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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

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No. 89 (31. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.63024#0357

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Z7



«0. 89

VII. Jahrgang

Donnerstag, 31. Juli 1873

Erscheint
wöchentlich drei Mat:
Dienstag, Donnerstag
und Samstag.
Alle Postanstalten
und Boten nehmen
Bestellungen an.

oiertelsähri'ch 51 kr.
Inserate:
die viergespaltene
Petitzeile oder deren
Raum 4 kr.,
Earmondzeile 5 kr.

Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annon-en-Bureaux von ÄLasi'usteiu L Jogl'er, Rudolf Wolfe und G. L. Icuöe L Ko., sowie die Süddeutsche Annoncerr-Krpeöitisu
von H. Stöckchardt in Stuttgart, Frankfurt, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg.

Amtsverkündigungsötatt für den Dezirk. SchWetzingen

Die AnÄllge gegen Adele Spitzeder
rend GenoMR,
fForlst-tznug.)
München 14. Jusi.
In ihrem zweiten Theile beschäftigt sich. die Auklage-
schrsit gegen Adele Spitzender mit der nach bereits erfolgter
Zahlungseinstellung unter Beihülfe einzelner ihrer Bedien-
steten erfolgten Beseitigung von Vecmögensbestandtheileu,
und es wird eingehend nachgewiesen, daß nach bereits er-
folgter gerichtlicher Sperrung des Geschäftes im Auf-rage
der Sp'tzeder 100,000 Fl. von ihrer Gesellschafterirr der
Schauspielerin Rosa Ehinger, und mehreren anderen ihrer
Bediensteten beseitigt und verschleppt wurden. Die Ange-
klagte will glauben machen, daß sie den größten Theil der
Summe, 50,000 Fl., der Ehinger, andere Summen dann
ihrem Bedienten I. Nebel und den Eheleuten Pregler rc.
geschenkt Hube.
Im dritten Theile oer Anklageschrift wird erörtert,
daß zur Anschuldigung des Verbrechens des betrügerischen
Bankerotts auch der Nachweis erfordert wird, daß der
Schuldner in der Absicht gehandelt hat, die Gläubiger zu
benachtheiligen; diese Absicht ist überall da vorhanden, wo
der Schuldner, in dem Bewusstsein der bevorstehen-
den oder bereits eingetreteneu Zahlungseinstellung, Hand-
lungen vorgenommen hat, wttche unter die Ziffer l
b>s 4 des A 281 des Strafgesetzbuches fallen, west eben
dann, wenn dieses Bewusstsein vorhanden war, es nicht wohl
denkbar ist, daß eine dieser Einzelhandlnugen vorgenommen
werden tonnte ohne die Absicht, die Gläubiger zu benach-
theiligen.
Daß ein Geschäft wie die „Dachauer Bank" der Adele
Spitzeder nothwendig zu dem tragischen Abschluß der Zah-
lungseinstellung führen müsse, darüber mußte wohl jeder
denkende Mensch, dessen Blick nicht durch Gewinnsucht oder
politische Leidenschaft momentan geblendet war, im Klaren
sein. Denn es gibt kein Gebiet der Speculation, auf wel-
chem es möglich wäre, Gewinne zu erzielen, wie sie erfor-
derlich gewesen, um die ungeheure täglich wachsende Zinsen-
last des Spitzeder'schen Geschäftes, die zu zahlenden Pro-
visionen, die zurückzuzahleuden Capitalieu, die riesigen Sum-
men zu decken, welche der luxuriöse Haushalt der Schtzeder
und ipre maßlose Verschwendung (von der weiter unten ei-
nige Proben folgen werden) verschlangen. Allein von
Erzielung eines Gewinnes war bei der Art der Spitzeder-
schen Geschäftsführung überhaupt Leine Rede. Um Geld-
geschäfte in größerem Maßstabe, Börsenspeculationen, Credit-
Operatwnen u. dergl. zu unternehmen, dazu besaß sie we-
der die erforderlichen technischen tenntnisse, noch die nöthige
Vertrautheit mit den Verhältnissen des Geldmarktes, dessen
war sie sich vollkommen bewußt. Allein sie verschmähte
es, selbst auf bescheidenem Wege Aue etwas höhere Ren-

