzen Spanien's
- durchaus günstig. Die karlistischen Banden hätten sich nicht
- vermehrt und die Wiederherstellung der Ordnung schreite
vorwärts. Ebenso Günstiges wird über die verbesserte Dis-
i ciplin der in Katalonien operirenden Armee gemeldet. Der
neue Kommandeur Velarde wurde irr den Ortschaften mit
- Zuruf empfangen. Die Anstifter der früheren Jnsubordi-
Nation wurden gefänglich eingezogen. Zugleich ist das Ver-
trauen im Zunehmen begriffen.
r B r i g h a m P o u n g hat auf telegraphischem Wege
dem „Newyork Herald" eine lange Erklärung über seme Ab-
dankung gesandt, worin er sagt: „Ich habe meinem Volke
über 40 Jahre unaufhörlich arbeitend gedient. Ich k in nun
nahezu 72 Jahre alt und brauche Erbmung. Meine Resig-
nation als Kurator der Kirche, Präsident der Zion Coope-
rativ Mercantile Institution und Präsident der Deserat
Nationnl Bank geschah alleinig aus profanen Ursach n und
affizirt nicht meine Stellung als Präsident der Kirche. Wir
beabsichtigen, eine Niederlassung in Arizona, in Lande
Apachen, zu gründen, in der Ueberzeugung, daß n ir die-
selben, wenn wir mit ihnen bekannt werden, berlwm bein-
fluffin können. Wir hoffen, zur Herstellung der ^'fiubahn,'
welche das Land durchkreuzen soll, beizutragen, nnd einen
großen Theil unserer Auswanderung dieses Weges zu eiten."
Brigham Aoung gibt die alte mormonische Politik der Ab-
geschlossenheit auf. Er ladet gute Bürger em, sich in Utah
niederzulassen; fordert Capitalisten auf, ihr Geld daselbst
anzulegen, und verspricht, daß ihr Eigenthum ge'chi tzt und
leicht besteuert werden wird.
Deutsches Reich.
Berlin, 15. April. Der „Reichsanzeiger" erklärt
die Zeitungsmutheilungen über die jüngst stattgefundenen
Beratungen der deutschen Justizminister betreffend die Or-
ganisation der deutschen Gerichtsverfassung für ungenau und
unvollständig und sagt, das Gesammtergebniß der Konferen-
zen werde erst dann feststehen, wenn die Theilnehmer an
denselben die von ihnen verabredete fernere Besprechung ge-
halten haben würden, welche sich an die Berathung des Lew
Justizausschuffe des Bundesrathes vorliegenden Entwurfes
einer kivilproceßordnuug anschließen werde. Unter solchen
Umständen sei selbstverständlich weder eine Ablehnung des
Ergebnisses der Konferenzen durch die Reichsregierung er«
folgt, noch eine berechtigte Verstimmung Preußens vorhan-
den, noch auch die Verantwortlichkeit der süddeutschen Re-
i gierungkn wegen des Aufschubes der Justizreform begründet,
l Die Verständigung über diese schwierigen Fragen werde
' indessen durch eine Polemik in der Presse sicherlich nicht
gefördert werden.
München, 12. April. Von den Wehrpflichtigen der
- Alterskiaffe 1tz51 zeigten nach dem Ergebniß der mit den-
! selben vorgenommenen Prüfung mangelhafte Schulbildung:
' 1) in der Pfalz 12,6 Prozent; 2) in der Oberpfalz 11,8;
3) in Niederbayern 9,6; 4) in Oberfranken 6,2; 5) in
' Oberbayern 6,1; 6) in Unterfranken 5,3 ; 7) in Schwa-
§ ben 3,0; 8) in Mittelfranken 2,6 Procent.
München, 13. April. In dem Befinden des an
einer Lungenentzündung schwer erkrankten Frbru. v. Liebig
s ist seit gestern eine Besorgniß erregende Verschlimmerung ein-
i getreten.
H d e k i n e.
