Ilhwchngtr V ochtMall.
Ersweint
wöchentlich drei Mal:
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
AÜe Postanstalten
nnd Boten nehmen
Bestellungen an.
Amtsverkündigungsötatt für den Mezirk Schwetzingen.
KAdischr H l> p f c n s e i t u n g.
Preis
vkrtelsäliilich 45 ke
Inserate
die viergsspaltene
Petitzeile oder deren
Raum 4 kr.
L okal anz eigen
S kr.
Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.
Ao. 4«. ~ Donnerstag, 24. April 1873. VII. Jahrgang.
Für das „Schwetzinger Wochenblatt" bestimmte Inserate finden auch im „Philippsbnrger L Germersheimer Wochenblatt Gratis-Aufnahme.
politische Aeöerstcht. ,
Die „Nordd. A. Z." hat bekanntlich die Mittheilung !
der Hamburger Nachr., betr. die Untersuchung gegen Wa-
gen er, dementirt. Jetzt schreibt man aber dem „Franks.
Jvurn." : Die Mittheilung bestätigt sich, daß der Justiz-
minister den Oberstaatsanwalt aufforderte, die Anklageschrist
gegen Herrn Wagener zu entwerfen. Mit diesem Akte ist !
jedoch die Kriminal-Untersuchung noch nicht eingeleitet, wie !
irrthümlich angenommen wurde. Die Anklageschrift ist zu- l
nächst für den Ministerpräsidenten v. Roon als Vorgesetzter l
Wagener's bestimmt, und dieser hat zu verfügen, ob das
Aktenstück dem Disziplinarhof zugestellt oder von einem
weiteren Verfahren Abstand genommen werden soll.
Der Abg. Lasker ist nunmehr definitiv zum Syn-
dicus des städtischen Pfandbrief-Amtes ernannt morden und ,
bezieht als solcher ein Jahresgehalt von 2509 THIr., mäh-
rend er bisher dies Amt provisorisch mit einem monat-
lichen Gehalt von 60 Thlr. verwaltete. Sein Vorgänger i
in diesem Amte war bekanntlich der verstorbene Abg. Twesten, i
Der Director des Pfandbrief-Amtes, Stadtrath G e s e n i u s,
bezieht ein Gehalt von 4000 Thlr. jährlich. Als Commissär
des Magistrats fungirt der Kämmerer, Stadlrath Runge.
Vor Kurzem ist, wie die N. Stett. Z. erfährt, von
maßgebender Stelle an sämmtliche Eisenbahn-Verwaltungen
die Weisung ergangen, fortan nur civilversor-!
gungsbcrechtigte Militärs beim Fahrpersonal anzu-
stellen. — Man will durch diese Aussicht auf Anstellung
dem bedenklich gewordenen Mangel an Unteroffizieren ab- i
helfen.
Der Ausschuß des deutschen I o u r n a l i st e n t a -
geL , welcher am Sonntag in Leipzig versammelt war, hat !
beschloßen eine Generalversammlung der deutschen Journali-
sten auf den 17. bis 19. August d. I. einzuberufen. In j
dieser Versammlung soll über das Telegraphenweseu, das
Annoncenwesen und über Anträge von Mitgliedern berathen !
werden.
In Paris gilt es für ausgemacht, daß der General §
von Manteuffel, der jetzige Commandeur der Occu- i
pationstruppen, binnen Kurzem die Stelle des Grafen Ar-
nun als deutscher Botschafter erhalten werde. Manteuffel i
ist offenbar eine von denjenigen deutschen Persönlichkeiten, l
die sich am besten mit den Franzosen zu stellen wissen und ,
auch von diesen den Umständen nach vortrefflich goutirt
werden. Das zeigt sich bei seiner jetzigen Stellung, die er !
zur Zufriedenheit der Franzosen versieht, wie ein Diner am !
Geburtstage Thiers', 15. April, bewiesen hat, bei welchem >
die deutschen Generale und französischen Beamten ganz ge- j
müthlich bei einander saßen und einander betoasteten. Mau- ,
teuffel gilt für einen geschickten Diplomaten. Möglich also, ,
daß ihm der Posten, der dem Grafen Arnim persönlich
nicht zusagen soll, nach der Räumung des Territoriums
zusällt.
