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Bezirk Schwetzingen [Hrsg.]; Amtsbezirk Philippsburg [Hrsg.]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

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No. 125 (23. Oktober)
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https://doi.org/10.11588/diglit.63024#0501

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Kchwehingcr Wochenblatt

Erscheint
wöchentlich drei Mal:
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.

°n^S"*°L-n Amtsverkündigungsötatt für den Mezirk Schwetzingen.
Dadischc H o p f c n z r i t u n g.

D-. eis
Vierteljährlich bl kr.
Inserat
die viergespaltene
Petitzeile oder deren
Raum 4 Er.,
Garmondzeile 5 kr.

Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.
M. 135. Donnerstag, 23. Oktober 1873. VII. Jahrgang.

Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Haafenstcin L Wogker, Aludskf Wosse und K. <L. Ianöe L Go., sowie die Süddeutsche Arrnoncen-Grpedition
von G. Siölühardt in Stuttgart, Frankfurt, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg.

Proceß Bazaine.
Versailles, 13. Oktober.
(Fortsetzung des siebenten Verhandlungstages.)
Es beginnt hierauf das spezielle Verhör über die Vor-
gänge am 18. August:
Präs.: Die Stellung von Saint-Privat, welche der
Marschall Canrobert aus eigener Initiative eingenommen
hatte, schien Ihnen gut und war in der That für Sie sehr
wichtig. Worum haben Sie ihn nicht bester unterstützt
und für seine Verpflegung gesorgt?
Angekl.: Ich habe ihm den General Birckheim ge-
schickt und was ich nur sonst zu meiner Verfügung hatte.
Präs. : Sind Sie nicht rechtzeitig vor dem Angriff
des Feindes auf dem richtigen Flügel benachrichtigt worden?
Angekl. : Ja wohl und ich schickte dann alsbald Ver-
stärkungen, so viel ich nur konnte.
Präs.: Sie hatten sehr stark Reserven ; was thaten
Sie zunächst mit Ihrer Kavallerie-Reserve?
Angekl.: Ich hatte sie au dec Mühle vor Montrouge
Stellung nehmen lassen, um über sie nach Bediufniß zu
verfügen.
Präs.: Hinsichtlich Ihrer Artillerie-Reserve sagten Sie
in der Untersuchung, Sie hätten sich wegen der Verwen-
dung derselben ans oeu büeueral Soleille verlassen. Glauben
Sie, daß in einer Schlacht, wie die Schlacht von Saint-
Privat, ein Oberbefehlshaber sich auf einen seiner Generale
verlassen darf?
Angekl : Diese Reserven wurden dazu verwendet, das
Thal zu b! streichen, a.ußer zwei Batterien, die ich dem
Marschall Canrobert schick.e.
Präs.: Die kaiserliche Garde wollten Sie ursprünglich,
wie es scheint, selbst befehligen; gleichwohl überließen Sie
am Tage von Saint-Privat dem General Bourbaki alle
Initiative.
Ang kl. : Dwc General Bourbaki war einer meiner
ausgezeichnetsten Offiziere. Auch konnte ich von dem
Punkte, wo ich mich befand, nicht Alles übersehen. Gegen
11 oder 12 Uhr meldete mir Canrobert seine bedenkliche
Lage.
Präs.: Hütten Sie nicht bester gethan, sich auf den
Gipfel deS Plateaus zu begeben, um das ganze Ensemble
zu beherrschen?
Angekl.: Dort hätte ich zu leicht abgefchnitten werden
können.
Präs.: Wnum erhielt Bourbaki erst um 3 Uhr Be-
fehl, mit seiner Division Grenadiere Canrobert zu Hilfe
kommen?
Angekl.: Das war Sache des kommandirenden Ge-
nerals der Reserve; ich für meinen Theil rechnete auf die
bewährte Intelligenz Aourbaki's. Wenn Canrobert ihn ge-
rufen hätte, fo wäre er auch gekommen.

