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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

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No. 58 (17. Mai)
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https://doi.org/10.11588/diglit.63024#0233

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Mwchmgcr WochcMslt.
Dienstag, Donnerstag X die viergespaltene
und Samstag. Petitzerle oder deren
Amtsverkündigungsötatt für den Aezirk Schwetzingen.
Badische H a p sc n) e it u n g.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.
Ao. 58. Samstag, 17. Mai 1873. VII. Jahrgang.

Für -as „Schwetzirrger Wochenblatt" bestimmte Inserate finden auch im „Philippsburger <L Germersheimer Wochenblatt Gratis-Aufnahme.

politische Ileöerstcht-
Das Fest-Comitä des Reichstages, die Hrn. Be-
zirksgerichtsrath Herz, Ministerresident Dr. Kräger, Legations-
rath v. Kusserow, Dr. Lieber, Rittergutsbesitzer Dr. Lacias-
Erfurt, Baron v. Minnigerode, Kaufmann Mosle, Capitain-
Leutenqnt Schröder und Rechtsanwalt Dr. Weigel haben
das Programm zur Fahrt des Reichstages und des Bun-
desrathes nach Bremen und Wilhelmshaven festgestellt. Die
Abfahrt von Berlin erfolgt Mittwoch, den 21., früh 7 Uhr
vom Lehrter Bahnhof. Um 10 ^/s Uhr Frühstück in Uelzen,
dargeboten von der Magdeburg - Halberstüdter Eisenbahn.
Um 1^2 Ankunft in Bremen, um 3^'2 Uhr Fest-Mahl im
Börsensaal, Abends im Rathskeller, Sommertheater, rc. Am
Donnerstag, den 22. 6^/2 Uhr früh nach Bremerhaven, um
91/2 mit dem Dampfer Mosel nach Wilhelmshaven. Be-
sichtigung der Schiffe, Bauten rc. Um 5^/2 Uhr Diner am
Bord des „König Wilhelm". Um 8^/2 Uhr Abfahrt von
Wilhelmshaven direct nach Berlin. Ankunft daselbst am
23. Mai 6^/2 Uhr früh. (Daß diese Rückfahrt gerade eine
sehr angenehme ist, dürfte wohl Niemand behaupten. Für
die älteren Herren dürfte diese Ueberstürzung und Anstren-
gung geradezu gesundheitsgefährlich werden.)
In Ems werden, wie man der „V. Ztg." mittheilt,
bestimmt emtreffen: der Deutsche Kaiser am 3. Juli,
der Kaiser von Rußland am 7. Juni und der
König von Sachsen am 19. d. M.
Die Ernennung des Hrn. Dr. Achenbach zum
Ha n d e l s m i n i st e r ist nun vom Kaiser vollzogen worden.
Die Reichstags-Abgeordneten Petersen, Dr. B ra u n
(Gera) und Genoffen haben den von Mitgliedern verschie-
dener Fraktionen unterstützten Antrag eingebracht: Den Hrn.
Reichskanzler aufzusordern: dem Reichstage baldmöglichst
einen Entwurf zu einem Gesetz über den Schutz der Fabrik-
und Waarenzeichen vorzulegen. Die Motive gehen davon
aus, daß in den meisten Ländern besondere-Gesetze bestehen,
welche dem Fabrikanten und Kaufmann in dem Alleingebrauch
derjenigen Zeichen schützen, mit welchen er seine Fabrikate,
bezhw. Maaren bezeichnen und dadurch von den Erzeugnissen
oder Maaren anderer Gewerbetreibenden unterscheiden will,
und daß der deutsche Handelstag am 22. Oktbr. 1868 auf
Antrag der Handelskammer in Düsseldorf einstimmig beschlos-
sen habe, „daß die Emanirung eines Gesetzes zum Schutze
der Fabrikmarken und Etiquetten dringend nothwendig sei,"
wie eben so von Elsaß-Lothringen aus, wo mau die Wohl-
thaten des Markenschutzes genau kennt, lebhaft für den
Erlaß eines Gesetzes agitirt werde.
Durch den Austritt des Grafen Jtzenplitz aus
dem Handelsministerium ist die Ursache zahlreicher Klagen
beseitigt. Der betreffende Minister hatte die Befürchtungen,
welche sich an seinen Eintritt knüpften: daß er nämlich