Uetn-r die Verbindung der Höfe von London und
Petersburg schreibt man der „Daily News" aus Kiew:
Es heißt, daß die einzige Tochter des Czaren den Herzog
von Edinburgh hcirathen nnd mit ihrem Gemahl mindestens
ein halbes Jahr in Rußland, und zwar in einem der neuen
Häuser am, Quai vor der Admiralität in Petersburg woh-
nen soll. Die Mitgift der Braut soll eine Million Rubel
betragen. Eine der Hauptnrsachen der Verzögerung in dem
Zustandekommen der Parthie war der Wunsch auf jeder
Seite, eine Stipulation für das Verweilen des fürstlichen
Paares während des größeren Theiles des Jahres resp. in
England oder Rußland zu treffen. Daher der Ausgleich,
die Zeit zwischen den beiden Ländern gleichmäßig einzutheilen.
Eine Präeedenzfrage in England soll zu diesem Verzüge
beigetragen haben.
Die Petersburger Regierung denkt nicht daran, den
Feldzug nach Khiwa trotz der gerüchtweise gemeldeten
Auslieferung der russischen Gefangenen zu sistiren.
Es wird unsere Leser überraschen, zu erfahren, daß
selbst weit hinten in der T ü r k e i der Social-Republikanis-
mus, nebst Beimischung von Commuuismus bereits
üppige Blüthen treibt. In Constantinopel existirt eine ganze,
sogenannte "jungtürkis he" Partei, welche den Sultan ab-
schaffen,-Republik und Commuuismus entführen und — was
sehr bezeichnend ist — das Land von allen Einflüssen
der euro'-äischen Civilisation fern halten will! Sehr
praktisch! In der richtigen communistischen Republik darf
es Niemand geben, der klüger wäre, als sein Nebenmann.
Diese Partei verfügt sogar über einige Zeitungen in Con-
stantinopcl. Die Regierung 'wt kurzen Proceß mit ihr ge-
macht, als sie etwas frech sich'an die Oberfläche wagte, und
gemäß türkischer Justiz die Führer derselben nach entfernten
Inseln oder Provinzen verbannt.
Zwei der außerodentlichen Botschafter, welche die
japanesisch e Regierung nach Amerika und Europa ge-
schickt hat, Kido Takajoshi, Mitglied des Staatsratbs und
der Finanzminister Okubo Tossimitsi, sind nach Japan zu-
rückberufen worden. Wie man hört, betragen die Auslagen,
welche die japanesische Botschaft bisher gemacht hat, bereits
doppelt so viel, als die japanesische Regierung angenommen
hatte. Kido Tabajoshi ist Mittwoch in Begleitung zweier
Secretäre auf der Rückreise nach Japan in Berlin einge-
troffen. Die übrigen Botschafter haben sich nach Kopenha-
gen und Stockholm begebeu.
Aus P enang wird unter dem 20. April geschrie-
ben: Die holländischen Streitkräfte haben sich bis zur
Meeresküste zurückgezogen, wo sie sich hinter Pallisaden ver-
schanzt haben, eine Stellung, die sie wahrscheinlich nicht
werden behaupten können, da die Streitkräfte der Ntchinesen
bedeutend sind und die Regenzeit begonnen hat. Die Ver-
luste der Holländer an Todten und Verwundeten werden
auf 500 Mann geschätzt; die der Atchinesen sind nicht be-
kannt, aber sehr bedeutend.
Deutscher Hteichstag.
Berlin, 21. April. (16. Sitzung.) Präsident Dr. Simson er-
öffnet die Sitzung um 1*/r Uhr vor schwach besetztem Hause. (Kaum
80 Abgg. find im Saal; die Tribüne leer; am Bundestisch Delbrück
Stephan, Riedel, von Freidorf u. A.); 20 Mitglieder aus Bayern und
Württemberg depeschiren aus Leipzig, daß sie daselbst den Anschluß
an den Bahnzug in Berlin versäumt.
Der Reichskanzler macht, unter Anlage des betreffenden Protokolls,
Mittheilung über den Beschluß der Kommission zur Erwerbung eines
> geeigneten Bauplatzes zum Bau eines Geschäftshauses für den Reichs-
kanzler und den Reichstag.
Das Haus tritt nunmehr in die T.-O. ein:
Die dritte Lesung des P o r t o t a x g e s e tz e s, zu dem ein
Antrag von Unruh vorliegt, den in zweiter Lesung zu Z. 26 angenom-
menen Zusatz »bei Entfernungen über 10 Meilen" (soll die Versiche-
rungsgebühr erst gezahlt werden) wieder zu streichen. — G. P.
