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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

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No. 131 (6. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.63024#0525

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wöchentlich drei Mal;
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
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NiwrhnM VochtlMt
AmLsverkündigungsölatt für den Bezirk Schwetzingen.

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vierteljährlich bl kr.
Inserat
die viergespaltene
Petitzeile oder deren
Raum 4 Er.,
Garmondzeile 5 kr.W

Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.

Ao. 131. Donnerstag, 6. November 1873. VII. Jahrgang.
Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Kaasenstein L Dogter, Audotf Masse und K. L. Sauöe L Ho., sowie die Süddeutsche Annoncen-Hrpeditian
von H. Stöchhardt in Stuttgart, Frankfurt, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg.

Procch Bazaine.
Versailles, 18. Oktober.
Kilfter Werchandkungstag.
(Schluß.)
Die Verhandlung zieht sich noch lange mit der Fah-
nensrage hin. Es wird unter Anderem ein Briefentmurf
vorgelesen, worauf sich Correcturen von der Hand des
Marschalls befinden und welcher besagt, daß keine einzige
Fahne verbrannt wurde und daß sie sich alle unversehrt im
Arsenale befinden. Hierauf erklärt der Generalprüsident das
Verhör für erschöpft und fragt den Marschall, ob er vor
Uebergang zu den weiteren Verhandlungen noch etwas zu
sagen habe.
Angekl. formulirt hierauf eine Klage gegen die Enquete
Kommission, welche ihn nur ein einziges mal habe anhören
wollen
Der Präs, erklärt, daß die Bemerkungen, die er machen
könne, sich nur auf die statt ehabten Verhandlungen beziehen
dürfen.
Der Marschall wünscht nun ein Schreiben vorlesen zu
dürfen, welches der Kaiser an ihn richtete, als er von seiner
Jnanklagezustand-Versetzung erfuhr, und in welchem er sich
über diese Verfolgung wundert. Die Vorlesung dieses
Schreibens wird gestattet, es enthält aber nichts Weiteres,
als einige Komplimente für ihn. Der General-Präsident
fragt nun auch die Anklage, ob sie nichts weiteres zu be-
merken habe.
Der Negieruugs-Koinniissär: Ich wünsche dein Ange-
klagten einige Fragen zu stellen Die erste in Bezug auf bei
Sedan flüchtig geworbenen Gefangenen, die ihm nach Metz Mel-
dungen überbrachten; die zweite rücksichtlich auf de» Namen
j.n-s Stabsoffiziers, der ihm die Adresse seiner Gattin in
Tours überbrachte und den das Kriegsgericht zu hören
wünscht.
Angekl. entgegnet, daß er diese Adresse durch ein deut-
sches Blatt (die Börsenzeitung) zuerst erfahren habe und daß
er sich auf den Namen jenes Stabsoffiziers, der sie ihm
in zweiter Linie mittheilte, zu besinnen suchen werde. Nun
stellt General Pourcet au den Angeklagten die dritte Frage,
ob er nämlich die Forderung Bismarcks, ihm vor jeder
Unterhandlung die Forts von Metz zu überliefern, seinen
Koips-Chess mitgetheilt habe. Aus seinem Memoire gehe
hervor, daß er es nicht gethan habe. Der Marschall glaubte
es diesmal unbestimmt bejalen zu sollen. Hierauf wird die
Verhandlung auf nächsten Montag vertagt.
20. Oktober.
Zwölfter Werhandlrmgstag.
Unter ungeheurem Menschenandrange beginnt heute das
Zeugenverhör. Schon seit frühem Morgen waren alle Zu-
gänge gegen Trianou wie belagert, und als der Gerichts-