tabnnät als gewöhnlich sür die ihrer Bant auvertrauten
Gelder auzustreben. Ihr Verfahren in Bezug auf die Ver-
wendung dieser Gelder war im Gegentheil über alle Er-
Wartungen einfach. Was nämlich an Effecten (Slaats-
nnd Jndustriepapieren) und Geld einging, wurde jeden
Abend zusammengenommen und den Speyer'schen Eheleuien
zur Aufbewahrung übergeben. Dor! blieben diese Papiere
in Frieden liegen, bis der Augenblick kam, wo ein Theil
derselben zur Beschaffung von Baargeld für die Auszahlungen
an der Bank versilbert werden mußte. Um die Coursde-
wegungen dieser Papiere in der Zwischenzeit bekümmerte
sich Niemand. Die Möglichkeit eines vortheilhaften Ver-
kauss in Folge des Eimretens günstiger Coursverhüitnisse
wurde gar nicht ins Auge gefaßt; dazu hatte man offenbar
,< gar keine Zeit. Das enigegangene Baargeld wurde sofort
wieder dazu verwendet, um d>e fälligen Zinsen aus früheren
i Capitalien zurückzubezahlen, so wie die Bedürfnisse des
l Haushaltes und des Luxus zu bestreiten. Was hiervon
noch übrig blieb, wurde allenfalls bei einer Bank bis auf
Weiteres verzinslich angelegt. Außerdem erwarb Abele
- Spitzeder einen größeren Jmmobilienbesitz, indem sie nach
uno nach sechszeyn Häuser in München, und e ne Villa in
Feldaffing am Starnberger See ankaufte. Allein sie kaufte
diese Häuser nicht etwa um zu speculiren, d. h. durch einen
günstigeren Wiederverkauf Gew nu zu ziehen, sondern sie
behielt diese Häuser, >v ich- mtt wenigen Ausua.men so-
genannte Zinshäuser wa.en, in ihrem Besitze, weil sie sich
offenbar darin gefiel, in München als Besitzerin so und so
vieler Häuser genannt zu werden, und weil, '.aas wohl die
Hauptsache war, durch ousen Immobiliarbesitz ihrer Credit-
' fühigkeit ein erhöhter Glanz, eine scheinbar unerschütterliche
Grundlage verliehen wurde. Adele Spitzerer lieh zwar auch
Eapitulien gegen Wucherzinsen ans, und — so sehr sie oft
auch Gelb durch Geben von großarugen Geschenken u. bgl.
massenhaft verschleuderte — hier zeigte sie sich in Bezug
ans das Nehmen von Procenten durchaus nicht spr-we.
Allein im Verhältnis; zu der Größe ihres stets im Zu-
nehmen begnffeaen Passiostand^s war das Capital, welches
sie zum Betrieb ihres Ausleihgeschüftes verwendete, winzig
tlttn. Denn nach einer im Garuoerfahren aus den vor-
handenen Actiowechseln gemachten Zusammenstellung betrug
die Gesamnnsumme der Activ-Wechselforderungelt nicht mehr
als 103,683 Fl. Ueberdieß wurde, wie die Spitzeder an-
gibt, das Ausleihgeschäft in letzter Zeit nur wenig oder gar
nicht mehr betrieben.
(Forts, folgt.)
Kus Stadt und Jans.
** SchWötznrgLN, 29. Julu Vergangenen Samstag
ward den diesigen Bewohnern ein ganz unerwartetes Ver-
gnügen zu Theil, nämlich des der Beleuchtung des Heidel-
berger Schlosses. Eine der verschiedenen Burschenverbiu-

