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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

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No. 88 (29. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.63024#0353

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wöchentlich drei Mal:
Dienstap, Donnerstag
und Samstag.
Alle Postanstalten
und Boten nehmen
Bestellungen an.

Klhwehingcr Wochniblall.
Amtsverkuudigungsötatt für den Wezirk Schwetzingen.

H o p s t n; c i t u n g.

Preis
vierteljährlich 51 kr.
Inserate:
die viergefpaltene
Petitzeile oder deren
Raum 4 kr,
Garmondzeile 5 kr.

Allgemeiner Anzeiger für Vie Mische und bayerische Rheinpfalz.

«v. 88.

Dienstag, 29. Juli 1873.

VH Jahrgang.

Inserate von Answirrtö nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Haasenstein L Vogler, Rudolf Woffe und H. L. Aauöe L ßo., sowie die Süddeutsche Annoncen-GLpedition
von G. Stöckhardt in Stuttgart, Frankfurt, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg.

Die Anklage gegen Adele Spitzeder
und Genoßen.
(Forlsetzung.)
München, 14. Juli.
Der Zusammenbruch eine'- solchen Geschäftes ist na-
türlich unvermeidlich, denn die Möglichkeit des Fortbestandes
ist dadurch bedingt, daß nicht nur neue Capitalien bestän-
dig zufließeu, sondern daß dies auch in Beträgen geschieht,
welche mit der in ungeheurer Progression wachsenden
Schuldenlast im entsprechenden Verhältnisse stehen.
Der Betrag der täglichen Einlagen muß sich also
gleichfalls beständig erhöhen. Allein diese Steigerung der
Einlagen hat doch immer ihre natürliche Grenze, und es
ist in dieser Beziehung nicht uninteressant, daß ein Bedien-
steter der Adele Spitzeder selbst angibt: er habe nach ge-
wonnenem Einblick in das Wesen dieses Geschäftes berechnet,
daß solches unter den günstigsten Verhältnissen nur bis un-
gefähr Mitte des Jahres 1873 bestehen könne, daun un-
fehlbar zusammenbrechen müsse, weil eben bis dahin die
Schuldenlast zu einer solchen Höhe angewachsen wäre, daß
sie durch die täglichen Einlagen unmöglich mee,r hätte ge-
deckt werden können. Von einer kaufmännischen Anlegung
und Verwendung der Gelder war in dem Geschäft der
Adele Spitzeder keine Rebe Sie betrieb zwar e-n Ausleih-
geschäft, wobei sie auerdings in Wzng auf die Verrechnung
Von Wucherzinsen das Möglichst? leistete, allein dasselbe
war nicht von nennenswerthem Umfang und konnte sich
schon wegen der erfahrungsmüßig bei solcher Gattung von
Geschäften häufig eintretenden Kapitalverluste nicht wohl
genügend rentiren. Sie kaufte auch Häuser und Anwesen
thellS m hiesiger Stadt, theils auswärts, welche selbstver-
ständlich nur eine winzig kleine Rente abwarfen. Credit-
operationen im größern Maßstabe, Börsengeschäfte u. dergl.
nahm sie nicht vor und war wohl auch durch ihre gänzliche
Unerfahrenheit und Unkemümß in Sa Heu des Geldmarktes
daran verhindert worden. Die bei ihr anstatt Vmngeldes
eingelegten Papiere wurden, in so weit fie nicht für die
laufenden Ausgaben oder zur Bezahlung von Kaufschillingen
verwendet und zu diesem Zweck versilbert wurden, einfach
deponirt. Brachte Jemand Wer.chpc.piere anstatt Baargeides
zum Einlegen, so mußte er diese zuerst in einem abgeson-
derten, links von der HauJllur befindlichen Zmnner vor-
zeigen, worauf die Obligationen so wie der Name des
Besitzers in ein Buch (sogenanntes Obligalioueubuch) ein-
getragen wurden und er sodann die Obligationen mit einem
Zettel zurück erhielt, auf welchem die Summe, zu der die-
selben angenommen wurden, und die durchschnittlich ein
Procent über den TagescourS betrug, und die zur Ergän-
zung des Darlehens resp. der Einlagfumme zu zahlende
Differenz bemerkt war. Ob nun nach allen diesen Präli-
minarien die Besitzer der Obligationen dieselben auch wirk-