hof in den Verhandluugssaal tritt, ist nicht das kleinste
Plätzchen mehr in demselben unbesetzt.
Mit unbeschreiblicher Aufregung sieht das Publikum
einen der Haupt-Akteurs in dein düsteren Drama erscheinen,
das mit der Kriegserklärung im Jahr 1870 beginnt und
am 8 Februar 1871, oder vielleicht auch wenn die jam-
mervolle Versammlung, welche ihren Sitz in Versailles
hat, darauf beharrt, ihren Restaurations-Feldzug fortzu-
setzen, später zu schließen.
Marschall Leboeuf tritt langsamen Schrittes vor.
Ungeachtet seines hohen Wuchses erscheint er beinahe klein,
denn er schreitet gebeugt, wie in sich zusammeugebrochen
einher. Fast steht er so aus, als ob die robuste Natur unter
der Last der sie peinigenden Gewissensbisse erliege. War
er nicht Leboeuf, der die Worte gesprochen : Wir sind mehr
als bereit (areliixre^)"? Sind es nicht diese Worte ge-
wesen, welche Frankreich in das wahnsinnige Kriegsaben-
teuer stürzten, aus dem das Kaiserreich vernichtet und Frank-
reich verstümmelt hervorgehen sollte? In dem rauhen-und
martialischen Antlitz des Marschalls Leboeuf ist eine herbe
und tiefe Trauer ausgeprägt. Sein Blick bleibt auf Nie-
mandem mehr haften, wie wenn er fürchtete, in dem Auge
eines Jeden das Urtheil zu lesen, welches lediglich die Ge-
schichte über den Kriegsminister von 1870 fällen wird. Es
muß zur Entlassung dieses Verbrechers, der seine Strafe
allein in seinen Gewissensbissen finden wird, constatirt wer-
den : er zitiert, imoem er sich zur Schranke vorbcwegt. Der
Herzog von Anmale ladet ihn wiedeU'"" zum Niedersitzen ein
Leboeuf aber zaudert, Folge zu leisten, wie wenn die Ehre
oder die Höflichkeit, die man ihm erweist, unverträglich wäre
mit den Fehlern, die er begangen.
Die Vernehmung des Zeugen geht, der vom Präsiden-
ten festestgesetzten Ordnung gemäß, von der Uebernahme des
Oberkommandos durch Marschall Bazaine aus. Der Zeuge
erklärt, daß Bazaine am 5. August das Kommando des 2.,
3. u. 4. Korps, am 9. jenes der kaiserlichen Garde erhal-
ten habe. Nichtsdestoweniger sei er bis zum 12. nur ein
dem Generalstab untergeordneter Kommandant gewesen; erst
von diesem Tage beginne seine wirk-iche und volle Verant-
wortlichkeit. Marschall Leboeuf spricht hier mit fester Stimme.
Wir wissen, daß die Aussage des gewesenen Kriegsministers
vor dem Untersuchungsrichter sehr strenge lautete. Sie wird
heule weder dem Wesen noch der Sache nach eine bedeu-
tende Abschwächung erfahren. Er fährt in seinen Aeuße-
rungen folgendermaßen fort: „Marschall Bazaine hatte am
13. August Morgens einen Effeciivstand von nahezu 180,000
Mann 40,000 Pferden; die Armee hatte zu jener Zeit
noch für 32 Tage Lebensmittel, ohne Korps-Reserve zu
rechnen. Sie stand unter dem Schutze der Forts Quenlen
und St. Julien; sie bildete Front gegen den Feind, der
seine Stellung Frone gegen die User der Seille genommen