Dir. Stephan freut sich dieses Antrages und bittet um dessen An-
nahme. Abg. Paravicini empfiehlt die Ablehnung. Das Haus
streicht jedoch auf den Antrag v. Unruh jenen Passus und nimmt so-
dann das Gesetz im ganzen unverändert an. — Bevor das Haus zum
2. Gegenstand der T.-O. zweite Lesung des Münzgesetzes übergeht, be-
antragt der Abg. Dr. Buhl mit Rücksicht auf das so spärlich besetzte
Haus, mit Rücksicht auf diejenigen, welche in Leipzig den Zug versäumt
haben, und endlich mit Rücksicht darauf, daß die freie Kommission
über das Münzgesetz noch eine wichtige Vorberathung zu halten habe
— die Sitzung zu vertagen.
Abg. Dr. Bamberger unterstützt diesen Antrag; das Wieder-
natürliche, das der Präsident am 4. April so bezeichnete: „wir können
aber doch nicht mit der zweiten Sitzung anfangen," sei naturge-
mäß und nothwendig geworden; er bitte zu vertagen. —
Tas Haus stimmt zu. —
Der Präsident anberaunck das nächste Plenum auf morgen 12
! Uhr, Tsg.-Ordn.:
2. Lesung des M ü n z g e s e tz e s,
i und schließt die Sitzung um l^ Uhr.
Berlin, den 22. April. In zweiter Lesung des Münzgesetzes
, wird der Antrag Mahls auf Einführung der Doppelwährung mit er-
heblicher Majorität abgelehnt, dagegen die Anträge Bambergers, wo-
nach der Einführungzeitpunkt statt 6 nur 3 Monate vorher bekannt zu
machen ist und Goldfünfmarkstücke auszuprägen, sind angenommen und
endlich der Antrag: Silberfünfmarkstücke daneben aufrecht zu erhalten,
sowie zweieinhalbmarkstücke auszuprägen, abgelehnt. Die Ausprägung
von Silberzweimarkstücken, von Delbrück unv einem Bundesrathscom-
missär bekämpft, wird bei Namensaufruf mit 98 gegen 94 Stimmen
angenommen und statt Halbmark die Annahme der Bezeichnung Fünf-
zig'Pfennigstück beschlossen.
Zur Reform der Gemeinde Ordnung.
II.
Bei der Frage, ob die namhaften Lasten des Gemeindeverbandes:
u. A. Verpflichtung zur Annahme der Gemeindeämter, Betheiligung an
der Feuerwehr, von der kleinen Bürgerzahl fortdauernd getragen wer-
den sollen, mußten neben einer möglichsten Gleichförmigkeit der Gemeinde-
verfassung auch Gemeinde-ökonomische Erwägungen in Betracht gezogen
und bei der nothwendigen Reform der Gemeindebesteuerung berücksich-
tigt werden, allen Steuerpflichtigen eine wirksame Vertretung und Con-
trols bei Feststellung und Prüfung des Gemeindehaushaltes einzuräu-
men. Die bisherige bedeutungslose Vertretung der Staatsbürgerlichen
Einwohner und Ausmärker mußte daher fallen und einer regelmäßigen
Theilnahme dieser Kategorien an dem Gemeindewahlrecht Platz machen.
Von der bisherigen Bürgergemeinde unterscheidet sich die neu einzu-
führende Einwohnergemeinde dadurch, daß sie
u) den Gemeindeverband auf alle Ortseinwohner ausdehnt.
d) die Gemeindeangehörigkeit nicht mehr von der Bewilligung
K d e l i n e.
Novelle von Gottlieb Richter.
(Fortsetzung.)
Droben auf dem Jagdschlösse saß der Forstmeister am Schreibtische.
Im Walde war nichts, gar nichts zu machen. Daniel und Radaman
dressirten Hunde und setzten alle Gewehre in wunderbare Ordnung.
— Jetzt kam der Helle Frost, der Schnee hielt. In den Tiefen der
Wälder wurden die Wölfe lebendig und in gefährlichen Rudeln streiften
die hungrigen Bestien hinein bis in die bewohnte Ebene. Ihr Geheul
klang durchdringend bis hinauf ins Schloß. — Jetzt wurde es wieder
lebendig droben. Tie Zugbrücke senkte sich herab, im raschen, mit Drei-
gespann bespannten Schlitten gings hinein im gestreckten Galopp in
den Wald zur Wolfsjagd.
Aber im Ganzen war der Winter eine langweilige triste Zeit.
Kam der unendlich lange Abend, dann saß der junge Forstmeister wie-
der an seinem Actentische, machte Berechnungen auf neue Pläne. Und
von den Plänen für's gräfliche Revier kam er auf andere Pläne und
von den Plänen auf wunderbare Träumereien und Luftschlößer.