lich einlegten, darum bekümmerte man sich merkwürdiger
s Weise gar nicht weiter. Am Abend nach Schluß des Ge-
i schäftes ließ dann Adele Spitzeder das emgegangene Geld,
s die Obligationen und die Banknoten, in ihre Wohnung
s hinaufbringen, und am nächsten Morgen wurde dann so
s viel Silber in die Geschäftslocaluälen wieder herunterge-
s bracht, als nach dem Gange des Geschäftes muthmaßlich
s uöihig erschien. Die eingegangenen Obligationen, Bank-
noten und das Geld dagegen wurden den Friscurs-Eheleuten
Speyer zur Aufbewahrung übergeben und von diesen in
einen von der Spitzeder zu diesem Zweck eigens angeschafften
feuerfesten Schrank, der in der Speyer'schen Wohnung auf-
gestellt war, einfach deponirt. worüber die Speyer'schen
Eheleute Aufzeichnungen machen mußten.
Daß nun mit Rücksicht auf die Beschaffenheit ihres
Geschäftes Adele Spitzeder als „Kauffrau" im Sinne des
Art. 4 des Handelsgesetzbuchs zu betrachten ist, darüber
liegen bereits Entscheidungen des k. Handelsgerichts Mün-
chen l. d. I. und des Handels-Appellationsgerichts in
München vor. In beiden Erkenntnissen wurde Adele Spitz-
eder, weil sie gewerbsmäßig Handelsgeschäfte im Sinn des
Art. 272 Ziff. 2 des Handelsgesetzbuchs treibe, angewiesen,
ihre Firma beim k. Handelsgerichte München l. d. I. Be-
hufs Eintragung im Handelsregister anzumelden und zu
! zeichnen. Die Gründe, auf welchen jene civilrnchterlichen
Entscheidungen beruhen, sind auch für den Strafrichter
maßgebend. Es wird dies nun weiter juristisch ausgeführt,
namentlich die Nichtführuug der nothwendig zu führenden
Bücher. Im Art. 272 Ziff. 2 des Handelsgesetzbuchs sind
Banquiergeschüfte, wenn sie gewerbsmäßig betrieben werden,
als Handelsgeschäfte bezeichnet. Man muß unwillkürlich
auf den Gedanken kommen, daß der Adele Spitzeder gar
nicht eigentlich um eine Buchführung zu thun war, und
daß sie solche wahrscheinlich am liebsten ganz unterlassen
hätte, wenn es sich nicht darum gehandelt haben würde,
durch die Führung einzelner Bücher vor den Augen des
Publikums ihrer „Bank" wenigstens den äußern Habitus
eines „Geschäftes" zu verleihen. Die Buchführung war
eben für sie nur ein leeres, aber unentbehrliches Ceremoniel,
welches lediglich dazu diente, das Publikum über die wahre
Natur ihres Geschäftes zu täuschen.
Die Unterlassung der Buchführung, welche der Adele
Spitzeder als Kauffrau nach Art. 28 des Handelsgesetzbuchs
oblag, bildet zunächst einen jener Auklagepnnkte, auf welche
sich die Anschuldigung des Verbrechens des betrügerischen
Bankerotts gründet. Allein die Adele Spitzeder ist auch
weiter überführt, daß sie nach bereits erfolgter Zahlungs-
Einstellung unter Beihülfe einzelner ihrer Bediensteten Ver-
mögensbestandtheile beseitigt hat.
(Forts, folgt.)