Präs. : Sind Sie nicht zwischen vier und fünf Uhr
dem Hauptmann v. Beaumont begegnet?
Angekl.: Ja.
Präs.: Haben Sie ihn nicht beauftragt, Canrobert
zu sagen, daß Bourbaki ihn nicht unterstützen könnte, son-
dern mit der Garde umkehren (rsnkror) müßte?
Angekl.: Herr von Beaumont hat mich falsch verstan-
den; ich sagte ihm, es sei besser, daß Bourbaki nicht eher
als nöthig ins Feuer rückte. Er verstand rsntiwr, während
ich jrgend ein anderes Wort gebrauchte.
Präs.: Was hatten die Recognosciruugen ergeben, die
Sie des Morgens, u. A. durch den Oberst Lewald hatten
f ausführen lassen?
Angekl.: Die Divisionsgemrale hatten die betreffenden
- Berichte erhalten.
Präs.: Sie haben also nicht einmal die Meldungen
! alle in ihrer Hand vereinigt?
Angekl. : Ich verließ mich auf die Korpsführer.
! Präs.: Sie mußten namentlich für Ihre Linke fürchten.
Welches, meinten Sie, war die Absicht des Feindes?
Angekl.: Ich dachte und mußte denken, daß er uns
womöglich von der Festung abschneiden wollte, und so war
mein Hauptaugenmerk darauf gerichtet, die Festung zu
decken
Prüf.: War das nicht gegen die Instruktionen, die
Sie vom Kaiser empfangen hatten?
Angekl. : Der Kaiser hat mir befohlen, nichts zu
,kompromittiren und mich nicht zwischen Maas und Mosel
zu schieben, wenn ich nicht eines Erfolges sicher wäre.
i Diesem Befehl blieb ich treu und andern Falls hätte ich
! mich auch einem furchtbaren Unglück ausgesetzt.
Präs.: Sie hatten also nicht mehr die Absicht, die
i Straße von Verdun oder Briey zu nehmen?
Angekl.: Allerdings nicht.
Präs.: Und Sie glaubten nicht, daß der Kaiser an-
t nahm, Sie würden nach Verdun oder gegen Norden
marfchiren?
Angekl.: Ich glaubte es nicht und glaube es auch jetzt
l nicht (zum Belege liest der Angeklagte mehrere Stellen aus
der letzten Schrift Napoleons III. über den Feldzug).
i Präs. : Also sollten die Schlachten, welche Sie vor
i Metz lieferten, eher die feindlichen Armeen dort zurück-
halten, als Ihnen einen Weg nach dem Innern öffnen?
Angekl. : Gewiß, sie sollten die feindlichen Streitkräfte
aufhalten, bis in Chalons oder Paris neue Armeekorps
vereinigt wären.
Präs.: Es ist nicht die Sache des Gerichtshofes, den
Vorzug dieses Feldzugplanes vor jenem zu diskutiren; wir
haben nur den lhcusächlichen Gang der Ereignisse festzu-
stellen. Glauben Sie, daß es am 18., wie am 14. und

16. der Zweck des Feindes war, Ihnen den Abzug un-
möglich zu machen?
Angekl.: Ich muß es annehmen und meine Verluste
an Mannschaften mußten übrigens meine Dimensionen ver-
ändern. Ich hatte also darauf verzichtet, meineN-Marsch
nach Verdun fortzusetzen.
Versailles, 14. Oktober.
(Achter Verhandlungstag.) Nach Eröffnung der Si-
tzung wird zur Vernehmung des Angeklagten über den
dritten Punkt, Verbindungen mit dem Kaiser, mit Mac
Mahon u. s. w., geschritten. Präsident, Herzog v. Au-
male: Wir wollen nun sehen, Hr. Marschall, was Sie
während der großen Schlachten vom 16. und 18. gethan
haben, um den Kaiser, den Malschall Mac Mahon und die
Regierung von dem Geschehenen zu unterrichten. Die erste
Depesche an den Kaiser ist vom 17. August, 3 Uhr Nach-
mittags. Warum sprachen Sie in derselben nicht von Ih-
rem Mangel an Lebensmitteln?
Angeklagter: Ich sprach davon in einer andern, nicht
telegraphischen Depesche. Die Sache schien mir noch nicht
fo dringend; nur wollte ich den Platz Metz nicht zu sehr
anzapfen, ich hatte noch Lebensmittel für zwei Tage.
Die Depesche Bazaine's an den Kaiser wird verlesen. Sie
lautet:
„Metz, 17. August.
Ich habe gestern Abend die Ehre gehabt, Eurer Maje-
stät persönlich zu schreiben, um Ihnen die Schlacht anzu-
zeigen, welche ich von 9 Uhr Morgens bis 9 Uhr Abends
gegen die preußische Armee zu bestehen hatte, die uns in
unfern (Stellungen von Doncourt bis Vionville angriff. Der
Feind wurde znrückgeworfen und wir verbrachten die Nacht
in den errungenen Stellungen. Der große Konsum von
Artillerie- und Jnfanteriemunitionen und der Umstand, daß
den Mannschaften nur noch Lebensmittel für einen Tag
verblieben, machten mir es nothwendig, mich Metz wieder
zu nähern, um unfern Park und Transport fo rasch als
möglich wieder auszustatten. Ich habe die Rheinarmee, die
Stellungen zwischen St. Privat und Rozerieulles einnehmen
lassen. Fch penke, meinen Marsch übermorgen in mehr
nördlicher Richtung fortsetzen zu können, so daß ich links
von der Stellung von Haudiomont abrücken könnte, wenn
der Feind dieselbe nicht in einer Stärke besetzt hielte, um
uns die Straße von Verdun zu versperren, da ich unnütze
Kämpfe vermeiden möchte, die unfern Marsch nur aufhal-
ten. Die Ardenncnbahn ist noch immer frei bis Metz, was
darauf hindeutet, daß der Feind Chalons und Paris zum
Objekt hat. Es heißt noch immer, daß die Armeen der
beiden Prinzen ihre Verbindung bewirkt hätten. Gestern
hatten wir mit dem Prinzen Friedrich Karl und dem Ge-
neral Steinmetz zu thun.
B a z a i n e."