dnngen der Universitätsstadt feierte ihren Jahrestag und
l veranstaltete zu diesem Zwecke eine brillante Lchlvßbeleuch-
l tung. Außerdem zeichnete sich die Mockenkur u.:d der Haus-
i acker des Herrn Metz durch prachtvolles Farbenspiel beleuchtet
! aus. Tausende von Menschen hallen sich dabei eingefunden,
! um diese Kunst- und zugleich seltene Naturerscheinung in
l Augenschein zu nehmen. Auch aus unserer Umgegend und
! namentlich von hier waren Hunderte dahingewandert. Die
! Gelegenheit war verlockend, da auf Ansuchen des Vorstandes
l des Vereines für gemeinnützige Zwecke ein Exlrazug nach
! der Beleuchtung van Heidelberg hierher zu fahren bestimmt war.
0 Philippsburg, 27. Juli. Das Jahr 1873
i dürften wir mit Recht ein sehr gewitterreiches nennen, und
- wenn wir den Zeitungsnachrichten Glauben schenken, werden
' wir wohl noch wenige dergleichen erlebt haben. Fast vergeht
kein Tag, an dem nicht nach einer — man möchte sagen
tropischen Hitze -- sich am Horizont schwarze Wolken,
zusammenziehen, und das Anürohen eines Gewitters ver-
kündigen. So ist auch in der Nacht vom letzten Samstag
auf Sonntag und zwar gegen Anbruch des Tages am
westlichen Himmel em imches aufgestiegen, das so mächtig
gewesen, daß viele Bewohner aus dem Schlafe geweckt
wurden. Blitz und Schlag folg.en in sehr raschem Tempo
aufeinander; kurze Pausen konnten nur stausinden, so daß
man sich der Ueberzeugung hiugebeu durfte, es müsse, wenn
i nicht hier, so doch irgendwo anders eingeschtagen haben,
i Gegen vier Uhr war dasselbe schon in östlicher Richtung
! über die Stadt weggezogen; es v.clor an Mach! und plötz-
lich herrschte eine feierliche Morgenstille in oer ganzen Natur.
Gleichzeitig mit deut allmähligen Nachlassen dieser Natur-
erscheinung Haire der ausmerksame Beooachler Gelegenheit,
das stets lichter werdende Morgeuroth, welches die baldige
i Ankunft der Sonne verkündet, am östlichen Himm l zu
, sehen. Das Ganze gewährte e'.nen prächtigen Anblick, wie
das feuerige Roth beim Verschwinden der Nacht -und Er-
bleichen des Tages immer stärker und stärker Helle wurde,
bis endlich majestätisch mit neuer Pracht die Sonne hervor-
trat. Im Verlaufe des Tages verbreitete sich die Kunde von
dem Einschlagen dieses mächtigen Gewitters, das sich in
Germersheim ereignet haben soll, wobei leider drei Menschen-
leben das Opfer gewesen sein sollen. Diese wollien nämlich,
da sie das Herannahen des Gewitters bemerkten, ihre auf
dem Felde befindliche Frucht, welche Tags zuvor gebunden
worden, in der Eile noch einheimfeu. Das Pferd soll eben-
! falls vom Blitze getroffen worden sein, was zur Folge hatte,
, daß es todt zu Boden stürzte.
l Schwetzingen, 30. Juli. In der aal Dienstag,
den 5. August, Vormittags 9 Uhr beginnenden Bezirks-
rathssitzung kommen zur Verhandlung: I.Oeffent-
i l i ch e S i tz u n g. l Gesuch des Bürgermeisters .c.artin
s Keiibach von Ketsch, um Erlaubnis; zur Errichtung einer
Feldbacksteinbrennersi auf einem ihm eigen gehörenden Gru d-

Barou und Schauspieler.
Novell e.
' von I. Krüge r.
Viertes Kapitel.
Ein Besuch aus der Fremde.
(Fortsetzung.)
Es war an einem heiteren Frühlingstage, als Baron
von Feruau in ziemlich früher Morgenstunde das Schloß
versieg, um sich in das nahe, sein Gut umgrenzende Gehö'z
zu begeben, wo mehrere Arbeiter beschüfti t waren, an einem
Platze, den Feruau vorzugswckse liebte, weil er recht still
und heimlich gelegen, einen kleinen Pavilon zu erbauen.
Dort wollte er zuweilen Mittagsruhe halten und sich mit
der Lekiüre guter deutscher Dichter beschäftigen, von denen
nur die dramatischen ausgeschlossen waren, denn so sehr,
wie er einst die Bühne geliebt, so sehr haßte er sie jetzt,
oder wähnte wenigstens, sie zu hassen.
Langsam eine prächtige Kastanienallee hinunterschreitenü,
die von der Schloßpsorte aus nach dem Wäldchen führte,
wurde sein Blick durch zwei Personen angezogen, die in ge-
rader Richtung auf ihn zuschrttten.
Es waren ein ältticher Mann und ein offenbar noch
sihr junges Mädchen, deren Kleidung auf nichts weniger
als aus einen vornehmen Stand und Reichthum
deutete, aber auch nicht so ärmlich war, daß man sie sür
Personen halten konnte, die mit der äußersten Noth des Da-

