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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

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No. 15 (6. Februar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.63024#0059

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Amtsverlmudigungsblatt für den Wezirk Schwetzingen.

Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Nheinpfalz.

Donnerstag, 6. Februar 1873.

M. 15

VII. Jahrgang.

Für das „Schwetzinger WochenbLatL" bestimmte Inserate finden auch im „Philippsburger Wochenblatt Gratis-Ausnahme.

Erstl.eint
wöchentlich drei Mal:
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
Alle Postanstallen
und Boten nehmen
Bestellungen an.

P reis
uierteljäurlich 4' kr
Inserate
die viergespaltene
Petitzerle oder deren
Raum 4 kr.
L o ka l an; eigen

Depeschen.
* Paris, 4. Febr. „Frankens" äußert, es sei ge-
gründete Hoffnung verstanden, daß die fünfte Milliarde im
Oktober vollständig gezahlt sein werde — Mehrere Blätter
kündigen die Auflösung des Lyoner Gemeinderaths als be-
vorstehend an. — Bereits fünfzig Bischöfe sind bei Thiers
wegen der römischen Generalate vorstellig geworden.
* London, 4. Febr. (H.-B.-R.) Eine Menge Schiff-
brüche haben stattgefunden.
Nach den „Daily News" fand ein Samos ein Erdbeben
statt, wobei viele Menschenleben vernichtet worden sind und
außerdem durch dasselbe großen Schaden angerichtet wurde.
* Quebeck, 3. Febr. zH-B.-R.) Der Justizpalast
ist abgebrannt, wobei die Colomal-Archive, die Acten und
eine Menge historischer Dokumente zu Grunde gegangen sind.
politische Aeöerstcht.
In dieser Woche beginnen in der Reichshauptstadt die
Couferenzen der Commission der I n st i z m i n i st e r
Preußens, B a y e r n s, Wü r t t e m b e r g s, Sach-
sens und Badens über den von dem Geheimen Ober-
justizrath Dr. Förster auf Grund der Ministerconferenzen
im Decembcr v. I. ausgearbeiteten Entwurf eines G e -
richtsorganisationsgesetzes. Dieser Entwurf
unterscheidet sich von dem ersten Entwurf, über welchen die
Minister berathen hatten, wesentlich darin, daß er nicht wie
der letztere ein vollständiges Qrganisationsgesetz ist, sondern
nur diejenigen Materien einheitlich regelt, welche zur Durch-
führung der beiden Proceßordnungen nothwendig sind. In
Folge dessen mußte ein ausführlicher Abschnitt über das
richterliche Amt, der mit der Tendenz ausgearbeitet war, ein
deutsches Richteramt mit gleicher Vorbildung, gleichen
Rechten und Pflichten gesetzlich zu begründen, ganz Wegfällen,
und es wird bei der Lückenhaftigkeit des jetzigen Entwurfs
künftig die Laudesgesetzgebung noch in umfassender Weise
in Anspruch genommen werden müssen. Ein fernerer Un-
terschied des umgearbeiteten Entwurfs ist, daß er wieder
oberste Gerichtshöfe für die Bundesstaaten hat aufnehmen
müssen, und daß zwar das Reichsoberhandelsgericht den
Namen eines Reichsgerichts erhalten hat, aber seine bis-
herige beschränkte Competenz mit Ausnahme der kleinen,
durch Art. 75 der Reichsversassung gebotenen Erweiterung
derselben behält. Neben diesem Gesetzentwurf ist noch ein
besonderer Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Herbei-
führung einer gleichmäßigen Auslegung des Reichsrechts
ausgearbeitet, welcher die bayerische Idee eines Reichs-
rechtshofes in Paragraphen bringt. Dieser Reichs-
rechtshof ist nicht ein erkennendes Gericht, sondern eine le-
gislative Jnlerpretationsbehörde. Ob er jemals wirklich
werden wird, kann nach den Aeußeruugen in der würltem-
bergischen Kammer hoffentlich bezweifelt werden.
----- >> —-m M!. ,