hatte. Mit dem Oberkommando bekleidet, konnte Bazaine
die Offensive in der Richtung auf Nancy ergreifen. Diese
Idee, dieser Plan, welchen Leboeuf billigte, ward von Ba-
zaine nicht befolgt. Man verlor vier Tage. Der Kaiser
wollte sich auf Chalons zurückziehen, wo die Armee Mac-
Mahons in Organisation begriffen war. Bazaine war
Ursache, daß gewissermaßen auf die Idee, zwei gesonderte
Armeen zu unterhalten, verzichtet wurde, indem er von
Concentration von Nancy sprach; gleichwohl that er nichts
in der Richtung nach diesem strategischen Punkte. Bazaine
blieb an Ort und Stelle und wir mußten uns aufreiben,
ohne zu kämpfen und ohne uns vom Platze zu rühren."
Dies ist der wesentliche Inhalt der niederschmetternden Aus-
sage Leboeuf's Der nächste Zeuge ist General Lebrun.
Rundschau.
Von verschiedenen Seiten wird bestätigt, daß die Ant-
wort des Kaisers Wilhelm an den Papst ein neues päpst-
liches Schreiben zur Folge gehabt hat, welches nicht etwa
einzulenken versucht, sondern im Gegentheil noch ungleich
schroffer abgefaßt sein soll als das erste. Im Vatikan muß
man doch der Thronbesteiguug Heinrichs V. sehr sicher^ ge-
' wesen sein, daß man der ersten Unklugheit die noH-Hrößere
zweite folgen ließ.
Dieser zweite Brief des Papstes als
Antwort auf die Antwort des Kaisers Wilhelm ist nach
dem „D.R.C.O während des Aufenthalts des Kaisers in
Baden-Baden eingetroffen. Er soll noch schroffer und anma-
ßender sein, als der erste und soll bis jetzt - noch nicht be-
i antwortet sein. Auch die „Jtal. Nachr." schreiben: „Wir
wissen ganz bestimmt, daß außer dem Brief des Papstes
an den Deutschen Kaiser und der Antwort darauf noch eine
Rückantwort Pio Nono's existirt, sie wird aber nicht veröf-
fentlicht, weil sie gar zu grob ist.
Die „I. R. C." bestätigt die bisherigen Meldungen,
daß der Reichstag im Frühjahr (März) nur zu einer kurzen
, Sitzung zusammentreten werde , um die wichtigen Vorlagen
! des Militärgesetzes und der Justizreformen entgegenzu-
, nehmen, und daß die Plenarsitzungen erst im Herbst be-
i ginnen werden, während jene Vorlagen in Commissionen
berathen werden. Ende Januar wird der gegenwärtige
Reichstag aufgelöst werden. Die Neuwahlen werden im
Februar erfolgen.
Der Tag der Entscheidung über die Geschicke Frank-
reichs rückt heran, stündlich bringt der Telegraph Nach-
richten über die Stellung und die Absichten der Parteien.
Aus Allem geht hervor, daß man in der Verlängerung des
Provisoriums unter Beibehaltung Mac Mahon's als Chef
der Executivgewalt einig ist. Auch der Marschall hat sich
bereit erklärt, in seiner Stellung zu verbleiben, w'nn die-
selbe ihm auf einen längeren Zeitraum übertragen würde.

Sie Zigeunerin.
Novelle
von Fanny Klink.
(Fortsetzung.)

„Aber Cäcilie," warf der Vater mit einem Anflug
von Mitleid ein, „dieser junge Mann scheint mehr als
einen Liebeshandel zu beabsichtigen, und es sollte mir leid
thun, wenn derselbe aus Kummer zu Grunde ginge."
„D'e Marchcsa lachte laut auf, daß es mir wie ein
Stich durch's Herz fuhr."
„„Ich denke nicht, Vater, daß es so leicht geht!" rief
sie spöttisch aus. „Ich glaubte auch einst, man könnte an
gebrochenem Herzen zu Grunde gehen, als Du mich zwangst
den Marchese zu heirathen; es geht so leicht nicht, sage
ich Dir. Ich habe diese Bemerkung längst gemacht und
ein Mann kann noch mehr ertragen.""
Böheim blickte wild um sich her und er mußte sich
wiederholt die Hellen Schweißtropfen von der Stirn wischen,
ehe er fortfuhr:
„Ich hatte genug gehört, Franziska. Die Verzweif-
lung, der Schmerz, der mich bis in das Innerste meines
Herzens zerfleischte, zu schildern, wäre unmöglich. Wie
ein Wahnsinniger stürzte ich davon, meinem Hause zu. Es
war als wenn ich fürchtete, von der Marchesa Cegliano

