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Bezirk Schwetzingen [Editor]; Amtsbezirk Philippsburg [Editor]
Schwetzinger Wochenblatt: Amts-Verkündigungsblatt für den Bezirk Schwetzingen ; badische Hopfenzeitung (7) — 1873

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No. 134 (15. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.63024#0537

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wöchentlich drei Mal:
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IlhwchiMr Wochenblatt
Amtsverkündigungsblatt für den Jezirk Schwetzingen.
Kadischc H o p s e n z e i t u n g.

Preis
vierteljährlich 51 kr.
Inserat
die viergespaltene
Petitzeile oder deren
Raum 4 Er.,
Garmondzeile 5 kr.

Allgemeiner Anzeiger für die badische und bayerische Rheinpfalz.

Uv. 134. Samstag, 15. November 1873. VH. Jahrgang.

Inserate von Auswärts nehmen für uns auch entgegen die Annoncen-Bureaux von Saasenstein L Wogker, Rudolf Woffe und K. L. Jauöe L Go., sowie die Süddeutsche Annoncen-Grpedition
von G. Stöchhardt in Stuttgart, Frankfurt, Berlin, Leipzig, München, Wien, Zürich, Basel und Straßburg.

Pwcch DaKine. " "
Versailles, 21. Oktober.
Dreizehnter Werhandkungstag.
Präs.: Einer der Richter wünscht zn wissen, ob man,
selbst wenn es am 17. gelungen wäre, den Feind zurückzu-
werfen, nicht Gefahr gelaufen hätte, am 18. auf dem Wei-
lermarsch in der Flanke gefaßt zu werdend
Zeuge: Das kommt darauf an. Hätte man den
Feind in die Mosel geworfen, so wäre freilich der Erfolg
ein vollständiger gewesen: sonst hätte man aber leicht am
18. wieder angegriffen werden können.
Es erfolgt noch eine militärische Diskussion zwischen
dem Zeugen, dem Präsidenten und dem Angeklagten über
gewisse militärische Stellungen vom 18.
Bazaine weist eine Depesche Canroberts vor, die etwas
widerspruchsvollen Inhalts ist, indem bald von einer voll-
kommenen Verwirrung des Feindes, bald wieder von einem
mächtigen Vordringen der Bayern gesprochen wird.
Canrobert entgegnet, seine Informationen hätten eben
widersprechend gelautet. Ueber die Stunde des Empfangs
dieser Depesche entspinnt sich eine neue Diskussion und Can-
robert bemerkt noch, er hätte am 16. das Feld behauptet,
da er seine Todten selbst begraben hätte, was nach einem
Ausspruche Mentschikoffs (wenn wir recht verstanden haben)
das Criterium des Sieges sei. Weitere Erörterungen ver-
anlassen den Aufruf des
Zeugen Marschall Leboeuf, der diesmal über seine
Operationen zwischen dem 13. und 19., und namentlich
über die Schlacht von Saint-Privat aussagt.
Präs.: Sie haben den Kaiser am 14. Abends und
am 15. Morgens gesehen. Sprach er Ihnen von Befeh-
len, welche er an Bazaine erlassen hätte?
Zeuge: Nein. Ich war wohl überzeugt, daß der
Baiser den Marsch nach Verdun im Auge hatte; aber er
hatte dem Marschall nicht davon gesprochen.
Präs.: Glauben Sie, daß man am 17. Mars la
Tours und Vionville hätte wiedernehmen könnend
Zeuge: Wenn mau in seinem Kabinet sitzt und die
Karte vor sich hat, ist über eine solche Frage leichter abzu-
sprechen, als im Felde. Ich möchte sie also nur unter
allem Vorbehalt beantworten: Ich habe am 17. dem Mar-
schall gemeldet, daß wir bereit wären, wieder auf den Feind
zu marschiren. Zwar hatte ich erfahren, daß der Feind
durch eine starke Artillerie gedeckt war; aber ich meinte,
daß man einen neuen Angriff versuchen könnte. Indessen
der Marschall wußte ohne Zweifel mehr als ich, daß wir
den Feind an der Maas wiederfinden nnd von ihm im
Rücken und in der Flanke angegriffen werden würden.
Lachaud: Haben Sie nicht am 17. Abends dem Mar-