Die frühere Entente zwischen Deutschland und Eng-
land scheint einer Verstimmung Platz zu machen, die
mehr und mehr größere Dimensionen anzunehmew gewillt l
ist. So lassen sich die „Daily News" ans Berlin schrei-
ben : Deutschland blickt mit Eifersucht auf das Wachsthum
Rußlands, aber es haßt England. Ueber diesen Punkt
sollen wir uns keiner Täuschung hingeben. Deutschland !
haßt uns mit jener vollen Intensität, die nur starken Na- §
kuren eigen ist, und wenige Ereignisse gibt es, die in allen
häuslichen Kreisen des deutschen Vaterlandes herzinnigere '
Freude erzeugen würden, als eine zerschmetternde Niederlage
Englands. Ich maße mir nicht an, dieses Gefühl zu er-
klären, ich verzeichne es blos als eine unbestreitbare That-
sache." Die „Pall Mall Gazette" tritt sogar mit der Be-
hauptung auf, daß es in der Politik des Fürsten Bismarck
liege, Gefühle des Hasses und der Verachtung gegen Eng- i
land in Deutschland lebendig zu erhalten. Weßhalb der ,
deutsche Reichskanzler dieses für nothwendig erachte, weiß I
das genannte Blatt allerdings nicht zu sagen, aber die
Thatsache lasse sich nicht in Abrede stellen, sie sei für Eng-
land von schwerer Bedeutung, ja, von weitreichender Ge- §
fährlichkeit für die Zukunft. Um sie abzuwenden, empfiehlt !
die „Pall Mall," daß England der Welt den falschen
Glauben seiner Schwäche, Trägheit und Uutüchtigkeit be-
nehme, d. h. wieder einmal die Zähne zeigte, wenn ihm
ein Gegner herausfordernd in deu Weg trete. Die cen-
tralasiatische Frage scheint hiezu eine passende Gelegenheit
zu bieten. Die Regierung scheint jedoch auf halbem Wege
stehen bleiben zu wollen. In diesem Falle wird das Par-
lament strenge Rechenschaft von der Regierung fordern. —
Bei dieser Gelegenheit sei einer Reminiscenz zur central- §
asiatischen Frage erwähnt. Die „A. A. Z." hat dieser >
Tage die Denkschriften russischer Generale veröffentlicht, worin
Programme zu einem Feldzuge nach Indien entworfen wor- !
den. Die Denkschriften stammen aus den Jahren 1854 und -
1855, aus der Zeit des Krimkriegs und gehören also einer
früheren Epoche an. Sie zeigen aber immerhin nicht nur,
was Rußland damals ins Auge faßte, sondern sie sind auch
insofern lehrreich, als sie Aufklärung darüber geben, daß
bei dem inzwischen stattgehabten stetigen Vorrücken der Rus-
sen in Centralasien die Gefahr für England bedeutend größer-
geworden ist. In London hat die Publikation der Acten-
stücke daher auch ein leichtbegreifliches Interesse erregt.
Aus New - Pork schreibt die „H. Z." : Schmutz
überall, in New-Pork und in Washington auf den Straßen
und leider auch in beiden Häusern des Congresses. Die
C r e d i t - M o b i l i e r - U u t e r s u ch u u g fördert
täglich neue Monstrositäten zu Tage und ehe sie zu Ende
geht, wird manche Reputation zerstört sein. Schon heute
steht es fest, daß sich verschiedene Repräsentanten und Se-
natoren haben bestechen lassen, der größte Theil war freilich