Dann hörte er auf zu rechnen und unbewußt lehnte er sich im
Schreibsessel zurück, seine Augen hafteten auf dem Papiere, wo seine
Rechte mit der Feder etwas kritzelte. Und wenn er dann aufwachte
aus seinem Sinnen, dann hatte die märchenhafte Feder ganz von selbst:
Edeliye geschrieben Er war aber gar nicht böse über die Feder, son-
dern lachte nur über das neckische Geschöpf. Aber bei all diesen Träu-
mereien zog eine Sehnsucht, ein unendliches Heimweh in seine Brust,
daß er mit dem unglücklichen Dichter aus tiefster Seele sagte:
Ein Tannenbaum steht einsam
Im Norden auf kahler Höh,
Ihn schläfert; mit weißer Decke
Umhüllen ihn Eis und Schnee.
Er träumt von einer Palme,
Die fern im Morgenland
Einsam und schweigend trauert
An brennender Felsenwand.
Und als er so saß eines Abends im stillen Zimmer, als hinter
ihm im Sessel der alte Daniel ruhig rauchte und den schlafenden
Tächsel auf dem Schoose hatte, da sprang plötzlich der Forstmeister auf
und rief: „Daniel, alter Bursche, willst Du diesen Sommer mit nach
Deutschland?"
„Gottlob, nun weiß ich, was ihnen am Herzen nagte," erwiderte
der Alte, „ich bin oft ordentlich bange geworden, wenn Sie diesen
Winter so gedankenvoll drein schauten. Ich denke aber, ich bleibe hier,
das Revier zu hüten, bis sie wieder kommen."
„Schön, altes Haus!" rief der junge Mann lustig, „bleib? desto
eher wird mich der Graf beurlauben. Ich aber gehe heim und will
Dir mitbringen, was Tu wünschest."
„Bringen Sie sich nur mit, was Sie wünschen," sagte der alte
Jäger so plötzlich, als sei ihm etwas eingefallen.
„Was soll das heißen, Alter?" fragte argwöhnisch der junge
Mann.
„Eigentlich nichts!" erwiderte der alte Soldat, „ich dachte nur
eben so daran, was man munkelte auf Eichhorst, es ist auch wohl nur
dummes Weibergeschwätz."
Der Forstmeister hatte keine Lust nachzufragen; aber über seinen
Reiseentschluß war er so lustig, daß er Possen machte, wie ein kleiner
Knabe. _
Der Frühling kam mit Sturm und Wetter ins Land. Der Schnee
schwand, der Wa'd ward grün. Der Mai schied, alle Quellen flüster-
ten im Walde, auf allen Halmen nickten Blumen, und auch die zau-
berhafte Rose sah rosigverschämt aus der Knospe. Durch den Wald
zog der Forstmeister hin und her, lustig und fröhlich, die Zeit der Reise
nahte. Und wenn er so am Morgen die Vögel musicierden hörte, dann
summte er vor sich hin:
Leise zieht durch mein Gemüth
Liebliches Geläute,
Klinge, kleines Frühlingslied,
Kling' hinaus ins Weite.
Klinge fort bis an das Haus,
Wo die Veilchen sprießen,
Wenn Du eine Rose schaust,
Sag', ich laß sie grüßen.
Wollte Jemand von der Eisenbahnstation A. nach Forsthaus Eich-
horst, so führt ihn der Weg bei Forsthaus Steinthal und zuvor bei
dem bekannten Dorfe vorbei.
Es war an einem Sonntag-Morgen im Juli als dem Dorfe ein
Wanderer in Forstmannsuniform zueilte.
In der Thür der Gasthauses „zum weisen Roß" stand der Wirth
noch ebenso behäbig wie vor zwei Jahren und bewillkommnete, die
bekannte Zipfelmütze in der Hand, den Gast nnt gewohntem Anstande.
„Guten Morgen, Herr Wirth!" rief Karl, der Wanderer, lustig
und schüttelte dem Würdigen kräftig die Hand. „Kennt Ihr mich noch ?"
„Wer mich einmal beehrt, den vergeß ich nie wieder," erwiderte
höflich der Gefragte. „Vor zwei Jahren um diese Zeit waren Sie hier
mit einem anderen Herrn; hier unter dieser Linde tranken Sie den
Wein."
Richtig, Herr Wirth! Drum bringt mir wieder einen guten
Trunk her."
Der Wirth holte seine beste Sorte und stellte sie vor den Gast
auf den grünen Tisch. —
„Sagt mal, Herr Wirth! wißt ihr noch, was ich euch damals
fragte?"