seins zu kämpfen hätten. Das Hauptkleidungsstück des alten j
Herrn bestand in einem schon etwas abgeschabten vwletfar-
bigcn und mit Gchnüren besetzten Sammetrock, der, da er i
, ihm noch nicht bis zu den Knieen hinabreichte, ein paar-
mächtig weite Sommerkleider voll gestreiftem Zeuge blos
ließ. Auf seinem Kopfe trug er ein schwarzes Sammet- i
baret, unter dein sich nur wenige graue Haare hervorstahlen.
Seine Hände waren mit weißen baumwollenen Handschuhen
geschmückt. Im Ganzen hatte er das Aussehen eines rei-
senden Gauklers, der auf Jahrmärkten seine Künste im Freien
zu prvducnen pflegt,
Das junge Mädchen war weniger phantastisch gekleidet,
denn ihr zarter, schlanker Wuchs war von einem braunen
Merinokleide umhüllt und ein leichtes Strohhütchcn saß zier-
lich auf dem blonden Lockenköpfchen. Während der Gang
ihres Begleiters schon auf das herannahende Kreisenalter
deutete, schritt sie mit dem elastischen Gange der Jugend die
Allee herab.
„Was Henker," murmelte der Baron, „was sind das
sür Leute? Haben die etwa meinem Schlosse einem Besuch
zugedacht?"
Indessen waren beide ipm ganz nahe gekommen. Aber
i sie schritten nicht an ihm vorüber; sie traten auf ihn zu.
Zu feinem Erstaunen sah Herr von Feruau den Alten
plötzlich seine Arme gegen ihn ausbreiten. Diese Geberde
war von dem Rufe begleitet:
„Beim großen Schiller und Kotzebue! Ich täusche mich
nicht! Sie sind es, Herr von Feruau! Seit zwanzig

Jahren sah mein Auge sie nicht und doch habe ich sie auf
den ersten Blick wieder erkannt. Schwager, rheucer, hoch-
verehrter Schwager! In meine Arme, an meine Brust!
Feiern wir das frohe Fest des Wiedersehens umerm blauen
Himmel und im Glanze der Morgensonne, mit einer brüder-
lichen Umarmung!"
Herr von Feruau wurde vor Schreck blaß.
„Feldmann," stammelte er „Sie — Sw find es?"
Der Alte nickte.
„Ja, ich und mem Töchterchen Minna. Ww wollen
ihnen das Vergnügen unseres Besuches auf mehrere Tage
und Wochen schenken. Doch davon späur. Erst der Will-
kommenskuß von mir und meiner Tochter."
Ehe Fernem es sich versah, hingen Vater und Tochter
au feinen! Halse und bedeckten seine Backen mit den zärt-
lichsten Küssen.
Nur mit einiger Anstrengung entzog der Baron sich
dieser stürmischen Liebkosung. Er hätte eher des Himmels
Einsturz vermachet, als seinem Schwager Tobias Feldmann,
von dem er, seit er selbst sein Theater quittirt, nie wieder
etwas vernommen, hier in der Nähe seines Hauses zu be-
gegnen,
Er überlegte rasch, was zu thun sei. Hatte der Tod
auch das veriMndtschaftliche Band zwischen ihm und Feld-
mann für immer gelöst, er fühlte doch eine Ar! von Thett-
nahme für ihn in sich erwachen. Er betrachtete die dürf-
tigen Kleider des ulten Mannes. Es war nicht zu bezwei-
feln, daß derselbe mit dem jungen hübschen Mädchen, das
 
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