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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

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No. 150 (23. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.63024#0603

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Badischer Sandtag.
Karlsruhe, 29. November.
2. Sitzung der I. Kammer.
(Schluß.)
Miuisterialpräsivent Ellstätter berührt unter den
vielen Punkten, zu deren Erörterung die Aeußerungen des
Vorredners Anlaß geben, das „Mißverständniß", als ob
M't der Einkommensteuer sofort die Liegenschaftsaccise auf-
gehoben sei. Die Frage sei noch vollständig offen, was
mit dem Ertrag der Einkommensteuer geschehen solle; erst
durch die Bestimmung des Normalsatzes, durch das Finanz-
gesetz, wird der Ertrag fest, so daß man sehen könne, wel-
che alten Steuern abzusetzen seien. Er ist durchaus nicht
der Meinung, eine neue Steuer einzuführen und die alte
unbedingt abzuschaffen.
Die ganze Adresse wird nach dem Schluß der Debatte
nun einstimmig angenommen.
Prinz Wilhelm begründet hierauf seinen Antrag auf
Revision der Geschäftsordnung. Sein Antrag sei nur die
Erneuerung eines alten aus der Kammer hervorgegangenen,
vom Jahre 1860, der damals in der Kommission aus nicht
nachweisbaren Gründen begraben worden sei. Die Mängel
der jetzigen Geschäftsordnung seien Schwerfälligkeit, Weitläu-
figkeit und Abweichung von der zweiten Kammer. Der An-
trag wird einstimmig angenommen, nachdem er von v. Hil-
lern, Graf Berlichingeu und Hummel eindringlich unterstützt
ist und einer Kommission aus 5 Mitgliedern unter Vorsitz
des Prinzen Wilhelm überwiesen.
Den Schluß der Sitzung bilden weitere Kommissiuus-
wahleu. Es wurden gewählt:
1) Petitionskommission: Präl. Holtzmann, Direktor v.
Hillern, Direktor Fecht.
2) Eisenbahnkommission: Prinz Wilhelm, Freiherr v.
Bodmann, Graf Berlichingen, Matsch, Hummel.
3) Staatsrechtliche Kommission: Prinz Wilhelm, v. Ka-
geneck, Renaud, Hildebrandt, Fecht, v. Hillern.
4) Ökonomische Kommission: Fürst Löwenstein-Freu-
denberg, v. Bodmann, Fecht, Muth, Malsch.
4. Dezember.
7. öffentliche Sitzung der Zweiten Kammer.
Vorsitz: Präsident Kirsner. Am Ministertisch: die
Ministerialpräsidenten v. Freydorff, Ellstätter und Turban,
Geh. Refer. Cron, Geh. Rath Muth und Ministerialrat!)
Poppen.
Neu eingegangen find folgende Petitionen: von altka-
tholischen Einwohnern von Sauldorf und Gündelwangen, in
gleichem Betreff übergeben durch Abg. Roder von Meßkirch,
durch Abg. Frey von Buchen, durch Abg. Stigler von Ra-
batt; ferner eine Petition von Bretten, einen Staatsbeitrag

für einen neuen Weg betr., in einem gleichen Betreff durch
Abg Bickel aus dem Bezirk Rastatt; Petitionen pensionirter
Hauptlehrer vou Freiburg. Erhöhung der Pensionen-, Witt-
wen- und Waisenbenefizien betr.; durch den Abg. Kiefer
von Lehrern an Mittelschulen, die Wohaungsgelder betr. ;
durch Abg. Heilig von Straßenwarten im Bezirk Pfullen-
dorf; durch Abg. Roder vom Ausschuß der Feuerwehren
und endlich durch Abg. Lender von Einwohnern von Malsch,
die Erhöhung der Einqnartierungsentschüdigung betr.
Der Präsident theilt mit, daß von der Großh. Regie-
rung das Verzeichniß der Administrativkredite eingegangen sest-
Das Haus schreitet zunächst zur Entgegennahme und
Berathung der Berichte der Budgetkommission über die Rech-
nungsnachweisungen, nachdem der Präsident auf den Usus
des Hauses aufmerksam gemacht hat, von Erörterungen ab-
zusehen, welche später bei der Berathung des Budgets ihre
Stelle finden können, damit Wiederholungen vermieden wer-
den; es handelt sich um die Rechnungsnachweisungen:
1) Des Handelsministeriums, erstattet von dem M-
geordneten Paravicini. Der ordentliche und außerordentliche
Etat wurde ohne Debatte einstimmig angenommen.
2) Des Großh. Staatsministeriums und des Ministe-
riums des Großh. Hauses und des Auswärtigen, erstattet
vom Abgeordneten Seefels; die Etats ebenfalls ohne Debatte
einstimmig angenommen.
3) Des Ministeriums des Innern (Titel I.—VII. und
XVI.), erstattet von dem Abgeordn. Sachs; ebenfalls unbe-
anstandet.
4) Desselben Ministeriums (Titel XII., XIII., XIV.
und XV.), erstatte! VVu dem A^eo»d>». Martin; ebenfalls
unbeanstandet.
5) Des Finanzministeriums (Titel I.), erstattet vom Abg.
Geiger; ebenfalls unbeanstandet.
6) Desselben Ministeriums (Titel II,), erstattet vom
Abg. Friederich, da der Abg. Lenz unwohl ist; ebenfalls
unbeanstandet.
7) Der Postverwaltung, der Eisenbahn-Betriebsverwal-
tung, der Dampfschifffahrtsverwaltung, der Main-Neckar-
Bahnverwaltung, erstattet vom Abg. Pflüger; ebenfalls un-
beanstandet.
Eine Stelle im Bericht des genannten Abgeordneten
bezieht sich auf das geringe Ergebniß der Bodensee-Dampf-
schifffahrt und gibt der Meinung Ausdruck, wenn dieser Be-
trieb nicht im Interesse der Eisenbahnverwaltung liegen
würde, könnte die Erwägung nahe treten, denselben ein-
zustellen.
Ministerialpräsident Turban: Die Bodensee-Dampf-
schifffahrt könne nicht allein für sich, sondern nur als Glied
unseres Eisenbahn-Betriebs betrachtet werden. Wenn man
in die Lage kommen sollte, unser ganzes Betriebswesen zu
zergliedern, die Rentabilität der einzelnen Bahntheile für sich