Novelle von Gottlieb Richter.
»Fortsetzung.)
„Sehen Sie,* fuhr der Graubart fort, „dos ärgerte mich. Ich
kann lange Geduld haben: zwei Stunden stehe ich ruhig auf dem An-
stande, drei Stunden in ialter Nacht auf dem DachsgebSude, daß mir
die Finger an den Gewehriauf frieren, Hühnerhunde habe ich abgerich-
tet, denen aus Versehen Gänsegehirn in den Kopf gekommen war, —
aber die Faulheit dieser Menschen bei Ihrer Freundlichkeit, das hielt
ich nicht aus. Ehegestern Abend, als Sie zum Grafen geritten waren
suchte ich in einer alten Kleiderkiste und fand richtig dort noch eine
russische Knute. Damit ging ich nach Revier vierundzwanzig, stellte
mich hinter eine Eiche und paßte auf, und als die Kerle wieder so
gemüthlich dastandcn und in die Luft starrten, da sauste ich unter sie
und habe sie ermahnt mit Gefühl. — Nun hätten Sie das Arbeiten
mal sehen sollen! es war eine Lust; die Leute sahen ordentlich glücklich
aus nach den Prügeln "
„Das hätte Dir aber übel bekommen können,* sagte der junge
Hzrr, »was hättest du machen wollen, wenn sie alle über dich herfielen."
' „Denken Sie nicht daran, Herr Forstmeister! Die Leute fürchten
die Knute mehr, als eine Büchse. Nein, nein, das Mittel ist gut. Sie
habens heute selbst gesehen, daß es hilft. Kommen sie morgen nach
Revier fünfzehn, wo sie den Weg bauen, werden sie ihre Freude haben
da bin ich heute gewesen."
„Mag sein, daß du recht hast, Daniel. Der Graf fragte mich
was für Strafen ich bei der Faulheit anwendete und als ich sagte:
gar keine, da lächelte er und sagte, ich sollte nicht meinen, daß ich noch
auf dem Harze wäre."
„Ja, ja, Herr Forstmeister, es mag noch lange Jahrs dauern,
ehe die Peitsche hier ihr Recht verliert. Ich kenne das aus meinen
> Soldatenjahren."
„Apropos, Alter! erzähl mir doch, wie bist du früher eigentlich
' nach Rußland gerathen ? du hast's mir schon mal erzählt auf Eichhorst,
aber es ist mir wieder entfallen."
„Sehen Sie," begann der Knutenführer, „Sie wißen doch, daß
> der Napoleon viele Deutsche mit nach Rußland nahm, und da mußt
j ich auch mit. Den Marsch will ich Ihnen nicht erzählen, den haben !
Sie gewiß schon zwanzig mal gelesen. In dem heillosen Kampfe Lei
, Smolensk kam ich mit heiler Haut davon. Auf dem Wege von Smo-
lensk nach Moskau wurde ein Theil unseres Regiments abgeschiät, um
! einen Kosaäenhaufen zu verfolgen. Einerder armen Teufel stürzt mit dem
Pferde in einem Gebüsch, als ich mit der Büchse dicht hinter ihm bin. „Was
Hilsts", dachte ich, „wenn du den Ker! niederschießest." Ich nahm mein
Gewehr in die linke Hand und war im Sprunge bei ihm. Er mochte
wohl denken, es wäre um ihn geschehen. Ich aber nahm meine Feld«
flasche, thai einen guten Zug daraus und reichte sie ihm. Sie können
nicht glauben was der Kerl für Augen machte. Uebrigens nahm er '
meine Flasche und that mir ehrlich Bescheid. Darauf schüttelte ich ihm
die Hand und winkte ihm fortzureitm. Er stürzte vor mir nieder,
, küßte mir den Nock, saß dann wie der Blitz auf seinem mäusegrauen
: Pferdchen und verschwand. Wir kamen nach Moskau und dachten da
recht auszuruhen, da ließ uns der Rostopschin das Feuer anzünden,