feinem Amte nicht gewachsen sein werde, vollständig gerecht-
fertigt. Das Handels-, Industrie- und Verkehrswesen hat
in den letzten Jahren einen Aufschwung genommen, dem
nur eine jüngere Kraft und eine große Intelligenz zu folgen
vermag. Mit Recht ist deshalb zum Nachfolger des Grafen
Jtzenplitz ein jüngerer Beamter, Or. Achenbach, ernannt
worden. Man rühmt ihm große Arbeitskraft nach. Was
feine Principien anbetrifft, so wird er ja bald Gelegenheit
haben, sie dem Lande durch das Abgeordnetenhaus mitzu-
theilen. Mit Achenbach tritt wieder ein Bürgerlicher in das
Ministerium. Wir legen keinen großen Werth darauf^ ob
Jemand das Wörtchen „von" in seinem Namen führt oder
nicht — gibt es doch eine Menge gut liberaler, von den
Junkern tief gehaßter Männer, die sich „von" nennen!
Nachdem aber früher — mit Ausnahme sehr seltener Fälle
— der Adel als selbstverständlich für einen Minister an-
genommen wurde, darf jetzt wohl darauf hingewiesen wer-
den, daß diese Periode für Preußen Vorüber ist.
Die Ernennung des Unterstaatssecretärs Or. Achen-
bach zum Handelsminister hat, wie sich's denken läßt, in
Abgeordnetenkreisen sehr große Befriedigung hervorgerufen.
Der neue Minister steht im Anfänge der vierziger Jahre
und ist somit jedenfalls einer der jüngsten Minister, die
Preußen je gehabt hat. Uebrigens sind, wie man hört,
manche Jntriguen angesponnen worden, um diese erfreuliche
Aenderung im Ministerium mindestens noch hinauszuziehen.
Es lag in der Absicht seiner Freunde, den greisen bis-
herigen Handelsminister Grafen Jtzenplitz nach Durch-
berathung der Eisenbahnanlcih^ ruyeg wieder auf seinen
Posten zurllckkehren zu lassen. Inzwischen wurde die ernste
Kundgebung aus dem Schooße des Abgeordnetenhauses, die
Eisenbahnanleii e nicht zu berathen, wenn nicht ein neuer
Handelsminister ernannt wäre, maßgebend für die beschleu-
nigte Ernennung des vr. Achenbach, welche der Minister-
Präsident am Sonntag bei dem Kaiser erwirkte.
Die ärztlichen Bemühungen, um die Errichtung eines
Reichsamtes für Gesundheitspflege in's
Leben zu rufen, werden wenig Aussicht auf Erfolg haben.
Die Einzelstaaten, namentlich aber Preußen, opponiren da-
gegen : auf dem Gebiete der Gesundheitspflege, auf welchem
sie bereits selbstständig so umfassende Maßnahmen getroffen
hatten, ein neues Reichsamt entstehen zu sehen; gleichwohl
ist man im Bundesrathe jetzt bemüht, eine begutachtende
Behörde in das Leben zu rufen, um wenigstens nach dieser
Richtung hin einen Anfang zu machen zur einheitlichen
Organisation der Gesundheitspflege im Reiche.
Eine Privat-Conferenz zum Behufe einer interna-
tionalen Münze wird in Wien im Laufe September
! 1873 stattfinden, und haben sich die Unterzeichneten zu
j diesem Zwecke zu einem Comitee constituirt. Folgende
' Punkte werden vornehmlich in Betracht genommen werden.