in's Auge zu fassen, so könnte sich auch bei andern Glie-
dern ein Defizit herausrechnen lassen; das würde aber durch-
aus keine Berechtigung geben, den Betrieb auf einer solchen
Linie einzustellen. Die Sorge für die Anwohner des Bo-
densee's und speziell für die badischen Anwohner erfordert
den Dampfschifffahrtsbetrieb, seine Aufhebung würde eine
ganz empfindliche Störung der dortigen Verkehrsverhältniffe
herbeiführen. Die Gefammtheit bringe ein Opfer im In-
teresse eines Landestheils, der es verdiene. Dazu kommt,
wle schon bemerkt, der weitere Umstand, daß das In-
teresse unserer Eisenbahnen jenen Betrieb unbedingt noth-
wendig"habe.
Mir diese Erklärung spricht der Abgeordnete Schmidt
von Konstanz tiefgefühltesten Dank im Namen der Bewoh-
ner d^r Seegegend aus.
Abgeordneter Hansjakob: So lange die Gürtelbahn
nicht gebaut werde, fei die Dampfschifffahrt unbedingt noth-
wendig.
Ministerialrat!) Poppen: Auch mit einer Gürtelbahn
würden insbesondere Diagonalfahrten der Dampfboote fort-
bestehen müssen.
Im Etat des Ministeriums des Innern, bei der Po-
sition Medizinalpolizei, will der Abgeordnete Hansjakob die
Mehrausgabe in der Maßregel der Räucherung von Per-
sonen durch Chlor an Grenzorten finden, was nach gewissen
medizinischen Autoritäten gar kein Präservativmittel sei.
Dem stellt jedoch der Abgeordnete Neßler entgegen, daß bis
jetzt Chlor allerdings das relativ sicherste Mittel sei; übri-
gens seien die Kosten sehr unbedeutend.
Bei der Ausgabe für Gendarmerie findet der Abgeord-
nete Hansjakob eine Minderausgabe von 6000 fl. ungerecht-
fertigt. Er sei zwar kein Freund der Gendarmen, man
hätte aber das Geld lieber unter die Leute Vertheilen sollen.
Der veränderte Posten ist nach Mittheilung des Regierungs-
kommissärs in Aenderungen der Organisation bedingt, die
im neuen Budget ihre Stelle finden. Ebenfalls gegen den
Abgeordneten Hansjakob wendet sich der Abgeordnete Frie-
derich: Ersparnisse am Personal zur Vertheilung an Ein-
zelne zu verwenden, sei unkonstitutionell, ein Verfahren,
welches Niemand im Hause der Regierung anrathen werde.
— In gleichem Sinne spricht sich der Abgeordnete Bär aus,
auch bezweifelt er, daß es dem Abgeordneten Hansjakob mit
seiner Bemerkung Ernst sei. — Darüber habe der Vorredner
kein Recht, zu entscheiden, erwidert der Abgeordnete Hans-
jakob ; es sei ihm Ernst damit; wenn er auch nicht Alles
billige, was die Gendarmen thun, sei er doch dafür, daß
sie besser bezahlt würden.
Nach Berichterstattung durch den Abgeordneten Schoch
für die Geschäftskommission wird der Vertrag für die Her-
stellung der Drucksachen der Kammer mit Buchdrucker Gutsch
einstimmig gutgsheißen.

Erscheint
wöchentlich drei Mal:
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
Alle Postanstalten
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Amtsverkündigungsötatt für den Aezirk Schwetzingen.
Badische H o p s c n) c i t u n g.

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Raum 4 kr.,
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Allgemeiner Anzeiger für Vie badische und bayerische Rheinpfalz.

VII. Jahrgang.

Dienstag, 23. Dezember 1873.