schlau genug, es in einer Weise zu thun, welche einen strikt-
juridischen Beweis nicht zuläßt. Die Verhandlungen ent-
rollen uns ein scknnachvolles Bild; es ist beschämend, das
Vorhandensein solcher Zustände eingestehen zu müssen, noch
beschämender aber wäre es, wenn das Comits ein parteii-
sches Urtheil fällen würde. Bis jetzt macht sich ein gewisses
Streben sichtbar, den demokratischen Repräsentanten New-
Porks, James Brooks, der empörten öffentlichen Meinung
als einzigen Sündenbock vorzuwerfen. Seine Schuld liegt
klar zu Tage, aber er hat viele Genossen gehabt und seine
Ausstoßung allein wäre eine ungenügende Sühne. Das
Volk verlangt die volle Wahrheit zu wissen und besitzt Ver-
stand genug, um über alle technischen Einwände hinweg des
Pudels Kern herauszusinden. Es frägt sich nicht, ob die
bestochenen Mitglieder der republikanischen oder demokratischen
Fraktion angehören: beide Parteien sind durch sie entehrt
worden und wie reudige Schafe müssen die Schuldigen aus
den Hallen des Congresses verjagt werden. — Ebenso un-
saubere Enthüllungen stehen uns im Senat bevor.
Der Senator Caidwell von Kansas ist dort angeklagt, seine
Erwählung der frechsten Corruption zu verdanken. Einen
gefährlichen Nebenbuhler um das Ehrenamt soll er gegen
Zahlung von 22,000 Doll, zum Rücktritt bewogen und die
Majorität der Staats-Legislatur durch Geldgeschenke erkauft
haben. Leider scheinen diese Anschuldigungen auf Wahrheit
zu beruhen. Verschiedene Eifenbahn-Corporationen hielten
es von der größten Wichtigkeit, im Senate einen Vertreter
zu haben, der ihnen mit Leib und Seele angehört, und
schossen die nöthigen Fonds vor. Auch in diesem Falle ist
eine prompte Ausstoßung das einzige gerechte Urtheil. Wir
sehen unS vergebens nach Vorgängen um, welche einen an-
genehmen Contrast gegen das Vorstehende bilden könnten.
Die jetzige Session des Congresses hat auf dem Wege der
Gesetzgebung noch kein Resultat geliefert, welches einer be-
sonderen Erwähnung werth wäre, es sei denn die Aufleh-
nung des Senats gegen die Anmaßungen des Finanzmini-
sters, worüber wir an anderer Stelle berichtet oder die vom
Senat aus 300,000 Dollars erhöhte Appropriation für die
Wiener Welt-Ausstellung. Auch die Staats-Legislatur in
Albany ist noch nicht in der Arbeitsstimmung,, obgleich sie
keine Zeit zu versäumen hat, wenn sie nur die Hälfte ihres
Pensums erledigen will. In den Newyorker Gerichtshöfen
sucht.Tweed durch seine Advokaten die Richter zu ermüden,
jetzt aber ohne Erfolg. Eine Jury ist endlich gebildet
worden und die Vertheidiger des einstmaligen Königs von
Newyork werden jetzt ihr Möglichstes aufstellen, die offen
daliegenden Unterschlagungen mit so viel legalen Spitzfin-
digkeiten zu umhüllen, daß wir die Jury, welche sich durch
diesen Wust durchzuarbeiten hat, wahrlich nicht beneiden. —
Aus Bolivia bringt der „nordamerikanische^Courier"
vom December folgende Nachrichten:

Feuilleton.
Heorg
oder
Ein Opfer der Borurtheile.
Deutsch von H. K. Kißling.

(Fortsetzung.)
Da er trotz seiner langen Abwesenheit Alicen noch nicht
vergessen hatte, so wendete er seine ersten Schritte nach ihrer
Wohnung, woselbst er den Tod des unglücklichen jungen äd- !
chens erfuhr, welche Nachricht ihm sehr zu Herzen ging, so-
dann machte er sich auf, die Amme Bertha zu besuchen, um
Nachrichten über die Frucht ihrer unglücklichen Liebe zu er-
halten. Bei dieser erfuhr er den Aufenthalt Georgs uno
so begab er sich denn unverweilt in Ralf's Werkstütte, wo-
selbst er einen hübschen jungen Menschen ziemlich niederge-
schlagen auf dem Boden sitzen sah. Seine Ahnung sagte
ihm, daß dies Georg sein werde, und nachdem er sich hievon
überzeugt, theilte er ihm mit, daß er seine Mutter gekannt
und sie sehr hochgeschätzt habe. Georg, der in ihm einen
Beschützer sah, erzählte nun von den Rohheiten, deren er
täglich ausgesetzt gewesen, und daß er nur deßhalb eben am
Boden liege, weil er auf seinem durch Schläge angeschwol-
lenen Fuß nicht zu stehen vermöge. Als Ralf diese Worte
vernahm, griff er mehr aus Verwirrung, als aus Gleichgül-