„Ich denke, Sie fragten nach der jungen Dame oben im Forst»
Haus Steinthal."
„Und da sagtet ihr mir, daß Ihr sie so gern hättet," sagte lachend
der Forstmeister. (Fortsetzung folgt.)
Ersweint
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und Samstag.
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Raum 4 kr.
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Ao. 4«. ~ Donnerstag, 24. April 1873. VII. Jahrgang.
Für das „Schwetzinger Wochenblatt" bestimmte Inserate finden auch im „Philippsbnrger L Germersheimer Wochenblatt Gratis-Aufnahme.
politische Aeöerstcht. ,
Die „Nordd. A. Z." hat bekanntlich die Mittheilung !
der Hamburger Nachr., betr. die Untersuchung gegen Wa-
gen er, dementirt. Jetzt schreibt man aber dem „Franks.
Jvurn." : Die Mittheilung bestätigt sich, daß der Justiz-
minister den Oberstaatsanwalt aufforderte, die Anklageschrist
gegen Herrn Wagener zu entwerfen. Mit diesem Akte ist !
jedoch die Kriminal-Untersuchung noch nicht eingeleitet, wie !
irrthümlich angenommen wurde. Die Anklageschrift ist zu- l
nächst für den Ministerpräsidenten v. Roon als Vorgesetzter l
Wagener's bestimmt, und dieser hat zu verfügen, ob das
Aktenstück dem Disziplinarhof zugestellt oder von einem
weiteren Verfahren Abstand genommen werden soll.
Der Abg. Lasker ist nunmehr definitiv zum Syn-
dicus des städtischen Pfandbrief-Amtes ernannt morden und ,
bezieht als solcher ein Jahresgehalt von 2509 THIr., mäh-
rend er bisher dies Amt provisorisch mit einem monat-
lichen Gehalt von 60 Thlr. verwaltete. Sein Vorgänger i
in diesem Amte war bekanntlich der verstorbene Abg. Twesten, i
Der Director des Pfandbrief-Amtes, Stadtrath G e s e n i u s,
bezieht ein Gehalt von 4000 Thlr. jährlich. Als Commissär
des Magistrats fungirt der Kämmerer, Stadlrath Runge.
Vor Kurzem ist, wie die N. Stett. Z. erfährt, von
maßgebender Stelle an sämmtliche Eisenbahn-Verwaltungen
die Weisung ergangen, fortan nur civilversor-!
gungsbcrechtigte Militärs beim Fahrpersonal anzu-
stellen. — Man will durch diese Aussicht auf Anstellung
dem bedenklich gewordenen Mangel an Unteroffizieren ab- i
helfen.
Der Ausschuß des deutschen I o u r n a l i st e n t a -
geL , welcher am Sonntag in Leipzig versammelt war, hat !
beschloßen eine Generalversammlung der deutschen Journali-
sten auf den 17. bis 19. August d. I. einzuberufen. In j
dieser Versammlung soll über das Telegraphenweseu, das
Annoncenwesen und über Anträge von Mitgliedern berathen !
werden.
In Paris gilt es für ausgemacht, daß der General §
von Manteuffel, der jetzige Commandeur der Occu- i
pationstruppen, binnen Kurzem die Stelle des Grafen Ar-
nun als deutscher Botschafter erhalten werde. Manteuffel i
ist offenbar eine von denjenigen deutschen Persönlichkeiten, l
die sich am besten mit den Franzosen zu stellen wissen und ,
auch von diesen den Umständen nach vortrefflich goutirt
werden. Das zeigt sich bei seiner jetzigen Stellung, die er !
zur Zufriedenheit der Franzosen versieht, wie ein Diner am !
Geburtstage Thiers', 15. April, bewiesen hat, bei welchem >
die deutschen Generale und französischen Beamten ganz ge- j
müthlich bei einander saßen und einander betoasteten. Mau- ,
teuffel gilt für einen geschickten Diplomaten. Möglich also, ,
daß ihm der Posten, der dem Grafen Arnim persönlich
nicht zusagen soll, nach der Räumung des Territoriums
zusällt.
Uetn-r die Verbindung der Höfe von London und
Petersburg schreibt man der „Daily News" aus Kiew:
Es heißt, daß die einzige Tochter des Czaren den Herzog
von Edinburgh hcirathen nnd mit ihrem Gemahl mindestens
ein halbes Jahr in Rußland, und zwar in einem der neuen
Häuser am, Quai vor der Admiralität in Petersburg woh-
nen soll. Die Mitgift der Braut soll eine Million Rubel
betragen. Eine der Hauptnrsachen der Verzögerung in dem
Zustandekommen der Parthie war der Wunsch auf jeder
Seite, eine Stipulation für das Verweilen des fürstlichen
Paares während des größeren Theiles des Jahres resp. in
England oder Rußland zu treffen. Daher der Ausgleich,
die Zeit zwischen den beiden Ländern gleichmäßig einzutheilen.