«o. 150.

Inserate von Ltnswövts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Haasenstein L Mogler, Rudolf Wosfe und K. L. Mauöe L Ho., sowie die Süddeutsche Annoncen-Hrpedition

von G. Stöckhardt in Stuttgart, Frankfurt, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg.

Procch Bazaine.
Sechsunddreitzigster WertzandkrmgsLag
Versailles, 21. November.
Geueral Boyer. Präsident der Gerichtshof wird Sie
später nochmals vernehmen; wollen Sie heute nur über die
Verbindungen berichten, welche vor dem 8. Oetaber 1870
zwischen dem Generalstab der Rheinarmee und der Außen-
welt haben bestehen können.
Nach der Aussage des General Boyer verliest der
Greffier ein Schreiben des Herrn Pozzo di Borgo, der
über ein Zusammentreffen mit Regnier nach der Capitulation
von Metz berichiet. Dieser prahlte damit, er hätte die
Sendung Bourbaki's und Boyer's bewirkt und er sei nun
auf dem Wege nach Wilhelmshöhe. Auch wußte er große
Dinge von der Anhänglichkeit der Armee an den Kaiser
zu erzählen.
Nach Verhörung etlicher anderer Zeugen wird die
Sitzung um halb 6 Uhr aufgehoben.
Sieöeimnddreitzigster Werhandümgstag
— 24. Nov. Der erste an der Barre erscheinende
Entlastungszeuge ist der eigene Bruder des Marschalls;
ein silberhaariger Greis, der zu allen Zeiten energisch und
mit dem Ausdrucke der tiefsten Ueberzeugung für die Un-
schuld des Kapitulanten von Metz eingestanden ist.
Victor Lefort erscheint an der Barre.
Lachaud läßt an den Zeugen die Frage stellen, ob er nicht

in den ersten Tagen des September dem Marschall Bazaine
einen Situationsbericht über die Lage der Chalonser Armee
nach deutschen Angaben vorgelegt habe. Derselbe hatte
nämlich die Ermächtigung erhalten, die in den deutschen
Ambulancen befindlichen französischen Verwundeten Pflegen
zu dürfen. __
Achturrddreitzigster Wertzandlrmgstag.
— 25. Nov. General Boyer,^.welcher sich am 20. October zur
Kaiserin nach England begab, um derselben die Lage Frank-
reichs zu schildern, theilt die Friedenspräliminarien und
einen kurzen Bericht über die Missionen, die er vom 12.
bis 20. October ausgeführt, mit.
Tachard, französischer Gesandter in Brüssel während
des Krieges, wird nun aufgerufen. Sein Erscheinen erregt
großes Aufsehen, weil er Elsässer geblieben ist. Er spricht
mit größter Lebhaftigkeit, jedoch sind seine Aussagen ohne
besonderes Interesse.
Weimunddreitzigster Wertzandlungstag.
— 26. Nov. Marschall Canrobert sagt aus, daß
die Armee bis zum letzten Augenblicke voller Hingebung
und Opferwilligkeit war. Wir wollten eine ehrenvolle
Convention eingehen, aber das Wort Capitulation brachte
Niemand über die Lippen. Wenn man uns nicht ehrenvolle
Bedingungen gewährte, so wollten wir es auf einen ver-
; zweifelten Kampf ankommen lassen und unser Leben möglichst
! theuer verkaufen.

Marschall Leboeuf sagt Aehnliches aus; nur hörte
er von Boyer, daß feine Informationen nur von dem preu-
ßischen Hauptquartier kamen.
General Ladmirault, Gouverneur von Paris, wird nun
aufgerufen. Derselbe macht ein verdrießliches Gesicht und
man sieht es ihm an, daß der in Paris allmächtige Mann
es unter seiner Würde hält, vor Gericht zu erscheinen. Er-
faßt feine Aussagen sehr kurz.
Nach Vernehmung noch etlicher Zeugen wird die Sitz-
ung aufgehoben.
Vierzigster MertzandkungsLag.
— 28. Nov. Bei Eröffnung der heutigen Sitzung
erschien der Oberstlieutenant Billette, einer der Adjutanten
Bazaine's und assistirt der Vertheidigung. Seine Aussagen
bieten besonderes Interesse und entspannt sich eine längere
Debatte zwischen ihn und dem Präsidenten.
Der nächste Zeuge ist Major Samuel. Derselbe theilt
mit, daß er zur Zeit der Belagerung von Metz ein Schrei-
ben des Prinzen Friedrich Karl an den Marschall Bazaine
übersetzt, das mit den Worten beginnt: „Ich beglückwünsche
mich mit Ihnen!" (Große Erregung im Saal).
Nach Samuel wird General Canrobert aufgerufen, der
die letzten Ereignisse in Metz herzzerreißend schildert.
Marschall Leboeuf constatirt, daß sein Corps noch für
vier bis sechs Tage Lebensmittel hatte, daß es aber besser
bestellt gewesen sei, als die übrigen.
Schluß halb 6 Uhr.
 
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