verfolgt zu werden, und erst auf meiner Stube, nachdem ich
die Thür derselben verschlossen hatte, gelang ich wieder zur
Besinnung. Dann kamen furchtbare Tage. Die Marchesa
schickte mir einen Diener, um sich nach meinem Befinden
zu erkundigen, da ich mich so lange nicht hätte sehen lassen.
Ich trug ihm auf, der Marchesa zu sagen, sie möge sich
der Worte erinnern, die sie damals im Garten zu ihrem
Vater gesprochen; der Handel wäre zum Glück für mich
frühzeitig genug abgebrochen, bevor der russische Graf
zurückkehren würde.
„Seitdem habe ich von der Marchesa Cäcilie Ceg-
liano nichts wieder gehört. Der Schlag war aber doch zu
hart für mich gewesen, ich konnte den Sturz von der
höchsten Höhe des Glücks bis in den tiefsten Abgrund der
Verzweiflung nicht ertragen. Ein heftiges Nerveusieber
warf mich acht volle Wochen auf das Krankenlager, aber
als ich wieder zum Bewußtsein erwachte, da war ich genesen
an Leib und Seele — nicht die geringste Spur von Liebe
zu der Marchesa war in meinem Herzen zurückgeblieben —
nichts als grenzenlose Verachtung einer niedrigen Kokette.
„Ich verließ bald darauf Rom und reise seitdem in
der Welt umher, ohne Heimath, ohne Vater und Mutter,
ohne irgend Jemanden in der Welt, der mich liebt, der sich
um mein Schicksal kümmert. Wenn ich heute sterbe, so
wird man mich begraben, ohne daß mir eine Thräne, ein
Wort der Liebe oder des Mitleids folgt."
Er hatte die Worte mehr zu sich selbst als zu Fran-
ziska gesprochen und bemerkte daher auch nicht, wie die

Thränen langsam über ihre Wangen rollten. Plötzlich sah
Walter sie an, ein Freudenstrahl blitzte aus seinen Augen.
„Franziska!" rief er entzückt, „ist es wahr? Sie
weinen? Diese Thränen werden meinetwegen vergossen?"
Er hatte ihre beiden Hände ergriffen und schaute ihr
unverwandt in die blauen, thränenfeuchten Augen, die sie
mit heißem Errötheu zu Boden senkte.
„Oh, mein Gott!" murmelte Walter. „Sollte es
doch wieder ein Glück, ein solches Glück für mich in der
Welt geben? Verdiene ich das?"
Aber plötzlich ließ er Franziska's Hand los, seine
Augen verfinsterten sich und ein schwerer Seufzer entrang
sich seiner Brust.
„Kommen Sie, Franziska," sagte er aufstehend, „es
wird kühl — die Abendluft könnte Ihnen schaden."
Schweigend folgte ihm Franziska.
Wenige Tage später fuhr ein leichtbepack ter Reise-
wagen zum Dorfe hinaus, während Franziska ihm heimlich
mit Thränen in den Augen nachschante. In diesem Wagen
saß Walter Böheim; er hatte seit der Unterredung Fran-
ziska nur einmal wiedergesehen, und zwar als er in Rosi's
und Kathrin's Gegenwart von ihr Abschied nahm.
Im Hause des Grafen Fran; von Cölestin hatte sich
Manches verändert. Das Landhaus mit seiner reizenden
Umgebung, den schattigen Laubengängen, war freilich noch
dasselbe, aber das glückliche Elternpaar war nicht mehr da,
sondern nur zwei von Sorge und Gram frühzeitig gealterte
Menschen. (Fortsetzung folgt.)
 
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