schall Bazaine melden lassen, daß es Ihnen an Lebensmit-
teln fehlte d
Zeuge: Das ist wahr.
General Ladmirault, 65 Jahre alt, aber von viel jün-
gerem Aussehen, eine imposante Erscheinung mit trockenem,
knaspem gebieterischem Vortrag, berichtet über die Schlacht
bei Borny, an der er einen hervorragenden Antheil genom-
men. Er rühmt namentlich die Haltung der Cavallerie u.
in dieser wieder die der Garde-Dragoner, die 2000 Mann
verloren. Am 16. war es scin Corps, welches der preuß.
Division des General von Wedell schweren Schaden zusügte;
dieser selbst wurde getödtet. Zeuge sagt, er hätte seinen
Vortheil aus Mangel an Verstärkung nicht weiter verfolgen
können. Er berichtet weiter über die Schlacht vom 18.,
wo das 6. Corps ihn in seinem Rückzug mit fortgerissen
hätte; der Feind habe aber nicht gewagt, die von ihm auf-
gegebenen Stellungen zu besetzen.
Präs.: Haben Sie nicht am 16. Ihre Soldaten die
Tornister ablegen lassend
Zeuge: Allerdings, die Truppen hatten 28 Kilometer
zurückgelegt und waren sehr ermüdet. Da überdies der
Feind unfern rechten Flügel umgehen wollte, hatten wir die
größte Eile und so geschah es, daß die Division Grenier
ihr Tornister abwarf.
Präs.: Konnte die Armee nach der Schlacht von
Borny am 15. den Marsch nach Verdun fortsetzen d
Zeuge: Die Straße war zu überfüllt; ich selbst
konnte nicht nach Rozereulles kommen, wo am 15. mein
Hauptquartier sein sollte.
Präs.: Hätten Sie am 17. Mars la Tour wieder
nehmen könnend
Ich weiß es nicht, ob es mir gelungen wäre, aber ich
für meinen Theil hätte es versucht. Hätten wir gesiegt, so
hätten wir vielleicht gar nicht nöthig gehabt, den Marsch
nach Verdun fortzusetzen und Alles hätte vielleicht eine neue
Wendung genommen.
Präs.: Wäre es am 19. möglich gewesen, Saint-
Privat wieder zu besetzen d
Zeuge: Ja, bis neun Uhr Morgens schien es vom
Feinde nicht besetzt zu sein.
Präs.: Wann kam die Ordre für die weitere Bewe-
gung des 5. Corps zu Ihrer Kenntniß d
Zeuge: Während der Nacht.
Präs.: Erblickten Sie in dieser Ordre ein Aufgeben
des Plateaus und der Straße nach Briey d
Zeuge: Das lag allerdings uothwendig darin.
General Bourbaki, 57 Jahre alt, mit schroffem Auf-
treten, nahm an der Schlacht von Borny keinen direkten
Antheil, berichtet aber über seine Aktion bei Gravelotte und
Saint-Privat. Am 14. und 16. hätte Bazaine unvergleich-
lichen Muth entwickelt, seine Grenadiere empfingen zu seinem

Bedauern niemals die Weisung, Canrobert zu Hülfe zu
kommen und er hätte aus eigener Initiative nicht die Re-
serve in die Schanze schlagen wollen.
Reg.-Comm. Pourcet. Hatten Sie nicht am 18. Mor-
gens den Oberst Dauvergne in's Hauptquartier geschickt, um
Erkundigungen einzuziehen d
Zeuge: Ja wohl, aber der General Jarras sagte
ihm, er hätte ihm nichts mitzutheilen.
General Pourcet: In welchem Moment bekamen Sie
den Befehl, Ihre Lager vom 18. wieder zu beziehend
Wir haben dazu, so viel ich mich erinnere, gar keinen
Befehl erhalten.
(Fortsetzung folgt.)

Rundschau.
Die nunmehr zur Thatsache gewordenen Veränderungen
im preußischen Ministerium sind schon seit einiger Zeit
in der in- und ausländischen Presse erörtert worden, na-
mentlich bildete die Wiederübernahme des Präsidiums im
preußischen Ministerrathe durch den Fürsten Bismarck den
Gegenstand öfterer Betrachtungen. Die in Wien erscheinende
„Deutsche Zeitung" äußerte sich in Bezug hierauf folgender-
maßen : „Mit Freude und höchster Befriedigung sieht man
in Preußen und Deutschland dieser Veränderung entgegen.
Man erblickt in ihr dis Garantie, daß jenes großartige
Programm, welches Kaiser Wilhelm in seinem Briefe an
den Papst aufgestellt hat, nun unaufhaltsam zur Ausfüh-
rung kommen soll. In der Hand Bismarcks sieht man
voll Ruhe das Ruder der Geschicke Deutschlands und Preu-
ßens. Er hat Lurch seine Titanenkraft aus dem zersplitter-
ten und uneinigen Deutschland in einem Zeitraum von 10
Jahren die erste Macht Europa's geschaffen. Er hat die
hohe Kulturaufgabe des deutschen Volkes, an der Spitze der
Nationen für die Geisterbefreiung der Völker zu kämpfen,
mit kühnem Geiste erfaßt. Er hat mehr als irgend ein
Staatsmann für die Macht, den materiellen und geistigen
Fortschritt seiner Völker gewirkt und weit üoer die Grenzen
seines engeren Wirkungskreises hinaus einen bestimmenden
Einfluß auf die politische Gestaltung Europas und dessen
geistige Kämpfe geübt. Mit dem Scharfsinn eines Richelieu
und der Thatkraft eines Pitt vereinigt sich in ihm die re-
formatorische Energie eines Luther. So wird Bismarck auch
in dem geistigen Kampfe wie bisher auf dem politischen
Gebiete siegen."
In Berliner finanziellen Kreisen schwirren
wild? Pläne von Vorschlägen zur Abwendung der drohen-
den, durch die kürzlichen New-Yorker Ereignisse bes hleunig-
ten Handelskrisis. Dieselben gehen auf nichts weniger hin-
aus, als einen Theil des großen, im Besitze der hiesigen
Negierung befindlichen Geldoorraths der Handelswelt zu-