1) Die Währungsfrage. 2) Die Hauptmünzen. 3) Die
Rechnungseinheit und ihre Eintheilung. 4) Die Münzkosten,
das Mischungsverhältniß und andere Fragen der Technik.
5) Die Erhaltung der Vollwichtigkeit der umlaufenden Haupt-
münzen und die Prägung von Scheide-Münzen. 6) Die
verschiedenen Arten der Einführung eines neuen Münzsy-
stems. v. Tettau, Mitglied des preußischen Herrenhauses.
W. Holtz, Mitglied des preußischen Abgeordnetenhauses,
Aug. Eggers, Konsul in Bremen. L. Wolowski, Mitglied
der Nationalversammlung von Frankreich. I. Carlhiau,
Mitglied der Handelskammer zu Paris, A. Schrötter,
Hauptmünzamtsdirector, v. Lucam, Generalsecretär der
österreichischen Nationalbank. I. Meyer, Volkswirth, Breite-
gasse 10 III., Wien.
Zwei englische Blätter haben telegraphische Nachrichten
von einem Mordversuche erhalten, der auf den Kaiser
Wilhelm gemacht worden sei. Die Mittheilung des Daily
Telegraph verlegt den Schauplatz nach Insterburg, wo
ein Priester während einer Truppenrevue auf den Kaiser
geschossen, aber nur den Helm getroffen habe, nach dessen
j Durchbohrung die Kugel einen Offizier verwundet habe.
Nach Daily News dagegen hätte dieses Attentat in Peters-
burg stattgefunden. Von einem Attentat in§. Insterburg
kann jedoch um so weniger die Rede sein, als' der Kaiser
i dort gar keine Revue abgehalten hat. Eine Verwechslung
> zwischen Insterburg und Petersburg läge nun freilich nahe;
z jedoch existirt überhaupt kein Anhaltspunkt, welcher jenen
Angaben zur Bestätigung dienen konnte. Es handelt sich
um eine gewöhnliche Sensationsnachricht (In Berlin zir-
kulirte ein ähnliches Gerücht vor acht Tagen.)
Nach den neuesten Nachrichten aus Rom ist der Papst
von einem katarrhalischen Leiden heimgesucht und wird
mehrere Tage nicht empfangen. Blos die Kardinäle haben
Zutritt in seine Gemächer.
Ein späteres Telegramm vom 14. Mai lautet: Der
Papst hat gestern über eine Stunde in einem ohnmachtähn-
lichen Zustande zugebracht; es, wird Niemand empfangen.
DeÄtsche^Reich^
*** Mannheim, 12. Mai. (Schluß über die An-
träge des Ausschusses des badischen Städtetages.)
v. Bezüglich der Grund- und Unterpfands-Buchführung:
Die Führung der Grund- und Unterpfandsbücher ist
der Gemeinde ab- und von dem Staate auf seine Verant-
wortlichkeit zu übernehmen.
Der Ausschuß des Städtetages bean-
tragt ferner: der Letztere wolle den Wunsch aussprechen:
1. daß die großherzogliche Staatsregierung die Nie-
dersetzung einer gemischten Commission veranlasse, deren Auf-
gabe es sein soll, diejenigen Schreibereigeschäfte, Zustellun-
gen u. s. w. zu bezeichnen, von deren Vornahme die Ge-
meindeverwaltungen zu entbinden sind.

Per Much des Holdes.
*
* *
, (Fortsetzung.)
2.
„Ich war so vorsichtig, ihre Aussagen von einem Notar beglau-
bigen zu lassen," fiel Schwind ihm in die Rede, während er das
Dokument ihm überreichte. „Lesen sie selbst, Sie werden finden, daß
der klare, ungeschminkte Bericht der Pflegemutter den Stempel der
Wahrheit und der Ueberzeugung trägt."
Cornelius legte das Schriftstück auf den Tisch.
„Wo befindet meine Tochter sich augenblicklich?" fragte er.
„Ich würde sie in mein Haus ausgenommen haben, wenn ich das
Gerede der Leute nicht fürchtete; auch glaubte ich, es werde Ihnen
lieber sein, wenn die junge Dame bis zu ihrer Ankunft eine Pensions-
Anstalt besuchte. So habe ich denn für eine, ihrem Stande entsprechende
Ausstattung Sorge getragen und sie der Vorsteherin einer ausgezeich-
neten Pensions-Anstalt anvertraut."
„Gut, Sie werden mich morgen früh abholen. Ihre Auslagen
vergüte ich Ihnen."
„Hier ist die Aufstellung," erwiderte Schwind. „Vierhundert
fünfundzwanzig Thaler, sechszehn Groschen. Sie werden begreifen, daß
die junge Dame von Kopf bis zu Fuß neu ausgerüstet werden mußte.
Was nun meine Mühverwaltung betrifft, so stelle ich es Ihrem Er-
messen anheim."