Eine Präeedenzfrage in England soll zu diesem Verzüge
beigetragen haben.
Die Petersburger Regierung denkt nicht daran, den
Feldzug nach Khiwa trotz der gerüchtweise gemeldeten
Auslieferung der russischen Gefangenen zu sistiren.
Es wird unsere Leser überraschen, zu erfahren, daß
selbst weit hinten in der T ü r k e i der Social-Republikanis-
mus, nebst Beimischung von Commuuismus bereits
üppige Blüthen treibt. In Constantinopel existirt eine ganze,
sogenannte "jungtürkis he" Partei, welche den Sultan ab-
schaffen,-Republik und Commuuismus entführen und — was
sehr bezeichnend ist — das Land von allen Einflüssen
der euro'-äischen Civilisation fern halten will! Sehr
praktisch! In der richtigen communistischen Republik darf
es Niemand geben, der klüger wäre, als sein Nebenmann.
Diese Partei verfügt sogar über einige Zeitungen in Con-
stantinopcl. Die Regierung 'wt kurzen Proceß mit ihr ge-
macht, als sie etwas frech sich'an die Oberfläche wagte, und
gemäß türkischer Justiz die Führer derselben nach entfernten
Inseln oder Provinzen verbannt.
Zwei der außerodentlichen Botschafter, welche die
japanesisch e Regierung nach Amerika und Europa ge-
schickt hat, Kido Takajoshi, Mitglied des Staatsratbs und
der Finanzminister Okubo Tossimitsi, sind nach Japan zu-
rückberufen worden. Wie man hört, betragen die Auslagen,
welche die japanesische Botschaft bisher gemacht hat, bereits
doppelt so viel, als die japanesische Regierung angenommen
hatte. Kido Tabajoshi ist Mittwoch in Begleitung zweier
Secretäre auf der Rückreise nach Japan in Berlin einge-
troffen. Die übrigen Botschafter haben sich nach Kopenha-
gen und Stockholm begebeu.
Aus P enang wird unter dem 20. April geschrie-
ben: Die holländischen Streitkräfte haben sich bis zur
Meeresküste zurückgezogen, wo sie sich hinter Pallisaden ver-
schanzt haben, eine Stellung, die sie wahrscheinlich nicht
werden behaupten können, da die Streitkräfte der Ntchinesen
bedeutend sind und die Regenzeit begonnen hat. Die Ver-
luste der Holländer an Todten und Verwundeten werden
auf 500 Mann geschätzt; die der Atchinesen sind nicht be-
kannt, aber sehr bedeutend.
Deutscher Hteichstag.
Berlin, 21. April. (16. Sitzung.) Präsident Dr. Simson er-
öffnet die Sitzung um 1*/r Uhr vor schwach besetztem Hause. (Kaum
80 Abgg. find im Saal; die Tribüne leer; am Bundestisch Delbrück
Stephan, Riedel, von Freidorf u. A.); 20 Mitglieder aus Bayern und
Württemberg depeschiren aus Leipzig, daß sie daselbst den Anschluß
an den Bahnzug in Berlin versäumt.
Der Reichskanzler macht, unter Anlage des betreffenden Protokolls,
Mittheilung über den Beschluß der Kommission zur Erwerbung eines
> geeigneten Bauplatzes zum Bau eines Geschäftshauses für den Reichs-
kanzler und den Reichstag.
Das Haus tritt nunmehr in die T.-O. ein:
Die dritte Lesung des P o r t o t a x g e s e tz e s, zu dem ein
Antrag von Unruh vorliegt, den in zweiter Lesung zu Z. 26 angenom-
menen Zusatz »bei Entfernungen über 10 Meilen" (soll die Versiche-
rungsgebühr erst gezahlt werden) wieder zu streichen. — G. P.
Dir. Stephan freut sich dieses Antrages und bittet um dessen An-
nahme. Abg. Paravicini empfiehlt die Ablehnung. Das Haus
streicht jedoch auf den Antrag v. Unruh jenen Passus und nimmt so-
dann das Gesetz im ganzen unverändert an. — Bevor das Haus zum
2. Gegenstand der T.-O. zweite Lesung des Münzgesetzes übergeht, be-
antragt der Abg. Dr. Buhl mit Rücksicht auf das so spärlich besetzte
Haus, mit Rücksicht auf diejenigen, welche in Leipzig den Zug versäumt
haben, und endlich mit Rücksicht darauf, daß die freie Kommission
über das Münzgesetz noch eine wichtige Vorberathung zu halten habe
— die Sitzung zu vertagen.