Neueste Post.
Karlsruhe, 25. Juli. Dem Badischen Pionier-
- Bataillon Nr. 14 ist von Seiner Majestät dem Kaiser und
j König eine Fahne verliehen worden. Dieselbe entspricht
genau den von Badischen Truppentheilen bereits geführten
Fahnen und ist mit dem Bande der für den Feldzug
1870,71 gestifteten Denkmünze für Kombattanten dekorirt.
Nachdem zur Befestigung des Fahnentuches an die
Fahnenstange Ihre Majestäten der Kaiser und die Kaiserin,
Ihre Kaiserlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kron-
prinzessin, sowie Allerhöchstderen Kinder die üblichen Nägel
eingeschlagen haben, ist die Fahne zu einem gleichen Zweck
Sr. Königlichen Hoheit dem Großherzog heute zugeführt
worden.
Wien, 26. Juli. Einer Meldung des „Pester
Lloyd" zufolge wäre der Erzherzog Albrecht der Ueber-
bringer eines Handschreibens des Kaisers an den in War-
schau weilenden Czaren, welches den Besuch des österreichi-
schen Kaisers in Petersburg für die zweite Hälfte des
September ankündigt. Derselben Quelle zufolge würde
der Besuch des Kaisers auch auf Moskau ausgedehnt
werden.
Madrid, 25. Juli. Neber den durch die deutsche
Panzerfregatte, Capitän Werner, bei Carthagena wegge-
nommenen, von den Cortes als Piratenschiff erklärten
Dampfer, welcher die rothe Flagge führte und bewaffnet
war, wird bestätigt, daß derselbe sofort von dem deutschen
Schiffe nach Gibraltar geschickt worden ist.
Madrid, 26. Juli. Der Jnfurgentenchef von Ma-
laga, Carbajal, ist durch Soler geschlagen worden. —
General Pavia hat Sevilla zu bedingungsloser Uebergabe
ausgefordert. — In Bejar und Cordoba wurde die in-
transigentische Miliz entwaffnet. — Brigadier Somas ver-
folgt Don Carlos in Guipuzcoa.
Madrid, 26. Juli. Die vier zu den Carlisten
übergegangenen Officiere der Civilgarde von Barcelona sind
erschossen worden. Der preußische Consul aus Carthagena
ist dem Vernehmen nach hier eingetroffen.
Neueste Kopfen-Herichte.
Dom Continerrt.
** Schwetzingen, 28. Jule. Unsere Hofenpflanzungenmachen
die erfreulichsten Fortschritte; nirgends ist etwas von Uugeziefer oder
sonst eine diesem Gewächs nachtheilige Krankheit wahrzunehmen. In
den meisten Lagen stehen dieselben sehr üppig und haben einen reichlichen
Anflug. Ebenso günstig lauten die Berichte von der Umgegend. Der
wirkliche sehr häufig mit der warmen Temperatur wechselnde Regen
kommt unser Hopsenpflanzungen recht gut ; im Allgemeinen hofft man,
nach dem jetzigen Stande zu schließen, auf eine gute Mittel-rnte.
A Philippsburg, 28. Juli. Heute wurde in unserer Expe-
dition Hopfen präfentirt von solcher Größe, daß man selbe in 14
Tagen bis 3 Wochen pflücken kann.

Baron und Schauspieler.
N o v e ! l e.
von I. Krüger.
Viertes Kapitel.
Ein Be such aus derFremde.
(Fortsetzung.)
Kamen einmal seine älteren Schwestern mit ihren Ehe-
männern nnd Kindern dort zum Besuch, so erschienen sie
stets ungebeten. Aber er konnte sie nicht abweisen, da sie
seine nächsten Verwandten waren.
Obschon er noch nicht aus den fünfziger Jahren heraus-
getreten, war doch fein Haar schon langst ergraut und in
fein Antlitz, das wie sein Körper die frühere Fülle verloren,
hatte die Zeit, mehr aber wohl noch der Gram um fein
Verschwundenes Glück, und Menschenhaß tiefe Runzeln ge-
graben.
Von seiner, nach seinem Dafürhalten strafbaren Gattin
hatte er nnr noch ein einziges Mal Etwas gehört und zwar
ein halbes Jahr nach dem Tage, an dem er von Pesth nach
dem Norden gereist war.
Sie war, so schrieb mir der ehrenwerthe Freund, den
er mit dem Verkaufe seines dortigen Mobiliars beauftragt,
plötzlich dort wieder erschienen, hatte eilt kleines abgelegenes
Häuschen einer Vorstadt bezogen, dort einem Kinde, einem
Knaben das Dasein geschenkt und war dann wenige Tage
nach der Geburt des Kindes gestorben.