„Wir werden darüber morgen miteinander reden," unterbrach
Cornelius ihn. „Wann wollen Sie kommen?"
„Ich denke um zehn Uhr."
„Gut, ich erwarte Sie."
Der Wucherer entfernte sich, ein triumphirendes Lächeln umspielte
seine Lippen, als er den Gasthof verließ.
Clemens Cornelius las das Document, welches der Notar unter-
zeichnet und mit seinem Amtssiegel versehen hatte; der Inhalt desselben
stimmte fast wörtlich mit dem Bericht des Trödlers überein. Ein
Zweifel konnte kaum obwalten, Hedwig Müller war seine Tochter, kein
Glied fehlte in der Beweiskette. Daß eine Sterbende mit einer Lüge
auf den Lippen hinübergehen werde, war nicht anzunehmen und dem
Trödler selbst brachte ein solcher Betrug ja keinen Vortheil. Er empfing
eine Belohnung, damit war die Geldquelle, aus der er bisher namhafte
Summen geschöpft hatte, für ihn versiegt, während er im andern Falle
vielleicht noch oft aus ihr geschöpft haben würde.
Trotzdem Cornelius sich dies alles sagte, trotzdem er die Identität
seiner Tochter keinem Zweifel unterwerfen konnte, flüsterte dennoch eine
innere Stimme ihm zu, daß er vor dem Wucherer ans feiner Hut sein
müsse.
Peter Schwind fand sich pünktlich zur festgesetzten Stunde ein.
Die beiden stiegen in einen Wagen, der nach einer viertelstündigen
Fahrt vor den Thoren der Pensionsanstalt hielt.
Eine junge hübsche Dame trat im Sprechzimmer dem alten Herrn
entgegen, der nach so vielen Jahren vergeblichen Hoffens sich heute
endlich am Ziele seiner heißesten Wünsche sehen sollte.
„Fräulein Hedwig Müller!" stellte Schwind die Dam« vor.
„Und dieser Herr ist mein Vater?" fragte Hedwig freudig Über-

rascht, und der Ton ihrer Stimme war so natürlich und ungekünstelt,
daß Clemens Cornelius sein Herz ihr nicht verschließen konnte. Er zog
die Tochter an seine Brust, drückte einen Kuß auf die Stirn und blickte
ihr lange in die dunklen schönen Augen.
Es lag in diesen Augen etwas, was ihn an die Heimgegangene
Gattin, die er so sehr geliebt hatte, erinnerte und doch, wenn er tiefer
hineinschaute, fühlte er das Mißtrauen in seiner Seele erwachen. ES
war ihm, als ob die warme Herzlichkeit des Mädchens dennoch erkünstelt
sei, der Seelenspiegel schien ihm nicht so ganz rein, so ganz ungetrübt
zu sein.
Hedwig war in der That ein schönes Mädchen, mit stolzem Wohl-
gefallen ließ Cornelius seinen Blick auf ihr ruhen.
„Herr Schwind wird dir bereits die nöthigen Mittheilungen ge-
macht haben," sagte er, und seine Stimme klang nicht so warm und
herzlich, wie er es wollte, „wir finden wohl später Gelegenheit, näher
auf die Vergangenheit einzugehen. Ich wünsche, daß du jetzt mich
begleitest. Nachdem ich dich nach beinahe zwanzigjähriger Trennung
wiedergcfunden habe, kann ich deinen Anblick nicht mehr entbehren."
„Wie sie befehlen, mein Vater," erwiederte Hedwig; „ich bin bereit,
Sie zu begleiten, erlauben sie mir, daß ich Hut und Mantel hole."
Cornelius lud den Trödler ein, mit ihm zu Mittag zu speisen;
Peter Schwind lehnte die Einladung ab, er versprach an einem der
nächsten Tage vorzusprechen und trat darauf den Heimweg an.
Das Verhältniß zwischen Vater und Tochter blieb am ersten Tage
ein ziemlich kühles; Cornelius empfand über dieses lang ersehnte Wie-
dersehen nicht die Freude, die er erwartet hatte.
(Fortsetzung folgt.)
 
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