Sie Zigeunerin.
Novelle
von Fanny Klink.
(Fortsetzung.)
Sie blieb bei der verwittweten Gräfin von Cölestin
in der Residenz zurück. Leon aber fühlte sich in Braun-
fels wohler als seit langer Zeit. Sein Aeußeres war alt
und grämlich, aber sein Herz noch jung in der Liebe zu der,
die er nie als seine Braut zu betrachten aufgehört hatte.
Niemals versäumte er die Pflicht seiner Gattin gegenüber,
sogar die Erinnerung an jene Zeit, wo er mit Zendale im
Walde selige Stunden verlebte, hatte er, so lange er in der
Nähe seiner Gattin verweilte, aus seinem Herzen verbannt.
Jetzt freilich, wo sie selbst cs gewesen, die ihm eine Tren-
nung angeboten hatte, jetzt, wo er tagelang auf seinem ein-
samen Zimmer saß, konnte er ihnen nicht mehr Einhalt
thun. Wie eine brausende Fluth stürzten sie auf ihn ein
und drohten ihn zu ersticken. Vergebens war es, daß er
dagegen ankämpfte, sie kehrten immer und immer wieder
zu ihm zurück und jeden Morgen war Zendale sein erster
Gedanke und des Abends der letzte. Dann wieder tauchte
die Erinnerung an des Vaters Verbrechen und den Schwur,
den er ihm geleistet, in ihm auf.
Bisweilen auch nahm ein finsterer Argwohn, den seine

Mutter in seine Seele gestreut hatte, von ihm Besitz, daß
Zendale diejenige gewesen, welche die kleine Franziska ge-
raubt und fortgetragen hatte.
„O, nur das nicht," murmelte er dann dumpf, „nie-
mals ! Eine solche Thal von Zendale wäre mein Tod!"
Heute war wieder ein solch' entsetzlicher Abend für
Leon gewesen. Finster vor sich hinstarrend, saß er am
Abend desselben Tages in dem großen unfreundlichen Ge-
mache seines Hauses. Das Feuer warf sein flackerndes
Licht gespenstisch umher und auf Leon's bleiches Gesicht.
Draußen heulte der Wind und peitschte den Regen gegen
die Fenster, daß Leon erschrocken zusammenfuhr.
Leon wünschte fast, daß ihn Jemand in seinen Träu-
mereien stören möchte, nnd doch hatte er keinen Muth und
keine Lust, einen Diener zu rufen, der Licht brächte und
das Feuer Heller anfachte.
Endlich wurde die Thür des Gemaches geöffnet; Leon
sah fast erschrocken empor und starrte auf eine eintrcteude
Fraucngestalt. Er erhob sich von seinem Sitze:
„Was willst dud" redete er die Eingetretene hart an.
Die Gestalt verschloß die Thür fest und winkte Leon
gebieterisch zu sich heran.
Unwillkürlich folgte er der Aufforderung.
„Sind wir allein, mein Herr?" fragte sie, sich scheu
umsehend.
„Ganz allein!" war die erstaunte Antwort.
„Sie sprechen hoffentlich die Wahrheit, mein Herr, im
andern Falle würde es ihr eigenes Unglück sein."

Leon vermochte ein unheimliches Gefühl nicht zu unter-
drücken ; das unverhoffte Eintreten, die phantastisch geklei-
dete Gestalt, die sonderbare, fast befehlende Sprache, die sie
ihm gegenüber führte, Alles war ihm so fremd, daß er
einen Augenblick im Zweifel war, ob er nicht seinen Diener
rufen sollte. Die Frau schien seine Absicht zu merken.
„Zendale!" flüsterte sie kaum hörbar, aber Leon hatte
es vernommen; er hatte den Namen aus einem fremden
Munde vernommen.
„Was weißt du von ihr d" rief er aus, indem er auf
die Frau zueilte und sie in die Nähe des Kamins zog, um
beim Scheine des Feuers ihre Züge zn erforschen. „Aus
Barmherzigkeit — sprich!"
„Ruhig!" entgegnete die Frau, sich auf einen Stuhl
niederlassend. „Ich werde ihnen von ihr erzählen; ich
komme von ihr.
Ein Freudenschrei brach sich von Leon's Lippen und
mit Entsetzen erkannte Fiora, denn diese war es, daß sie
zu viel gesagt, daß sie sich gänzlich in Leon getäuscht hatte.
„Ja, ich komme von ihr, wenigstens in ihrem Auf-
trage — hoffen sie nichts!"
Leon bedeckte sein Gesicht mit beiden Händen.
„So hat sie ihr Wort gebrochen," murmelte er dumpf.
„Sie hat einen andern Mann geheirathet d"
„Zendale hat nie ihr Wort gebrochen," sagte Fiora
ernst. „Ihnen das zu sagen, komme ich fern aus dem
Süden Spaniens nach Deutschland."
(Fortsetzung folgt.)
 
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