das uns nach Hause leuchtete. Sehen Sie, Herr Forstmeister, ich bin
grad nicht so semmelweich, aber wenn ich an diesen Rückzug denke,
läufts mir über den Körper wie ein Eisschauer. Hunger, Frost und
Müdigkeit stürzten einen nach dem andern; was übrig blieb, würgten
die Verfolger. Ich und ein Haufen braver Westphalen hatten uns
. eines Abends ein Feuer angezündet und ließen uns. die Füßei braten
und die Ohren erfrieren. Der Wind sauste wie heute. Aker endlich
schliefen wir ein. Gegen Morgen wachte ich auf vor Frost, meine
Kameraden schliefen noch, ich wollte sie Wecken, — keiner regte sich, —
sie waren alle todt, — erfroren. Weit und breit war nichts Lebendes s
! zu sehen. Nichts als Schnee und dunkele Bäume, und auf dem Weiß
lagen wie gesäet: Menschen, Pferde, Wagen, Mäntel Kanonen, — die
ganze große Armee. Ich sank wieder am Feuer zusammen. Aus der
Ferne kam ein Haufen Kosacken heran. Sie mochten den leichten Rauch
unseres noch klimmenden Feuers gesehen haben. Wie der Blitz waren
sie da. Ich raffte ein Gewehr auf, ich wußte kaum, was ich that.
Lachend legte der Eine seine Lanze ein, nm mich zu spießen. Nach
einer Sekunde, ich fühlte schon im voraus die Eisenspitze in der Brust,
denn zur Parade war ich zu schwach. — Da plötzlich fünf Schritt von
mir pariert der Kerl sein Pferd so heftig, daß es sich hoch aufbäumt,
er springt aus dem Sattel, wirft die Lanze fort und hängt sich an
meinen Hals. Weiß Gott! es war der Kosack, der aus meiner Flasche
getrunken hatte. Nun war meine Noth zu Ende. Mein Freund war
Officier der Bande, die verwundert der Begrüßung zusah. Mit drei
vier Worten jagte er den Haufen in den Wald, und eine Viertelstunde
später brannte das Feuer haushoch. Zehn Schnappsflaschcn boten sich
mir dar, Pelze und Mäntel deckten mich zu. Aber ich konnte nicht
warm werden, der Kopf brummte mir wie ein Mühlwerk. — Kurz,
ich hatte das Fieber. Was die braven Kerle mit mir gemacht
haben, ich weiß es nicht, — als ich zu mir kam, lag ich oben auf
einem russischen Ofen. Der Kosack hatte mich zu einem freien Bauer
gebracht, hatte bezahlt, gedroht, besohlen und gebeten, daß man mich
pflegen sollte. Das hatte der Bauer ehrlich gethan. Langsam wurde
ich besser, hatte mich aber so in die Leute hineingelebt, die Kinder
hingen mir so an allen Schößen, daß ich nicht fort konnte. -- Endlich
aber trieb mich dasHeimweh nach Haus. Ich kam just noch früh ge-
nug, um mir Lei Waterloo noch einige Fetzen Fleisch abhauen lassen
zu können, und dann wurde ich Jäger beim alten Oberförster. Als
ich nun hörte, daß Sie nach Rußland ging-n, da habe ich gleich g sagt:,
da muß ich mit! — denn ich kenne die Nation und ihre Sprache."
Dem Alten war bei der Erzählung die Pfeife ausgegangen, cr
stand auf und stopfte von neuem.
„Und ein wahres Glück istS, daß du mitgingst, du alter, treuer
Bursche," sagte der junge Forstmeister vom Sessel aus, „ich weiß nicht
wie ich hier hätte fertig werden sollen, wo ich im Anfang keinen Laut
der Sprache verstand. Im Reviere hätt'S lauter Unsinn gegeben, wäh-
rend jetzt alles so prächtig geht." (Fortsetzung folgt.)