Die Zigeunerin.
Novelle
von Fanny Klink.
(Fortsetzung.)
„Fürchten Sie das nicht, Herr Böheim," entgegnete
Franziska sanft, „ ich begreife vollkommen, daß Sie viel
gelitten haben, und daß der Schmerz den Menschen ungerecht
machen kann, das wird aber vorüber gehen, ich müßte
mich sonst sehr in Ihnen täuschen."
„O, Franziska, Sie sind ein Engel!" rief Böheim
begeistert aus, indem er innig ihre Hand ergriff. „Bei
Ihnen, in Ihrer holden Nähe, würde ich meinen Menschen-
haß gewiß von mir schleudern, ich kann nicht anders, wenn
ein solch' leuchtendes Beispiel vor Augen steht."
Franziska entzog ihm erröthend ihre Hand und drohte
lächelnd:
„Das ist gegen unsere Verabredung, Herr Böheim,"
rief sie heiter aus. „Sie dürfen dieselbe nicht überschreiten!"
„Sie führen mich in die Wirklichkeit zurück, Franziska,"
sagte er bitter, und leise fügte er hinzu:
„Das war ihre Sprache — ihr neckender Ton!" —
Aber Franziska hatte die Worte dennoch verstanden.
Sie beugte ihren Kopf tief auf die Arbeit nieder, um ihre
Verlegenheit zu verbergen.

„Sie sollen jetzt Alles wissen, Franziska, weil ich bald
von hier fortgehe, und ich weiß, daß ich Niemanden
mehr in der Welt finden kann, dem uh mein Vertrauen
schenken werde. Ich hätte es Ihnen lange sagen können,
aber ich vermied es; die Fnrcht, Ihre Achtung, Ihre Freund-
schaft zu verlieren, fesselte meine Zunge. Wenige Tage
noch, und ich werde von hier fortgehen, vielleicht auf
Nimmerwiederkehr, wer vermag über sein Schicksal zu ent-
scheiden ? Möglich auch, daß ich im nächsten Jahre diese
Berge, dieses reizende, idyllische Dorf wieder aufsuchen
werde, freilich nur, um wieder bei Ihnen zu sein, Franziska,
Sie sind mir eine liebe Freundin geworden, Sie sollen die
Mitwisserin meiner Leiden sein und mich trösten, wenn Sie
nicht von sich stoßen." —
„Das wird nie geschehen!" unterbrach ihn Franzisko,
mit einem leisen Beben der Stimme. „Theilen Sie mir
Ihren Kummer mit, Sie werden sehen, datz er mich nicht
von Ihnen trennt, oder daß ich Sie weniger achte; ich
weiß und kann es wohl fassen, daß auch ein Mann dem
Unglück unterliegen kann."
„Dank Ihnen, Franziska," rief Böheim aus, „schweiß
ja, daß Sie aus andern Stoff sind, als die meisten Menschen
Er seufzte noch einmal tief auf und begann dann entschlossen :
„Ich war der einzige Sohn eines höheren Beamten,
der allgemein als reich betrachtet wurde und es in der That
auch war. Eine sorgfältige Erziehung wurde mir leider
nicht zu Theil. Mein Vater verbrachte seine Zeit auf dem
Bureau hinter Aktenstößen, meine Mutter im Gesellschafts-

zimmer, auf Bällen, im Theater und Concerten, so daß
ich meine Eltern oft Tage lang nicht zu Gesicht bekam.
Ich spielte in meiner Kinderstube oder auf der Straße, trieb
mich auch wohl herum und lernte dabei natürlich so wenig,
daß die Lehrer nie mit mir zufriden waren. Das kränkte
meinen Ehrgeiz wohl, ich verdoppelte einige Tage hindurch
meine geringen Anstrengungen, doch fiel ich bald in meinen
alten Schlendrian zurück. Nur in einem Fache zeigte ich
ein noch unbedeutendes Talent, und dies war die Malerei.
Man bemerkte dies eines Tages, als unser Lehrer, ein
höchst achtbarer Mann, über großer Sonderling, mich meiner
Unwissenheit wegen bestraft hatte. Die Strafe, in Gegen-
wart meiner Kameraden, kränkte mich aus's Tiefste. Ich
schwor, mich zu rächen. Unser Lehrer schnupfte, jedoch nur
heimlich — in Gegenwart Anderer verdammte ec das
Schnupfen sogar als die häßlichste Angewohnheit, und um
keinen Preis hätte er für einen Schnupfer gelten mögen.
Tags darauf, nachdem ich, wie ich gestehen muß, die nicht
unverdiente Züchtigung erhalten hatte, ging ich lange vor
der bestimmten Zeit nach der Schule, mit einem großen
Stück Kreide in der Tasche.
Da die Schulzimmer noch nicht geöffnet waren, so
kroch ich durch das Fenster, das nach dem Garten des Schul-
vorstehers hinaus lag und wo mich Niemand sehen konnte.
Nun begann ich mein Werk.
(Fortsetzung folgt.)
 
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