Abg. Dr. Bamberger unterstützt diesen Antrag; das Wieder-
natürliche, das der Präsident am 4. April so bezeichnete: „wir können
aber doch nicht mit der zweiten Sitzung anfangen," sei naturge-
mäß und nothwendig geworden; er bitte zu vertagen. —
Tas Haus stimmt zu. —
Der Präsident anberaunck das nächste Plenum auf morgen 12
! Uhr, Tsg.-Ordn.:
2. Lesung des M ü n z g e s e tz e s,
i und schließt die Sitzung um l^ Uhr.
Berlin, den 22. April. In zweiter Lesung des Münzgesetzes
, wird der Antrag Mahls auf Einführung der Doppelwährung mit er-
heblicher Majorität abgelehnt, dagegen die Anträge Bambergers, wo-
nach der Einführungzeitpunkt statt 6 nur 3 Monate vorher bekannt zu
machen ist und Goldfünfmarkstücke auszuprägen, sind angenommen und
endlich der Antrag: Silberfünfmarkstücke daneben aufrecht zu erhalten,
sowie zweieinhalbmarkstücke auszuprägen, abgelehnt. Die Ausprägung
von Silberzweimarkstücken, von Delbrück unv einem Bundesrathscom-
missär bekämpft, wird bei Namensaufruf mit 98 gegen 94 Stimmen
angenommen und statt Halbmark die Annahme der Bezeichnung Fünf-
zig'Pfennigstück beschlossen.
Zur Reform der Gemeinde Ordnung.
II.
Bei der Frage, ob die namhaften Lasten des Gemeindeverbandes:
u. A. Verpflichtung zur Annahme der Gemeindeämter, Betheiligung an
der Feuerwehr, von der kleinen Bürgerzahl fortdauernd getragen wer-
den sollen, mußten neben einer möglichsten Gleichförmigkeit der Gemeinde-
verfassung auch Gemeinde-ökonomische Erwägungen in Betracht gezogen
und bei der nothwendigen Reform der Gemeindebesteuerung berücksich-
tigt werden, allen Steuerpflichtigen eine wirksame Vertretung und Con-
trols bei Feststellung und Prüfung des Gemeindehaushaltes einzuräu-
men. Die bisherige bedeutungslose Vertretung der Staatsbürgerlichen
Einwohner und Ausmärker mußte daher fallen und einer regelmäßigen
Theilnahme dieser Kategorien an dem Gemeindewahlrecht Platz machen.
Von der bisherigen Bürgergemeinde unterscheidet sich die neu einzu-
führende Einwohnergemeinde dadurch, daß sie
u) den Gemeindeverband auf alle Ortseinwohner ausdehnt.
d) die Gemeindeangehörigkeit nicht mehr von der Bewilligung
K d e l i n e.
Novelle von Gottlieb Richter.
(Fortsetzung.)
Droben auf dem Jagdschlösse saß der Forstmeister am Schreibtische.
Im Walde war nichts, gar nichts zu machen. Daniel und Radaman
dressirten Hunde und setzten alle Gewehre in wunderbare Ordnung.
— Jetzt kam der Helle Frost, der Schnee hielt. In den Tiefen der
Wälder wurden die Wölfe lebendig und in gefährlichen Rudeln streiften
die hungrigen Bestien hinein bis in die bewohnte Ebene. Ihr Geheul
klang durchdringend bis hinauf ins Schloß. — Jetzt wurde es wieder
lebendig droben. Tie Zugbrücke senkte sich herab, im raschen, mit Drei-
gespann bespannten Schlitten gings hinein im gestreckten Galopp in
den Wald zur Wolfsjagd.
Aber im Ganzen war der Winter eine langweilige triste Zeit.
Kam der unendlich lange Abend, dann saß der junge Forstmeister wie-
der an seinem Actentische, machte Berechnungen auf neue Pläne. Und
von den Plänen für's gräfliche Revier kam er auf andere Pläne und
von den Plänen auf wunderbare Träumereien und Luftschlößer.