In dem Briefe, den der Baron von seinem Freunde
erhielt, lag ein kleines Zetülchen.
Minna hatte es kurz vor ihrer letzten Stunde wahr-
scheinlich mit zitternder Hand geschrieben, denn die Schrift
war sehr undeutlich und stellenweise halb ausgelost.
Die wenigen Zeilen lauteten:
„Weniger strafbar als du wähnen mußt und doch
nicht mehr würdig, deine Gattin zu heißen, richtet deine
Minna, die du einst so heiß geliebt und deren Liebe zu
dir nie erloschen, sterbend die Bitte an dich, dich ihres
verlassenen Kindes zu erbarmen, das, ich schwöre es dir
beim Andenken an unsere Liebe, dein rechtmäßiger Sohn
ist. In der Hoffnung, daß dein edles, mitleidsvolles
Herz diese Bitte erfüllen werde, ruft den Segen des
baimherzigen Gottes auf dich herab
Deine unglückliche Frau."
Der Baron hatte diesen Zettel erst wüthend von sich
geschleudert und von Falschheit und Heuchelei gesprochen,
deren sich das verbrecherische Weib noch in der letzten Stunde
schuldig gemacht. Aber der ersten zornigen Aufregung war
eine ruhigere Stimmung bei ihm gefolgt. Er hatte den
Zettel wieder vom Boden ausgenommen und ihn wieder und
wieder und wieder gelesen. Wider seinen Willen sprach
eine Stimme in ihm, erst leise und dann immer lauter:
Wie schwer sich dies Weib auch durch ihre Flucht mit dem
Schurken Wardozi gegen dich vergangen, die ganze Zeit
deiner Ehe zuvor lastete doch, so viel dir bewußt, kein Makel
auf ihr und nie hattest du Grund, an ihrer Treue den

mindesten Zweifel zu hegen. Freilich, lebte sie noch, du
würdest ihrer Versicherung keinen Glauben schenken. Aber
sie schrieb es am Rande des Todes und Sterbende bestecken
ihr Herz aus Furcht vor dem ewigen Richter selten mit
einer Lüge. Sei also nicht taub gegen diese Bitte. Nimm
dich des vcrwais'ten Kindes an und sorge für dasselbe auch
dann, wenn neue Zweifel in dir cmfsteigen, ob es in
Wahrheit die Frucht deiner Ehe sei.
So sprach das gute Herz des Barons und dieser Vor-
satz wurde von der Erinnerung an die glücklichen Jahre
unterstützt, wo seine Gattin noch rein und schuldlos sein
Haus zu einem Paradiese umgewandelt.
Was der wackere Mann sich vorgenommen, führte er
aus. Er sandte an seinen Freund in Pest, an den sich
die unglückliche Minna, über deren Flucht und Verhältniß
mit dem Grafen Wardozi ein Geheimniß schwebte, kurz vor
ihrem Ableben gewandt hatte, eine bedeutende Summe zur
ersten Unterbringung, Ernährung und Erziehung des Kindes
und versprach zugleich, auch später für den Knaben zu sorgen.
Aber sehen wollte er ihn nie. Bei seinem früher oder
später erfolgenden Tode solle derselbe jedoch eine Summe
erhalten, die groß genug sei, um ihn zu befähigen, in
irgend einer Geschäftsbranche, sei es als Kaufmann oder
als Studirender, sich eine Existenz zu gründen.
(Fortsetzung folgt.)
 
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