tigkeit wieder zu seiner Arbeit, denn der Anblick des Kapi-
täns genügte, um seine feige Brutalität zu zähmen. Gremm
hielt es unter seiner Würde ihn deßhalb zu Rede zu stellen
und da es ihm mehr darum zu thuu war Georgs- Schicksal zu
verbessern als der Rache zu fröhueu, so ließ er den Seiler
ungestört an seiner Arbeit und wandte sich an Georg.
„Würdest Du gern dein Handwerk anfgeben und mir
folgen?" Fragte er ihn im väterlichen Tone, „sprich, und
noch heute befreie ich Dich aus deiner Sklaverei."
Auf diese Worte entschlüpfte Georg's Munde das
aufrichtigste Ja, ja das bevorstehende Glück verlieh seinen
durch Mißhandlung geschwächten Beinen Kraft genug, um
sich langsam erheben und seinem Wohlthäter die Hand küssen
zu können.
„Laß uns gehen," versetzte der Kapitän, Ralf mit
Verachtung aublickeud, worauf dieser nichts zu erwidern
wagte.
Und bald waren sie aus der Werkstätte, die Georg
nie mehr sehen sollte. Der glückliche Knabe jubelte als er
sich frei sah, und sollte er auch ferner bei seinem Gewerbe,
für welches er eine unüberwindliche Antipathie hegte, bleiben
müssen, so wußte er doch, daß die von ihm gedrehte Seilen
seinem Meister nicht mehr dazu dienen würden, ihm den
Rücken blutig zu schlagen. Am andern Morgen nachdem
er sich, durch gute Speisen und einen gesunden Schlaf im
weichen Bette etwas erholt hatte, fragte ihn der Capitän,
ob er nicht Willens sei, Seemann zu werden, da Georg hie-
zu keine Lust bezeugte, so entschloß er sich, ihn in die

Schule zu schicken, damit er bei reiferem Verstand, später
seine Laufbahn selbst wählen könne. Einige Zeit darauf
begann Georg seine ersten Studien.
Diese waren jedoch von einem so raschen und glänzenden
Erfolge gekrönt, daß er schon nach acht Jahren einer der
ausgezeichnetsten Advocaten des Londoner Barreau war.
Leider durfte der Schiffscapitän nicht lange seines guten
Werkes, das er hier gestiftet, sich erfreuen, denn eine Krank-
heit machte seinem Leben, das von allen möglichen Strapazen
heimgesucht worden war, ein rasches Ende. Nachdem er
Georg seinen Namen gegeben und ihn zu seinem Universal-
erben eingesetzt, verschied er ruhig in den Armen seines
Schützlings.
Nachdem Georg seinen Adoptiv-Vater feierlich zur Erde
bestattet, besuchte er seine ehemalige Amme Bertha, deren
Andenken ihm immer theuer gewesen. Um sie für Sorg-
falt und Pflege, mit der sie ihn als Kind behandelt, zu be-
lohnen , kaufte er ihr ein kleines Landhaus, richtete es
hübsch ein und setzte ihr außerdem eine kleine Rente aus,
damit sie ihre letzten Lebensjahre sorgenfrei verleben
könnte.
Dorby, welcher, nachdem er Alice verlassen, sein ver-
schwenderisches Leben fortgesetzt, hatte bald nicht nur sein
beträchtliches Vermögen vergeudet, sondern auch eine solche
Menge Schulden Lemacht, daß er sie nie zu bezahlen im
Stande war.
(Schluß folgt.)

Hierzu Der „General-Anzeiger" Nr. 3 für Vaden, Elsaß, Heften, Nassau und Pfalz
 
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