Dann hörte er auf zu rechnen und unbewußt lehnte er sich im
Schreibsessel zurück, seine Augen hafteten auf dem Papiere, wo seine
Rechte mit der Feder etwas kritzelte. Und wenn er dann aufwachte
aus seinem Sinnen, dann hatte die märchenhafte Feder ganz von selbst:
Edeliye geschrieben Er war aber gar nicht böse über die Feder, son-
dern lachte nur über das neckische Geschöpf. Aber bei all diesen Träu-
mereien zog eine Sehnsucht, ein unendliches Heimweh in seine Brust,
daß er mit dem unglücklichen Dichter aus tiefster Seele sagte:
Ein Tannenbaum steht einsam
Im Norden auf kahler Höh,
Ihn schläfert; mit weißer Decke
Umhüllen ihn Eis und Schnee.
Er träumt von einer Palme,
Die fern im Morgenland
Einsam und schweigend trauert
An brennender Felsenwand.
Und als er so saß eines Abends im stillen Zimmer, als hinter
ihm im Sessel der alte Daniel ruhig rauchte und den schlafenden
Tächsel auf dem Schoose hatte, da sprang plötzlich der Forstmeister auf
und rief: „Daniel, alter Bursche, willst Du diesen Sommer mit nach
Deutschland?"
„Gottlob, nun weiß ich, was ihnen am Herzen nagte," erwiderte
der Alte, „ich bin oft ordentlich bange geworden, wenn Sie diesen
Winter so gedankenvoll drein schauten. Ich denke aber, ich bleibe hier,
das Revier zu hüten, bis sie wieder kommen."
„Schön, altes Haus!" rief der junge Mann lustig, „bleib? desto
eher wird mich der Graf beurlauben. Ich aber gehe heim und will
Dir mitbringen, was Tu wünschest."
„Bringen Sie sich nur mit, was Sie wünschen," sagte der alte
Jäger so plötzlich, als sei ihm etwas eingefallen.
„Was soll das heißen, Alter?" fragte argwöhnisch der junge
Mann.
„Eigentlich nichts!" erwiderte der alte Soldat, „ich dachte nur
eben so daran, was man munkelte auf Eichhorst, es ist auch wohl nur
dummes Weibergeschwätz."
Der Forstmeister hatte keine Lust nachzufragen; aber über seinen
Reiseentschluß war er so lustig, daß er Possen machte, wie ein kleiner
Knabe. _
Der Frühling kam mit Sturm und Wetter ins Land. Der Schnee
schwand, der Wa'd ward grün. Der Mai schied, alle Quellen flüster-
ten im Walde, auf allen Halmen nickten Blumen, und auch die zau-
berhafte Rose sah rosigverschämt aus der Knospe. Durch den Wald
zog der Forstmeister hin und her, lustig und fröhlich, die Zeit der Reise
nahte. Und wenn er so am Morgen die Vögel musicierden hörte, dann
summte er vor sich hin:
Leise zieht durch mein Gemüth
Liebliches Geläute,
Klinge, kleines Frühlingslied,
Kling' hinaus ins Weite.
Klinge fort bis an das Haus,
Wo die Veilchen sprießen,
Wenn Du eine Rose schaust,
Sag', ich laß sie grüßen.
Wollte Jemand von der Eisenbahnstation A. nach Forsthaus Eich-
horst, so führt ihn der Weg bei Forsthaus Steinthal und zuvor bei
dem bekannten Dorfe vorbei.
Es war an einem Sonntag-Morgen im Juli als dem Dorfe ein
Wanderer in Forstmannsuniform zueilte.
In der Thür der Gasthauses „zum weisen Roß" stand der Wirth
noch ebenso behäbig wie vor zwei Jahren und bewillkommnete, die
bekannte Zipfelmütze in der Hand, den Gast nnt gewohntem Anstande.
„Guten Morgen, Herr Wirth!" rief Karl, der Wanderer, lustig
und schüttelte dem Würdigen kräftig die Hand. „Kennt Ihr mich noch ?"
„Wer mich einmal beehrt, den vergeß ich nie wieder," erwiderte
höflich der Gefragte. „Vor zwei Jahren um diese Zeit waren Sie hier
mit einem anderen Herrn; hier unter dieser Linde tranken Sie den
Wein."
Richtig, Herr Wirth! Drum bringt mir wieder einen guten
Trunk her."
Der Wirth holte seine beste Sorte und stellte sie vor den Gast
auf den grünen Tisch. —
„Sagt mal, Herr Wirth! wißt ihr noch, was ich euch damals
fragte?"
„Ich denke, Sie fragten nach der jungen Dame oben im Forst»
Haus Steinthal."
„Und da sagtet ihr mir, daß Ihr sie so gern hättet," sagte lachend
der Forstmeister. (Fortsetzung folgt.)